Kategorie: Zeitschriftenarchiv

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt 0

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt

1. Der Wunsch der Eltern

Meine Erin­ne­rung reicht zurück bis in die letz­ten Jahre des Zwei­ten Welt­kriegs. Da kannte ich viele Leute, die sagten: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Sie hatten tatsäch­lich allen
Grund, dies zu wünschen in Anbe­tracht ihrer gefal­le­nen Verwand­ten und Freun­de, der zerbomb­ten Städte und der Versor­gungs­pro­ble­me hinsicht­lich der elemen­ta­ren Bedürf­nis­se – Nahrung, Klei­dung, Wohnung. Sie wünsch­ten sich eine radi­ka­le Ände­rung der Lebens­ver­hält­nis­se in Deutsch­land. Die anzustrebende
Ziel­si­tua­ti­on sollte derart sein, dass möglichst niemand mehr Anlass haben sollte zu dem Wunsch: „Unsere
Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Wenn man die Leute damals gebe­ten hätte, die gewünsch­te Ziel­si­tua­ti­on ein wenig zu konkre­ti­sie­ren, wäre sehr schnell deut­lich gewor­den, dass der Wunsch zwei klar unter­scheid­ba­re Ziele umfass­te. Das eine Ziel fand von Anfang an seinen Ausdruck in der bekannten
Forde­rung „Nie wieder Krieg!“, woge­gen das andere Ziel erst etwas später von Ludwig Ehrhard in die grif­fi­ge Formel „Wohl­stand für alle!“ gepackt wurde. Ich gehöre zu den glück­li­chen Kindern, für
die beide Teile des dama­li­gen Wunsches ihrer Eltern tatsäch­lich in Erfül­lung gegan­gen sind. Seit dem Zwei­ten Welt­krieg hat es in Deutsch­land keinen Krieg mehr gege­ben, und es sieht auch nicht so aus,
als ob ich in der mir verblei­ben­den Lebens­zeit noch mit einem solchen Krieg rech­nen müsste. Auch was den Wohl­stand angeht, ist der Wunsch für mich selbst und viele meiner Verwand­ten und Freun­de in Erfül­lung gegan­gen. Ich meine aber, dass wir das Ziel „Wohl­stand für alle“ nicht nur nicht erreicht haben, sondern
aktu­ell dabei sind, uns wieder weiter von diesem Ziel zu entfernen.

2. Die Frage nach dem Zielzustand

Zustän­de, in denen ein System ewig verblei­ben könnte, obwohl noch dyna­mi­sche Vorgän­ge statt­fin­den, werden
statio­nä­re Zustän­de genannt. Schon in der Bibel (1. Mose 8, Vers 22) wird – obwohl dort natür­lich die Bezeich­nung „statio­nä­rer Zustand“ nicht vorkommt – ein solcher Zustand beschrie­ben: „Solan­ge die Erde steht, soll nicht aufhö­ren Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Ohne Zwei­fel befin­det sich unser Wirt­schafts­sys­tem zur Zeit nicht in einem statio­nä­ren Zustand. Vermut­lich war
die Geschwin­dig­keit der Ände­run­gen im Wirt­schafts­sys­tem noch nie so hoch wie jetzt. Es wird auch von Poli­ti­kern und Wirt­schafts­fach­leu­ten immer wieder betont, dass das beson­ders Posi­ti­ve am aktu­el­len Zustand darin bestehe, dass er in hohem Maße dyna­misch sei. Zur Bestä­ti­gung ihres Urteils verwei­sen sie manch­mal auf das Sprich­wort „Wer rastet, der rostet.“ Und sie meinen, um dem Rosten zu entge­hen, müsse man immer schnel­ler rennen. Ich bin dage­gen über­zeugt, dass wir uns fragen soll­ten, wohin die Reise gehen soll, d. h. ob wir nicht doch einen statio­nä­ren Ziel­zu­stand charak­te­ri­sie­ren können, den fast alle Mitbür­ger posi­tiv beur­tei­len würden. Selbst­ver­ständ­lich kann dieser Ziel­zu­stand kein endgül­ti­ger sein, denn jede „revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­idee“ würde zwangs­läu­fig zum Verlas­sen dieses Zustands führen. Beispie­le für revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen sind die Erfin­dung des Buch­drucks oder der Dampf­ma­schi­ne, und in neue­rer Zeit die viel­fäl­ti­gen Ideen zur Nutzung der natur­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se in der Physik und der Chemie. Ohne diese Erkennt­nis­se gäbe es keine Autos, kein elek­tri­sches Licht, keine Roll­trep­pen, keine Compu­ter, kein Inter­net und keine draht­lo­se Kommu­ni­ka­ti­on. Aus der Tatsa­che, dass in den letz­ten zwei­hun­dert Jahren in immer kürze­ren Abstän­den revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen gebo­ren wurden, glau­ben manche Wirt­schafts­pro­phe­ten schlie­ßen zu dürfen, dass sich die zeit­li­chen Abstän­de zwischen solchen Ereig­nis­sen auch weiter­hin verkür­zen werden. Da revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen aber häufig ihren Ursprung
in über­ra­schen­den natur­wis­sen­schaft­li­chen Entde­ckun­gen haben, sehe ich eine Analo­gie zwischen dem Feld dieser Ideen und einem Erdöl­feld: Lange bleibt es unent­deckt, dann wird es immer schnel­ler ausge­beu­tet und
schließ­lich ist es leer gepumpt. Deshalb halte ich es durch­aus für sinn­voll, darüber nach­zu­den­ken, welchen Zustand unse­res Wirt­schafts­sys­tems wir uns denn wünschen soll­ten unter der Annah­me, dass in den kommenden
Jahr­zehn­ten keine revo­lu­tio­nä­ren Inno­va­ti­ons­ideen mehr vom Himmel fallen.

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert 0

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert

Eine ganz persön­li­che Buchbesprechung.

Der ICE ist fast pünkt­lich, dies­mal, auf meiner Reise von Frank­furt nach Hamburg. Im Abteil neben mir ein junger Mann, Student offen­sicht­lich, nicht unfreund­lich. Hat die ganze Fahrt über seinen Laptop in Betrieb, stun­den­lang mit Compu­ter­spie­len. Scheint sich ablen­ken zu müssen; von was eigent­lich, würde ich ihn am liebs­ten fragen.

Gedan­ken kommen und gehen: wach sein, hier sein, unsere Reali­tät sehen, sehen was wirk­lich um uns herum ist… scheint nicht mehr in Mode zu sein bei vielen jungen Leuten. Wie anders war es doch noch in meiner Gene­ra­ti­on, der 68er.

Ich begin­ne mit meiner Reise­lek­tü­re: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te Wirt­schaft lohnt‑, von Chris­ti­an Kreiß, einem Wirt­schafts­pro­fes­sor mitt­le­ren Alters. Im Bild auf dem Klap­pen­text mit wachen Augen, die etwas verwun­dert drein schau­en. Hätten wir doch alle tatsäch­lich Grund uns sehr zu wundern, denke ich.

Wie ist es möglich, fragt der Autor, dass wir offen­sicht­lich in einer Art kollek­ti­ver Trance die falschen Grund­an­nah­men unse­rer gängi­gen Wirt­schafts­theo­rien nicht wahr­neh­men? Wie war es möglich, denke ich, schon beim Lesen der ersten Seiten, dass damals im drit­ten Reich ein ganzes Volk dem Rassen­wahn verfiel mit den dann schier unglaub­li­chen Folgen? Kreiß versucht immer wieder im Zusam­men­hang mit der neoli­be­ra­len Wirt­schafts­dok­trin eine Antwort auf diese Kern­fra­ge zu geben. Er ist Fach­mann, Insi­der, hoch­kom­pe­tent, scheint mir, und er hat Mut. Braucht es Mut aus kollek­ti­ven Tran­cen aufzu­wa­chen? Ja, und – man muss es wollen.

Der Autor hat profun­de Geschichts­kennt­nis­se, verknüpft aktu­el­le Zusam­men­hän­ge damit, er versucht ein
ganz­heit­li­ches Bild unse­rer derzei­ti­gen Wirt­schafts­kri­se zu vermit­teln. Plötz­lich erge­ben die Zusam­men­hän­ge ein verblüf­fend einleuch­ten­des und logisch stim­mi­ges Bild: nur eine gerech­te Wirt­schaft, so Kreiß, kann auf Dauer bestehen. Das lehrt eindrück­lich die jünge­re Geschichte!

Mir gegen­über im Zug sitzt eine junge Dame mit einem frischen, offe­nen Gesicht, auch sie stun­den­lang am Laptop. Ich erfah­re später, sie schrei­be ihre Master­ar­beit nach elf Semes­tern Psycho­lo­gie­stu­di­um. Man merkt, sie ist ganz absor­biert davon, wohl auch genervt vom vielen kompli­zier­ten Denken. Ihr Enga­ge­ment, ande­ren Menschen zu helfen, nehme ich ihr sofort ab, sie wirkt sehr sympathisch.

Ein Satz fällt mir ein, von einem indischen
Weisen: Es sei kein Zeichen
geis­ti­ger Gesund­heit sich (und andere)
an eine kranke Gesell­schaft anzupassen.
Kann ich der jungen Psychologiestudentin
so etwas sagen?

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites 0

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites

Die bäuer­li­che Lebens­form besteht aus einem Zusam­men­hang von Erwerbs­ar­beit, Eigen­ar­beit, gemein­nüt­zi­ger Arbeit und Erho­lung in einem selbst gestalt­ba­ren Lebens­um­feld. Mit diesem bäuer­li­chen Prin­zip wird der Zusam­men­hang von Wohn- und Arbeits­ort, die Verein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, der Zusam­men­halt der Gene­ra­tio­nen, ein hohes Selbst­ver­sor­gungs-Poten­zi­al sowie eine zeit­lich und räum­lich über den Hofall­tag hinaus­rei­chen­de Verant­wor­tung gewähr­leis­tet. Es ist ein Lebens- und Arbeits­mo­dell, das individuelle
Frei­heit mit einer Begren­zung und Einord­nung in die Natur­zu­sam­men­hän­ge einer endli­chen Welt organisch
verbindet.

Diese für die Bauern­fa­mi­li­en wie für die Gesell­schaft glei­cher­ma­ßen nütz­li­che und förder­li­che Lebens- und Arbeits­form wird heute erstickt: Wo außer Geld keine ande­ren Werte zählen, wird allein der Sektor der Erwerbs­ar­beit hono­riert – und in den Wett­be­werb gestellt. Das Wett­be­werbs- System führt zwangs­läu­fig dazu, dass dieje­ni­gen gewin­nen, bei denen der Bereich der Erwerbs­ar­beit nahezu 100 % ausmacht, also die anderen
Arbeits- und Lebens­be­rei­che weit­ge­hend erdrückt. Je mehr ein Betrieb den Aspekt der Erwerbs­ar­beit zurück­fährt, um den ande­ren Berei­chen Raum zu geben, desto eher wird er zum Verlie­rer in diesem System. Wer mit viel Fläche und weni­gen Arbeits­kräf­ten wirt­schaf­tet, wer viele Tiere auf engem Raum hält, wer auf Kosten der Natur, des Grund­was­sers und der Quali­tät seiner Produk­te die Erträ­ge stei­gert, wer wegen der Flächen­sub­ven­tio­nen die Neuein­rich­tung klei­ner Betrie­be blockiert – verhält sich system­kon­form, ist
aber nicht Urhe­ber dieser Verhältnisse.

In den oppo­si­tio­nel­len Grup­pen in der DDR der 80er Jahre habe ich gelernt, dass es nichts bringt, dieje­ni­gen zu kriti­sie­ren, die sich system­kon­form verhal­ten – wenn man nicht das System selber zur Debat­te stellt. Nun ist die heuti­ge Situa­ti­on eine andere als damals. Aber auch heute müssen wir damit rech­nen, dass sich viele Menschen so oder so verhal­ten, weil sie Teil eines gesell­schaft­li­chen Systems sind – und nicht, weil sie sich das in völli­ger Entschei­dungs­frei­heit selbst ausge­dacht haben. Mit dem heuti­gen System meine ich nicht allein die derzei­ti­ge Agrar­po­li­tik, die nur ein Teil davon ist. Ich meine insbe­son­de­re die aus einer falsch verstan­de­nen Biolo­gie (Selek­ti­ons­leh­re) in die Ökono­mie übertragene
und von dort aus in alle Gesell­schafts­be­rei­che einge­drun­ge­ne Wett­be­werbs- Logik. Im Ideal­fall ist eine Gesell­schaft nämlich wie ein Orga­nis­mus verfasst, dessen „Organe“ zum gegen­sei­ti­gen Vorteil und zum Wohle des Ganzen zusam­men­ar­bei­ten – und nicht danach trach­ten, sich gegen­sei­tig zu verdrängen.

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow 1

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow

Auf der Univer­si­tät wird gelehrt, dass die Zinsen eine Beloh­nung für den Konsum­ver­zicht eines Menschen sind. Diese Begrün­dung ist auf den ersten Blick abso­lut verständ­lich und plau­si­bel. Dass dage­gen das Chris­ten­tum in seiner ursprüng­li­chen Lehre – wie andere große Reli­gio­nen auch – es ablehnt, dass die Menschen Zinsen für ihr verlie­he­nes Geld nehmen, wird von den meis­ten verdrängt, sofern dieses Gebot ihnen über­haupt bekannt ist. Zudem leben wir schon seit Jahr­hun­der­ten mit der Vorstel­lung, für unser Geld Zinsen zu bekom­men. Daher können wir uns eine opti­ma­le Volks­wirt­schaft ohne Zinsen über­haupt nicht mehr vorstel­len. Darüber hinaus wird die Metho­de, eine Gebühr für aufbe­wahr­tes Geld (Liege­ge­bühr) zu erhe­ben, ohne­hin für völlig absurd gehalten.

Doch die Reali­tät sieht anders aus. Bernard A. Lietaer beschreibt in seinem Buch „Myste­ri­um Geld“ zwei Epochen, in denen eine Markt­wirt­schaft ohne Zinsen und mit einer Anti-Hortungs­ge­bühr zu einem „außer­ge­wöhn­li­chen Wohl­stand“ der gesam­ten Bevöl­ke­rung geführt hat, nicht nur einer bestimm­ten Schicht: Einmal eine Epoche im alten Ägyp­ten und dann die Zeit des Hoch­mit­tel­al­ters, also etwa vom 10. bis 13. Jahrhundert.

