Unvergängliche Spuren am Strand des Lebens – Die Redaktion 0

Unvergängliche Spuren am Strand des Lebens – Die Redaktion

In memo­ri­am Margrit Kennedy.

Am 28. Dezem­ber 2013 verstarb
Margrit Kenne­dy in ihrem Zuhause
in Stey­er­berg an Krebs.
Bereits Ende der 70er Jahre begann
sie, inner­halb der beruf­li­chen Tätigkeit
als Archi­tek­tin und Stadtplanerin
die ökolo­gi­schen Fragen in
den Mittel­punkt ihres Wirkens zu stellen.
Ihr Leben bekam jedoch ab 1982
eine unvor­her­seh­ba­re Wendung. Sie
entdeck­te die Ursa­chen für jene Auswirkungen,
die ihre Arbeit als umweltbewusst
denken­de Wissenschaftlerin
und Plane­rin stets maßgeb­lich und vor
allen Dingen nega­tiv beeinträchtigten
im herr­schen­den Geld­sys­tem. Sie war
über­zeugt, dass die Mecha­nis­men einer
auf unend­li­ches Wachs­tum ausgerichteten
Wirt­schaft niemals mit den
Erfor­der­nis­sen eines respektvollen
und wert­schät­zen­den Umgangs mit
der Natur verein­bar sind. Auch erkannte
sie, wie die zuneh­men­den sozialen
Verwer­fun­gen eng mit dem Geldsystem
zusam­men hingen, das vor allen
Dingen zu einem präde­sti­niert war:
Immense Geld­ver­mö­gen bei einer verschwindend
gerin­gen Zahl von Menschen
zu kumu­lie­ren. Und das auf Kosten
und zu Lasten der Gesamt­heit. Die
beruf­li­che und gesell­schaft­li­che Stellung
erlaub­te es ihr, sich auf wirkungsvolle
Weise für Verän­de­run­gen starkzumachen.
Doch Margrit Kenne­dy beließ
es nicht bei theo­re­ti­schen Forderungen
an abstrak­te Adressaten.
Sie ergriff Initia­ti­ve und nutzte internationale
Erfah­rung und den Fundus an
Kontak­ten, um konkre­te Projek­te in die
Tat umzusetzen.
Sowohl im deutsch­spra­chi­gen Raum
als auch welt­weit wäre die Entwicklung
komple­men­tä­rer Währun­gen heute
nicht auf dem Stand, auf dem sie
sich befindet.
Mit Margrit Kenne­dy verliert diese Bewegung
zwar eine der herausragenden
Kräfte, aber Impul­se sind längst
in wegwei­sen­den Projek­ten verwirklicht,
sodass der Geist ihrer Arbeit unverwüstliche
Früch­te trägt. Mit „Geld
ohne Zinsen und Infla­ti­on“ legte sie
bereits 1991 ein leicht verständliches
Buch vor. Unzäh­li­gen Menschen
wurde damit der Blick in die Welt der
schein­bar undurch­sich­ti­gen Zusammenhänge
des Geldes geschärft. „Occupy
Money«, ihre letzte Buchveröffentlichung,
hat die sich weltweit
formie­ren­de Bewe­gung von Protestgruppen
mit grund­le­gen­dem Wissen
inspi­riert. Wissen, das Instru­men­te an
die Hand gibt, mit denen aus Protesten
gegen vermeint­lich fragwürdige
Mächte, eindeu­ti­ge Forde­run­gen für
Zukunfts­lö­sun­gen hervor­ge­hen können.
Natür­lich bemerk­te Margrit Kennedy
zeit­le­bens, wie dick die Bretter
sind, die man bohren muss, um ein
derart funda­men­ta­les Umden­ken vor
allem auf höchs­ter poli­ti­scher Ebene
zu erwir­ken. Ehrgei­zi­ge Ziele, dessen
war sie sich bewusst, erreicht man nur
durch viel­schich­ti­ge Arbeit, maßgeblich
solche, die „von unten“ initiiert
wird. „Viel­falt“ war ohne­hin ein Stichwort,
das sie stets beweg­te. „Wir haben
bezüg­lich Klei­dung, Autos und unendlich
vielen Dingen des Lebens eine
große Viel­falt an Ange­bo­ten. Zu nahezu
jeder einzel­nen Vorlie­be der Menschen
gibt es eine passen­de Auswahl.
Ande­rer­seits schei­nen wir zu glauben,
dass eine einzi­ge Geld­form ausreicht,
all die Funk­tio­nen zu erfüllen,
die das Leben mit sich bringt!“ „Warum
lassen wir den Gedan­ken nicht zu,
dass es sinn­voll ist, ein unerschöpfliches
Reser­voir an Zahlungs­mit­teln zu
gestal­ten, um die unterschiedlichen
Aufga­ben zu meis­tern? Warum sollte
es nicht eigens eine Währung für Bildungsaufgaben
geben? Eine für die Altersvorsorge?
Oder eine, welche den
Erfor­der­nis­sen der Nutzung unserer
Umwelt entspricht?“
In diesem Sinne argu­men­tier­te Margrit
Kenne­dy auf unzäh­li­gen Veranstaltungen,
auf denen sie als Referentin
oder Disku­tan­tin einge­la­den war. Sie
weiger­te sich zu akzep­tie­ren, dass es
„eine Wahr­heit“ für alle Fragen gibt.
Immer war sie von der Tota­li­tät des
Seins über­zeugt. Nichts, was wir tun,
aber auch nichts, was wir nicht tun,
bleibt ohne Folgen für das Ganze.
Sie konnte und wollte nicht verstehen,
warum die Logik eines Geldsystems,
das alles zu zerstö­ren droht, was den
Menschen lieb und wert­voll ist, von einer
Mehr­heit klag­los hinge­nom­men zu
werden scheint.

