Die Fünf-Prozent-Hürde pervertiert den Wählerwillen – Ferdinand Knauß
Noch nie hat der Bundestag so wenige Wähler repräsentiert wie der jetzt gewählte. Die Fünf-Prozent-Hürde hat ein Ergebnis produziert, das der politischen Kultur schadet. Sie muss endlich gesenkt werden.
Die Bundestagswahlen 2013 waren aus ästhetischer Perspektive ein Tiefpunkt in der bundesrepublikanischen Geschichte. Abgeschmackter
noch als die von jeder politischen Aussage befreiten Wahlplakate und die Sprechblasen beim so genannten Fernsehduell, über die schon vor dem 22. September viel geklagt wurde, war die Reaktion der Partei, die sich als der große Gewinner interpretiert. Wenn Angela Merkel und andere Spitzenpolitiker wie Volker Kauder und Hermann Gröhe in der Wahlnacht vor laufenden Kameras herumwippen wie der Vorstand eines Karnevalsvereins und „An Tagen wie diesen“ von den „Toten Hosen“ grölen, wenn also Parteien das Ergebnis von Wahlen feiern wie den Gewinn einer Fußballmeisterschaft, beschädigt das die Würde dieses zentralen Aktes der Souveränität des Volkes.
Doch nicht nur die äußere Form, in der sich die Freude der Unionsparteien äußerte, sondern auch deren von den meisten Journalisten übernommene Interpretation eines angeblich klaren Auftrages für Merkel weiterzuregieren, war bei genauerer Betrachtung befremdlich. Denn die Frage, ob eine absolute Mehrheit der Wähler – geschweige denn der Wahlberechtigten – weiter von Merkel und der amtierenden Koalition regiert werden möchte, lässt sich doch ganz eindeutig beantworten: Nein! Nur die Wähler von CDU/CSU (41,5 %) und FDP (4,8 %), also insgesamt 46,3 Prozent, wünschten sich eine Fortsetzung der Merkelschen Kanzlerschaft. Alle anderen wollten das ganz offensichtlich lieber nicht. In Wahrheit verdankt Merkel ihre bevorstehenden weiteren Regierungsjahre nicht dem Wählervotum, sondern allein der Koalitionsunfähigkeit der Linken. Fünf-Prozent-Hürde verzerrt das Wahlresultat Das wirklich Besorgniserregende an dieser Wahl, oder genauer: an dem Parlament, das aus ihr hervorgeht, ist: Nie seit 1949 hat ein deutscher Bundestag einen so geringen Teil der Wahlberechtigten
repräsentiert wie der, der sich am 22. Oktober in Berlin konstituiert. Durch das knappe Scheitern der FDP und der neu gegründeten Alternative für Deutschland (4,7 %) sowie die 2,2 % der Piraten und die 1,3 % der NPD ist der Anteil der nicht im Bundestag vertretenen Wähler mit insgesamt rund 15,8 % so hoch wie nie zuvor in der deutschen Parlamentsgeschichte. Die den Wählerwillen verzerrende Wirkung der Fünf-Prozent-Hürde war in vorhergegangenen Wahlen längst nicht so stark, weil in der Regel keine oder allenfalls eine Partei knapp scheiterte – zum Beispiel 1969 die NPD (4,3 %) oder 1990 die Grünen im Westen (4,8 %). Meist erreichten alle „sonstigen“ Parteien zusammen weniger als 5 %. Die Verzerrung des Wahlresultats ist bedenklich: Mit zusammen nur 42,7 % der Stimmen haben SPD, Grüne und Linke im Bundestag eine rechnerische Mehrheit von 320 von 631 Bundestagssitzen. An den Wahlurnen dagegen war ein zumindest nach herkömmlichem Schema klares Bild des Wählerwillens erkennbar: Die Deutschen haben zu rund 51 Prozent bürgerlich-liberal gewählt, wenn man zu den Stimmen der Unionsparteien und der FDP noch die „Alternative für Deutschland“ hinzuzählt. Doch für den Bundestag und die nächsten vier Jahre im politischen Berlin spielt dieser Wählerwille keine Rolle. Ganz konkret bedeutet das zum Beispiel: Obwohl die Deutschen
die Steuererhöherparteien abgewählt haben, werden sie wohl demnächst Staatskasse gebeten.
Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude
Zum Gedenken an den Jahrhundertökonomen John Maynard Keynes, der vor 130 Jahren, am 5. 6. 1883, in Cambridge das Licht der Welt erblickte.
Ein Teil der Zukunft
ist schon Gegenwart
„Ich glaube, daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.“ Heute sind die Befürworter von Geld- und Bodenreform aus der Gesell-Schule Träger dieser Botschaft. Was bedeutet dies für die Kommentierung und Verortung der heutigen Situation mit Staatsschuldenkrise, Immobilienkrise, Bankenkrise, Eurokrise? – Die Euro- und die Bankenrettung werden uns noch länger beschäftigen. Die Erscheinungen dieser Krise sind aber der Stoff, aus dem auch freiwirtschaftliche Blütenträume gewirkt sind. Die real existierende Ökonomie verweist vergleichbar dem Philosophen Ernst Bloch in seinem „Prinzip Hoffnung“ im Gegenwärtigen auf das für Zukünftiges Angelegte und Intendierte.
Gewiss, wir waren schon einmal weiter. Für eine kurze Zeitspanne, vielleicht für ein historisches Zeitfenster, schien der Weg der Notenbanken in einen Negativzins geöffnet, als Mankiw und Buiter die Nullzinsschranke mit einem Negativzins nach unten durchbrechen wollten und sich dabei auch auf Gesell bezogen. Notenbankpolitik und politische Krisenbewältiger sind vorerst einen anderen Weg gegangen. Und doch geben uns die Krise und ihre Bewältigung Fingerzeige und Interpretationshilfe für freiwirtschaftliche Lösungs- und Vermittlungsansätze.
Wie wirken niedrige oder gar in der Nähe von Null verlaufende (Haben-)Zinsen? Wenn Anhänger der Geldreformbewegung diese postulieren, so sind sie in der Vergangenheit vielleicht auf Unverständnis gestoßen. Jetzt können sie darauf verweisen, dass die Realität die Utopie eingeholt hat. Auch können sie vorurteilsfrei die sich einstellenden Probleme anschauen und gegebenenfalls entschärfen. Dafür können wir auch dankbar sein, weil eine freiwirtschaftliche Zukunft dann ohne die spätere Last der Widerlegung von Gegenargumenten bereits jetzt argumentativ entwickelt werden kann. Es ist leicht und billig zu behaupten, man habe immer schon das Krisenhafte der Entwicklung vorhergesagt und gewusst, selbst wenn diese Feststellung richtig ist. Dies haben die Marxisten auch stets betont und doch gefehlt in ihrer Lösung. Wir müssen im Jetzt für ein behutsames Verständnis werben, dass hohe Renditen in der Gegenwart und Zukunft nicht, oder nur gegen exorbitante Risiken zu haben sind.
Der Habenzins beläuft sich etwas über oder um null Prozent. Für Anleger – auch Lebensversicherungen – mit weiter zurückliegendem Zinsgedächtnis erscheint dies wie eine Katastrophe für ihre Geldanlage. Und angesichts einer, wenn auch mäßigen Inflationsrate bedeutet dies eine negative Realverzinsung auf das eingesetzte Geldkapital. Der Rückblick auf vermeintlich goldene Zeiten bezüglich der Nominal- und Realverzinsung geht in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück, als die Inflationsraten hoch und akzelerierend waren und keineswegs feststand, dass wenig später mittels einer restriktiven Geldpolitik die Inflationserwartungen gebrochen wurden mit den Folgen von Arbeitslosigkeit, Unternehmenskonkursen und Wachstumsschwäche.