Zwar unter­schie­den sich die Moda­li­tä­ten, unter denen die Gebüh­ren auf das Geld erho­ben wurden, in den beiden Zeit­al­tern. In Ägyp­ten war das System der Liege­ge­büh­ren auf gepark­tes Geld „höher entwi­ckelt als das mittel­al­ter­li­che“. Doch trotz der unter­schied­li­chen Mittel fielen die Resul­ta­te in Ägyp­ten und im Hoch­mit­tel­al­ter „uner­war­tet ähnlich“ aus. Das Geld war zwangs­läu­fig „nur“ Tausch­mit­tel und kein
Wert­ge­gen­stand, der dazu anreizt, es zu horten. Es war wesent­lich sinn­vol­ler, Erspar­nis­se in Form von Produk­ti­ons­gü­tern anzu­le­gen, die lange Bestand hatten, als in Form von Geld. Es gab keine Speku­lan­ten, die auf Kosten einer verarm­ten Bevöl­ke­rung immer reicher wurden. Das Geld blieb dort, wo es gebraucht wurde. Die Umlauf­ge­schwin­dig­keit des Geldes blieb also hoch. Das Geld wurde nicht zuneh­mend knapper.

Im alten Ägyp­ten dauer­te diese Epoche einer intak­ten Volks­wirt­schaft wesent­lich länger als dieje­ni­ge im Mittel­al­ter. Man schätzt diese Zeit auf immer­hin 1.500 Jahre. Das alte Ägyp­ten mit seinen hohen Getrei­de­er­trä­gen wird ja bekannt­lich als die „Korn­kam­mer der Antike“ bezeich­net. Diese Zeit des Wohl­stan­des und des Reich­tums endete allmäh­lich durch den grie­chi­schen Einfluss, der sich dort ausbrei­te­te. Später ersetz­ten die Römer das dorti­ge Währungs­sys­tem „durch ihr eige­nes mone­tä­res System“, das sich eben­falls nega­tiv auf die Volks­wirt­schaft auswirkte.

Im Hoch­mit­tel­al­ter war die Phase wirt­schaft­li­cher Expan­si­on von einer star­ken Zunah­me der Bevöl­ke­rung beglei­tet. Zwischen etwa den Jahren 1.000 und 1.300 verdop­pel­te sie sich im euro­päi­schen Raum von ca. fünf auf zehn Millio­nen Menschen. Die Boden­er­trä­ge stie­gen. Im Gewer­be kam es zu einer weite­ren Spezia­li­sie­rung und Arbeits­tei­lung. Es bilde­te sich ein Markt für agra­ri­sche und gewerb­li­che Produkte.

In dieser Zeit entstan­den auch die meis­ten der berühm­ten und präch­ti­gen Kathe­dra­len. Sie gehör­ten – auch
das ist wenig bekannt – weder der Kirche noch den Fürs­ten, sondern dem einfa­chen Volk, meist den Bürgern der Stadt, in der sie erbaut worden waren. Sie wurden auch von diesen finan­ziert. Die Kirche besaß selbst­ver­ständ­lich ihre „privi­le­gier­ten Zeiten“, in denen die Gottes­diens­te statt­fan­den, sowie ihren „privi­le­gier­ten Raum“ (den Chor um den Altar).

B. A. Lietaer verdeut­licht in folgen­der Schil­de­rung aus dem norma­len Leben die dama­li­ge Situa­ti­on sehr anschaulich:

„Natür­lich gibt es für die dama­li­ge Zeit keine ‚Statis­tik‘ in unse­rem heuti­gen Sinne… Dennoch besit­zen wir aussa­ge­kräf­ti­ge Quel­len. So berich­tet beispiels­wei­se Johann Butz­bach in seiner Chro­nik: ‚Die gemei­nen Leute hatten selten weni­ger als vier Gänge bei der Mittags­und Abend­mahl­zeit. Sie aßen Getrei­de und Fleisch, Eier, Käse und Milch zum Früh­stück, und um 10 Uhr morgens und noch einmal um vier Uhr nachmittags
eine leich­te Mahl­zeit.‘ Der Histo­ri­ker Fritz Schwartz brach­te die Verhält­nis­se auf den Punkt: ‚Kein Unter­schied zwischen Bauern­haus und Schloß.‘

Für die Gesel­len war der soge­nann­te blaue Montag frei. Während der Sonn­tag als der ‚Tag des Herrn‘ galt, an dem man sich um öffent­li­che Ange­le­gen­hei­ten kümmer­te, war der Montag der Tag, an dem die Menschen Zeit für ihre Privat­an­ge­le­gen­hei­ten hatten, Zusätz­lich gab es mindes­tens 90 offi­zi­el­le Feier­ta­ge im Jahr! Daher arbei­te­te ein Gesel­le im Durch­schnitt nicht mehr als vier Tage in der Woche. Außer­dem war auch die Zahl der Arbeits­stun­den pro Tag begrenzt. Als die Herzö­ge von Sach­sen die Arbeits­stun­den von sechs auf acht
Stun­den am Tag ausdeh­nen woll­ten, revol­tier­te das Volk. Die Herzö­ge muss­ten ihre Unter­ta­nen zudem ermah­nen, dass ‚Arbei­ter nur vier Gänge bei jeder Mahl­zeit‘ erhal­ten sollten.

Die Bauern, die als nied­rigs­ter Stand galten ‚trugen Silber­knöp­fe an Weste und Mantel, meist in Doppel­rei­hen, und verwen­de­ten silber­ne Schnal­len und Verzie­run­gen für ihre Schuhe‘. Soziale
Unter­schie­de zwischen hohem und nied­ri­gem Stand, Adel und Bauern, waren deut­lich geschrumpft.“

Die ganze Welt ist ein Theater – Andreas Bangemann 0

Die ganze Welt ist ein Theater – Andreas Bangemann

Gleich­zei­tig Zuschau­er sein und Teil des Gesche­hens. Im Thea­ter ist das seit Jahr­hun­der­ten erlebbar.
Die ganze Welt ist Bühne
und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
sein Leben lang spielt einer manche Rollen,
durch sieben Akte hin.
(William Shake­speare, Wie es euch gefällt, II/7, 140–144)

Thea­ter spie­len wurde in London als eine Art „Wunder­waf­fe“ erkannt, weil sich durch diese Kunst­form Poli­tik machen ließ. Köni­gin Elisa­beth I. (sie regier­te von 1558–1603) wusste das für ihre Zwecke zu nutzen und trug mit dazu bei, dass das engli­sche Volk ins Schau­spiel­haus ström­te und in England Thea­ter von Welt­rang gemacht wurde. Einer, der wie kein ande­rer Stücke auf die Bühne zu zaubern verstand, war zwei­fel­los William Shake­speare. Doch ausge­rech­net ihm wird auch nach­ge­sagt, dass er gar nicht der Urhe­ber der ihm zuge­schrie­be­nen Bühnen­wer­ke war. Als wahrer Autor wird am häufigs­ten Sir Fran­cis Bacon, der angeb­li­che, erst­ge­bo­re­ne aber nicht aner­kann­te Sohn Elisa­beths I. genannt. Welche Ironie des Schau­spiels! Von Haus aus Wissen­schaft­ler konnte Bacon die Intel­lek­tu­el­len auf der Verstan­des­ebe­ne über­zeu­gen. Eines seiner weite­ren Talen­te bestand demnach im Verfas­sen von Thea­ter­stü­cken, mit Hilfe derer auch die mensch­li­che Gefühls­ebe­ne ange­spro­chen wurde. Und eine solche Gabe lässt sich bis zum heuti­gen Tage nutzen, um Geschich­ten zu erzäh­len, welche Menschen hören wollen. Geschich­ten, mit denen man die Alltags­sor­gen, die klei­nen wie die großen, hinter sich lassen kann.

Fast kommt es einem vor, als würde die Geschich­te vom „guten Kapi­ta­lis­mus“ bereits Jahr­hun­der­te lang erzählt. Und selbst in seiner milli­ons­ten Varia­ti­on strö­men die Massen noch immer in das Thea­ter der Exper­ten, um bei diesem uralten Stück dabei zu sein.

Das Thea­ter von heute sind die unend­lich vielen Fern­seh­sen­der. Mich macht es zuneh­mend sprach­los, wenn ich erlebe, wie sich in den Talk­show­ses­seln vermeint­li­che Auto­ri­tä­ten mit Worten äußern, deren Sinn eigent­lich dazu geeig­net wäre, die „alte Geschich­te“ in Frage zu stel­len und die Forde­rung nach einer neuen damit zu verbin­den. Jedoch, erkenn­bar gefähr­li­che Entwick­lun­gen werden indi­vi­du­el­len Fehl­leis­tun­gen zuge­schrie­ben, und als eine mensch­li­che Entglei­sung darge­stellt, die nicht den Wahr­heits­ge­halt der alten Geschich­te gefähr­det. Diese wird munter weiter­erzählt. Von allen, gleich welchen poli­ti­schen Lagern sie ange­hö­ren. Niemand stellt grund­sätz­lich in Frage, sondern erzählt nur eine weite­re Varia­ti­on der alten Geschich­te. Mir scheint, als seien wir vermit­tels Sprache
kaum noch in der Lage, das Gesche­hen­de wieder­zu­ge­ben. Offen­bar müssen wir erle­ben, um wahr­zu­neh­men. Wie kann dieses Erle­ben ausse­hen, damit es uns wach­rüt­telt? Gibt es da etwas ande­res als Bege­ben­hei­ten, die wir uns besser nicht ausma­len wollen? Dinge wie Nahrungs­mit­tel­knapp­heit, Gewalt, Kriege usw.

Zu allen Zeiten spiel­ten ökono­mi­sche Belan­ge und Inter­es­sen die Haupt­rol­le. Selbst die seich­tes­ten Stücke des tägli­chen Thea­ters haben mit Geld zu tun. Wirt­schaf­ten bedeu­tet in Bezie­hung stehen. Weil wir Menschen nur in Gemein­schaft fort­be­stehen können, ist die Art, wie wir mitein­an­der umge­hen eine der wesent­lichs­ten Voraus­set­zun­gen für das Über­le­ben unse­rer Spezi­es. Als solche sind wir Teil allen Lebens auf der Erde und auch Teil des unend­li­chen Univer­sums. Mitt­ler­wei­le spüren die aller­meis­ten, wie stark sich jegli­ches Handeln der „alten Geschich­te“ des kapi­ta­lis­ti­schen Denkens anpasst. Die Beschaf­fen­heit des Geld­we­sens bestimmt unsere Denk­wei­se. Es wird Zeit, das zu erkennen.

Wir sind Akteu­re und Zuschau­er zugleich. Wir sind Teil eines Ganzen, dessen Schick­sal auch unser Schick­sal ist. Nichts, was wir tun – aber auch nichts, was wir nicht tun – bleibt ohne Folgen für uns selbst.

Als Leser der HUMANEN WIRTSCHAFT sind Sie Teil des Wider­stands. Aber auch die Verkör­pe­rung des Neuen. Im „Thea­ter des Lebens“ sind wir die Stören­frie­de. Im Bemü­hen um eine klare Spra­che hinsicht­lich aller Fragen zum Geld und seinen Wirkun­gen hat sich kaum einer so verdient gemacht, wie unser Autor Helmut Creutz.

Im Bemü­hen um die Einbet­tung des Wirt­schafts­sys­tems in den großen Zusam­men­hang allen Seins schickt sich derzeit Charles Eisen­stein aus den USA an, die Augen zu öffnen. Es macht Freude, ihm zuzu­hö­ren, denn einer, wie er hat uns noch gefehlt. Einer der die Verstan­des­welt ratio­na­ler Fakten in ein Gesamt­bild über­führt, das auch „gefühlt“ werden kann. Vieles von dem, worüber er philo­so­phiert lässt sich mit jener nüch­ter­nen Logik errei­chen, die unsere Reform­vor­schlä­ge zur Geld- und Boden­ord­nung prägen. Logik und Gefühl – wir sind nicht umsonst mit beidem von der Natur ausge­stat­tet worden.

Lassen Sie uns gemein­sam mit allen unse­ren vortreff­li­chen Autoren – in dieser und in allen ande­ren Ausga­ben – versu­chen, den letz­ten Akt dieses Schau­spiels im „Thea­ter des Scheins“ in den ersten Akt einer neuen Geschich­te zu über­füh­ren. Wir haben das Zeug dazu.

Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann

Leserbriefe 06/2013 0

Leserbriefe 06/2013

Fünf Seiten von Lesern für Leser. Die Leser­brie­fe dieser Ausga­be. Ihre Meinung ist uns wich­tig! Senden Sie uns Ihre Fragen, Anre­gun­gen oder persön­li­chen Meinun­gen. Wir bemü­hen uns, so viele
Leser­brie­fe unter­zu­brin­gen, wie möglich. Wenn wir Leser­brie­fe kürzen, dann so, dass das Anlie­gen der Schrei­ben­den gewahrt bleibt. Leser­brie­fe geben nicht die Meinung der Redak­ti­on wieder.

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In Wuppertal steinreich werden – Andreas Bangemann

Die Frei­licht­büh­ne an der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te wird mehr als 80 Jahre nach ihrer Entste­hung wieder mit Leben erfüllt.

Jona­than Ries als „Baulei­ter“ und die Fami­lie Bange­mann achten dabei darauf, dem „Geist“ des Gelän­des und der herr­li­chen Natur Rech­nung zu tragen. Der Frei­wirt­schaft­li­che Jugend­ver­band Deutsch­land e. V. als Träger und Eigen­tü­mer des Gelän­des sucht auf beson­de­re Weise Unter­stüt­zer. Mit der Über­nah­me einer „Stein­pa­ten­schaft“ kann das Projekt, das 2015 voll­endet werden soll, unter­stützt werden.

Gedan­ken, die zur Entschei­dung für Steine geführt haben

Die Terras­sie­rung des Sitz­be­rei­ches, die später einmal die Stufen des Zuschau­er­rau­mes bilden wird, soll aus massi­ven Stein­blö­cken gestal­tet werden. Die Model­lie­rung des Erdreichs, seine Verdich­tung und der Unter­grund für die „Sitz­stei­ne“ stel­len dabei eine Heraus­for­de­rung dar.

