Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude
Zum Gedenken an den Jahrhundertökonomen John Maynard Keynes, der vor 130 Jahren, am 5. 6. 1883, in Cambridge das Licht der Welt erblickte.
Ein Teil der Zukunft
ist schon Gegenwart
„Ich glaube, daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.“ Heute sind die Befürworter von Geld- und Bodenreform aus der Gesell-Schule Träger dieser Botschaft. Was bedeutet dies für die Kommentierung und Verortung der heutigen Situation mit Staatsschuldenkrise, Immobilienkrise, Bankenkrise, Eurokrise? – Die Euro- und die Bankenrettung werden uns noch länger beschäftigen. Die Erscheinungen dieser Krise sind aber der Stoff, aus dem auch freiwirtschaftliche Blütenträume gewirkt sind. Die real existierende Ökonomie verweist vergleichbar dem Philosophen Ernst Bloch in seinem „Prinzip Hoffnung“ im Gegenwärtigen auf das für Zukünftiges Angelegte und Intendierte.
Gewiss, wir waren schon einmal weiter. Für eine kurze Zeitspanne, vielleicht für ein historisches Zeitfenster, schien der Weg der Notenbanken in einen Negativzins geöffnet, als Mankiw und Buiter die Nullzinsschranke mit einem Negativzins nach unten durchbrechen wollten und sich dabei auch auf Gesell bezogen. Notenbankpolitik und politische Krisenbewältiger sind vorerst einen anderen Weg gegangen. Und doch geben uns die Krise und ihre Bewältigung Fingerzeige und Interpretationshilfe für freiwirtschaftliche Lösungs- und Vermittlungsansätze.
Wie wirken niedrige oder gar in der Nähe von Null verlaufende (Haben-)Zinsen? Wenn Anhänger der Geldreformbewegung diese postulieren, so sind sie in der Vergangenheit vielleicht auf Unverständnis gestoßen. Jetzt können sie darauf verweisen, dass die Realität die Utopie eingeholt hat. Auch können sie vorurteilsfrei die sich einstellenden Probleme anschauen und gegebenenfalls entschärfen. Dafür können wir auch dankbar sein, weil eine freiwirtschaftliche Zukunft dann ohne die spätere Last der Widerlegung von Gegenargumenten bereits jetzt argumentativ entwickelt werden kann. Es ist leicht und billig zu behaupten, man habe immer schon das Krisenhafte der Entwicklung vorhergesagt und gewusst, selbst wenn diese Feststellung richtig ist. Dies haben die Marxisten auch stets betont und doch gefehlt in ihrer Lösung. Wir müssen im Jetzt für ein behutsames Verständnis werben, dass hohe Renditen in der Gegenwart und Zukunft nicht, oder nur gegen exorbitante Risiken zu haben sind.
Der Habenzins beläuft sich etwas über oder um null Prozent. Für Anleger – auch Lebensversicherungen – mit weiter zurückliegendem Zinsgedächtnis erscheint dies wie eine Katastrophe für ihre Geldanlage. Und angesichts einer, wenn auch mäßigen Inflationsrate bedeutet dies eine negative Realverzinsung auf das eingesetzte Geldkapital. Der Rückblick auf vermeintlich goldene Zeiten bezüglich der Nominal- und Realverzinsung geht in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück, als die Inflationsraten hoch und akzelerierend waren und keineswegs feststand, dass wenig später mittels einer restriktiven Geldpolitik die Inflationserwartungen gebrochen wurden mit den Folgen von Arbeitslosigkeit, Unternehmenskonkursen und Wachstumsschwäche.
Zurückblickend scheuten viele Anleger in der jüngsten Vergangenheit eine langfristige Anlage wegen der niedrigen Zinsen und flüchteten in die kurzfristige Anlage, die Liquidität (dieser Aspekt wird insbesondere von Eckhard Behrens vom Seminar für freiheitliche Ordnung betont). Hier bewahrheitet sich, was Freiwirte und Keynesianer, Silvio Gesell und John Maynard Keynes herausgearbeitet haben: Unterschreitet der Zins eine gewisse Untergrenze, stellt sich das Geld nicht zur Anlage ein. Das Rezept dagegen ist die Geldumlaufsicherung durch einen Umlaufsantrieb, Schwung oder Schwund oder eine Geldsteuer, wie immer man dies auch benennen mag.
Der sozialdemokratische Spitzenkandidat im hessischen Landtagswahlkampf 2009 Thorsten Schäfer-Gümbel hatte die Idee einer Zwangsanleihe bei Vermögenden für den Staat. Jeder mit einem Vermögen über 750.000 € sollte 2 % hiervon für 15 Jahre dem Staat zu 2,5 % Zinsen zur Verfügung stellen. In meinem Beitrag „Zwangsanleihe für Reiche? – Nein Danke“ habe ich dagegengehalten: „Warum sollte der Staat ausgerechnet dieser Klientel einen Zins und eine Rendite von 2,5 % auf 15 Jahre garantieren?“ Ich habe dann weitere Zinssenkungen vorausgesehen, die ja auch tatsächlich eingetreten sind.
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