Zurückblickend scheuten viele Anleger in der jüngsten Vergangenheit eine langfristige Anlage wegen der niedrigen Zinsen und flüchteten in die kurzfristige Anlage, die Liquidität (dieser Aspekt wird insbesondere von Eckhard Behrens vom Seminar für freiheitliche Ordnung betont). Hier bewahrheitet sich, was Freiwirte und Keynesianer, Silvio Gesell und John Maynard Keynes herausgearbeitet haben: Unterschreitet der Zins eine gewisse Untergrenze, stellt sich das Geld nicht zur Anlage ein. Das Rezept dagegen ist die Geldumlaufsicherung durch einen Umlaufsantrieb, Schwung oder Schwund oder eine Geldsteuer, wie immer man dies auch benennen mag.
Der sozialdemokratische Spitzenkandidat im hessischen Landtagswahlkampf 2009 Thorsten Schäfer-Gümbel hatte die Idee einer Zwangsanleihe bei Vermögenden für den Staat. Jeder mit einem Vermögen über 750.000 € sollte 2 % hiervon für 15 Jahre dem Staat zu 2,5 % Zinsen zur Verfügung stellen. In meinem Beitrag „Zwangsanleihe für Reiche? – Nein Danke“ habe ich dagegengehalten: „Warum sollte der Staat ausgerechnet dieser Klientel einen Zins und eine Rendite von 2,5 % auf 15 Jahre garantieren?“ Ich habe dann weitere Zinssenkungen vorausgesehen, die ja auch tatsächlich eingetreten sind.
Komm auf den Punkt! – Roland Spinola
Stellen Sie sich folgende Situation vor: In einer Unterhaltung sagt jemand „Sie haben sich doch mit Komplementärwährungen beschäftigt – worum geht es da eigentlich?“ Das ist Ihre Chance! Wenn Sie jetzt kurz und klar darstellen können, worum es geht, kann das der Beginn einer interessanten Diskussion werden!
Wie viel Zeit haben Sie? Eine Minute, vielleicht zwei, wenn Ihr Gegenüber interessiert ist! Und wie oft passiert es Ihnen, dass Sie ich verhaspeln, versprechen, vom Hölzchen zum Stöckchen kommen und schließlich merken, dass das Interesse ihres Zuhörers – oder sind es gar mehrere? – langsam nachlässt. Ein paar höfliche Bemerkungen – dann wendet man sich anderen Themen zu.
Mein Kollege Wolfgang Enßlin beschreibt eine Variante, die wohl jedem von uns schon passiert ist – sei es als Opfer oder als Täter: „Sie wollen Ihrem Gegenüber eine faszinierende Idee oder einen wichtigen Gedankengang erklären … und spontan wird bei Ihnen ein ungehemmter Redefluss ausgelöst – wie in einem Weizensilo: Klappenhebel auf und das Korn fließt heraus auf den darunter stehenden Empfänger, der nur noch ‚Bahnhof‘ versteht. Ihr Zuhörer schaltet ganz einfach ab.“
Woran liegt’s?
An mangelndem Wissen in den wenigsten Fällen. Weshalb gelingt es dann so selten, unser Wissen und Ideen klar, kurz und wirkungsvoll zu kommunizieren?
„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, hat Martin Luther die Regeln für einen guten Vortrag zusammengefasst. Und Kurt Tucholsky meinte: „Klare Disposition im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier. Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze. Merke: wat jestrichen is, kann nich durchfalln.“
Der Krieg gegen die arbeitende Bevölkerung – Wolfgang Berger
Im Jahre 1870 bildet die Londoner Manège-Schule erstmals Zirkusdirektoren aus. Die Abschlussqualifikation für die erfolgreichen Absolventen ist eine Berufsbezeichnung, die hundert Jahre später auch woanders in Mode kommt: Manager. Der Begriff leitet sich vom lateinischen „manum agere“ ab: jemand an der Hand führen.
Im Zirkus hat es angefangen. Kennen Sie das? Zirkustiere werden an der Leine geführt, mit Tricks und Gewalt dressiert und zu Kunststücken gezwungen, die sie von sich aus nie tun würden. So wie Zirkustiere gegen ihre Natur auf ein nicht artgerechtes Verhalten gedrillt werden, drillen Unternehmen viele Menschen gegen ihre Natur auf ein nicht artgerechtes Verhalten.
„Angst und Geld sind das einzige, was Mitarbeiter motiviert“, meinte Jeffrey Skilling, Chef der Enron Corporation – einem Energiekonzern aus Texas – bis zur spektakulären Pleite in 2001. Der Harvard Absolvent hatte seine Karriere bei der Unternehmensberatung McKinsey begonnen und dann den größten Wirtschaftskrimi des 20. Jahrhunderts inszeniert. Nach jahrelangen Anfechtungsklagen hat im Sommer 2013 ein Bezirksrichter in Houston, Texas, seine Gefängnisstrafe von 24 auf 14 Jahre reduziert – gegen Zahlung von 40 Millionen Dollar.
Die Shareholder-Value-Doktrin zerbricht die Menschen
Die Enron-Pleite hat 22.000 Menschen arbeitslos gemacht und zugleich ihre Altersversorgungen vernichtet. In den letzten fünf Jahren vor dem Zusammenbruch hat Enron seinen Gewinn jährlich um 65 Prozent steigern können. Der nach der Börsenkapitalisierung gemessene Wert des Unternehmens war weltweit an sechster Stelle. Namhafte Experten haben im Jahre 2000 den Enron-Verwaltungsrat (Board) als einen der fünf besten der USA bewertet.
In wenigen Tagen ist dann das Kartenhaus aus Gier, Skrupellosigkeit und Größenwahn zusammengefallen. Auslöser für eine Unternehmensstrategie, die zunächst von der Fachwelt bewundert und anschließend von einem Tsunami regelrecht überrollt wird, ist ein US-amerikanisches Gerichtsurteil. Weil alle großen Firmen eine Niederlassung in den USA haben und dort mit astronomischen Schadensersatzforderungen verklagt werden können, hinterlässt es eine Spur auf der ganzen Welt:
1932 gründen Joseph und Charles Revson die Kosmetikfirma Revlon. Zu Beginn der 1980er Jahre interessiert sich die Leitung der Firma für die Gewinne der Eigentümer, aber außerdem auch noch für Belange von Belegschaft, Kunden und Lieferanten. Da wird sie verklagt. 1985 verurteilt der Delaware Supreme Court (das höchste Gericht des Bundesstaates) die Führung des Unternehmens. Nach dem Urteil des Gerichts muss die Leitung eines Unternehmens der Eigentumsmehrung der Aktionäre alles – wirklich alles andere unterordnen. Mit diesem Urteil gelingt es Ronald Pereman, die Aktiengesellschaft „feindlich“ zu übernehmen. Und das heißt: Gegen den erbitterten Widerstand der Belegschaft und der Unternehmensleitung.
Das Urteil zwingt die Unternehmen der Welt zu einer Strategie, die „Shareholder-Value-Doktrin“ genannt wird. „Shareholder Value“ ist der Betrag, den das gesamte Unternehmen zum gegenwärtigen Börsenkurs wert ist. Das Management muss mit allen legalen Mitteln den Unternehmenswert steigern und dadurch den Reichtum der Aktionäre mehren. Andere Ziele dürfen nur verfolgt werden, wenn es nicht zu Lasten dieses höchsten Gebots geht.
Wo die Doktrin nicht befolgt wird, sinkt der Aktienkurs – und damit droht eine feindliche Übernahme des Unternehmens. Fonds, die solche Spiele radikal betreiben, finanzieren Übernahmen mit Krediten großer Finanzinstitute, vornehmlich in der „City of London.“ Die Rückzahlung der Kredite wird dem eroberten Unternehmen aufgebürdet. Wenn es den Wert des Unternehmens erhöht, muss die Unternehmensleitung Personal entlassen. Naomi Klein beschreibt diese Machenschaften und ihre Hintergründe auf 763 Seiten detailliert und faktenreich: »Die Schock-Strategie – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus«.