Die Frei­licht­büh­ne in Form einer unver­wüst­li­chen Wahr­heit, als Spagat zwischen mani­fes­ter Masse und geis­ti­gem Leben. Dem Stein und seiner alles mensch­li­che Leben über­dau­ern­den Stärke, soll in Form der Nutzung der Bühne die Leich­tig­keit des Gedan­ken­spiels in allen künst­le­ri­schen Facet­ten begeg­nen. Der Stein als das Symbol der Zeit­lo­sig­keit trifft in der zukünf­ti­gen Bühne auf die leben­di­ge Krea­ti­vi­tät von Mensch und Natur.

Diese Ambi­va­lenz bezieht ihre Über­ra­schungs­mo­men­te aus den immensen zeit­li­chen Versatz­stü­cken von Entwick­lun­gen. Hier das ewig Gelten­de, Verstei­ner­te, dort das Flüch­ti­ge, die dem mensch­li­chen Geist entsprin­gen­de Moment­auf­nah­me. Hier das Behä­bi­ge, Unbe­weg­li­che und dort das Flie­ßen­de und auf ganz beson­de­re Weise Verän­de­rung Herbeiführende.

Der Stein ist Stein und bleibt es ewig. Der Mensch vergeht in kürzes­ter Zeit und nährt sich von den Früch­ten der Natur und des Geis­tes. Leben vergeht und entsteht in unend­li­chem Kreis­lauf. Ein Kunst­werk, das auf einer Bühne aufge­führt wird, ist Vergäng­lich­keit im Stundentakt.

Doch diese Frei­licht­büh­ne wird mit ihrem Ensem­ble aus Kunst, Archi­tek­tur und Krea­ti­vi­tät für unge­ahn­te Refle­xio­nen und blei­ben­de Eindrü­cke sorgen. Bäume, Sträu­cher, Pflan­zen und die Tiere des Waldes und der angren­zen­den Felder, berei­chern die Kulis­se, welche der Mensch mit seiner Krea­ti­vi­tät erfüllt.

Reden aller Art, Klein­kunst, Akro­ba­tik, Bewe­gungs­kunst, Thea­ter, Tanz, Musik, kind­li­che Entde­ckungs­rei­sen, Semi­nar­ver­an­stal­tun­gen und, und, und …

Der zukünf­ti­gen Nutzung als Spiel- und Ausdrucks­raum für viel­fäl­ti­ge Zwecke sind kaum Gren­zen gesetzt.

Die gewal­ti­ge, zeit­lo­se, mit Ewig­keits­an­spruch verse­he­ne Form der gesam­ten Anlage bietet einen Raum, der den Menschen täglich aufs Neue die Frei­heit bietet, sie mit Künst­le­ri­schem und Krea­ti­vem auszu­fül­len. Dem unauf­hör­li­chen Werden und Verge­hen wird ein einzig­ar­ti­ger Rahmen gege­ben. Dem Entste­hen der Verän­de­rung wird Raum gegeben.

Stein­pa­ten­schaf­ten

Viele hundert Steine werden nötig sein,
bis die zukünf­ti­gen Sitzgelegenheiten
geschaf­fen sind. Ein einzel­ner dieser Muschelkalksteine
wird etwa 45 cm x 45 cm
im Quer­schnitt messen, ca. 80 bis 100 cm
lang sein und rund 500 kg wiegen.

Tragen Sie mit einer Steinpatenschaft
zum Gelin­gen dieses außergewöhnlichen
Bauwerks bei. Es werden Patenschaften
mit 50,- € (ein Sitzplatz),
100,- € (zwei Sitz­plät­ze) oder 150,- €
(drei Sitz­plät­ze, entspricht einem ganzen
Stein) aufge­legt. Das wird mit einer
Urkun­de doku­men­tiert und durch eine
Gravur auf den Stei­nen für alle Zeiten
sicht­bar gemacht.

Über­wei­sun­gen bitten mit dem Hinweis
„Stein­pa­ten­schaf­ten“ versehen
und gut leser­lich Vor- und Zuna­men für
die Gravur eintragen.

Kontakt im Zusam­men­hang mit dem Projekt:
Jona­than Ries, Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te, Schan­zen­weg 86, 42111 Wuppertal
Email: jonathanries82@hotmail.com
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Spen­den­kon­to des gemein­nüt­zi­gen Träger­ver­eins der Tagungs­stät­te und des Freilichtbühnen-Projektes:
Konto­in­ha­ber: Frei­wirt­schaft­li­cher Jugendverband
Deutsch­land e. V. (kurz FJvD e. V.)
Konto­num­mer: 26357251
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Wir alle haben Talent – Andreas Bangemann 0

Wir alle haben Talent – Andreas Bangemann

Vor 20 Jahren hat eine Initia­ti­ve starke Impul­se ausge­sen­det, die in der Folge eine Tausch­ring- und Regio­nal­geld­wel­le auslös­te: Das Schwei­zer „Talentex­pe­ri­ment“

Es geschah in einer Zeit weit entfernt von echten ökono­mi­schen Krisen. Ein Land, das durch seine Neutra­li­tät Jahr­hun­der­te lang weit­ge­hend im Frie­den leben konnte und die vermeint­lich stärks­te Währung der Welt aufbau­te, wurde zur Heimat einer selbst­ge­mach­ten, loka­len und zins­frei­en Zweit­wäh­rung. In der Schweiz konnte man in bestimm­ten Regio­nen ab 1993 mit seinen „Talen­ten“ bezahlen.
Im Früh­jahr 1993 haben Mitglie­der der INWO Schweiz (Initia­ti­ve für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung) und weite­re Inter­es­sier­te den Start­schuss für eine Bewe­gung gege­ben, die sich über ganz Europa
ausbrei­te­te. Das Talentex­pe­ri­ment wurde zur Blau­pau­se vieler nach­fol­gen­der Initia­ti­ven und Projekte.

Auf einer Tagung im Novem­ber 1992 wurde ein inhalt­li­cher Grund­stein gelegt. Aus dem dama­li­gen Tagungs­pro­spekt: Eine gerech­te Wirt­schaft ist nur mit einem gerech­ten Geld­sys­tem möglich, das echte Produk­ti­vi­tät fördert und die versteck­te Einkom­mens­um­ver­tei­lung durch den Zins elimi­niert. Ein Geld­we­sen auf Zins­ba­sis ist nicht nur eine sozia­le ökolo­gi­sche Zeit­bom­be, sondern desta­bi­li­siert sich selber durch das expo­nen­ti­el­le Schul­den­wachs­tum. Je unsi­che­rer das inter­na­tio­na­le Währungs- und Finanz­sys­tem wird, desto wich­ti­ger werden lokale, zins­freie Austausch­sys­te­me. Wenn auch für viele die Krise erst 2008 ausbrach, so gab es in alter­na­ti­ven Krei­sen dennoch Weit­bli­cken­de, die sehr genau erkann­ten, wohin eine Wirt­schaft treibt, wenn alles der Kapi­tal­ren­di­te unter­ord­net wird.
„Ein zins­frei­es Tausch­mit­tel, das sich nach den Bedürf­nis­sen der Menschen rich­tet und nicht dem Profit­hun­ger der Finanz­märk­te dient.“ Die Illu­si­on des ewig jungen Geldes stellt mensch­li­che Wert­vor­stel­lun­gen auf den Kopf.

Mit Talen­ten bezah­len konnte man ausschließ­lich bargeld­los. „Wer Talent hat, hat Kredit“, laute­te das Credo. Die Hürden zum Mitma­chen wurden nied­rig ange­setzt. Trans­pa­renz war ein weite­rer wich­ti­ger Punkt in der Konzep­ti­on der Paral­lel­wäh­rung. Thomas Ester­mann schrieb 1994 dazu in der „Zeit­schrift für Sozi­al­öko­no­mie“ unter dem Titel „Das Talent-Expe­ri­ment der INWO Schweiz“: Trans­pa­renz als Schutz vor Machtmissbrauch…

Termine 01/2014 0

Termine 01/2014

Termin­über­sicht 01/2014 mit vielen hervor­ra­gen­den Veran­stal­tun­gen ab Januar 2014 und Termi­nen bis in den Septem­ber, die Sie sich unbe­dingt vormer­ken sollten.

Repariert nicht, was euch kaputt macht! – Streifzüge-Redaktion 0

Repariert nicht, was euch kaputt macht! – Streifzüge-Redaktion

Ausdruck des Webein­trags von www.streifzuege.org
Heraus­ge­ber und Inha­ber: Kriti­scher Kreis. – Verein für gesell­schaft­li­che Trans­for­ma­ti­ons­kun­de – Marga­re­ten­stra­ße 71–73/1/23, 1050 Wien
Der Beitrag ist auf „Streif­zü­ge“ nach­zu­le­sen unter: http://www.streifzuege.org/2013/repariert-nicht-was-euch-kaputt-macht

Geht es auch ohne Geld? – Redaktion 0

Geht es auch ohne Geld? – Redaktion

Der Mensch ist Teil der Natur, das steht außer Zwei­fel. Die Natur kennt kein Geld, erzeugt keinen Abfall, bewer­tet nicht. Sie ist verschwen­de­risch, voller Reich­tum und ohne Schulden.

Könnte das ein Hinweis sein, wie wir unsere Ökono­mie entwi­ckeln sollten?

Ist eine Wirt­schaft ohne Geld denk­bar? Inter­es­san­ter­wei­se decken sich die Analy­sen, poli­tisch links gerich­te­ter Kreise immer mehr mit jenen, die Geld­sys­tem­kri­ti­ker für ihre Zwecke nutzen. Das führt zu Irri­ta­tio­nen, jedoch nur bis zu dem Punkt, an dem man fest­stellt, wie weit die Lösungs­vor­schlä­ge ausein­an­der­lie­gen. Linke, für die Karl Marx und seine Sicht­wei­se nach wie vor das Maß aller Dinge sind, schei­nen sich nicht mit Leuten eini­gen zu können, deren Verän­de­rungs­wil­le sich ganz auf die Trans­ak­ti­ons- oder Zirku­la­ti­ons­sphä­re des Geldes rich­tet. Dem Schei­tern Marx­scher Ideen in der Praxis folgte unter ande­rem auch eine größer werden­de „Szene“ von Linken mit neuen Befrei­ungs­ideen. Die Herr­schaft der Funk­tio­nä­re, wozu der Kommu­nis­mus letzt­lich führte, soll und kann verhin­dert werden, wenn wir uns vom Geld befrei­en, meinen so manche. Das Vorbild der „Freien Soft­ware“ (z. B. Linux) oder von Inter­net­por­ta­len wie Wiki­pe­dia, zu dem Menschen bedin­gungs­los beitra­gen, ohne „Gegen­for­de­run­gen“ zu stel­len, dient als Grund­la­ge für ein System­den­ken jenseits des Geldes. Damit scheint der Spagat geschafft, das reale Schei­tern des marxis­ti­schen Sozia­lis­mus in seiner „Prole­ta­ri­ats­dik­ta­tur-Phan­ta­sie“ doch noch mit dem eigent­li­chen Ziel, der Auflö­sung des Staa­tes, zu verei­nen. Und das, ohne sich von dem Denken verab­schie­den zu müssen, dass es einzig die Produk­ti­ons­mit­tel sind, die den Kapi­ta­lis­mus ausmachen.

In dieser Ausga­be der Zeit­schrift haben wir uns vorge­nom­men, Denk­wei­sen Raum zu geben, die das Thema Geld aus einer ande­ren Sicht betrach­ten. Für „Geld­re­for­mer“ ist es befremd­lich, einmal darüber nach­zu­den­ken, wie die Wirt­schaft ganz ohne Geld funk­tio­nie­ren könnte. Aber das sollte uns nicht daran hindern, es einmal zu tun.

Das Geschäft mit der Massenvernichtung – Redaktion 0

Das Geschäft mit der Massenvernichtung – Redaktion

Inves­ti­tio­nen deut­scher Banken in Atomwaffenhersteller

Laut dem Erfolgs­au­tor, David Grae­ber, („Schul­den Die letz­ten 5000 Jahre“) ist das Aufkom­men von Münz­geld im Wesent­li­chen auf die Finan­zie­rung von Krie­gen zurück­zu­füh­ren. Staats­schul­den sind Kriegs­schul­den. „Der Link zwischen Geld und Gewalt zieht sich durch die Geschich­te der Mensch­heit“, sagt er am 10. Okto­ber 2013 in einem Inter­view des Schwei­zer Fern­se­hens DRS.

„Alle moder­nen Regie­run­gen sind verschul­det und meis­tens sind es Kriegs­schul­den.“ Zwar wach­sen die heuti­gen Staats­schul­den im Grunde nur durch die
nicht mehr bedien­ba­ren Zins­las­ten, doch im Gegen­satz zu Sozi­al­aus­ga­ben stehen die Ausga­ben für Vertei­di­gung eher selten auf der Streich­lis­te der Staatshaushalte. 

Wurden Kriege und Gewalt zu frühe­ren Zeiten von unde­mo­kra­ti­schen Herr­schern geführt, so hat sich das zwar geän­dert, nicht jedoch die Tatsa­che, dass Kriege und vor allem schreck­li­che Waffen, wie zum Beispiel Atom­waf­fen, nach wie vor finan­ziert werden müssen. Konn­ten die Herr­scher früher das durch Ausbeu­tung eige­ner Gold- und Silber­mi­nen, so müssen die Krieg­füh­ren­den, aber auch die Produ­zen­ten der Waffen­sys­te­me, heut­zu­ta­ge auf den Finanz­markt zurück­grei­fen, um Kriege und Waffen finan­zie­ren zu können. Ange­sichts der immensen Summen, die mitt­ler­wei­le dafür aufge­wen­det werden, fragt man sich, wie das möglich ist? Wer kennt schon Jeman­den persön­lich, der einem Atom­waf­fen­her­stel­ler Kredit geben würde? Und doch sind viele Im Boot, die es selbst nicht wissen, wenn es an die Beant­wor­tung dieser Frage geht. Oftmals genügt es dazu, einen Spar­be­trag auf dem Konto einer namhaf­ten deut­schen Bank zu haben. Schon ist man unter den Finan­ziers von Atomwaffen.