Erinnerungen an Margrit Kennedy – Helmut Creutz 0

Erinnerungen an Margrit Kennedy – Helmut Creutz

Erin­ne­run­gen
an meine ersten
Kontak­te mit
den monetären
Realitäten –
und der Rolle
Margrit Kennedys
in diesem
Lebensabschnitt.
Der viel zu frühe Tod von Margrit Kennedy
hat bei mir viele Erinnerungen
wach­ge­ru­fen. Vor allem bezo­gen auf
meine ersten Schrit­te in Sachen Zins
und Frei­wirt­schaft und damit jenem
völlig unge­plan­ten Lebensabschnitt,
der für mich, Ende der 1970er Jahre,
durch einen Zufall begann und wenige
Jahre später, durch die Begegnung
mit Margrit, äußerst wich­ti­ge Mut machende
Impul­se erhal­ten hat.
Wie schon häufi­ger berichtet,
wurde ich Ende 1977, durch
die Zuschrift eines Lesers meines
Schul­ta­ge­buchs „Haken krümmt
man beizei­ten“, mit diesen geldbezogenen
Begrif­fen und Themen bekannt.
Jenes Buches, das vor allem durch die
Fern­seh-Vorstel­lung in „Titel, Thesen,
Tempe­ra­men­te“ als Buch des Monats
viele Reak­tio­nen in der Öffentlichkeit
auslös­te, darun­ter auch diese Zuschrift
von Walter Michel aus Berlin, die mein
Leben verän­dern sollte.
Wie sich später heraus­stell­te, handelte
es sich um einen selbst­stän­di­gen Handwerksmeister,
der nach dem Krieg in der
DDR annahm, für das Thema Freiwirtschaft
und Gesell wieder öffent­lich eintreten
zu können. Er hatte sich jedoch
geirrt und wurde wegen seiner Veröffentlichungen
von der damals noch vorherrschenden
sowje­ti­schen Besatzungsmacht
verhaf­tet, erst zum Tode verurteilt
und dann zu lebens­läng­li­cher Haft in der
berüch­tig­ten Festung Baut­zen „begna­digt“,
einer Strafe, von der er mehr als
zehn Jahre absit­zen musste.
Was Walter Michel mir schrieb, war für
mich anfangs völlig unver­ständ­lich. Weder
den Namen Silvio Gesell noch den
Begriff „Frei­wirt­schaft“ (der mich immer
an eine sommer­li­che Gartenwirtschaft
erin­ner­te!) hatte ich je gehört. Und das
Glei­che galt auch für das beigelegte
kleine Buch eines Hans Kühn, „5000
Jahre Kapi­ta­lis­mus“, dem dann jedoch –
wenn auch stilis­tisch etwas aufgemotzt
– einige konkre­te­re Anga­ben und Zahlen
zu entneh­men waren die mich neugierig
mach­ten. Das beson­ders im Hinblick
auf die Auswir­kun­gen exponentiell
wirken­der Abläu­fe, mit denen er den
Zinses­zins-Effekt beschrieb – einer Problematik,
die mir dadurch zum ersten
Mal deut­lich wurde und für die ich vielleicht
auch nur deshalb offen war, weil
sich mir damals, Ende der 1970er Jahre
und ange­sichts der allge­mei­nen Wachstumseuphorie,