Die Vorstände müssen mitspielen und ihre Verantwortung für das Ganze zurückstellen. Die Voraussetzungen dafür schuf Mitte der 1970er Jahre die Unternehmensberatung »McKinsey & Company Inc.« Bis dahin waren Manager Arbeitnehmer, ebenso wie die ihnen unterstellten Mitarbeiter – und standen damit in natürlichem Interessengegensatz zu den Kapitaleignern. Mit „Stock Options“ (Aktienoptionen) wurden die angestellten Unternehmensführer von der Seite der Belegschaft auf die Seite des Kapitals gezogen.
Aktienoptionen werden als Erfolgsbonus – als Belohnung – zusätzlich zum Gehalt ausgegeben, wenn der Aktienkurs eine bestimmte Höhe erklimmt. Wer solche Optionen besitzt, kann sie gegen Aktien des von ihm geleiteten Unternehmens eintauschen und diese Aktien später auch verkaufen.
Unabhängig von den Zwängen der Rechtsprechung hat der Inhaber von Optionen ein persönliches Interesse an einem hohen Aktienkurs. Die Versuchung ist groß, diesem Interesse andere Themen unterzuordnen: die Belange der Belegschaft und die langfristige Zukunft des Unternehmens; gewachsene Kunden- und Lieferantenbeziehungen; Fairness gegenüber Wettbewerbern; Loyalität gegenüber Produktionsstandorten, die die Infrastruktur bereitstellen und deren Bevölkerung von Entlassungswellen betroffen ist; sowie Rücksicht auf den Staat, auf dessen Infrastruktur alle Unternehmen angewiesen sind.
Aktienoptionen haben den Kapitalismus von Grund auf verändert. Die Führung von börsengehandelten Aktiengesellschaften ist seitdem weniger bestrebt, Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, Standorte und Arbeitsplätze zu erhalten. Sie bemüht sich vor allem darum, den Aktienkurs nach oben zu treiben. Die übrigen Arbeitnehmer – bis dahin in einer Interessengemeinschaft mit der Unternehmensspitze – bleiben zurück und profitieren nicht mehr von dem Produktivitätszuwachs, den sie erarbeiten.
Auch das Land, in dem die Aktiengesellschaft ihren Sitz hat, bleibt zurück. Die Mehrheit der Aktien der 30 größten und umsatzstärksten deutschen Unternehmen, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden – die deutschen „DAX-Konzerne“ – gehört nach Auskunft der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young ausländischen Investoren. In anderen Ländern ist es kaum anders. Viele dieser Konzerne weisen Bilanzsummen aus, die das Bruttoinlandsprodukt der meisten Staaten dieser Welt übersteigen.
Die Fonds haben ihren Sitz überwiegend auf exotischen Inseln, die ihnen als „tax haven“ (Steuerfluchtstätte) dienen. Diese „Offshore“-Finanzplätze“ liegen jenseits der eigenen Küste (off shore). Aber die Fonds werden in der „City of London“ verwaltet. Ähnlich wie der Vatikan kein Teil Italiens ist, gehört der Finanzdistrikt „City of London“ nicht zu Großbritannien. Er ist eine eigenständige politische Einheit. Die dort gültigen Gesetze werden von den ca. 250 global tätigen Finanzinstituten gestaltet, die dort niedergelassen sind und keine nationale Identität haben.
Samuel J. Palmisano, Aufsichtsratsvorsitzender der Computerfirma IBM, drückt die Auflagen des Finanzsektors in seiner „Roadmap to 2015“ (Zielplanung für 2015) knackig aus: „Earnings to double“ (Den Gewinn verdoppeln). Unter der Leitung der CEO (Präsidentin) Virginia M. „Ginni“ Rometty sollen die weltweit über 430.000 Mitarbeiter die Renditen der Aktien in wenigen Jahren um 100 Prozent erhöhen. Dieser Druck wird an die gesamte Belegschaft weitergegeben.
Die Konsequenzen zeigen sich in den Vereinigten Staaten – dem Ausgangspunkt der veränderten Rechtsprechung – am dramatischsten: 1970 verdiente ein Unternehmenschef in den USA das 25fache des Durchschnittseinkommens seiner Mitarbeiter, heute ist es das 500fache. Im Rest der Welt driften die Einkommen zwischen der Unternehmensspitze und der Belegschaft ähnlich stark auseinander.
Leserbriefe 05/2013
Sommertagung 90. Geburtstag Helmut Creutz
Am Rande der Tagung hatte ich vielfach Gelegenheit, mich mit anderen Teilnehmern auszutauschen. Geballtes Fachwissen war auf der Tagung unterwegs. Sehr erfrischend waren der Sketch mit Andreas Bangemann und Steffen Henke, die Rumba-Einlage mit Steffen Henke und seiner Frau, um fließendes Geld tänzerisch darzustellen. Grandios auch die tänzerische Interpretation von Silvio Gesells „Robinsonade“ durch Jonathan Ries.
Es war ein grandioses Wochenende – mein Dank an alle Organisatoren und Mitmacher.
Marie-Luise Volk,
Gesundheitsberaterin (GGB) und Sprecherin der Bürgerinitiative „Bürger/innen sagen NEIN
zur Agro-Gentechnik“ im Landkreis Cochem-Zell
www.agrogen-rlp.de – www.kritisches-netzwerk.de
Eine wundervolle Sommertagung bei herrlichem Wetter.
Dr. Frank Schepke, Löptin – www.kannwas.org
Systematische Belanglosigkeit
„Wenn wir auf unsere Schulen und Hochschulen schauen, dann müssen uns erhebliche Zweifel kommen, ob die Aufgaben, mit denen Schüler in Trab, wenn auch nicht bei Laune gehalten werden, diesen Anforderungen genügen. Können wir uns Lehrer vorstellen, die auf die Mitarbeit ihrer Schüler für eine wichtige gemeinsame Angelegenheit angewiesen sind? Können wir uns Schüler vorstellen, die das im Ernst erwarten? Die Aufgaben, die Schülern und Studenten auferlegt werden, sind beinah ausnahmslos trivial. Schulen sind wahre Produktionsstätten für belanglose Aufgaben. Allein die Tatsache, dass immer alle das Gleiche tun müssen und immer alle am festgelegten Standard gemessen werden, macht die Arbeit, die in der Schule geleistet wird – von Schülern wie von Lehrern – systematisch belanglos. Dass ein Schüler mit einer ihm gemäßen Aufgabe befasst werde, wird nicht einmal mehr für wünschbar gehalten. Dass ein Professor sich um Talent und Begabung jedes seiner Studenten sorgt, macht ihn zu einem Störfaktor im Betrieb. Aufgaben müssen nicht bedeutsam sein, wenn nur die Resultate abprüfbar sind und mit einer Note erledigt werden können. Und an die Stelle der Kooperation bei der Bewältigung wichtiger Aufgaben ist die Konkurrenz getreten, die jede Erkenntnis und alle Wahrheitssuche dem Siegeswillen und der Imagepflege opfert. Aus Lehrenden und Lernenden sind Prüfer und Prüflinge geworden und die Aufgaben sind zum Prüfstoff verkommen, wodurch selbst Inhalte von erheblicher Tragweite zu Bagatellen werden. Bildung ist von diesen Bildungseinrichtungen nicht zu erwarten und wird auch nicht von ihnen erwartet. Man kann in ihnen reüssieren oder scheitern, das ist alles. Dass sich im Einzelfall Bildung dennoch ereignet, weil Lehrer und Schüler trotz alledem auch unter den widrigsten Umständen dort einander und ihre Aufgaben finden, ist ein Wunder, ändert aber nichts an der traurigen Bilanz. Wäre diese Prozedur nur einfach wirkungslos, dann könnte man die vergeudete Zeit und die verschwendeten Steuergelder beklagen, und müsste sich sonst nicht weiter aufregen. Dann wäre die Sache eben einfach unnütz. Tatsächlich aber ist sie sehr wirksam, und es wird dabei eine verheerende Lektion gelernt, nämlich die, dass es auf mich überhaupt nicht ankommt, auch nicht auf das, was ich tue oder kann oder lasse, nicht darauf, ob ich Gutes oder Böses im Sinn habe oder
ignorant gegenüber beidem bin, sondern lediglich darauf, dass ich mithalten kann im Kampf um Rang und Vorteil.“
Zitiert aus dem Vortrag von Prof. Marianne Gronemeyer, 2012 anlässlich des 10. Todestags von Ivan Illich.