Buchvorstellungen 06/2013 0

Buchvorstellungen 06/2013

Drei Bücher zum Thema Geld werden hier vorgestellt:
1.) Chris­ti­an Kreiß: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te­re Wirt­schaft lohnt – Tectum Verlag (15. 6. 2013), Klap­pen­bro­schur, 200 Seiten, 17,95 €, ISBN 978–3‑8288–3159‑9
2.) Dirk Löhr: „Prin­zip Renten­öko­no­mie: Wenn Eigen­tum zu Dieb­stahl wird“ – Verlag Metro­po­lis (1. 5. 2013), broschiert, 196 Seiten, 22,00 €, ISBN 978–3‑7316–1013‑7
3.) Charles Eisen­stein, „Ökono­mie der Verbun­den­heit: Wie das Geld die Welt an den Abgrund führte – und sie dennoch jetzt retten kann.“ (Mit einem Vorwort von Margrit Kenne­dy) Scor­pio Verlag (11. März 2013), gebun­den, 496 S., 19,99 €, ISBN-13: 978–3‑943416–03‑9
Alle drei Bücher können auch über unse­ren Online-Shop http://shop.humane-wirtschaft.de bezo­gen werden.

Charles Eisenstein 0

Charles Eisenstein und die Agenten des Wandels – Ein Bericht von Andreas Bangemann

Der US-ameri­ka­ni­sche Kultur­phi­lo­soph Charles Eisen­stein kommt, wenn er geru­fen wird. Seine Reisen werden auf außer­ge­wöhn­li­che Weise orga­ni­siert. Immer mit einem gewis­sen finan­zi­el­len Risiko, denn der Erfolgs­au­tor vertraut dabei auf die Gaben­be­reit­schaft seiner Zuhö­rer, Spon­so­ren und Veran­stal­ter. Er will dem bedin­gungs­lo­sen Geben einen größe­ren Stel­len­wert im mensch­li­chen Mitein­an­der verschaf­fen und geht deshalb beispiel­haft voran. Eine Euro­pa­rei­se im Septem­ber führte ihn in die Schweiz und nach Luxem­burg. Charles Eisen­stein ist für viele zu einem Hoff­nungs­trä­ger gewor­den. Er verkör­pert den Wandel hin zu einer „Ökono­mie der Verbun­den­heit“. Das ist zugleich der Titel seines aktu­el­len Buches (das Nächs­te ist im Entstehen).

Das Programm hatte dementspre­chend einen Schwer­punkt in Vorträ­gen rund um das Schaf­fen des erfolg­rei­chen Buch­au­tors und Wirt­schafts­ana­ly­ti­kers. Am 21. Und 22. Septem­ber 2013 luden CELL („Centre for Ecolo­gi­cal Lear­ning Luxem­bourg“) in Zusam­men­ar­beit mit weite­ren Einrich­tun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen zu einem Abend­vor­trag und Work­shop am darauf folgen­den Tag nach Luxem­burg ein. Mit im Orga­ni­sa­ti­ons­team waren Katy Fox, Alex Hornung, Max Hilbert, Anke Colditz und viele Aktive der Luxem­bur­ger Regio­nal­wäh­rung „Beki“, sowie der Luxem­bur­ger Initia­ti­ve für bedin­gungs­lo­ses Grundeinkommen.
In seiner spür­ba­ren Beschei­den­heit wurde er mitt­ler­wei­le zu einem Symbol der Verän­de­rung. Die soge­nann­te „Occupy-Bewe­gung“, die exis­tent, aber doch nicht greif­bar erscheint, hat Charles Eisen­stein zu einem ihrer philosophischen
Vorden­ker erko­ren. Wird seine Präsenz gewünscht, kommt er dem best­mög­lich nach, stets im Geiste seiner „Philo­so­phie“, die ihre Kraft aus der Gewiss­heit einer Gaben­kul­tur schöpft, die laut Eisen­stein fest im Menschen veran­kert ist.

Während seines Vortra­ges am 21. 9. vor rund 120 Gästen wurde deut­lich, wie es zu seiner welt­wei­ten Aner­ken­nung kam. Trotz seiner eher schmäch­ti­gen Statur strahlt er eine charis­ma­ti­sche Präsenz aus. In den kurzen Sprech­pau­sen, die er häufig einlegt und bei denen er auf eine anste­cken­de Weise nach­denk­lich wirkt, würde man eine Steck­na­del fallen hören. Seine Persön­lich­keit in Verbin­dung mit allen spür­ba­ren Fein­hei­ten, die nur die leib­haf­ti­ge Erschei­nung bieten können, zieht die Anwe­sen­den in seinen Bann. Das wäre vermut­lich nicht so, wenn das Gesag­te selbst nicht Anlass zur Hoff­nung gäbe. Und das obwohl Eisen­stein eine scho­nungs­lo­se Analy­se des heuti­gen Zustands liefert. „Die Krise“, sagt er, „wurde nicht gelöst. Sie wurde nur zeit­wei­se verdeckt.“ Wir befän­den uns auch nicht in einer rein ökono­mi­schen Krise, sondern in einer grund­sätz­li­chen. Ein Denken, das darauf aufbaut, stän­di­ges Wachs­tum zu fordern und zu fördern, kann nur schei­tern. Dauer­haf­tes Wirt­schafts­wachs­tum gibt es nur zum Preis zerstö­re­ri­schen Ausbeu­tens der Natur und des Menschen.

Unser Geld­sys­tem lässt Schul­den uner­bitt­lich wach­sen. Deshalb ist ökono­mi­sches Wachs­tum unab­ding­bar. Tag für Tag treten die Schuld­ner mehr von ihrem Leben an die Gläu­bi­ger ab. Es ist effi­zi­en­ter und dient der heuti­gen Wirt­schaft in größe­rem Maße, wenn eine Kinder­gärt­ne­rin auf 50 Kinder aufpasst, anstatt jede Fami­lie selbst ihre Kinder betreut. Es ist effi­zi­en­ter, wenn Maschi­nen physi­sche Arbeit von Menschen erset­zen und Compu­ter die geis­ti­ge. Die Ökono­men können erklä­ren, was das Geld tut, aber nicht, was es ist. Durch das Einge­ben eini­ger Symbo­le in die Tasta­tur eines Compu­ters, kann man in der Reali­tät Gebäu­de entste­hen oder sich Pakete vor die Haus­tü­re stel­len lassen. Geld ist ein Zauber, dem wir verfal­len schei­nen und der es schafft unsere Sinne derart abzu­stump­fen, dass wir gravie­ren­de Krisen auf alles Mögli­che zurück­füh­ren nur nicht auf Geld. Dabei bekom­men wir es mit einer zuneh­men­den Zahl an Krisen zu tun: Energie‑, Wasser‑, Gesund­heits­kri­sen u.v.m. deuten an, wohin das nur führen kann: zum tota­len Kollaps. Und doch bleibt
das Geld auf eine gespens­ti­sche Weise außen vor. Schuld­ner wissen nicht, dass sie Schuld­ner sind, weil sie denken dazu gehöre es, persön­lich verschul­det zu sein. Oder die Schul­den müss­ten ihr Vermö­gen deut­lich über­stei­gen, um sie zu Schuld­nern zu machen. Im Geld­sys­tem liegt eine undurch­schau­bar schei­nen­de Fins­ter­nis, in die einzu­drin­gen vermie­den wird. Dabei zeigt Charles Eisen­stein auf, wie es zu allen Zeiten – bis zum heuti­gen Tage – Grup­pen von Menschen gab, die viele Trans­ak­tio­nen orga­ni­sie­ren konn­ten und dafür kein Geld brauch­ten. „Man nennt diese Grup­pen ‚Fami­lie‘ oder auch ‚commu­ni­ties‘“, sagt Charles Eisen­stein mit einem verschmitz­ten Lächeln. Der Geist inner­halb von Fami­li­en scheint ein voll­kom­men ande­rer zu sein, als jener in der harten ökono­mi­schen Außen­welt. Warum das so ist und wie es gelin­gen kann,das „Terrain“ der Gaben­kul­tur zu erwei­tern, das sind für Charles Eisen­stein wich­ti­ge Zukunftsfragen. …

Gewinnstreben – Ursache oder Symptom? – Interview mit Dr. Ernst Niemeier 0

Gewinnstreben – Ursache oder Symptom? – Interview mit Dr. Ernst Niemeier

Dr. Ernst Niemei­er ist ein Mann, der in seinem Leben so manche „Schlacht“ geschla­gen hat. Über 30 Jahre arbei­te­te er in verschie­de­nen Berei­chen der IBM Deutsch­land. Dabei fungier­te er auch als Betriebs­rat und setzte sich für die Belan­ge der Mitar­bei­ter in seinem Verant­wor­tungs­be­reich ein. Von frühe­ren Kolle­gin­nen und Kolle­gen wurde er für seine uner­bitt­li­che Aufrich­tig­keit geschätzt, die sich auch darin ausdrück­te, dass er sich nicht vor gericht­li­chen Ausein­an­der­set­zun­gen mit seinem Arbeit­ge­ber scheu­te. Mit der Aufde­ckung rechts­wid­ri­ger Maßnah­men zu Lasten der Mitar­bei­ter errang
er sich in den Augen der Kolle­gin­nen und Kolle­gen große Verdiens­te. Gravie­ren­de Fälle hat er jetzt in seinem Buch verar­bei­tet. Dabei sieht er das „Profit­stre­ben“ als „kapi­ta­lis­ti­sche Kern­ener­gie“ an und warnt vor zerstö­re­ri­schen Folgen für das gesam­te Gesellschaftsgefüge.

Im Buch beschreibt und analy­siert er ein ekla­tan­tes Beispiel der Fehl­ent­wick­lung des schran­ken­lo­sen Gewinn­stre­bens. Er führt zu seinem Buch aus: „In diesem Fall rich­te­te es sich gegen die (produk­ti­ven) Beschäf­tig­ten eines Welt­un­ter­neh­mens – einge­lei­tet von dem späte­ren BDI-Präsidenten
Hans-Olaf Henkel, den die Süddeut­sche Zeitung schon einmal als den Mann für das Grobe bezeich­net hatte. Ein solches Verhal­ten verhin­dert nicht nur, dass ein markt­wirt­schaft­lich mögli­ches sozi­al­öko­no­mi­sches Opti­mum nähe­rungs­wei­se erreicht wird. Letzt­lich bedroht es auch die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Markt­sys­tems. Deshalb ist es genau zu analy­sie­ren, und aus den Erkennt­nis­sen sind Konse­quen­zen zu ziehen, die darauf hinaus­lau­fen, dass eine wirk­sa­me Gegen­macht zu bilden ist. Um die Einkom­men und die sons­ti­gen Arbeits­be­din­gun­gen in histo­risch einma­li­ger Breite
und Höhe rechts­wid­rig absen­ken zu können, wurde bei IBM mit einer nicht tarif­fä­hi­gen Orga­ni­sa­ti­on, einem ‚Drit­ten‘ also, ein Vertrag abge­schlos­sen, der dann allen Beschäf­tig­ten oktroy­iert wurde. Auf diese Weise wurden zahl­rei­che bestehen­de Arbeits­ver­trags­in­hal­te einsei­tig und ohne Ände­rungs­kün­di­gung (die aller­dings ange­sichts der Gewinn­si­tua­ti­on aussichts­los gewe­sen wäre) gravie­rend verschlechtert.
Die Beschäf­tig­ten, die sich gegen den Rechts­bruch wehr­ten, wurden bedroht, diffa­miert, mit Sank­tio­nen belegt, mit Abmah­nun­gen und Kündi­gungs­ver­su­chen über­zo­gen. Diese Einschüch­te­rungs­maß­nah­men verfehl­ten nicht ihre Wirkung und führ­ten dazu, dass sich der gerichtlich
fest­ge­stell­te Macht­miss­brauch und Rechts­bruch durch­setz­te. Es geschah also das, was die Cambridge-Ökono­min Joan Robin­son schon Mitte des letz­ten Jahr­hun­derts in die Worte fasste: ‚Wenn (allein) das Trach­ten nach Profit das Krite­ri­um rich­ti­gen Verhal­tens ist, gibt es keine Möglich­keit, produk­ti­ves Handeln von Räube­rei zu unterscheiden‘“.

Inwie­weit Dr. Niemei­er das Gewinn­stre­ben als Ursa­che allen Übels ansieht, bzw. ob er dahin­ter noch andere trei­ben­de Kräfte wahr­nimmt, das wollte Andre­as Bange­mann im Inter­view herausfinden.

Finanzwelt auf der Bühne – Eine schwierige Annäherung – Pat Christ 0

Finanzwelt auf der Bühne – Eine schwierige Annäherung – Pat Christ

Das Thea­ter kann das Thema „Geld“ (noch) nicht so rich­tig packen

Sie joggen zwei­mal in der Woche, ernäh­ren sich gesund – und haben ansons­ten nur eines im Sinn: Umsatz zu machen. Dafür nehmen die drei Finanz­be­ra­ter in Robert Woel­fls Stück „Wir verkau­fen immer“ alle nur denk­ba­ren Konse­quen­zen in Kauf: Bruch mit der eige­nen Fami­lie, Bezie­hungs­abs­ti­nenz, Einsam­keit. Beacht­lich, dass es ein Stück über die Finanz­welt auf die Thea­ter­büh­ne geschafft hat. Nur leider bleibt es – und nicht nur dieses Stück – inhalt­lich weit hinter den Erwar­tun­gen an ein solches Thema zurück.

Sie sind weder noncha­lant noch fies oder ausge­bufft, die beiden Finanz­be­ra­ter und die Finanz­be­ra­te­rin, die Regis­seur Stephan Susch­ke bei der Urauf­füh­rung des Stücks im Septem­ber im Würz­bur­ger Stadt­thea­ter zum Tria­log antre­ten lässt. Unsi­cher sind sie. Und geknickt. Vor allem Martin, in Würz­burg von Robin Bohn darge­stellt, ist ganz betrübt darüber, dass seine Eltern ihn der Falsch­be­ra­tung bezich­ti­gen – haben sie doch dank seiner Einflüs­te­run­gen all ihr Geld in Aktien inves­tiert, deren Kurs dann massiv gefal­len ist. Seit­dem reden sie nicht mehr mit ihrem Sohn. Zu groß ist (noch) der Schock darüber, dass all ihr Vermö­gen vernich­tet ist.

Die drei von Woelfl kreierten Finanz­be­ra­ter müssen sich unge­mein abschuf­ten. Tja. Hätten Sie bloß was Vernünf­ti­ges gelernt… Das Leben genie­ßen, nein, das können Julia, Martin und Ricar­do nicht. Denn da ist ja die perma­nen­te Hatz nach dem Geld. Immer hinken sie hinter ihren eige­nen Erwar­tun­gen her. Immer ist da die Angst vor dem Absturz. Und immer stehen sie mit dem Rücken an der Wand. Gefun­den haben sie sich für den Moment des Tria­logs auch nicht aus alter Freund­schaft. Eher zum Schlag­ab­tausch. Ähnlich Mitglie­dern einer Sekte feuern sie sich gegen­sei­tig an, das zu glau­ben, was als Glaube in ihnen längst am Bröckeln ist. Woelfl präsen­tiert seine Figu­ren verhed­dert in einem Job, der abso­lut nicht zum Glück­lich­ma­chen taugt.