schon die Frage aufgedrängt
hatte, wie lange das eigentlich
noch weiter gehen sollte. Doch diese
von Hans Kühn gemach­ten Ausführungen
musste ich jedoch vor einer Antwort
an Walter Michel unbe­dingt überprüfen.
Das betraf vor allem die Gegensätzlichkeiten
von linea­rem und exponentiellem
Wachs­tum und deren Vergleiche
mit den natür­li­chen Wachstumsabläufen.
Bei denen die zeit­li­chen Abstände
zwischen den Verdopp­lun­gen bekanntlich
immer größer und schließ­lich „unend­lich“
werden, wie wir aus unserer
eige­nen Entwick­lung ab 18-
20 Jahren
wissen. Im Gegen­satz dazu, nahm ein
expo­nen­ti­el­les Wachs­tum, mit gleich
blei­bend langen Verdopplungs-Schritten,
stän­dig schnel­ler zu – wie bei den
Geld­an­la­gen durch Zins und Zinseszins
der Fall. Eine Entwick­lung, die –
das hatte ich nach der Schrift von Hans
Kühn verin­ner­licht – förm­lich zu Explosionen
führen musste!
Erfah­run­gen zu den Zinsauswirkungen
in der Praxis
Zinsen waren mir – damals bereits 55
Jahre alt – bis dahin immer nur als eine
schöne Ange­le­gen­heit bekannt, über
deren Gutschrift auf dem Sparbuch
man sich am Jahres­an­fang immer freute.
Und bezo­gen auf die Hypotheken,
die ich für Bauwer­ke laufend aufnehmen
musste, blieb der Mix von Zinsen
und Tilgung in der Miete als Summe
häufig gleich. „Bewei­se“ für die zinsbedingten
Wachs­tums-Wirkun­gen in unserem
norma­len Leben und vor allem
deren Brisanz, entdeck­te ich dann erst
im Zusam­men­hang mit grafi­schen Aufzeichnungen
von Mietberechnungen
und deren Bestandteil-Verschiebungen
im Laufe der Jahre und Jahrzehnte.
Obwohl diese Berech­nun­gen bei den
Wohnungs­bau­fi­nan­zie­run­gen eine
der Voraus­set­zun­gen für die staatlichen
zins­güns­ti­gen Zuschüs­se waren
und man sie im Vorhin­ein nachweisen
musste, waren mir diese Wechselwirkungen
nie aufge­fal­len. Und wirklich
über­zeu­gend wurden sie für mich erst
dann, als ich sie beispiel­haft nebeneinander
in Grafi­ken umsetz­te. Das
vor allem bezo­gen auf jene Vorgänge
im Geld- und Kredit­be­reich, die mir
bislang als problem­los erschie­nen waren:
Wenn man zu viel Geld in der Tasche
hatte und vorerst nicht brauchte,
zahlte man es eben bei den Banken
ein, die es dann zwischen­zeit­lich weiter
verlie­hen. Und dass man dafür einen
– meist nur rela­tiv gerin­gen – Zins
erhielt, war eine kleine Beloh­nung für
diese Erspar­nis­bil­dung, die dann der
Kredit­neh­mer seiner­seits jeweils an
die Bank zu zahlen hatte.