Im Ganzen hier zu finden: http://www.marianne-gronemeyer.de/resources/Bremen+2012+10.+Todestag.pdf
Ein Jubiläum der besonderen Art – Andreas Bangemann
Sommertagung der HUMANEN WIRTSCHAFT aus Anlass des 90. Geburtstags von Helmut Creutz.
Ein Bericht von Andreas Bangemann
„Wir sind sehr glücklich, dieses Fest hier feiern zu können.“, sagten Barbara und Helmut Creutz zu Beginn dieser besonderen Sommertagung vom 13. bis 14. Juli 2013 in Wuppertal.
In der Silvio-Gesell-Tagungsstätte hat Helmut Creutz ein „Heimspiel“. Seit Jahrzehnten nimmt er immer gerne die Einladungen zu Veranstaltungen an diesem Ort an.
Das Programm hatte dementsprechend einen Schwerpunkt in Vorträgen rund um das Schaffen des erfolgreichen Buchautors und Wirtschaftsanalytikers.
Den Anfang machte Prof. Günther Moewes, der erläuterte, wie es Helmut Creutz gelang, ihn in seinen Bann zu schlagen. In seiner Lehrtätigkeit als Professor an der Fachhochschule in Dortmund stieß er wiederkehrend auf die ökonomischen Zwänge, welche einer ökologisch erforderlichen Entwicklung im Bauwesen im Wege standen.
Umso mehr inspirierte ihn die Begegnung mit Helmut Creutz und dessen Werk. Kurze Zeit nach dem Kennenlernen lud er ihn zu Vorträgen nach Dortmund ein.
„Geldordnung und Bauwesen – Die Hauptursache der Ökologiefeindlichkeit unserer Wirtschaft“ titelte Günther Moewes 1991 in der Einladung.
In der Folge verband sich die Arbeit von Günther Moewes immer ausgeprägter mit dem Wissen seines Aachener Architektenkollegen. Das Buch „Geld oder Leben – Umdenken und unsere Zukunft nachhaltig sichern“ entstammte 2004 als Ergebnis dieser „Symbiose“. Bis heute ist Günther Moewes, wenn auch beruflich im Ruhestand, schreibend in der Sache tätig. Unnachgiebig macht er auf das folgenschwere immer deutlicher an den Ursachen vorbeigehende politische Verhalten aufmerksam. Ein Verhalten, das schlicht reflexhaft einseitig auf die Symptome der erkennbaren Missstände reagiert und den Ursachen nicht auf den Grund geht.
Professor Christian Kreiß aus Aalen sprach am Nachmittag unter dem Titel „Profitwahn – Warum sich eine menschliche Wirtschaft lohnt“.
Er kann als einer der zuletzt zu Helmut Creutz‘ „Kreis der Bewunderer“ Hinzugekommenen benannt werden. In seinem Vortrag, den er spickte mit Zitaten des Aacheners, war die „Linie“ unverkennbar, welche die beiden verbindet.
Tipps aus dem Reparatur-Café – Pat Christ
Drei Fragen an den Oldenburger Postwachstumsökonomen Niko Paech
So, wie Menschen heute nach Geld, Konsum und immer mehr Wohlstand jagen, das kann nicht gut sein und wird nicht gut gehen, warnt Niko Paech seit langem. Der Postwachstumsökonom plädiert für ein neues Bewusstsein von gutem Leben, das einen anderen Konsumstil hervorbringt. Inakzeptabel ist für den Wachstumskritiker, dass Waren auf Verschleiß hergestellt werden. Gegenüber Pat Christ berichtet er, was jeder einzelne gegen geplante Obsoleszenz tun kann.
Herr Paech, in welchem Umfang produzieren gerade Elektrokonzerne Ihren Erkenntnissen zufolge auf vorzeitigen Verschleiß?
Miniaturisierung, Digitalisierung und die Halbleitertechnologie bilden perfekte Voraussetzungen für das Design von Objekten, die nicht reparabel sind und deren Verschleiß sich unbemerkt, zuweilen auch schwer beweisbar, regelrecht einprogrammieren lässt. Das ist die Schattenseite vermeintlicher Fortschritte in der Informationstechnologie: Wo sich alles steuern und programmieren lässt, kann eben auch die Zerstörung automatisiert werden, ohne den Nutzern die Chance zu lassen, selbsttätig für Instandhaltung zu sorgen oder Objekte zu reparieren. Digitalisierung als Spätstadium einer durch und
durch industriellen Fremdversorgung führt nicht nur zur Verkümmerung eigener Fähigkeiten, sondern auch zur Entmündigung. Einerseits machen wir uns zusehends abhängig von den heiß geliebten
Elektronikspielzeugen, andererseits können wir deren Hardware in keinster Weise gestalten oder beherrschen. Hinzu kommt, dass die Komplexität des Designs der Produkte dazu führt, dass wir die Qualität nicht mehr eigenhändig prüfen können. Ein Fahrrad, ein Hemd, eine mechanische Näh- oder Schreibmaschine, eine Rohrzange, ein Möbelstück etc. kann ich mir genau anschauen. Unter
Nutzung meiner Sinnesorgane bin ich wenigstens teilweise in der Lage, das Material, die Robustheit, die Verarbeitung zu prüfen. Ein Smartphone ist verglichen damit eine Mischung aus Wundertüte und Roulette.
Nur haltbar ist nachhaltig – Pat Christ
Stefan Schridde wehrt sich mit „Murks? Nein danke!“ gegen programmierten Verschleiß
Gesellschaftskritik ist für Stefan Schridde an dieser Stelle fehl am Platz: Nicht die „geizigen“ Konsumenten, sondern die Konzerne tragen nach seiner Meinung die volle Verantwortung dafür, dass immer mehr Produkte auf Verschleiß produziert werden. Mit seinem Verein „Murks? Nein danke!“ setzt er sich dafür ein, dass haltbarer produziert wird. „Haltbarkeit ist der größere Hebel als Nachhaltigkeit“, betont der Stadt- und Regionalentwickler.
Dass Produkte bewusst auf Verschleiß produziert werden, sei längst keine Verschwörungstheorie mehr, sagt er. An vielen Beispielen konnten Schridde und seine Mitstreiter dies aufzeigen. „Es werden zum Beispiel Kondensatoren für Geräte ausgewählt, die eindeutig unterdimensioniert sind“, so der Anti-Murks-Aktivist.
Dabei kosteten elektronische Bauteile, die zehn Jahre länger halten würden, gar nicht mehr: „Im Falle der Kondensatoren müsste man um die drei Cent zusätzlich ausgeben.“ Auch könnten Platinen kostenneutral so geplant werden, dass sie es 30 Jahre länger machen: „Das haben mir Ingenieure, mit denen ich gesprochen habe, bestätigt.“
Was bei einer Jacke schlecht möglich ist, funktioniert bei allen technischen Geräten: Ein eingebauter Zähler begrenzt bewusst die Nutzung. Aufgeflogen ist diese Verschleißmethode inzwischen unter
anderem bei Tonerkartuschen, Kaffeemaschinen und Akkus. Schridde: „Bei Kartuschen wird zum Beispiel auf 15.000 Seiten runtergezählt.“ Ist diese Zahl erreicht, erfolgt die Meldung, dass die Kartusche leer ist. Wer so clever ist und den Chip auf Null stellt, kann jedoch mit dieser angeblich leeren Kartusche munter weiterdrucken: „Manche Kartuschen drucken insgesamt 50.000 Seiten.“ Also dreimal so viel.
Gerechte Medizin hilft besser – Wilfried Deiß
Gesundheitswesen als Modell für die Wirtschaft der Zukunft?