Zu bloßen „Kunden“ degra­diert Wie sie mit ande­ren umge­hen, treibt ihnen beim Erzäh­len keines­wegs die Röte ins Gesicht. Sie schei­nen nicht zu checken, in welchem unmensch­li­chen Maß sie ihre Mitmen­schen zu bloßen „Kunden“ degra­die­ren. Was frei­lich schon etwas mit der Reali­tät zu tun hat. Unbe­strit­ten gehört die Angst davor, zu wenige Kunden zu haben oder bereits gewon­ne­ne Kunden zu verlie­ren, zur Reali­tät von Finanz­be­ra­tern. Realen Schil­de­run­gen zufol­ge gera­ten nicht wenige Finanz­be­ra­ter gar so stark ins Trudeln, dass sie in die Privatinsolvenz
hinein­schlid­dern. Denn neue Kunden zu finden, ist schwer. Auch für Woel­fls farb­lo­se Figu­ren bedeu­tet dies eine chro­nisch stres­sen­de Heraus­for­de­rung. Dabei versu­chen sie auf Teufel komm raus, zu neuen Geschäfts­kon­tak­ten zu kommen. Und weil sie es so sehr versu­chen, passie­ren Pannen. Werden andere geschä­digt. Um exis­ten­zi­ell notwen­di­ges Geld gebracht. Wie Martins Eltern…

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Zeichnen für den Frieden – www.neuesgeld.net

Die gemein­nüt­zi­ge Gesell­schaft „Neues Geld“ aus Leip­zig zeich­net sich durch krea­ti­ve Ideen für ihr Ziel, „das flie­ßen­de Geld“ aus. Die Zusam­men­ar­beit mit der HUMANEN WIRTSCHAFT ist eng, was sich auch in gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten hinsicht­lich vieler Stamm­ti­sche zeigt. (Siehe Seite 24–25). Mit der Aktion „Zeich­nen für den Frie­den“ verbin­den die akti­ven Leip­zi­ger das Thema Kunst mit Geld und schaf­fen so Räume für Ideen, wie „Flie­ßen­dem Geld“ als Lösung Ausdruck verlie­hen werden kann.

Aus der Ankün­di­gung der Aktion: Der herz­li­che Wunsch dieser Aktion ist, dass sich Künst­ler mit dem Gedan­ken des flie­ßen­den Geldes krea­tiv ausein­an­der­set­zen. Die Veröf­fent­li­chung der schöp­fe­ri­schen Werke soll darüber hinaus den Bekannt­heits­grad des flie­ßen­den Geldes weiter erhöhen.
Fried­li­che Verän­de­run­gen dieser beacht­li­chen Dimen­si­on stehen auch stark mit Emotio­nen in Verbin­dung. Kunst und Kultur kann helfen, eine posi­ti­ve Vision, gepaart mit Hoff­nung und Glück, zu trans­por­tie­ren. Sie möch­ten mitmachen?
Bitte infor­mie­ren Sie uns kurz per Mail (henke@neuesgeld.net), dass Sie bei dieser beson­de­ren Initia­ti­ve dabei sein möch­ten, dies hilft uns bei der Planung. Bei Teil­nah­me schen­ken Sie uns bitte das Nutzungs­recht am Bild, damit wir dieses auf unse­rer Inter­net­prä­senz (www.lustauf-neues-geld.de) einstel­len können. Ihre Arbeit muss bis spätes­tens 31. 12. 2013 bei uns einge­trof­fen sein. Die Kosten der Über­sen­dung, wenn Sie dies wünschen, tragen wir für Sie.
Die Bilder sind dann für weite­re drei Monate auf unse­rer Home­page zu sehen. Die Besu­cher unse­rer Seiten können dann als Bewer­tung Herzen vergeben.
Die Maler der 3 Bilder mit den jeweils höchs­ten Bewer­tun­gen, also den meis­ten Herzen, (Stich­tag: 30. 03. 2014) laden wir herz­lich in die schöne Messe­stadt Leip­zig ein. Für drei Künst­le­rin­nen oder Künst­ler wird es als Gewinn einen zwei­tä­gi­gen Aufent­halt in Leip­zig geben, umrahmt mit einem eigens dafür zusam­men­ge­stell­ten Programm. Am Ende der Aktion sind Verstei­ge­run­gen der Bilder geplant. Der Erlös kommt der gemein­nüt­zi­gen Gesell­schaft zugute und beför­dert auf diese wahr­lich krea­ti­ve Weise den Gedan­ken des Flie­ßen­den Geldes.

© Jorma Bork / pixelio.de 625168 0

Steuern: Diebstahl an der Allgemeinheit – Dirk Löhr

Über die Priva­ti­sie­rung öffent­li­cher und die Konfis­ka­ti­on priva­ter Werte.

Angela Merkel hat die Bundes­tags­wahl gewon­nen. Frei­lich, ein Triumph sieht anders aus. Alles steu­ert auf eine große Koali­ti­on zu, und hier ist Frau Merkel auf einen poten­ti­el­len Part­ner ange­wie­sen, der sich Steu­er­erhö­hun­gen in sein Wahl­pro­gramm geschrie­ben hat.

Der Staat, so SPD und Grüne, sei unter­fi­nan­ziert. Hier haben sie ohne Zwei­fel Recht. Aber, so merk­wür­dig es klingt – das Problem ließe sich auch ohne Steu­er­erhö­hun­gen lösen, ja wahr­schein­lich zum aller­größ­ten Teil voll­kom­men ohne die Steu­ern, wie wir sie heut­zu­ta­ge kennen. Rund die Hälfte der Steu­er­ein­nah­men resul­tiert aus der Lohn- und der Mehr­wert­steu­er – und diese tref­fen durch­aus nicht die Reichen. Dabei wird die Wirt­schafts­tä­tig­keit auch noch entmu­tigt: Wer bei Aufnah­me eines Neben­jobs z. B. 30 oder 40 % Steu­ern auf die zusätz­li­chen Einkünf­te an Einkom­men­steu­ern zahlen muss, über­legt sich das drei­mal. Dabei ginge es auch anders. Die staat­li­chen Leis­tun­gen könn­ten auch über die ökono­mi­schen Renten finan­ziert werden. Dabei handelt es sich grob gesagt um Extra­ge­win­ne, die von den Anbie­tern eigent­lich gar nicht benö­tigt werden, um die Leis­tung hervor­zu­brin­gen. Der Proto­typ der ökonomischen
Rente ist die Boden­ren­te. Seit Ricar­do (1817) wird sie vor allem als „Diffe­ren­ti­al­ren­te“ verstan­den, d. h. als
Kosten- oder Ertrags­vor­teil einer Schol­le gegen­über dem Land, das gerade noch kosten­de­ckend bewirt­schaf­tet werden kann („Grenz­bo­den“). Mit den ökono­mi­schen Klas­si­kern kann man dabei „Land“ in einem sehr weiten Sinne verste­hen – als alles, was der Mensch nicht geschaf­fen hat. Dies sind z. B. Wasser, die Atmo­sphä­re, Rohstoff­quel­len – doch auch „virtu­el­les Land“ kann man hierzu zählen (v. a. Paten­te) – als Rechte, die dem Proto­typ Boden in vieler­lei Hinsicht
nach­ge­bil­det sind. Denn wie bei Boden i. e. S. kann man z. B. auch mit Paten­ten mono­pol­ar­ti­ge Renten einfah­ren, andere
Akteu­re blockie­ren und die damit verbun­de­nen Kosten auf andere, schlecht orga­ni­sier­te Grup­pen abwälzen.

Heut­zu­ta­ge werden die ökono­mi­schen Renten weit­ge­hend priva­ti­siert. Die Boden­ren­ten landen in den Taschen der
Boden­ei­gen­tü­mer, die Wasser­ren­ten u. a. bei Nestlé & Co., die Ölren­ten bei den großen Mine­ral­öl­kon­zer­nen etc. Es handelt sich hier­bei um beträcht­li­che Beträ­ge: Die ökono­mi­schen Renten werden je nach Ökono­mie auf zwischen 20 bis 40 Prozent des Volks­ein­kom­mens geschätzt (bislang liegen nur verein­zel­te Unter­su­chun­gen hierzu vor). Nach dem Henry George-Theo­rem können die öffent­li­chen Güter (Infra­struk­tur, Sicher­heit, Bildung, Gesund­heits­ein­rich­tun­gen) unter bestimm­ten Bedin­gun­gen voll­stän­dig aus den Boden­ren­ten finan­ziert werden. Das Theo­rem kann aber auch umge­kehrt gele­sen werden: Danach werden die Boden­ren­ten erst durch die öffent­li­chen Leis­tun­gen erzeugt. Der Staat kann inso­weit als „rent crea­ting insti­tu­ti­on“ verstan­den werden. Werden nun aber die (Boden-)Renten priva­ti­siert und damit der durch das
Henry George-Theo­rem beschrie­be­ne sach­ge­setz­li­che Zusam­men­hang durch­bro­chen (der eine Verge­mein­schaf­tung der Renten impli­ziert), entste­hen Verzichts­kos­ten: Die Inwert­set­zung der öffent­li­chen Güter muss dann nämlich durch Steu­ern auf Kapi­tal und Arbeit finan­ziert werden.

Norbert Rost - Foto: © Pat Christ
Foto: © Pat Christ
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Arbeits- und Kapitaleinkommen – Norbert Rost

Ein alter­na­ti­ver Blick auf unser Wirtschaftssystem

In der öffent­li­chen Debat­te um die (2. Welt-)Wirtschaftskrise ist das Thema Arbeits­ein­kom­men allgegenwärtig.
Derzeit z. B. in Form der Diskus­si­on zum Thema „Gesetz­li­cher Mindest­lohn“. Tabui­siert wird eine Debat­te um die andere Seite dieser Medail­le: die Kapi­tal­kos­ten und Kapi­tal­ein­kom­men. Jene stel­len nicht nur die eigent­li­che Ursa­che der Wirt­schafts­kri­se dar, sondern mani­fes­tie­ren zugleich eine gesell­schaft­lich legi­ti­mier­te Art der Skla­ve­rei, indem die Arbeits- und damit Lebens­zeit der großen Masse der Bevöl­ke­rung in einer unge­recht­fer­tig­ten Form einer vergleichsweise
klei­nen, aber vermö­gen­den Minder­heit zukommt.

Wenn eine Person eine andere zwingt, ohne Gegen­leis­tung Zeit zu opfern, um Arbei­ten zu verrich­ten, so lässt sich dies als Skla­ve­rei bezeich­nen. Skla­ve­rei geht einher mit Frei­heits­be­rau­bung der Skla­ven und ist Dieb­stahl ihrer Lebenszeit.
Skla­ve­rei ist in der soge­nann­ten „zivi­li­sier­ten Welt“ mora­lisch geäch­tet und gesetz­lich unter­sagt. Trotz­dem findet sie in einem Maße statt, das nur weni­gen bewusst ist. Der Groß­teil der Mensch­heit wird dabei von einer klei­nen vermö­gen­den Élite als Skla­ven einge­setzt – legi­ti­miert und geför­dert durch Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Poli­tik, einem passen­den Rechts­sys­tem sowie einem durch indi­rek­te Wirkungs­wei­sen undurch­sich­tig wirken­den Wirt­schafts­sys­tem. Diese weit­rei­chen­de Aussa­ge verlangt berech­tig­ter­wei­se eine Erklä­rung. In einer Wirt­schaft gibt es grund­sätz­lich nur zwei Arten von Einkom­men: Arbeits­ein­kom­men und Kapi­tal­ein­kom­men. Arbeits­ein­kom­men wird von jenen erzielt, welche ihre Arbeits­kraft gegen Lohn oder Gehalt anbie­ten. Kapi­tal­ein­kom­men erhal­ten die Bereit­stel­ler von Kapi­tal, häufig auch „Inves­to­ren“ oder „Kapi­ta­lis­ten“ genannt. Dabei „strei­ten“ sich aber beide Inter­es­sen­grup­pe um ein Gesamt­ein­kom­men, nämlich um das, was inner­halb einer bestimm­ten Peri­ode in der Volks­wirt­schaft produ­ziert wird. Verein­facht: das Volks­ein­kom­men. Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeitseinkommen

Insge­samt kann in einer Volk­wirt­schaft nur das verteilt werden, was zuvor produ­ziert wurde. Wenn also Kapi­tal­be­reit­stel­ler und Arbeits­zeit­be­reit­stel­lern sich die Gesamt­pro­duk­ti­on teilen müssen, so wird deut­lich, dass die jewei­li­ge Gruppe nur das bekom­men kann, was die andere Gruppe „übrig“ gelas­sen hat. Es gilt also:
Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeitseinkommen.

Anhän­ger marxis­ti­scher Wirt­schafts­theo­rien unter­tei­len aufgrund dieser Einkom­mens­ar­ten die Gesell­schaft in „Klas­sen“,
in diesem Fall in „Arbei­ter­klas­se“ und „Kapi­ta­lis­ten“. In unse­rer Gesell­schaft ist es weit­ge­hend unhin­ter­frag­ter Bestand­teil, dass die Bereit­stel­ler von Kapi­tal einen entspre­chen­den Bonus erhal­ten. Dieser Bonus nennt sich Zins, Divi­den­de, Miete, Ausschüt­tung oder Rendi­te. Die Summe aller dieser Boni, die in einer Volks­wirt­schaft meist von Unter­neh­men gezahlt werden, nennt man Kapitalkosten.