Auf Raiffeisens Spuren – Bericht von Pat Christ 0

Auf Raiffeisens Spuren – Bericht von Pat Christ

Im deutsch­spra­chi­gen Raum grün­den sich immer mehr Sozialgenossenschaften

Ob Post­dienst, Dorf­la­den, Arztpraxen,
Kinder­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen oder
Busver­bin­dun­gen – in länd­li­chen Räumen
dünnt die Infra­struk­tur zum Teil
drama­tisch aus. Hier­auf reagie­ren Sozialgenossenschaften.
Sie setzen sich
für demenz­kran­ke Menschen ein oder
zielen, in Form von Seniorengenossenschaften,
auf ein koope­ra­ti­ves Altern
ab. Der Genossenschaftsgedanke
wächst stetig. So wurden in den vergangenen
acht Jahren in Deutsch­land rund
1.300 Genos­sen­schaf­ten gegründet.
Eine Sozi­al­ge­nos­sen­schaft ist eine
Versi­che­rung auf Gegenseitigkeit:
Man gibt und hilft sich solidarisch.
Dahin­ter steckt die bereits
von Fried­rich Wilhelm Raiff­ei­sen forcierte
Idee, dass alle gemein­sam viel
mehr auf die Beine zu stel­len vermögen
als ein Mensch allei­ne. Das gilt laut
Heike Walk vom Zentrum Tech­nik und
Gesell­schaft (ZTG) der TU Berlin auch
für ein so aktu­el­les Thema wie „Klima­wan­del“.
Als kollek­ti­ve Zusammenschlüsse
haben Genossenschaften
den Analy­sen der Geschäftsführerin
des ZTG-Insti­tuts für Protest- und Bewegungsforschung
zufol­ge vielfältige
Hand­lungs­mög­lich­kei­ten, um den Klimaschutz
in Städ­ten voranzutreiben.
Viele Sozi­al­ge­nos­sen­schaf­ten treten
als klas­si­sche Non-Profit-Organisationen
auf. Hier schlie­ßen sich Menschen
auf der Basis von Selbst­hil­fe oder ehrenamtlichen
Enga­ge­ment kooperativ
zu zusam­men. Dane­ben exis­tie­ren aber
auch Sozi­al­ge­nos­sen­schaf­ten, die zu
bezah­len­de Leis­tun­gen erbrin­gen, die
zwar gesell­schaft­lich notwen­dig und
zentral für eine nach­hal­ti­ge Entwicklung
sind, vom Markt aber nicht mehr
zur Verfü­gung gestellt werden.
Von pallia­ti­ver Hilfe
bis zur Nahraumversorgung
Die Hand­lungs­fel­der von Sozialgenossenschaften
fächern sich demnach
stark auf. Allein im Gesund­heits- und
Pfle­ge­sek­tor exis­tiert heute eine breite
Ange­bots­pa­let­te, die vom Palliativbereich
über das Senio­ren­woh­nen bis
hin zu Kran­ken­haus­netz­wer­ken reicht.
Selbst der Bereit­schafts­dienst von
Ärzten kann sozialgenossenschaftlich
orga­ni­siert werden. Viele Genossenschaften
enga­gie­ren sich vor dem
Hinter­grund des demographischen
Wandels auch dafür, die sozia­le Infrastruktur
vor Ort zu erhal­ten oder sie neu
zu schaf­fen. Dies betrifft die Kinderbetreuung
und die Jugend­hil­fe ebenso wie
die Themen „Alters­ge­rech­tes Wohnen“
und „Nahraum­ver­sor­gung“.
Um die psycho­so­zia­le Gesund­heit von
Kindern und Jugend­li­chen kümmert
sich im italie­ni­schen Bruneck seit vielen
Jahren die Sozialgenossenschaft
EOS. Bereits 1995 eröff­ne­te die Organisation
eine sozi­al­päd­ago­gi­sche WG
für psych­ia­trisch auffäl­li­ge Jugendliche.
Vier Jahre später star­te­te sie in Bruneck
ein Projekt für ein Beglei­te­tes Wohnen
von Heran­wach­sen­den mit seelischen
Proble­men. Ein zwei­tes Projekt dieser
Art wurde 2001 in Bozen eröff­net. 2005
star­te­te die von der Genos­sen­schaft organisierte
Ambu­lan­te sozialpädagogische
Fami­li­en­ar­beit im Puster­tal. Von
Jahr zu Jahr wuchs die Mitarbeiterzahl.
Heute liegt sie bei um die 80.

