Die Oligarchen kommen – Günther Moewes
2004 habe ich in meinem Buch „Geld oder Leben“ zweierlei darzustellen versucht: Wie und warum ein Finanzcrash unausweichlich war und weiter ist. Und warum der Spätkapitalismus ebenso
unausweichlich in eine Plutokratie, eine Oligarchenherrschaft münden muss, und diese wiederum in die Mafia. Damals wurde das als Schwarzmalerei und „Kulturpessimismus“ belächelt
oder ignoriert. Inzwischen hat die Realität meine Voraussagen weit überholt. Inzwischen besitzen die weltweit 85 reichsten Oligarchen so viel wie die halbe Menschheit und 1 % der Menschheit
(70 Mio.) besitzt die Hälfte des Weltvermögens. Sogenannte „OECD-Experten“ glauben zwar, in Deutschland seien die Verhältnisse günstiger, weil die einkommensstärksten 10 % der Bevölkerung
nur 6,7 mal so viel verdienen wie die einkommensschwächsten 10 % (OECD-Durchschnitt 9,5 mal so viel).
Aber das ist aus zwei Gründen falsch: Erstens wird die Ungleichverteilung nicht von den Einkommen bestimmt, sondern von den Vermögen. Und zweitens spielt sich die Ungleichverteilung
nicht zwischen den oberen und unteren 10 Prozent ab, sondern zwischen den obersten 1 Promille der Oligarchen und den übrigen 99,9 % der Bevölkerung. Die Vermögen dieser 1 Promille
haben sich seit etwa 1980 real verdoppelt. Und der US-Verteilungsforscher Paul Krugman schätzt, dass in den USA bereits ein Drittel der 50 größten Vermögen nicht erarbeitet, sondern
ererbt wurde und das zweite Drittel in den nächsten 20 Jahren vererbt werden wird.[New York Times, 4. 4. 2014] Ausführlich wurde die weltweite Ungleichverteilung von mir in der Ausgabe 2–2014 der „Humanen Wirtschaft“
dargestellt. Am gleichen Tag, als diese Ausgabe erschien, wurde auch die neueste Vermögensuntersuchung des DIW veröffentlicht. Sie zeigt, dass meine Zahlen über Armut und Reichtum noch
zu niedrig gegriffen waren. Inzwischen beschränken sich die Oligarchen nicht mehr darauf, im Geheimen auf den Finanzmärkten zu operieren und ihre meist leistungslos erwirtschafteten
privaten Milliarden diskret zu genießen. Sie beschränken sich auch nicht mehr darauf, ihre Direktiven in Davos, auf der Münchner Sicherheitskonferenz, über Troikas, Stiftungen und Thinktanks unmissverständlich
an die Politik weiterzugeben. Oder in Caracas, Bangkok Kairo, Tunis oder Kiew die angeblichen Mittelschichtrevolten gegen gewählte Regierungen anzuzetteln. Mehr und
mehr steigen die Oligarchen, wie in den USA, Italien, Österreich oder jetzt in der Ukraine und der Slowakei ganz persönlich in die Politik ein. In Saudi-Arabien, den Emiraten und Brunei war
das ja schon immer so. Die West-Oligarchen und ihre Hausmedien versuchen auch, die Ost-Oligarchen (oder, wie DER SPIEGEL schrieb: „die russische Finanzelite“) gegen den „unbequemen Putin“
aufzuwiegeln, offensichtlich koordiniert, wie das plötzliche, zeitgleiche Auftauchen neuer Begriffsbildungen zeigt („Russlandversteher“, „Putinversteher“). Westliche Medien beschränken
den Begriff „Oligarchen“ auch gern auf Ostmilliardäre. Nachdem diese in der Ukraine ungewählt als „kommissarische“ Provinzfürsten eingesetzt wurden, machte ihnen der deutsche Außenminister flugs seine Aufwartung.
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