Die Kapi­tal­kos­ten der Unter­neh­mer sind entspre­chend Kapi­tal­ein­kom­men der Kapi­tal­ge­ber. Diese Kapi­tal­ein­kom­men müssen von den Unter­neh­men aber über den Verkauf von Produk­ten erzielt werden. Oder anders: Die Kunden der Unter­neh­men bezah­len nicht nur die Kosten für real getane Arbeit in den Unter­neh­men (Perso­nal­kos­ten), sondern auch die darüber
hinaus­ge­hen­den Boni für die Kapi­tal­ge­ber. Jeder Kunde zahlt somit Kapi­tal­ein­kom­men über die Preise. Helmut Creutz kommt in seinen Analy­sen auf einen durch­schnitt­li­chen Kapi­tal­kos­ten­an­teil in den Verkaufs­prei­sen von bis zu 40 %.
Ein Beispiel soll zeigen, dass diese Zahlen durch­aus realis­tisch sind. Bekannt­lich erhal­ten Vermie­ter allein für den
Besitz ihrer Immo­bi­lie vom Mieter ein Einkom­men (Miete), zu welchem die laufen­den Kosten in Form von „Neben­kos­ten“
hinzu­ge­rech­net werden. Bei einer Wohnung im Wert von 100.000 Euro erwar­tet der Besit­zer eine Verzin­sung seines inves­tier­ten Kapi­tals mindes­tens entspre­chend dem Geld­markt­zins­satz. Eine Verzin­sung von 5 % entsprä­che hier­bei 5.000 Euro jähr­lich bzw. ca. 420 Euro monat­lich, die der Mieter pro Jahr an den Wohnungs­be­sit­zer bezah­len muss.

Dieser Zahlung steht keine konkre­te Leis­tung gegen­über, weil der Bau der Immo­bi­lie offen­sicht­lich bereits abge­schlos­sen ist und nun nur noch die Knapp­heits­si­tua­ti­on auf dem Markt vom Besit­zer ausge­nutzt wird. Beträgt die Monats­mie­te dieser beispiel­haft ange­nom­me­nen Situa­ti­on 600 Euro, so entspre­chen die ca. 420 Euro monatlicher
Kapi­tal­kos­ten etwa 70 % des „Wohnungs­prei­ses“. Dabei gilt: Je höher der Kapi­tal­ein­satz bei einem Produkt, umso höher auch die Kapi­tal­kos­ten­an­tei­le (Kosten für den Mieter, Einkom­men für den Vermie­ter) in den Verkaufspreisen.

Leis­tungs­lo­ses Einkom­men = Einkom­mens­lo­se Leis­tung = gestoh­le­ne Lebens­zeit = gesell­schaft­lich legi­ti­mier­te Sklaverei
Kapi­tal­ein­kom­men stel­len genau den Punkt dar, an welchem von gesell­schaft­li­cher Skla­ve­rei die Rede sein darf. Dieje­ni­gen, die Kapi­tal­ein­kom­men durch die Bereit­stel­lung ihres Eigen­tums erzie­len, müssen dafür Arbeits- und Kapi­tal­ein­kom­men nichts tun. Sie erzie­len diese Einkom­men allein durch den Besitz. Man spricht deshalb von „leis­tungs­lo­sen Einkommen“.Erkennbar sollte sein, dass dann, wenn jemand Einkom­men erzielt, ein ande­rer Ausga­ben haben muss. Wenn also die Kapi­tal­be­sit­zer Einkom­men erzie­len, ohne eine Leis­tung dafür zu erbrin­gen, so müssen andere eine Leis­tung erbrin­gen, ohne dafür ein Einkom­men zu erzie­len: einkom­mens­lo­se Leis­tung. Erbracht werden muss diese Leistung
ohne Gegen­leis­tung von allen Kunden, die über die Preise – ohne wirk­lich eine Wahl zu haben – erhöh­te Ausga­ben haben.
Die meis­ten Kunden sind aber Arbeit­neh­mer, die ihre Einkäu­fe mit ihrer Lebens­zeit bezah­len, indem sie in ihrem Job, ihr Know-how und ihre Arbeits­zeit zur Verfü­gung stel­len. Einkom­mens­lo­se Leis­tung ist demnach nichts weiter als Zeit­auf­wand der Arbei­ten­den ohne eine entspre­chen­de Gegen­leis­tung erwar­ten zu dürfen. Oder eben: Skla­ve­rei mittels eines auf Kapi­tal­ein­kom­men basie­ren­den Wirt­schafts­sys­tems zuguns­ten der Besit­zen­den. Micha­el Ende hat diese Zusam­men­hän­ge in seinem Buch „Momo“ meta­pho­risch darge­stellt. Dort wird den Bewoh­ner von den „Zeit­die­ben“, welche die Menschen zum „Zeit­spa­ren“ bewe­gen, hinter­lis­tig ihrer Lebens­zeit und Lebens­freu­de beraubt. Es gibt mehre­re Gründe, die heuti­gen Besitz­stän­de und die Möglich­keit der Erzie­lung leis­tungs­lo­ser Einkom­men (Kapi­tal­ein­kom­men) in Frage zu stellen.

Zum einen geht es hier­bei um Gerech­tig­keit. Die Aneig­nung der Arbeits- und damit Lebens­zeit ande­rer, nur durch den bloßen Besitz, wäre mora­lisch zu verur­tei­len. Abseits von einer Moral­dis­kus­si­on ist jedoch auch die Stabi­li­tät eines Wirt­schafts­sys­tems gefähr­det, wenn es leis­tungs­lo­se Einkom­men zulässt. Die Ursa­che zykli­scher Wirt­schafts­kri­sen in kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­te­men ist nicht in zu hohen Lohn­ne­ben­kos­ten oder zu gerin­gen Wachs­tums­ra­ten zu finden, wie uns eine auf dem kapi­ta­len Auge blinde poli­ti­sche „Élite“ weis­ma­chen will, sondern in einem Vertei­lungs­pro­blem des
Wirt­schafts­sys­tems. Lässt man leis­tungs­lo­se Kapi­tal­ein­kom­men zu, so bedeu­tet das, dass Kapi­tal­be­sit­zer allein durch die Nicht-Zurück­hal­tung ihres Kapi­tals noch mehr Kapi­tal erzie­len. Sie nutzen ihren Besitz­vor­teil gegen­über der Gesell­schaft, indem sie ihr „Privat­ei­gen­tum“ nur gegen eine Beloh­nung zur Verfü­gung stel­len. Die Vermö­gen der Besit­zen­den werden auf diesem Wege immer größer. Die stän­dig wach­sen­den Vermö­gen werden jedoch erneut zins­brin­gend in der Volks­wirt­schaft inves­tiert und erhö­hen somit die Kapi­tal­ein­kom­men der späte­ren Peri­oden und so weiter. Dies ist ein sich expo­nen­ti­ell beschleu­ni­gen­der Prozess.

Anhand von Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeits­ein­kom­men lässt sich ablei­ten, dass nur dann die Kapi­tal­ein­kom­men stei­gen können, ohne die Arbeits­ein­kom­men zu schmä­lern, wenn die Gesamt­wirt­schaft wächst (= stei­gen­des Volks­ein­kom­men). Anhand dieser simp­len Zusam­men­hän­ge ließe sich somit nicht nur der Wachstumszwang
unse­rer Volks­wirt­schaf­ten erklä­ren (Wachs­tum, Wachs­tum über alles), sondern kann zugleich abge­le­sen werden,
welcher Inter­es­sen­grup­pe die heuti­ge Wirt­schafts­po­li­tik wirk­lich dient: den Kapi­tal­be­sit­zern. Der Kapi­ta­lis­mus als insta­bi­les Gesell­schafts­sys­tem Ein Wirt­schafts­sys­tem, das leis­tungs­lo­se Kapi­tal­ein­kom­men zulässt, tendiert dazu, den Besit­zen­den immer mehr Besitz zuzu­schan­zen, während für die Arbei­ten­den immer weni­ger übrig bleibt. Es dürfte selbst den Reichs­ten der Reichen auffal­len, dass eine Gesell­schaft, welche diesen Gesetz­mä­ßig­kei­ten unter­liegt, nicht dauer­haft stabil sein kann, sondern sich in Arm und Reich aufspal­tet und zugleich die Wirt­schaft schä­digt. Denn:
Arbeits­ein­kom­men werden über­wie­gend verkon­su­miert, anstatt inves­tiert, kurbeln demnach den Konsum und damit den Wirt­schafts­kreis­lauf an und helfen vor allem der klei­nen und mittel­stän­di­schen Wirt­schaft. Kapitaleinkommen
dage­gen werden meist nur dann in die Wirt­schaft in Form von Inves­ti­tio­nen oder Kredi­ten „zurück­ge­führt“, wenn eine entspre­chen­de Rendi­te erzielt wird – was erneut die Konzen­tra­ti­on der Vermö­gen und damit die Insta­bi­li­tät des Wirt­schafts­sys­tems fördert.

Bischof Tebartz-van Elst. Bild: Bistum Limburg 0

Limburg: Das „Wandlitz“ der Kirche – Norbert Rost

Wieso schreit das Volk plötz­lich auf, wo es um die konse­quen­te Mittel­ver­wen­dung eines bischöf­li­chen Stuhls geht?

Was war das damals für ein Thea­ter, als erst­mals ein Film­team in die Sied­lung des SED-Polit­bü­ros kam und doku­men­tier­te, wie die Obers­ten des
DDR-Staa­tes lebten. „Wand­litz“ ist seit­dem im Osten ein Begriff für die Abson­de­rung der Herr­schen­den und zugleich für die Armse­lig­keit ihrer Lebens­wei­se. Zugleich ist „Wand­litz“ aber auch ein Symbol für die Skan­da­li­sie­rung der Vier­ten Macht, die anno 1989 Bana­nen und Oran­gen in den Mittel­punkt der Wand­litz-Bericht­erstat­tung rücken musste, weil es bei all der Spie­ßig­keit viel mehr kaum zu skan­da­li­sie­ren gab.

2013 nun kriegt die katho­li­sche Kirche ihr „Wand­litz“, es wird künf­tig „Limburg“ heißen. Ein altern­der Bischof, der in seiner Zunft dennoch als
„jung“ gilt, hat sich eine Luxus-Hütte bauen lassen, die symbo­lisch für die Abge­ho­ben­heit der Kirchen­fürs­ten steht. Einige nehmen an, er sei „verrückt“, was auch immer das heißen mag. Aber wer ist schon „verrückt“, wenn er zum Auto­kra­ten bestimmt über angeb­lich 100 Millio­nen Euro schwar­zer Bischofs­kas­sen verfü­gen kann und dies auch tut? Ist er nicht konse­quen­ter Arbeits­platz­be­schaf­fer, wenn er das Geld
seiner Insti­tu­ti­on ausgibt, statt es zins­brin­gend anzu­le­gen? Ist nicht die Arbeits­platz­re­li­gi­on gesell­schaft­lich so breit gewach­sen, dass selbst Sozi­al­de­mo­kra­ten als Gläu­bi­ge gelten müssen? Wo alles getan wird, um Arbeits­plät­ze unge­ach­tet von Wech­sel- und Neben­wir­kun­gen zu schaf­fen, muss doch die ganze Gesell­schaft und nicht nur ein einzel­ner Bischof als „verrückt“ gelten!

Zudem: Luxus, Protz und kranke Bauwut gibt es ja bei weitem nicht nur in Limburg. Viel­mehr quel­len diese Sakra­men­te tagtäg­lich aus all jenen Medi­en­ka­nä­len, die sich jetzt der Hetz­jagd an das waid­ge­schos­se­ne Kirchen­tier anschlie­ßen. Als wäre Reich­tum nicht das Ziel jedes Arbeits­le­bens? Als wären Millio­nen­ge­häl­ter von Fußball­spie­lern (Fußball­spie­ler!!) nicht gesell­schaft­lich akzep­tiert und sogar hochgeachtet,
teil­wei­se sogar unter Erlas­sung aller Steu­er­sün­den? Wieso schreit das Volk plötz­lich auf, wo es um die konse­quen­te Mittel­ver­wen­dung eines bischöf­li­chen Stuhls geht, der doch wohl mit seinem Gelde tun und lassen kann, was ihm beliebt? Zumal seine Mitglie­der sich immer mehr ausdün­nen und damit immer mehr Vermö­gen auf immer weni­ger Köpfe zu vertei­len bleibt (sofern man auf die verrück­te Idee käme, SO ETWAS zu tun).

Helmut Creutz 2013
Foto: Privat
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Problemfeld Inflation – Helmut Creutz

„Infla­ti­on ist nicht nur Betrug am Sparer, nicht nur die unso­zi­als­te Form der Umver­tei­lung, sondern auch die Erwerbs­lo­sig­keit von morgen. Längst ist wider­legt, dass fünf Prozent Infla­ti­on leich­ter zu ertra­gen seien als fünf Prozent Arbeits­lo­sig­keit; viel­mehr sind null Prozent Infla­ti­on die vorzüg­lichs­te Voraus­set­zung für null Prozent Erwerbs­lo­se. Der Glaube, Voll­be­schäf­ti­gung lasse sich mit ‚ein biss­chen Preis­stei­ge­rung‘ erkau­fen, musste welt­weit teuer bezahlt werden.“ Peter Gillies, 1987

Das schrieb Peter Gillies, Chef­re­dak­teur der deut­schen Tages­zei­tung DIE WELT, im Jahre 1987, als die Infla­ti­on – zum drit­ten Mal in der Nach­kriegs­zeit – wieder zu einem stei­len Anstieg ansetz­te. Und zwar bezo­gen auf eine Aussa­ge des dama­li­gen Bundes­kanz­lers Helmut Schmidt, der bereits in den 1970er Jahren einmal die Ansicht vertre­ten hatte, dass „fünf Prozent Infla­ti­on besser sind als fünf Prozent Arbeitslosigkeit!“ –

Wie frag­wür­dig diese Auffas­sung jedoch war, geht aus der Darstel­lung 1 hervor, die jenen Zeit­raum zwischen 1965 und 2005 erfasst, in dem die Infla­ti­ons­sät­ze drei Mal Höchst­stän­de erreich­ten. Erkenn­bar werden daraus auch die jewei­li­gen Folgen: Anstie­ge der Zins­sät­ze und – mit etwa zwei­jäh­ri­ger Verzö­ge­rung – die der Arbeits­lo­sig­keit sowie der zusätz­lich einge­tra­ge­nen Firmenpleiten.