Auf, auf zum ersten Gefecht – Kommentar von Wilhelm Schmülling 0

Auf, auf zum ersten Gefecht – Kommentar von Wilhelm Schmülling

Wer den Frie­den will, darf nicht rüsten,
denn der Rüstung folgt der Krieg. Da
Deutsch­land keine Feinde hat, bräuchte
es auch keine Rüstung.
Wenn nur nicht die Rüstungslobby
mit dem Argu­ment „Arbeits­plät­ze“
hausie­ren ginge,
natür­lich nicht bei Ihnen, Sie wollen
sich doch keinen Panzer in den Vorgarten
stel­len, sondern bei denen,
die das Geld dafür haben: bei den Regierenden.
Genau genom­men, haben
auch die Regie­run­gen dafür kein Geld,
das holen sie sich bei Ihnen. Nicht mit
einem bewaff­ne­ten Stoß­trupp, sondern
unbe­waff­net mit Wahlunterlagen,
damit Sie ja die friedliebenden
Rüstungs­be­für­wor­ter wählen. Sehr
freund­lich reden sie über „Frie­dens­si­che­rung“,
leben wir doch in einem
demo­kra­ti­schen Land, das verteidigt
werden müsse.
In Mali, Soma­lia oder Afgha­ni­stan und
vielen Ländern dieser Welt ist das anders.
Da herr­schen Dikta­tur und Not.
Die Terro­ris­ten nützen das schamlos
aus, holen die jungen Männern aus
den Hütten, verspre­chen ihnen Brot
und Spiele, grei­fen erst ihre Landsleute,
dann auch uns an. Also müssen
wir uns bewaff­net verteidigen,
auch am Hindu­kusch. So hieß doch
der Schlacht­ruf zum ersten Gefecht in
Afgha­ni­stan. Jetzt schließt Ursula von
der Leyen Kampf­ein­sät­ze in Mali nicht
mehr aus.
Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rin Ursula von
der Leyen plädier­te für ein stärkeres,
inter­na­tio­na­les Enga­ge­ment in Afrika.
Die Trup­pen­stär­ke in Mali soll von
180 auf 250 Solda­ten erhöht werden.
Dort leben 15 Millio­nen Menschen, die
Hälfte davon – so Frau von der Leyen
– sind unter 15 Jahre alt. Können wir
sie bis zum Erwach­se­nen­al­ter mit verstärkter
Entwick­lungs­hil­fe versorgen?
Wohl kaum. Also wird Deutschland
zunächst auch Waffen liefern. Da aber
Malis und andere
Afri­ka­ner damit
nicht umgehen
können, müssen
deut­sche Soldaten
vor Ort sein,
um den Umgang
mit der Waffe zu
lehren, auch um
zu töten. Wenn
Terro­ris­ten dabei
stören, wird
zurückgeschossen.
Einige Gutmenschen
schla­gen doch tatsächlich
vor, wir soll­ten nur Brun­nen bauen und
Acker­bau betrei­ben. Was für Narren!
Frie­dens­ver­tei­di­gung ohne Waffen? Ja,
das muss möglich sein, denn wie weit
haben uns bewaff­ne­te „Landes­ver­tei­di­gun­gen“
gebracht? Kürz­lich plakatierte
MISEREOR „Mut ist, Waffen mit
Worten zu bekämp­fen.“ Sich darauf beschränken
bedeu­tet aller­dings, den Zustand
des Elends zu festi­gen. Und hier
muss ange­setzt werden: Gerechtigkeit
zur Grund­la­ge der Poli­tik machen!
Trach­ten wir zuerst nach der Gerechtigkeit
und alles andere wird uns zufallen.
Statt mili­tä­ri­scher Vertei­di­gung unhaltbarer
Zustän­de in der Welt – auch
bei uns – muss die sozia­le Frage gelöst
werden. Ihre Ursa­che muss erkannt
und besei­tigt werden. In einer auf Profit
ausge­rich­te­ten Wirtschaftsordnung
ist das unmög­lich. Eine auf Arbeitsertrag
fixier­te Wirt­schafts­ord­nung muss
einge­rich­tet werden.
Es gibt Hoff­nung. Wir sind dabei, unsere
Einheit mit all unse­ren Mitmenschen
zu erken­nen, so dass es bald
unmög­lich sein wird, einan­der auszubeuten,
zu berau­ben oder gar zu
töten. Solan­ge uns das nicht gelingt,
können wir nicht behaup­ten, in einer
zivi­li­sier­ten Welt zu leben.