Über die Bedeutung von Ungleichheit und Nachhaltigkeit für das Gesundheitswesen
„Ich sehe voraus, dass sich unsere moderne westeuropäische Entwicklung einem vergleichbaren Konflikt nähert ‚(Anm.: gemeint ist nichts Geringeres als der Galilei-Konflikt).‘ Das politische System unseres Landes beruht auf Annahmen, die mit der Lebenswirklichkeit nicht länger vereinbar sind; auf der Annahme nämlich, dass ein stetes exponentielles Wachstum der materiell verfügbaren Ressourcen, des materiellen Bruttosozialproduktes, dauerhaft möglich ist. Sämtliche seiner wesentlichen Grundlagen, Strukturen, Verhaltensweisen und Erwartungen sind durch diese Annahme inhaltlich geprägt. Sein Geldsystem und die Marktwerte der Güter und Dienstleistungen beruhen auf ihr. Es sieht seine Legitimation durch die Zustimmung seiner Bürger zur demokratischen Ordnung und zum Parteienstaat nur unter der Bedingung eines stetigen und angemessenen Wirtschaftswachstums gesichert. Stetiges und exponentielles Wirtschaftswachstum und Machterhaltung im bestehenden
politischen System bedingen einander … . Wer die Möglichkeit dauerhaften exponentiellen Wachstums leugnet, gefährdet deshalb das gegenwärtig reale demokratische Herrschaftssystem ebenso wie die Beweise Galileis das damalige Herrschaftssystem der Kirche gefährdeten.“ – Festvortrag auf der 56. Physikertagung 1992 in Berlin, Phys. Bl. Juli/Aug 1992 von Prof. Kurt Biedenkopf
Die „Zeitung“ der HUMANEN WIRTSCHAFT – Redaktion
Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT … mehr als eine Zeitung
Der Markt für Printmedien, wie Tageszeitungen, Zeitschriften und Periodika aller Art erlebt einen nie für möglich gehaltenen Rückgang der Auflagen. Die digitalen Medien sorgen für einen Umbruch, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Offenbar begannen die Herausgeber der auflagenstarken Titel viel zu spät damit, sich um zukunftsfähige Konzepte zu bemühen, die der Veränderung der Nutzung von Medien in Zeiten des Internet Rechnung tragen. Die Eins-zu-Eins-Kopie des alten Geschäftsmodells wurde versucht, war aber aussichtslos. Für Informationen im Internet bezahlt man nicht. Auch Werbestrategien lassen sich nicht einfach „Kopieren und Einfügen“.
Damit die gute, alte Zeitung nicht ganz stirbt, haben wir uns entschlossen, ihr zu neuem Leben zu verhelfen.
Am 7. August war es soweit. Die HUMANE WIRTSCHAFT hat die erste Ausgabe ihrer „Zeitung“ herausgebracht. Auf Anregung des Lesers Tristan Abromeit heißt die neue Publikation aus unserer Redaktion „Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT“. In unregelmäßigen Abständen, aber mindestens einmal monatlich wird über Hintergründe, neueste Entwicklungen und Zusammenhänge rings um die Themen Wirtschaft, Geld und Boden in Form eines Internet-Newsletters informiert.
Wir durchsuchen für unsere Leser das Datenmeer des Internet nach relevanten Informationen mit dem thematischen Schwerpunkt, den auch unsere Zeitschriftenarbeit prägt. Wir entschleunigen die Flüchtigkeit der Informationen, die aufgrund ihrer Unmenge in ihrem Wahrheitsgehalt nicht mehr einschätzbar ist. Mit der Schlinge unserer Wahrnehmung, getragen von jahrzehntelanger Erfahrung und ausgerüstet mit modernsten Instrument für die “Informationsjagd“ fangen wir die Wirklichkeit für unsere Leser ein.
Wir weisen auf Veranstaltungen hin und geben Hintergrundinformationen zu Vereinen und Organisationen.
Wann und wo auch immer sich auf der Welt neue Entwicklungen ergeben, bereiten wir diese Informationen auf und stellen Sie Ihnen zur Verfügung.
„Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT“ gibt es als Email, PDF-Datei oder Online auf der Webseite der Zeitschrift oder über unsere Sozialen Netzwerkseiten.
Das Beste: Die Zeitung ist kostenlos! Und alle von uns geschriebenen Texte stehen unter Creative Commons Lizenz zur Weiterverwendung bereit. Die Zeitung ist wie alles bei der HUMANEN WIRTSCHAFT unabhängig von Einnahmen durch Werbung.
Getragen wird die Zeitschrift von Abonnenten, Spendern und Mitgliedern im „Förderverein für Natürliche Wirtschaftsordnung e. V.“ und dem unbezahlbaren Einsatz unserer Autoren und Mitarbeiter.
Alle Aktiven in den Gruppen und Initiativen seien eingeladen, uns ihre Informationen, Hinweise und Berichte zu senden:
redaktion@humane-wirtschaft.de
Redaktionsschluss für die 2. Ausgabe ist der 27. 8. 2013
Die zweite Ausgabe wird rund eintausend Leser erreichen und täglich melden sich neue an.
Zum Erhalt des Newsletters einfach auf www.humane-wirtschaft.de gehen und „Newsletter abonnieren“ anklicken.
So einfach muss Zeitung! ;-)
Die unterdrückende Religion des Geldes – Christoph Körner
… oder die befreiende Religion des Reiches Gottes im Wirken Jesu, dargestellt an der Geschichte von Jesu Tempelreinigung (Mk.11, 15–19)
Religion kann sehr ambivalent verstanden werden. Deshalb möchte ich Ihnen zu Beginn eine Episode aus meinem Leben erzählen, die mir sehr eindrücklich in Erinnerung blieb.
Mit einigen kritischen Theologen habe ich in der DDR im kleinen Kreis mit kritischen Marxisten über Religion und Gesellschaft diskutiert. In einem Gespräch mit Prof. Dr. Dohle sagte ich damals, die Marxisten müssten endlich den Marx’schen Satz „Religion ist Opium des Volkes“ revidieren, wenn sie glaubhaft mit Christen diskutieren wollten. Darauf die Antwort: „Opium kann sowohl Gift als auch Heilmittel sein. Je nachdem wie es angewendet wird, kann es schädlich oder heilend wirken. So verhält es sich auch mit der Religion.“
Da wurde mir klar: Es gibt sowohl eine Religion der Unterdrückung als auch eine Religion der Befreiung. Am Beispiel der Tempelreinigung Jesu begegnen uns kontrastreich beide Religionsphänomene. Verkörpert die Religion des Tempels Religion als Ausbeutungsinstrument, so bedeutet die Religion des Reiches Gottes im Wirken Jesu ein befreites Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Dies möchte ich Ihnen am Beispiel der Tempelreinigung Jesu verdeutlichen.
1. Vorbemerkung:
Zwei Fragen: Wie kommt es, dass in den Texten der Bibel Jesus häufiger über Wirtschaften, Geld und Besitz spricht als über Himmel, Liebe oder Gebet? Hängt es damit zusammen, dass das Reich Gottes, das er ankündigt und zeichenhaft lebt, transparent in unserer irdischen Welt werden soll, vor allem im gerechten Wirtschaften und richtigem Verteilen der Lebensgüter?! Denn alle Menschen sollen Zugang zu den Gütern des Lebens haben!
Und zum anderen: Wie kommt es, dass Jesus die Zentralgewalt des Tempels wie kein anderer Prophet vor ihm so radikal kritisiert und die Banker aus dem Vorhof des Tempels vertreibt und auch das Zinsnehmen wie im alten Israel verbietet?
Mir scheint, dass hierin das ursächlichste Anliegen Jesu besteht, das bis heute aber die Theologie und die Kirche noch nicht recht erkannt haben.