Diese Auswir­kun­gen in der Real­wirt­schaft werden noch deut­li­cher, wenn man – wie in der Grafik gesche­hen – die Infla­ti­ons- und Zins­kur­ven einmal um zwei Jahre nach rechts verschiebt und damit die zeit­li­chen Verzö­ge­run­gen zwischen
beiden Vorgän­gen neutra­li­siert. Nun mag die Infla­ti­on in unse­ren Tagen und ange­sichts der heuti­gen Raten von inzwi­schen etwa zwei Prozent, gar kein großes Thema mehr sein. Aber denkt man an die Massen von Bargeld, die heute in der Welt vorhan­den aber nicht im Umlauf sind, kann sich das sehr schnell verän­dern! Deshalb ist es auch in unse­ren Tagen sinn­voll, sich nicht nur an jene Hyper­in­fla­ti­on der Zwan­zi­ger Jahre zu erin­nern, sondern sich auch mit jenen Entwick­lun­gen aus unse­rer Wirt­schafts­epo­che zu befas­sen, die – bezo­gen auf die letz­ten Jahr­zehn­te – aus der Darstel­lung 1 hervorgehen.

Infla­tio­nen als Ursa­chen der Konjunk­tur­schwan­kun­gen Wie diese Darstel­lung vermit­telt, war die Ursa­che des stän­di­gen Auf und Ab in unse­rer jüngs­ten Vergan­gen­heit im ersten Schritt die Schwan­kun­gen der Infla­ti­ons­sät­ze, denen dann im Gleich­schritt jeweils die der Gutha­ben- und Kredit­zin­sen folg­ten. Aufge­schla­gen wird bei diesen Kredit­zin­sen dann noch
jene Marge, mit der die Banken ihre eige­nen Kosten absi­chern, vor allem für Perso­nal und Risiko. Und natür­lich – wie bei jedem Unter­neh­men – auch noch der betriebs­not­wen­di­ge Gewinn, der allei­ne schon zur Bedie­nung des Eigen­ka­pi­tals erfor­der­lich ist. Aus der Darstel­lung 1 geht vor allem aber auch der lang­fris­ti­ge Anstieg des Arbeitslosensockels
hervor, auf den sich die infla­ti­ons­be­ding­ten aktu­el­len Schübe jeweils aufsat­teln. Wieder­ge­ge­ben ist diese Arbeits­lo­sig­keit jeweils in Prozen­ten der Erwerbs­tä­ti­gen, als so genann­te „Arbeits­lo­sen­quo­te“, deren Sockel – wie
ersicht­lich – von etwa einem Prozent Anfang der 1970er Jahre bis 2005 auf fast zehn Prozent ange­stie­gen ist. Die über der Arbeits­lo­sen­quo­te einge­tra­ge­ne zusätz­li­che Kurve der Insol­ven­zen, also der Firmen­schlie­ßun­gen, folgt – wie ersicht­lich – mit ihren Schwan­kun­gen eben­falls den Entwick­lun­gen von Infla­ti­on und Zinsen, verstärkt sogar ab 1990.

Und was sind die Ursa­chen der Inflation?

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Die Welt retten – aber wie? – Wilhelm Schmülling

Da gibt es zwei Grup­pen. Die einen tun so als ob sie die Welt retten und verdie­nen dabei gut; die ande­ren wollen für die Rettung alles tun und verdie­nen dabei nichts. So ist eben das Leben in einer unge­rech­ten Welt. Wer sich damit abfin­det, ist ein Defätist[1], wer nicht ein Optimist.
([1] Jemand, der mut- und hoffungs­los ist und annimmt, dass sich alles nega­tiv entwi­ckeln wird.)

Wenn selbst ein Kaba­ret­tist seine Sendun­gen mit „Welt retten“ (Priol) ankün­digt, blei­ben seine Aussa­gen wenig konkret, gleich­wohl rütteln sie die Bürger mehr auf als jedes Partei­pro­gramm, das im Gegen­satz zu Kaba­rett­ver­an­stal­tun­gen ernst genom­men werden möchte. Ein Kaba­rett verlangt nach­den­ken, ein
Partei­pro­gramm nach­plap­pern; womit sich Bewer­tungs­kri­te­ri­en erübrigen.

Ist nun das Anlie­gen, die Welt zu retten völlig abwe­gig? Nach den Aussa­gen von Wahl­kampf­red­nern, es gehe uns in Deutsch­land doch gut, ist wohl die Rettung Deutsch­lands nicht gefragt, die Rettung Ameri­kas von Europa aus jedoch unmög­lich. Denn die Verschul­dung der USA ist das Problem und macht die Finanz­märk­te nervös. Auf allen Welt(gipfel)-Konferenzen ist es mit der Ruhe vorbei, seit­dem die USA, der Anker der Welt­wirt­schaft, krampf­haft in aller Öffent­lich­keit versucht, die Pleite abzu­wen­den. Der IWF (Inter­na­tio­na­le Währungs­fonds) kann bei einem Schul­den­stand von 16,7 Billio­nen US-Dollar nur mahnen, nicht helfen. Ameri­ka muss sich schon selbst aus dem Sumpf einer auf Kapi­tal­ertrag ausge­rich­te­ten Wirt­schafts­ord­nung ziehen, die immer noch als Markt­wirt­schaft getarnt wird. Ein solcher Etiket­ten­schwin­del redu­ziert jeden Rettungs­ver­such auf Banken­ret­tung, deut­li­cher gesagt auf Systemrettung.

Das System zu erken­nen, ist weit schwie­ri­ger als das Erken­nen seiner Auswir­kun­gen. Leicht ist es vorzu­ge­ben, die notlei­den­de Natur und die notlei­den­den Menschen in den Mittel­punkt poli­ti­schen Wirkens zu stel­len. Hart im Raum der Finan­zen steht die Wand aus Geld gebrannt. Mitte Okto­ber erleb­te die Welt, was ein unter­bro­che­ner Geld­kreis­lauf in den USA bewirkt: Chaos bei den Sozi­al­sys­te­men und bei vielen Unter­neh­men. Oft tref­fen Volks­weis­hei­ten ins Schwar­ze. „Der Rubel muss rollen“ ist so eine. Wird ein Staat zahlungs­un­fä­hig, bricht das Gemein­we­sen zusam­men. Lebens­mit­tel­vor­rä­te retten allenfalls
über einige Tage. Und dann? Es kommt zu Gewalt­aus­brü­chen, in den Geschäf­ten und vor den Banken. Man mag sich die Auswir­kun­gen einer länge­ren Zahlungs­blo­cka­de gar nicht vorstellen.

Nun wäre es billig, hier die vorzu­neh­men­den Maßnah­men im Einzel­nen aufzu­füh­ren, denn sie wären nur ein Kurie­ren an den Sympto­men einer falschen Geld­ord­nung. Die ameri­ka­ni­sche Zentral­bank (in priva­tem Besitz) und auch die Euro­päi­sche Zentral­bank (im Besitz der euro­päi­schen Staa­ten) bekämp­fen die Krise mit der Ausga­be einer zusätz­li­chen riesi­gen Geld­men­ge. Zu diesem Zweck kaufen sie am soge­nann­ten „Sekun­där­markt“, also von Banken und Fonds, Staats­an­lei­hen auf. Das dient der Stabi­li­sie­rung des Finanz­mark­tes und beför­dert die Speku­la­ti­on. Dort aber werden keine Werte geschaf­fen. Symptom­be­hand­lung ist nicht nur verge­bens, sie ist krisenverschärfend.

Eine der segens­reichs­ten Erfin­dun­gen der Mensch­heit, das Geld, wurde zweck­ent­frem­det. Geld ist ein Tausch­mit­tel. Alle ande­ren Verwen­dungs­mög­lich­kei­ten wie zur Wertauf­be­wah­rung, Speku­la­ti­on und Zins-Erpres­sung sind Verge­wal­ti­gun­gen zum Zweck, sich den Arbeits­er­trag ande­rer Menschen anzu­eig­nen. Ist das sozial? Es ist immer noch legal. Wie lange noch?

Dabei ist die Umstel­lung von einer Kapi­tal­ertrags­ori­en­tie­rung auf eine Arbeits­er­trags­ori­en­tie­rung durch flie­ßen­des Geld so einfach, dass man sich wundert, wieso dieser Weg noch nicht beschrit­ten wurde. In der Demo­kra­tie bestimmt die Mehr­heit die Poli­tik und das sind die werte­schaf­fen­den Arbei­ter und Unter­neh­mer. Die Minder­heit der Kapi­tal­rent­ner (1% der Bürger) stellt sich dage­gen – verständ­li­cher­wei­se. Haben die werte­schaf­fen­den Bürger dafür Verständnis?

Wer die Welt retten will, muss damit begin­nen, das jetzi­ge Wirt­schafts­sys­tem als unge­recht zu erken­nen, um es in eine natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung umzuwandeln.

„Das Volk leidet, wenn die Herr­schen­den es aussau­gen, daher seine Not.“ Lao-Tse, Tao Te King

ans Ruder © 2013 Pat Christ
Foto: © Pat Christ
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Vorgegaukelte Demokratie – Pat Christ

Hambur­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler unter­su­chen Entwick­lung hin zur Postdemokratie

Wohin steu­ert unsere Poli­tik? Nach Ansicht vieler Poli­tik­wis­sen­schaft­ler mitten hinein in die Post­de­mo­kra­tie. Erkenn­bar, sagen sie, ist dies vor allem daran, wie Poli­tik heute begrün­det wird. Dem demo­kra­ti­schen Ideal zufol­ge ist Poli­tik prin­zi­pi­ell verhan­del­bar. Doch de facto wird heute immer weni­ger debat­tiert, ver- und ausge­han­delt. Was angeb­lich zwin­gend imple­men­tiert werden muss, steht von vorne­her­ein fest.

Die Globa­li­sie­rung ist nur eine Entwick­lung von vielen, die so, wie sie sich voll­zieht, als schick­sals­haft und alter­na­tiv­los darge­stellt wird. Poli­ti­sche Gegen­ar­gu­men­te sind rar. Aber auch in ande­ren Feldern wird poli­ti­sches Handeln zuneh­mend als „alter­na­tiv­los“ darge­stellt. Wirt­schaft­li­che Sach­zwän­ge und Zwänge des Mark­tes, Effi­zi­enz- und Kosten­ar­gu­men­te dienen immer häufi­ger als Begrün­dung für Entschei­dun­gen. Für den Bürger ist dies nicht unbe­dingt zu verspü­ren – handelt es sich doch um einen schlei­chen­den Prozess. Bürge­rin­nen und Bürger, die sich wünschen, in einer Welt zu leben, die noch halb­wegs in Ordnung ist, behar­ren darauf: Wir haben eine Demo­kra­tie! Inwie­weit wir tatsäch­lich längst im Post­de­mo­kra­ti­schen gelan­det sind, das unter­sucht Matthi­as Lemke an der Helmut-Schmidt-Univer­si­tät in Hamburg. Über 3,5 Millio­nen Zeitungs­ar­ti­kel aus der Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung, der ZEIT, der Süddeut­schen Zeitung und der taz, die seit 1949 erschie­nen, werden seit einem Jahr von ihm und seinen Kolle­gen ausge­wer­tet. Das Projekt dauert noch zwei Jahre. Viel häufi­ger „unver­zicht­bar“ Nach wie vor werden Wahlen durch­ge­führt und Regie­run­gen wech­seln. Doch das hat mit Demo­kra­tie immer weni­ger zu tun, erga­ben laut Lemke die bishe­ri­gen Ergeb­nis­se. „Wir unter­su­chen unter ande­rem die Häufig­keit von Wörtern im Zeit­ver­lauf“, erklärt er gegen­über der HUMANEN WIRTSCHAFT: „Dazu etablier­ten wir ein Wörter­buch mit Begrif­fen, die Alter­na­tiv­lo­sig­keit ausdrücken.“

Statt stich­hal­ti­ge Argu­men­te zu liefern, operie­ren Anhän­ger der Alter­na­tiv­lo­sig­keits­rhe­to­rik zum Beispiel gern mit den Worten „unver­zicht­bar“, „unab­ding­bar“ oder „Sach­zwang“. Lemke: „Solche Wörter haben zuge­nom­men.“ Im nächs­ten Schritt werden die Begrif­fe analy­siert, die sich in der Nach­bar­schaft dieser Wörter befin­den. So kann fest­ge­stellt werden, in welchem Kontext etwa in einem Zeitungs­be­richt vom „Sach­zwang“ die Rede ist. Mit diesem Wort könnte ja auch davor gewarnt werden, die Demo­kra­tie auszu­höh­len. Dann wäre das Wort „Sach­zwang“ als nega­ti­ver Begriff in einem Arti­kel aufge­taucht. „Derzeit wissen wir einfach noch nicht, ob die Nach­bar­wör­ter jeweils posi­tiv oder nega­tiv sind“, sagt Lemke. Klar sei auf alle Fälle, dass gerade im Kontext der poli­ti­schen – weni­ger der wirt­schaft­li­chen – Bericht­erstat­tung heute Wörter, die der Alter­na­tiv­lo­sig­keits­rhe­to­rik entstam­men, wesent­lich häufi­ger auftre­ten als früher. Am stärks­ten ist der Zuwachs beim Wort „alter­na­tiv­los“. Aber auch „unver­zicht­bar“ wird von Polit­kern heute häufi­ger verwen­det als in der Nachkriegsära.

Andreas Bangemann 0

Möglichkeitsräume – Andreas Bangemann

Aris­to­te­les erkann­te bereits, dass in der Demo­kra­tie „wo die Bürger, da sie sich gleich­ge­stellt sind und viele Dinge gemein­sam besit­zen“ das Prin­zip der Freund­schaft und Gegen­sei­tig­keit am meis­ten Raum hat, sich zu entfalten.

Dabei verstand er die Gleich­stel­lung ausdrück­lich ökono­misch und nicht etwa juris­tisch, wie das heute in politischen
Sonn­tags­re­den immer betont wird.

Das gesell­schaft­li­che Band der „polis“ ist am robus­tes­ten, wenn es hinsicht­lich der Über­schüs­se an mate­ri­el­lem, geis­ti­gem, künst­le­ri­schem und mensch­li­chem Wert­zu­wachs zu keinen Akku­mu­la­tio­nen – Anhäu­fun­gen bei eini­gen weni­gen – kommt. Die Teil­ha­be aller am Erwirt­schaf­te­ten, und zwar auf eine Weise, mit der die Exis­tenz gesi­chert und die Würde gewahrt ist, müsste der anzu­stre­ben­de Königs­weg jeder „Staats­füh­rung“ in demo­kra­ti­schen Ländern sein. Gelingt das nicht, spre­chen wir mit Recht von einem Schei­tern der Politik.