Auf, auf zum letz­ten Gefecht zur
Besei­ti­gung systembedingter
Ungerechtigkeiten –
ohne Waffen!

Arbeit zwischen Verherrlichung und Entwertung – Günther Moewes 0

Arbeit zwischen Verherrlichung und Entwertung – Günther Moewes

„In Deutsch­land waren noch nie so viele Menschen in Arbeit wie 2013“ tönt es aus den Medien. Und seit 1960 regel­mä­ßig von allen Kanz­lern: „Die Wende auf dem Arbeits­markt steht unmit­tel­bar bevor.“ Es wird der Eindruck erweckt, die Arbeit nähme wieder zu. Die Reali­tät sieht anders aus. Tatsäch­lich hat die Zahl der durch­schnitt­lich geleis­te­ten Jahres­ar­beits­stun­den in Deutsch­land von 1960 bis 2012 um 35,4 auf 64,6 % abge­nom­men, d.h. um mehr als ein Drit­tel. Wenn sich die Zahl der Beschäf­tig­ten trotz­dem erhöht hat, dann nur, weil diese Verrin­ge­rung des tatsäch­lich erbrach­ten Arbeits­vo­lu­mens in Form von unbe­zahl­ter Arbeits­zeit­ver­kür­zung auf drei Millio­nen Teil­zeit­be­schäf­tig­te abge­la­den wurde. Deren Zahl ist inzwi­schen höher als die der 2,95 Mio. Arbeits­lo­sen. Diese 64,6 % der 1960 erbrach­ten Arbeits­stun­den geben jedoch noch nicht den tatsäch­li­chen Rück­gang des Arbeits­vo­lu­mens wieder. Denn in ihr ist ja noch nicht die enorm gestie­ge­ne Arbeits­lo­sig­keit enthal­ten. 2012 betrug die Arbeits­lo­sig­keit in Deutsch­land 6,8 % (= 2,95 Mio.), 1960 ganze 1,3 % (0,27 Mio.). Würde man die 2012 insge­samt tatsäch­lich geleis­te­ten Jahres­ar­beits­stun­den mit auf die Arbeits­lo­sen verteilen,
hätte jeder Erwerbs­fä­hi­ge pro Jahr 142 Std. weni­ger arbei­ten müssen. Das so ermit­tel­te heute erbrach­te Arbeits­vo­lu­men pro Erwerbs­fä­hi­gen beträgt dann nur noch 59 % dessen von 1960, also über 40% weniger.