Wie wichtig die Tempelreinigung Jesu für die Urkirche war, geht schon daraus hervor, dass alle vier Evangelisten davon berichten: Markus 11,15–19; Matth.21,12–17; Luk. 19,45–48; Joh. 2,13–16. Ich beziehe mich auf die Markusstelle:
Die Tempelreinigung: 11, 15–19
15 Dann kamen sie nach Jerusalem. Jesus ging in den Tempel und begann, die Händler und Käufer aus dem Tempel hinauszutreiben; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um 16 und ließ nicht zu, dass jemand irgendetwas durch den Tempelbezirk trug. 17 Er belehrte sie und sagte: Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein? Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. 18 Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen. Denn sie fürchteten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beeindruckt waren. 19 Als es Abend wurde, verließ Jesus mit seinen Jüngern die Stadt.
Wo bitte geht’s zur Wirtschaftsdemokratie? – Johannes Heinrichs
Wie alle vier Jahre wieder sind wir in diesem September 2013 aufgerufen, unser pseudodemokratisches Kreuzchen zu machen auf einer Liste von Parteien, mit denen sich nur wenige identifizieren können. Jedenfalls aber keine/r, die/der eine tiefgreifende Geldreform im Sinne der Humanen Wirtschaft und/oder gar eine Demokratiereform im Sinne einer viergegliederten, wertgestuften Demokratie
will. Diese Parteien sind für sie alle nur das relativ kleinere Übel.
Wahlkampf ohne aufrüttelnde Themen – Wilhelm Schmülling
Was lockt die Wähler hinter dem Ofen hervor? Steuersenkung, Abschaffung des Solis, eine Mietpreisbegrenzung, PKWMaut für Ausländer oder „Veggy-Days“?
Um Wähler anzulocken, bieten alle Parteien solche oder ähnliche Wahlgeschenke an. Doch viele Wähler wenden sich frustriert ab, zu oft wurden sie mit leeren Versprechungen geködert. Einige Beispiele:
• Die EURO-Einführung, ein Beispiel undemokratischen Verhaltens. Im Maastricht-Vertrag festgelegte Kriterien – Das Haushaltsdefizit darf jährlich nicht mehr als 3 % des Brutto-Inlandsprodukts betragen und die staatlichen Schulden dürfen 60% des BIP nicht übersteigen – wurden vom Staat gebrochen.
• 1990 sollte der Aufbau Ost aus der Porto-Kasse gezahlt werden. „Blühende Landschaften“ wurden versprochen. Mit dem Solidaritätszuschlag musste schließlich die Wiedervereinigung finanziert werden. Den Solidaritätszuschlag gibt es immer noch, obwohl er bis „Ende 1999 endgültig weg“ sein sollte. Der Staat brach sein Versprechen.
• 2008 versprachen Angela Merkel und Peer Steinbrück, dass die Bank-Einlagen der Deutschen sicher seien. 2013 deutet man aus Regierungskreisen (versteckt) an, dass dem nicht so ist.
• 2012 erklärte Bundeskanzlerin Merkel, eine gemeinsame Schuldenhaftung innerhalb der EU (sogenannte Eurobonds) werde es nicht geben, „Solange ich lebe“. Wünschen wir ihr ein langes Leben und beobachten, was nach der Wahl im September passiert.
Ist es da erstaunlich, wenn viele Wähler nicht zur Wahl gehen, wohl wissend, damit der Demokratie einen schlechten Dienst zu tun? Sie verweisen auf die vielen gebrochenen Wahlversprechen, treffen mit Wahlenthaltung aber nicht die schuldigen Politiker, sondern die Basis unserer Demokratie, freie Wahlen. Wenn wenigstens Erfolge vorzeigbar wären, um die Lethargie der Wähler zu überwinden, dann könnte man auf eine höhere Wahlbeteiligung hoffen. Da wird doch die Reduzierung der Arbeitslosenzahlen von fünf auf drei Millionen als große Leistung gefeiert. Drei Millionen Arbeitslose sind nur Beweis für die
Unfähigkeit der Regierenden. Wir glauben sogar einigen Politikern, Fehlentwicklungen mit Gesetzesverbesserungen begegnen zu wollen, z. B. Studiengebühren abzuschaffen, Kindergeld und Harz-IV-Bezüge zu erhöhen und die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen. Ob dieses Wollen nach der Wahl zur Wirklichkeit wird, darf bezweifelt werden. Mit solchen Änderungen wäre zwar eine Linderung der sozialen Not erreicht und etwas mehr Kaufkraft für die Konsumenten. Die Ursachen der Arbeitslosigkeit, der hohen Mieten usw. würden jedoch nicht behoben. So wäre das Ergebnis: Not wird gelindert, aber nicht verhindert.
Kapital, die Neutronenbombe der Wirtschaft? – Andreas Bangemann
Der Erfinder der Neutronenbombe, Samuel Cohen, beschrieb sein Massenvernichtungsmittel, als die „vernünftigste und moralischste Waffe, die je erfunden wurde“ (New York Times, September 2010). „Es ist die einzige nukleare Waffe der Geschichte, mit der Kriegsführung Sinn macht. Wenn der Krieg vorbei ist, ist die Welt noch intakt.“ Offiziell dürfte es eigentlich keine Neutronenbombe mehr geben.
Zwischen 1996 und 2003 demontierten die USA und Frankreich angeblich die letzten noch gebauten. Doch die Logik dieser Waffe umgibt unser Leben weiter auf subtile Weise. Die „Rüstungsindustrie der Angst“ schafft es, uns in Abhängigkeit von den Sachen zu halten und in ihren „Kapitalfabriken“ gerade immer so viel bereitzustellen, dass die Menschheit ihren Fetischismus erhält. Wir beschützen materielle Dinge und eine abstrakte Wohlstandsvorstellung auf Kosten von menschlichem Leben und auf Kosten der Natur. Die Armen sind von den Reichen abhängig, die Schwarzen von den Weißen, die Frauen von den Männern, die Zivilisten von den Militärs und die Arbeiter von den Unternehmern.