Wir befin­den uns bereits in einem Stadi­um, in dem nicht mehr die Frage ökono­mi­scher Gleich­stel­lung im Raum steht. Das bedroh­li­che Ausein­an­der­drif­ten von Arm und Reich zu verlang­sa­men, ist alles, was man noch anstrebt und errei­chen kann. Es ist, als hätten alle schon aufge­ge­ben. Als wäre das Schick­sal des sozia­len Ausein­an­der­bre­chens alter­na­tiv­los. Das ist vergleich­bar mit der Staats­schul­den­pro­ble­ma­tik. Ein Rück­gang der Neuver­schul­dung feiert man als heraus­ra­gen­den Erfolg, obwohl die Gesamt­si­tua­ti­on sich verschlech­tert hat.

Die Gemein­sam­keit der gängi­gen Vorschlä­ge für das weitere
Vorge­hen ist offen­kun­dig. Immer geht es um ein „mehr“.
Weil die erhoff­te Verbes­se­rung nicht eintritt, versucht man
es mit einer höhe­ren Dosis des glei­chen „Lösungs­mit­tels“.

Ferdinand Knauß 0

Die Fünf-Prozent-Hürde pervertiert den Wählerwillen – Ferdinand Knauß

Noch nie hat der Bundes­tag so wenige Wähler reprä­sen­tiert wie der jetzt gewähl­te. Die Fünf-Prozent-Hürde hat ein Ergeb­nis produ­ziert, das der poli­ti­schen Kultur scha­det. Sie muss endlich gesenkt werden.

Die Bundes­tags­wah­len 2013 waren aus ästhe­ti­scher Perspek­ti­ve ein Tief­punkt in der bundes­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te. Abgeschmackter
noch als die von jeder poli­ti­schen Aussa­ge befrei­ten Wahl­pla­ka­te und die Sprech­bla­sen beim so genann­ten Fern­seh­du­ell, über die schon vor dem 22. Septem­ber viel geklagt wurde, war die Reak­ti­on der Partei, die sich als der große Gewin­ner inter­pre­tiert. Wenn Angela Merkel und andere Spit­zen­po­li­ti­ker wie Volker Kauder und Hermann Gröhe in der Wahl­nacht vor laufen­den Kame­ras herum­wip­pen wie der Vorstand eines Karne­vals­ver­eins und „An Tagen wie diesen“ von den „Toten Hosen“ grölen, wenn also Partei­en das Ergeb­nis von Wahlen feiern wie den Gewinn einer Fußball­meis­ter­schaft, beschä­digt das die Würde dieses zentra­len Aktes der Souve­rä­ni­tät des Volkes.

Doch nicht nur die äußere Form, in der sich die Freude der Unions­par­tei­en äußer­te, sondern auch deren von den meis­ten Jour­na­lis­ten über­nom­me­ne Inter­pre­ta­ti­on eines angeb­lich klaren Auftra­ges für Merkel weiter­zu­re­gie­ren, war bei genaue­rer Betrach­tung befremd­lich. Denn die Frage, ob eine abso­lu­te Mehr­heit der Wähler – geschwei­ge denn der Wahl­be­rech­tig­ten – weiter von Merkel und der amtie­ren­den Koali­ti­on regiert werden möchte, lässt sich doch ganz eindeu­tig beant­wor­ten: Nein! Nur die Wähler von CDU/CSU (41,5 %) und FDP (4,8 %), also insge­samt 46,3 Prozent, wünsch­ten sich eine Fort­set­zung der Merkel­schen Kanz­ler­schaft. Alle ande­ren woll­ten das ganz offen­sicht­lich lieber nicht. In Wahr­heit verdankt Merkel ihre bevor­ste­hen­den weite­ren Regie­rungs­jah­re nicht dem Wähler­vo­tum, sondern allein der Koali­ti­ons­un­fä­hig­keit der Linken. Fünf-Prozent-Hürde verzerrt das Wahl­re­sul­tat Das wirk­lich Besorg­nis­er­re­gen­de an dieser Wahl, oder genau­er: an dem Parla­ment, das aus ihr hervor­geht, ist: Nie seit 1949 hat ein deut­scher Bundes­tag einen so gerin­gen Teil der Wahlberechtigten
reprä­sen­tiert wie der, der sich am 22. Okto­ber in Berlin konsti­tu­iert. Durch das knappe Schei­tern der FDP und der neu gegrün­de­ten Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (4,7 %) sowie die 2,2 % der Pira­ten und die 1,3 % der NPD ist der Anteil der nicht im Bundes­tag vertre­te­nen Wähler mit insge­samt rund 15,8 % so hoch wie nie zuvor in der deut­schen Parla­ments­ge­schich­te. Die den Wähler­wil­len verzer­ren­de Wirkung der Fünf-Prozent-Hürde war in vorher­ge­gan­ge­nen Wahlen längst nicht so stark, weil in der Regel keine oder allen­falls eine Partei knapp schei­ter­te – zum Beispiel 1969 die NPD (4,3 %) oder 1990 die Grünen im Westen (4,8 %). Meist erreich­ten alle „sons­ti­gen“ Partei­en zusam­men weni­ger als 5 %. Die Verzer­rung des Wahl­re­sul­tats ist bedenk­lich: Mit zusam­men nur 42,7 % der Stim­men haben SPD, Grüne und Linke im Bundes­tag eine rech­ne­ri­sche Mehr­heit von 320 von 631 Bundes­tags­sit­zen. An den Wahl­ur­nen dage­gen war ein zumin­dest nach herkömm­li­chem Schema klares Bild des Wähler­wil­lens erkenn­bar: Die Deut­schen haben zu rund 51 Prozent bürger­lich-libe­ral gewählt, wenn man zu den Stim­men der Unions­par­tei­en und der FDP noch die „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“ hinzu­zählt. Doch für den Bundes­tag und die nächs­ten vier Jahre im poli­ti­schen Berlin spielt dieser Wähler­wil­le keine Rolle. Ganz konkret bedeu­tet das zum Beispiel: Obwohl die Deutschen
die Steu­er­erhö­her­par­tei­en abge­wählt haben, werden sie wohl demnächst Staats­kas­se gebeten.

Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude 0

Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude

Zum Geden­ken an den Jahr­hun­dertöko­no­men John Maynard Keynes, der vor 130 Jahren, am 5. 6. 1883, in Cambridge das Licht der Welt erblickte.

Ein Teil der Zukunft
ist schon Gegenwart 

„Ich glaube, daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.“ Heute sind die Befür­wor­ter von Geld- und Boden­re­form aus der Gesell-Schule Träger dieser Botschaft. Was bedeu­tet dies für die Kommen­tie­rung und Veror­tung der heuti­gen Situa­ti­on mit Staats­schul­den­kri­se, Immo­bi­li­en­kri­se, Banken­kri­se, Euro­kri­se? – Die Euro- und die Banken­ret­tung werden uns noch länger beschäf­ti­gen. Die Erschei­nun­gen dieser Krise sind aber der Stoff, aus dem auch frei­wirt­schaft­li­che Blüten­träu­me gewirkt sind. Die real exis­tie­ren­de Ökono­mie verweist vergleich­bar dem Philo­so­phen Ernst Bloch in seinem „Prin­zip Hoff­nung“ im Gegen­wär­ti­gen auf das für Zukünf­ti­ges Ange­leg­te und Intendierte.

Gewiss, wir waren schon einmal weiter. Für eine kurze Zeit­span­ne, viel­leicht für ein histo­ri­sches Zeit­fens­ter, schien der Weg der Noten­ban­ken in einen Nega­tiv­zins geöff­net, als Mankiw und Buiter die Null­zins­schran­ke mit einem Nega­tiv­zins nach unten durch­bre­chen woll­ten und sich dabei auch auf Gesell bezo­gen. Noten­bank­po­li­tik und poli­ti­sche Krisen­be­wäl­ti­ger sind vorerst einen ande­ren Weg gegan­gen. Und doch geben uns die Krise und ihre Bewäl­ti­gung Finger­zei­ge und Inter­pre­ta­ti­ons­hil­fe für frei­wirt­schaft­li­che Lösungs- und Vermittlungsansätze.

Wie wirken nied­ri­ge oder gar in der Nähe von Null verlau­fen­de (Haben-)Zinsen? Wenn Anhän­ger der Geld­re­form­be­we­gung diese postu­lie­ren, so sind sie in der Vergan­gen­heit viel­leicht auf Unver­ständ­nis gesto­ßen. Jetzt können sie darauf verwei­sen, dass die Reali­tät die Utopie einge­holt hat. Auch können sie vorur­teils­frei die sich einstel­len­den Proble­me anschau­en und gege­be­nen­falls entschär­fen. Dafür können wir auch dank­bar sein, weil eine frei­wirt­schaft­li­che Zukunft dann ohne die späte­re Last der Wider­le­gung von Gegen­ar­gu­men­ten bereits jetzt argu­men­ta­tiv entwi­ckelt werden kann. Es ist leicht und billig zu behaup­ten, man habe immer schon das Krisen­haf­te der Entwick­lung vorher­ge­sagt und gewusst, selbst wenn diese Fest­stel­lung rich­tig ist. Dies haben die Marxis­ten auch stets betont und doch gefehlt in ihrer Lösung. Wir müssen im Jetzt für ein behut­sa­mes Verständ­nis werben, dass hohe Rendi­ten in der Gegen­wart und Zukunft nicht, oder nur gegen exor­bi­tan­te Risi­ken zu haben sind. 

Der Haben­zins beläuft sich etwas über oder um null Prozent. Für Anle­ger – auch Lebens­ver­si­che­run­gen – mit weiter zurück­lie­gen­dem Zins­ge­dächt­nis erscheint dies wie eine Kata­stro­phe für ihre Geld­an­la­ge. Und ange­sichts einer, wenn auch mäßi­gen Infla­ti­ons­ra­te bedeu­tet dies eine nega­ti­ve Real­ver­zin­sung auf das einge­setz­te Geld­ka­pi­tal. Der Rück­blick auf vermeint­lich golde­ne Zeiten bezüg­lich der Nomi­nal- und Real­ver­zin­sung geht in die 70er Jahre des vergan­ge­nen Jahr­hun­derts zurück, als die Infla­ti­ons­ra­ten hoch und akze­le­rie­rend waren und keines­wegs fest­stand, dass wenig später mittels einer restrik­ti­ven Geld­po­li­tik die Infla­ti­ons­er­war­tun­gen gebro­chen wurden mit den Folgen von Arbeits­lo­sig­keit, Unter­neh­mens­kon­kur­sen und Wachstumsschwäche.
Zurück­bli­ckend scheu­ten viele Anle­ger in der jüngs­ten Vergan­gen­heit eine lang­fris­ti­ge Anlage wegen der nied­ri­gen Zinsen und flüch­te­ten in die kurz­fris­ti­ge Anlage, die Liqui­di­tät (dieser Aspekt wird insbe­son­de­re von Eckhard Behrens vom Semi­nar für frei­heit­li­che Ordnung betont). Hier bewahr­hei­tet sich, was Frei­wir­te und Keyne­sia­ner, Silvio Gesell und John Maynard Keynes heraus­ge­ar­bei­tet haben: Unter­schrei­tet der Zins eine gewis­se Unter­gren­ze, stellt sich das Geld nicht zur Anlage ein. Das Rezept dage­gen ist die Geld­um­lauf­si­che­rung durch einen Umlaufs­an­trieb, Schwung oder Schwund oder eine Geld­steu­er, wie immer man dies auch benen­nen mag.

Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Spit­zen­kan­di­dat im hessi­schen Land­tags­wahl­kampf 2009 Thors­ten Schä­fer-Gümbel hatte die Idee einer Zwangs­an­lei­he bei Vermö­gen­den für den Staat. Jeder mit einem Vermö­gen über 750.000 € sollte 2 % hier­von für 15 Jahre dem Staat zu 2,5 % Zinsen zur Verfü­gung stel­len. In meinem Beitrag „Zwangs­an­lei­he für Reiche? – Nein Danke“ habe ich dage­gen­ge­hal­ten: „Warum sollte der Staat ausge­rech­net dieser Klien­tel einen Zins und eine Rendi­te von 2,5 % auf 15 Jahre garan­tie­ren?“ Ich habe dann weite­re Zins­sen­kun­gen voraus­ge­se­hen, die ja auch tatsäch­lich einge­tre­ten sind. 

Komm auf den Punkt! – Roland Spinola 0

Komm auf den Punkt! – Roland Spinola

Stel­len Sie sich folgen­de Situa­ti­on vor: In einer Unter­hal­tung sagt jemand „Sie haben sich doch mit Komple­men­tär­wäh­run­gen beschäf­tigt – worum geht es da eigent­lich?“ Das ist Ihre Chance! Wenn Sie jetzt kurz und klar darstel­len können, worum es geht, kann das der Beginn einer inter­es­san­ten Diskus­si­on werden!

Wie viel Zeit haben Sie? Eine Minute, viel­leicht zwei, wenn Ihr Gegen­über inter­es­siert ist! Und wie oft passiert es Ihnen, dass Sie ich verhas­peln, verspre­chen, vom Hölz­chen zum Stöck­chen kommen und schließ­lich merken, dass das Inter­es­se ihres Zuhö­rers – oder sind es gar mehre­re? – lang­sam nach­lässt. Ein paar höfli­che Bemer­kun­gen – dann wendet man sich ande­ren Themen zu.

Mein Kolle­ge Wolf­gang Enßlin beschreibt eine Vari­an­te, die wohl jedem von uns schon passiert ist – sei es als Opfer oder als Täter: „Sie wollen Ihrem Gegen­über eine faszi­nie­ren­de Idee oder einen wich­ti­gen Gedan­ken­gang erklä­ren … und spon­tan wird bei Ihnen ein unge­hemm­ter Rede­fluss ausge­löst – wie in einem Weizen­si­lo: Klap­pen­he­bel auf und das Korn fließt heraus auf den darun­ter stehen­den Empfän­ger, der nur noch ‚Bahn­hof‘ versteht. Ihr Zuhö­rer schal­tet ganz einfach ab.“

Woran liegt’s?

An mangeln­dem Wissen in den wenigs­ten Fällen. Weshalb gelingt es dann so selten, unser Wissen und Ideen klar, kurz und wirkungs­voll zu kommunizieren?

„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, hat Martin Luther die Regeln für einen guten Vortrag zusam­men­ge­fasst. Und Kurt Tuchol­sky meinte: „Klare Dispo­si­ti­on im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier. Haupt­sät­ze, Haupt­sät­ze, Haupt­sät­ze. Merke: wat jestri­chen is, kann nich durchfalln.“