Steuerhinterziehung – Volkssport in unterschiedlichen Spielklassen – Dirk Löhr 0

Steuerhinterziehung – Volkssport in unterschiedlichen Spielklassen – Dirk Löhr

Plädoy­er für eine Staats­fi­nan­zie­rung aus ökono­mi­schen Renten

Alle tun es. Die Ikone Ulrich Hoeneß.
Der hono­ri­ge CDU-Schatz­meis­ter Helmut
Lins­sen. Die „mora­li­sche Instanz“
Alice Schwar­zer. Der fein­sin­ni­ge Kultur-
Staats­se­kre­tär André Schmitz aus
Berlin. Beson­ders pikant: Letz­te­rer ist
Mitglied derje­ni­gen Partei, die sich
als Vorrei­ter gegen krimi­nel­le Steuerhinterzieher
sieht. Sein Parteifreund
Peer Stein­brück drohte seiner­zeit damit,
die Kaval­le­rie gegen die kleine
Schweiz ausrü­cken zu lassen.
Dabei nimmt sich jeder das, was
er kann. Steu­er­hin­ter­zie­hung ist
ein Volks­sport. Aller­dings gibt es
verschie­de­ne Ligen. Der eine trägt eben
inter­na­tio­na­le Spiele auf den Bahamas
aus, der andere bleibt in seinem Dorf
stecken – Kreis­klas­se, mit nicht ausgestellten
Handwerkerrechnungen.
Um das deut­sche Steu­er­sys­tem ranken
sich viele Mythen. 70–80 % der
welt­wei­ten Steu­er­li­te­ra­tur sollen sich
angeb­lich des Problem­fal­les Deutschland
anneh­men. Das ist sicher­lich maßlos
über­trie­ben. Doch selbst, wenn es
nur 15 % sind (Späth, o. J.) , ist dies
ange­sichts eines Anteils von 1,2 % an
der Welt­be­völ­ke­rung doch schon eine
recht stolze Zahl. Für den „Vater Staat“
ist es dabei häufig das Klein­vieh, das
Mist macht. Konse­quenz: Gerade Massenfälle
wie Dienst­wa­gen, geldwerte
Vortei­le, Dienst­rei­sen etc. werden
so kompli­ziert und klein­lich geregelt,
dass kaum jemand mehr durchblickt.
Hinzu kommt ein Gerechtigkeitsfimmel
der deut­schen Gerich­te (der sich
dann irgend­wann auch in den Verwaltungsanweisungen
niederschlägt).
Die Kosten des ganzen Thea­ters werden
zu einem großen Teil auf die Steuerpflichtigen
verla­gert (auch in Gestalt
von Rechtsunsicherheiten).
Der erwähn­te Gerechtigkeitsfimmel
der Gerich­te tobt sich leider an der
voll­kom­men falschen Stelle aus. Das
zentra­le Problem der Rentenökonomie
wird nämlich nicht ange­gan­gen. Am
besten erschließt sich dieses über das
sog. „Henry George-Theo­rem“ („Golden
Rule of Local Public Finan­ce“), das
u.a. vom Nobel­preis­trä­ger und früheren
Welt­bank-Chef­öko­no­men Joseph
Stig­litz forma­li­siert wurde.
Das Henry George-Theo­rem (s. Abb.)
kann von links nach rechts und umgekehrt
inter­pre­tiert werden: Die öffentlichen
Güter (Infra­struk­tur, Sicherheit,
Bildung, Gesundheitseinrichtungen)
können unter bestimm­ten Bedingungen
voll­stän­dig aus den Bodenrenten
finan­ziert werden, wobei „Boden“ in
einem sehr weiten Sinne verstanden
wird (als alles, was der Mensch nicht
geschaf­fen hat, und sogar – wie bei
geis­ti­gen Eigen­tums­rech­ten – noch
darüber hinaus). Also: Man bräuchte
gar keine Steu­ern, wenn man den
Staat aus den ökono­mi­schen Renten
finan­zie­ren würde.