Buchvorstellungen 05/2013
Christian Kreiß: „Profitwahn“ – Warum sich eine menschengerechtere Wirtschaft lohnt – Tectum Verlag (15. 6. 2013), Klappenbroschur, 200 Seiten, 17,95 €, ISBN 978–3‑8288–3159‑9
Lavaluna-Film Filmproduktion: „Polypoly – Geld für alle“ –, produziert von Dinah und Roland Pfaus, DVD, Spielzeit: 83 Minuten, 12,– €, die DVD kann in unserem Online-Shop bestellt werden
Ernst Friedrich Schumacher: „Small is beautiful“ – Die Rückkehr zum menschlichen Maß. Der Öko-Klassiker neu aufgelegt mit einem Vorwort von Niko Paech, oekom Verlag, (Aug. 2013), broschiert, 304 Seiten, 19,95 €, 978–3‑86581–408‑1, auch als E‑Book erhältlich
Bestellung im Internet auf unserer Online-Shopseite: http://shop.humane-wirtschaft.de
Jahresfeier 2013
Unsere diesjährige Jahresfeier (31.10. bis 3.11.2013) wird wieder einmal ein Event, für den Sie sich unbedingt ein wenig Zeit nehmen sollten. Wir haben ein tolles Programm in petto, das für fast jeden etwas zu bieten hat. Für den Workshop mit Roland Spinola (siehe Programm) gibt es nur noch wenige Restplätze,…
Vermögensabgabe statt ökonomischem Unvermögen! – Roland Rottenfußer
„Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“, heißt das bekannte Zitat von Bertold Brecht. Umgekehrt gilt dies aber auch. Übermäßiger Reichtum steht zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit. Dabei ist er in mehrfacher Hinsicht gemeinschaftsschädlich. Weil Geld an allen Ecken und Enden fehlt und sich gewaltige, demokratisch nicht legitimierte Machtzentren bilden. Attac fordert jetzt in einem Papier eine einmalige Vermögensabgabe der Reichen mit einem Gesamtvolumen von über einer Billion Euro. Außerdem sollen langfristige Mechanismen der Umverteilung von oben nach unten etabliert werden. Ist dieser Vorschlag von Attac begrüßenswert? Ja. Ist er ausreichend? Nein. Kabarettist Volker Pispers ist in Hochform: „Wenn die 10 Prozent richtig Reichen im Land bereit wären, die Hälfte ihres Vermögens abzugeben, wären die Staatsschulden praktisch weg.“ Höflich plätscherndes Lachen im Publikum. „Und das bräuchten die gar nicht auf einen Schlag zu tun. Wenn die reichsten 10 Prozent bereit wären, 10 Jahre lang jeweils 5 Prozent von ihrem Vermögen abzugeben – das würden die in dem einzelnen Jahr überhaupt nicht mitkriegen.“ Betretenes Schweigen im Publikum. Irgendwo muss doch der Haken sein! Tatsächlich schließt Pispers mit der Bemerkung: „Es gibt nur ein einziges Problem: Wir haben eine Demokratie. Und Sie kriegen in einer Demokratie keine Mehrheit für eine Politik, von der 90 Prozent der Bevölkerung profitieren würden.“
Eine Schauspielerin begehrt auf – Pat Christ
Im Allgemeinen ist der Begriff nicht umstritten: „Toleranz“ wird viel und gern verwendet. Da gibt es den „Verein für Toleranz & Zivilcourage“ in Neumünster. Die „Toleranz Fabrik“ in Würzburg. Oder das „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ der Bundesregierung. Für die aus der Türkei stammende Schauspielerin Renan Demirkan allerdings ist Toleranz eine „Herrschaftsgeste“. Angesichts des sich ausbreitenden Rechtsradikalismus warnt sie in ihrem Buch „Respekt“ vor den Folgen „toleranter“ Respektlosigkeiten. In toleranten Gesten verrät sich für Demirkan oft eklatante Respektlosigkeit. „Die viel beschworene ‚Toleranz‘ besteht auf dem Abstand zu Allem“, sagt sie. Wer sein Gegenüber toleriert, lässt es zwar leben. Aber er nimmt sie oder ihn noch lange nicht an. Ist noch lange nicht bereit, den Schritt vom „Ich“ zum „Wir“ zu vollziehen. Toleranz passt genau zur individualisierten Kultur des Westens, findet Renan Demirkan: „Denn dessen Idealbild ist der getrennte Mensch.“ Den man auf Abstand duldet. Ohne sich weiter mit ihm zu solidarisieren. Toleriert wird damit nicht nur das Individuum. Sondern zum Beispiel auch wachsende Armut und Ungerechtigkeit im eigenen Land.
Die neue Bodenfrage – Benedikt Härlin
„Man verkauft nicht das Land, auf dem Menschen gehen“ (One does not sell the land people walk on.), den berühmten Ausspruch des Lakota-Häuptling Crazy Horse im Jahre 1873 hätte damals wohl eine große Mehrheit der Menschheit für selbstverständlich gehalten. Die Vorstellung, das Land ihrer Vorfahren und Kinder wie Weizen, Werkzeug oder Pferde zu verkaufen, wäre ihnen absurd, ja undenkbar erschienen. Landnahme war seinerzeit noch eine exklusive Beschäftigung von Königen und Fürsten und der von ihnen beauftragten Eroberer. Die gaben zu der Zeit, auch in Deutschland, gerade erst die Gewohnheit auf, mitsamt dem Land auch die Menschen zu verkaufen, die darauf lebten. Die USA waren dagegen einer der ersten Staaten der Welt, in dem uneingeschränktes Privateigentum an Grund und Boden zum verbrieften Bürgerrecht wurde. Der Spruch des Helden von „Little Bighorn“ vor 140 Jahren, unter dessen Jagdgründen, zu Unrecht, Gold vermutet wurde, galt auch den eigenen Leuten. Sich durch Zahlung von Geld an Einzelne sich des Erbes ganzer Gemeinschaften zu bemächtigen, gehört seit Langem zu den Grundlagen dessen, was heute als „Landgrabbing“ bezeichnet wird.
Wirtschaft und Ethik – Johannes Korten
Fast 15 Jahre ist es mittlerweile her, dass ich in einer Vorlesung zum Thema Umwelt- und Ressourcen-Ökonomik saß, in der sich der vorlesende Professor bitter darüber beklagte, dass die Fakultät nach einer Mehrheitsentscheidung des Fakultätsrates das Fach „Wirtschaftsethik“ aus dem Stundenplan gestrichen hatte. Ein, zwei Semester gab es das Angebot noch als freiwillige Veranstaltung, danach wurde der Unterricht dann mangels Interesse eingestellt. Ein aufmerksamer Blick in den Hörsaal konnte dieses mangelnde Interesse eigentlich nur bestätigen. Überall kleine angehende Unternehmer und Nachwuchsführungskräfte, die sich mit den Niederungen alltäglicher, harter Arbeit nicht wirklich auseinandersetzen wollten oder mussten, schoben Mami und Papi in den meisten Fällen doch monatlich den dicken Scheck für Auto und Wohnung rüber. Das Mantra vom alles regelnden und ohne jegliche Eingriffe perfekt funktionierenden Markt wurde uns ja auch tagtäglich vorgebetet. Gehört habe ich die Botschaft wohl, allein mir fehlte der Glaube. Nicht umsonst war dieses Studium eine solche Quälerei für mich. Der fehlende Glaube hat sich während meiner beruflichen Laufbahn seitdem auch nur unwesentlich verändert. Als 2000 die so genannte „New Economy“ zusammenbrach, war es mit der Herrlichkeit in den Unternehmen erstmal vorbei. In vielen Fällen siegte Machtbewusstsein über Kompetenz und mit dieser Veränderung zog ein ziemlich kalter Wind in die Unternehmen ein. Das Diktat der Kapitalmärkte mit Ihren jungspundigen Investmentmanagern die gestandenen Führungskräften erzählen, sie hätten ihre „Hausaufgaben nicht gemacht“ (O‑Ton, genauso erlebt), nahm rasant zu. Absurde Börsenvorschriften mit immer kürzeren Berichtszyklen haben aus vielen Unternehmen auch noch das letzte Fünkchen langfristiges und wirklich nachhaltiges Denken und Handeln verschwinden lassen.
Dem Konsumismus trotzen! – Das Abseits als wirtlicher Ort – Marianne Gronemeyer
Die Überschrift, die dieser Vortrag nach einigen Vorüberlegungen gefunden hat, ist womöglich zu kämpferisch geraten für das, was ich sagen will. Das „trotzige“ Aufbegehren, zu dem in der ersten Zeile des Titels aufgerufen wird, passt nicht recht zu dem „Abseits“, das sich in der zweiten als „wirtlicher Ort“ empfiehlt. Sie scheinen einander sogar auszuschließen. Ich aber will für das Abseits
plädieren. Vielleicht sollte also an der Stelle des Ausrufungszeichens besser ein Fragezeichen stehen. In seinem Vorwort zu der Aufsatzsammlung „Schulen helfen nicht“ („Celebration of Awareness“), die Ivan Illich 1969 erstmalig publizierte, schreibt Erich Fromm: „Weder diese Aufsätze, noch ihr Verfasser bedürfen einer Einleitung. Wenn trotzdem Ivan Illich mir die Ehre erwiesen hat, mich um eine Einleitung zu bitten, und wenn ich das gern übernommen habe, so scheinen wir dabei beide gedacht zu haben, eine solche Einleitung sei eine Gelegenheit, einer gemeinsamen Haltung und Überzeugung Ausdruck zu geben, obwohl einige unserer Ansichten beträchtlich auseinandergehen. Auch die Auffassung des Verfassers ist heute nicht mehr immer die gleiche wie zu der Zeit, als er im Laufe der Jahre bei verschiedenen Anlässen diese Aufsätze schrieb. Im Kern seiner Einstellung ist er sich jedoch treu geblieben, und in diesem Kern stimmen wir überein.“
Über Kapitalfluten und Hochwasserschutz – Günther Moewes
In den Medien erhebt sich derzeit der ganz große Aufschrei: Der Niedrigzins bringe unsere gesamte Altersversorgung zum Einsturz. Es drohe Altersarmut. „Und sie wird nicht nur die ohnehin schon Armen erwischen, sondern jene Mittelschicht, die bisher immer glaubte, alles richtig zu machen.“ Nicht nur den Armgemachten drohe Altersarmut – auch die bisher als privilegiert geltenden „Architekten, Rechtsanwälte und Ärzte müssen um ihre Rentenansprüche bangen“. Und so ganz nebenbei auch viele Zinsgegner, die ja meist nicht gerade zur Unterschicht zählen. „Die niedrigen Zinsen sind allenfalls gut für Hauskäufer, die Banken und vor allem für Regierungen“ schreibt DER SPIEGEL.[1] Und für Miethaie. [1 Alle Zitate aus DER SPIEGEL 19⁄2013, Titelgeschichte, S. 63, 68.]
