Die unterdrückende Religion des Geldes – Christoph Körner
… oder die befreiende Religion des Reiches Gottes im Wirken Jesu, dargestellt an der Geschichte von Jesu Tempelreinigung (Mk.11, 15–19)
Religion kann sehr ambivalent verstanden werden. Deshalb möchte ich Ihnen zu Beginn eine Episode aus meinem Leben erzählen, die mir sehr eindrücklich in Erinnerung blieb.
Mit einigen kritischen Theologen habe ich in der DDR im kleinen Kreis mit kritischen Marxisten über Religion und Gesellschaft diskutiert. In einem Gespräch mit Prof. Dr. Dohle sagte ich damals, die Marxisten müssten endlich den Marx’schen Satz „Religion ist Opium des Volkes“ revidieren, wenn sie glaubhaft mit Christen diskutieren wollten. Darauf die Antwort: „Opium kann sowohl Gift als auch Heilmittel sein. Je nachdem wie es angewendet wird, kann es schädlich oder heilend wirken. So verhält es sich auch mit der Religion.“
Da wurde mir klar: Es gibt sowohl eine Religion der Unterdrückung als auch eine Religion der Befreiung. Am Beispiel der Tempelreinigung Jesu begegnen uns kontrastreich beide Religionsphänomene. Verkörpert die Religion des Tempels Religion als Ausbeutungsinstrument, so bedeutet die Religion des Reiches Gottes im Wirken Jesu ein befreites Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Dies möchte ich Ihnen am Beispiel der Tempelreinigung Jesu verdeutlichen.
1. Vorbemerkung:
Zwei Fragen: Wie kommt es, dass in den Texten der Bibel Jesus häufiger über Wirtschaften, Geld und Besitz spricht als über Himmel, Liebe oder Gebet? Hängt es damit zusammen, dass das Reich Gottes, das er ankündigt und zeichenhaft lebt, transparent in unserer irdischen Welt werden soll, vor allem im gerechten Wirtschaften und richtigem Verteilen der Lebensgüter?! Denn alle Menschen sollen Zugang zu den Gütern des Lebens haben!
Und zum anderen: Wie kommt es, dass Jesus die Zentralgewalt des Tempels wie kein anderer Prophet vor ihm so radikal kritisiert und die Banker aus dem Vorhof des Tempels vertreibt und auch das Zinsnehmen wie im alten Israel verbietet?
Mir scheint, dass hierin das ursächlichste Anliegen Jesu besteht, das bis heute aber die Theologie und die Kirche noch nicht recht erkannt haben.
Wie wichtig die Tempelreinigung Jesu für die Urkirche war, geht schon daraus hervor, dass alle vier Evangelisten davon berichten: Markus 11,15–19; Matth.21,12–17; Luk. 19,45–48; Joh. 2,13–16. Ich beziehe mich auf die Markusstelle:
Die Tempelreinigung: 11, 15–19
15 Dann kamen sie nach Jerusalem. Jesus ging in den Tempel und begann, die Händler und Käufer aus dem Tempel hinauszutreiben; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um 16 und ließ nicht zu, dass jemand irgendetwas durch den Tempelbezirk trug. 17 Er belehrte sie und sagte: Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes für alle Völker sein? Ihr aber habt daraus eine Räuberhöhle gemacht. 18 Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten davon und suchten nach einer Möglichkeit, ihn umzubringen. Denn sie fürchteten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beeindruckt waren. 19 Als es Abend wurde, verließ Jesus mit seinen Jüngern die Stadt.
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