Halten wir erst einmal fest: am bisherigen Beuteschema hat sich wenig geändert. Verlierer sind nach wie vor die Wertschöpfenden, Arbeitenden, Arbeitslosen, Armgemachten, Alleinerziehenden,
Rentner und Schuldner. Und Gewinner sind nach wie vor die Besitzenden, Großgläubiger, Spekulanten, Investoren, Hauskäufer und Miethaie. Nur etwas hat sich geändert: Die Regierungen haben entdeckt, wie sie sich auf Kosten der Millionen Kleingläubiger einen blanken Fuß machen können, wie sie am elegantesten ihre gewaltigen Staatsschulden auf die Bevölkerungen abwälzen können. Nach
der Masche mit Rettungsschirmen und Sparzwang nun die mit Nullzinspolitik, Inflation und privater Altersvorsorge. Auch diese Masche ist uralt. Schon immer haben Staaten sich so ihrer Kriegs- und Krisenschulden entledigt. Und deshalb ist das alles auch seit eh und je frühzeitig vorausgesagt worden, meist von der kritischen Wissenschaft und manchmal von den jeweiligen Oppositionen der jeweiligen Regierungen.
Fehlende Voraussetzungen zur Überwindung des Bürgerkrieges durch einen Bürgerfrieden – Zusammenstellung durch Wilhelm Schmülling
„Hat es einen vernünftigen Sinn, für den Völkerfrieden zu arbeiten und dabei seine Unterlage, den Bürgerfrieden, unbeachtet zu lassen? … So wie die Dinge liegen, bedeutet der Völkerfrieden
ein bloßes Abdichten der Sicherheitsventile der heute in der ganzen Welt herrschenden Gesellschaftsordnung, also nur eine Verkürzung der Galgenfrist bis zum großen Weltbrand. … Der Bürgerfrieden ist die Bedingung für jenen Geist, der uns allein den dauernden Völkerfrieden bringen kann. Aber der Bürgerfrieden einerseits und Vorrechte, Zinsen, arbeitsloses Einkommen
anderseits, kurz, Bürgerfrieden und Rentnertum (Kapitalrentner, die Red.), sind Gegensätze.“ [Silvio Gesell in seinem Aufsatz „Gold und Frieden“, „Die Natürliche Wirtschaftsordnung“, S. 213]
Leserbriefe 04/2013
Angst ist die Bremse – Ich teile Ihnen meine Begeisterung für Ihre Zeitschrift mit! Sie haben die ideale Kombination von Wirtschaft und Menschlichkeit! Mein Symbol für Sie: Ich dachte nicht, dass es solche Gedankenvollzüge überhaupt gibt. Wenn ich mir die Zeitungen angeschaut habe, die mit hochtrabenden Wirtschaftsnachrichten mehr Angst, als Motivation geben, so bin ich an Ihren Wirtschaftsnachrichten höchst interessiert und dankbar, dass ich Informationen bekomme, die mir auch „schmecken“, weil sie nicht nur der MACHT der Wirtschaft den Hof machen. Und mein Wissen weiterbringen!…
Minuszinsen – eine Lösung unserer Probleme? – Helmut Creutz
Worum geht es? Dass die entscheidenden Voraussetzungen für eine dauerhafte Absenkung der Zinsen nur über die Zentralbanken und deren Leitzinsen erreichbar sind, dürfte weitgehend Zustimmung finden. Dabei geht es vor allem um jenen Hauptrefinanzierungssatz, zu dem die Banken bei der Zentralbank Geld ausleihen können, was in normalen Zeiten überwiegend nur jeweils für eine Woche der Fall ist. Der darüber liegende „Spitzenrefinanzierungssatz“ bietet den Banken die Möglichkeit, bei Bedarf noch zusätzliches Geld zu erhalten, während der untere Einlagesatz den Banken ermöglicht, übriges Geld bei der Zentralbank zu niedrigeren Zinsen zu parken, was meist nur über Nacht geschieht.
Wie aus der Darstellung hervorgeht, wurden die beiden letztgenannten Zinssätze, trotz aller Auf- und Abstiege, in der Vergangenheit immer mit einem Prozentpunkt Abstand zum Hauptrefinanzierungssatz festgesetzt. Im Zuge der mehrfachen Abstiege des Hauptsatzes 2008⁄09, reduzierte man jedoch diesen Abstand, „Leitzinskorridor“ genannt, auf dreiviertel Prozent, wahrscheinlich um bei dem unteren Einlagesatz nicht mit der Nulllinie in Berührung zu kommen! Doch als man im Juli 2012 den Leitzinskorridor sogar auf ein halbes Prozent absenkte, war dieses Tabu gebrochen: Es gab zum ersten Mal bei der Bundesbank, bzw. der EZB, einen Null-Zinssatz! Doch bei der nachfolgenden Hauptsatz-Absenkung im Mai 2013 auf ein halbes Prozent, vermied man den nun eigentlich anstehenden Durchbruch in den Minusbereich erneut durch eine Reduzierung der Zinssatz-Abstände, diesmal auf ein halbes Prozent! – Das heißt, der Vorteil, der den Banken beim „Parken“ von Überschüssen eingeräumt wird und ursprünglich bei einem Prozent lag, ist über drei Viertel nun auf ein halbes Prozentgeschmolzen! – Dass mit solchen niedrigen Zinssätzen und vor allem Zinssatz-Abständen auch die Steuerungsmöglichkeiten der Zentralbanken schwinden, dürfte einleuchten. Deshalb wären, zumindest bei den Einlagesätzen, Zinssätze unter Null längst überfällig.
Fakten für eine andere Sicht auf die Dinge – Andreas Bangemann
Ein Mensch, der bedingungslos gibt, ist selten zu finden. So ohne weiteres würde man einem solchen Verhalten auch nicht trauen. Es muss doch ein eigennütziges Motiv geben, wenn jemand seine Arbeitskraft, sein Wissen, seine Erfahrung oder sogar materielle Zuwendungen hergibt, ohne offensichtlich mit einer Gegenforderung herauszurücken? Im Kreis der Familie mag das die Normalität sein, aber doch nicht da draußen, im wirtschaftlichen Umfeld, in dem man nur erfolgreich voranzukommen scheint, wenn man die Regeln einer Wirtschaft beherrscht, die in Konkurrenz zum Besseren und Stärkeren zu immer größeren Leistungen antreiben?
Eine Dosis Neuigkeiten
Der „Newsletter“ der HUMANEN WIRTSCHAFT heißt schlicht „ZEITUNG“
In dieser Form informieren wir in unregelmäßigen Abständen (ein bis zwei mal monatlich) über Aktuelles und Hintergründe.
Ein Archiv über bereits erschienene Ausgaben ist angelegt und abonnieren ist aus ganz einfach. Emailadresse genügt.
Keine Sorge, wir wollen der Informationsflut, der wir alle täglich zunehmend ausgesetzt sind, keine weitere Welle hinzufügen, sondern eher für einen ruhigen Ausgleich sorgen und Sie mit klarem Profil auf Dinge aufmerksam machen, deren Auffinden entweder nur schwer oder gar nicht möglich ist.
Aktuelle Kommentare