Kapitalismus ohne Rücksicht auf Verluste – Friedrich Müller-Reißmann 0

Kapitalismus ohne Rücksicht auf Verluste – Friedrich Müller-Reißmann

Kapi­ta­lis­mus ist die reale Perver­si­on der idea­len Markt­wirt­schaft Die Markt­wirt­schaft ist ein Wirt­schafts­sys­tem, das die (mate­ri­el­len) Bedürf­nis­se aller Menschen auf effiziente,
nach­hal­ti­ge Weise erfüllt und leis­tungs­lo­se Einkom­men tenden­zi­ell unter­bin­det. Kapi­ta­lis­mus bewirkt syste­ma­tisch das Gegen­teil: Verschwen­dung begrenz­ter Ressour­cen und Erzeugung
riesi­ger leis­tungs­lo­ser Einkom­men zulasten
der arbei­ten­den Menschen. Kapitalismus
ist die große wirkungsvolle
Metho­de der Privi­le­gier­ten, den Angriff
der Markt­wirt­schaft auf ihre Privilegien
ins Leere laufen zu lassen.
Hochglanzsystem
Kapitalismus
Die Rekla­me liefert tagtäg­lich den Beweis
für das Versa­gen des gegenwärtigen
Systems. Sie ist das allgegenwärtige
Armuts­zeug­nis des Kapi­ta­lis­mus, gewissermaßen
ein Armuts­zeug­nis auf Hochglanzpapier.
Ihre Botschaft zwischen
den Zeilen lautet: „Ein mündi­ger Verbraucher
wäre eine Kata­stro­phe. Lasst euch manipulieren
und kauft, was ihr eigent­lich nicht
braucht, und vor allem stän­dig mehr – sonst
funk­tio­niert unsere Wirt­schaft nicht!“. Kann
aber ein System auf die Dauer funktionieren,
das einen beispiel­lo­sen Wettbewerb
um die Gunst der Dumm­heit (Eitel­keit,
Verschwen­dungs­sucht, Angeberei
usw.) entfa­chen und stän­dig schüren
muss, um zu funktionieren?
Der Wett­lauf der Titanic’s
Jeder ist verzwei­felt bemüht, an der Spitze
mitzu­hal­ten. Wer nicht ande­ren voraus
ist, hat schon verlo­ren. Ein Wettlauf,
ohne das Ziel zu kennen. Niemand fragt
nach der Rich­tung, niemand stellt sich
die Frage, ob am Ende ein Ziel winkt, für
das sich die ganze Anstren­gung lohnt.
Noch schlim­mer: ein Ende dieses gigantischen
Wett­laufs ist gar nicht vorstellbar.
Der Kapi­tän und die Offi­zie­re feuern
die Mann­schaft an, das Letzte zu geben.
Auch die Passa­gie­re, vor allem die weniger
privi­le­gier­ten unter ihnen, werden
aufge­ru­fen, „umzu­den­ken“, Abstriche
an ihren gewohn­ten Rech­ten hinzunehmen
und alles in den Dienst des Wettlaufs
zu stellen…
„Und glaubt ja nicht, denen auf den anderen
Schif­fen ginge es besser. Auch die
brin­gen schmerz­haf­te Opfer, um nicht
abge­hängt zu werden“. Warum dieser
Wahn­sinn? Eine mögli­che Antwort: Niemand
weiß, wie man sich von diesem
Wett­lauf abkop­pelt, ohne dass man
dann auf einer lang­sam verrot­ten­den Titanic
einsam durch den Ozean dümpelt.
Also schlicht und einfach Mangel an
mach­ba­ren und attrak­ti­ven Alternativen
zum bedin­gungs­lo­sen Wettlauf?
Doch das kann nicht die ganze Antwort
sein. Denn sie erklärt nicht, warum die
Suche nach Alter­na­ti­ven von den Kapitänen
und Offi­zie­ren immer so schnell
als Phan­tas­te­rei, Spin­ne­rei, Wunschdenken
usw. abge­tan oder sogar als gefährliche
System­ver­än­de­rung diffamiert
wird. Nein, die Erklä­rung ist meines Erachtens
darin zu suchen, dass in ihren
Köpfen eine ideo­lo­gi­sche Verklärung
des Wett­laufs als Garant grenzenlosen
Fort­schritts exis­tiert, wohlgemerkt,
genau dieses gigan­ti­schen Wettlaufs,
nicht des Wett­be­werbs als stimulierendem
Prin­zips der Evolu­ti­on, sonst könnte
man ja auch seine Kraft auf den Wettbewerb
der Ideen konzen­trie­ren, wie
das Leben auf dem Schiff am schönsten
und gerech­tes­ten für alle Schiffsbewohner
zu gestal­ten ist. Doch man vertraut
lieber darauf, dass man sich diesen
schwie­ri­gen Fragen nach Lebensqualität
und Gerech­tig­keit nicht stel­len muss,
wenn man nur im großen Wett­lauf die
ande­ren Schif­fe hinter sich lässt.
Ideo­lo­gi­sche Dogmen schwe­ben nicht
im reali­täts­lee­ren Raum. Im Grunde wissen
die Kapi­tä­ne, dass sie selbst nur
dann über­pro­por­tio­nal vom Wettkampf
profi­tie­ren, wenn sie vorn liegen und
das heißt: Wer auf den hinte­ren Plätzen
liegt, zahlt über­pro­por­tio­nal. Eigentlich
wird das ziem­lich offen ausgesprochen.
„Wenn wir unse­ren Wohl­stand halten
wollen, müssen wir im internationalen
Wett­be­werb die Nase vorn behalten.“
Man sagt zwar: Vom freien Welthandel
profi­tie­ren alle, aber man weiß: So gut
wie es uns geht, kann es uns nur gehen,
wenn es den ande­ren nicht so gut geht.
Das ist die Ideo­lo­gie hinter der Ideologie
unse­res Wirt­schafts­sys­tem: Wir können
uns das Glück gar nicht mehr anders
vorstel­len als das Glück von Siegern.
Und Sieger siegen nun mal auf Kosten
der Verlierer.

Kapitalismus – Wort ohne Bedeutung? – Andreas Bangemann 0

Kapitalismus – Wort ohne Bedeutung? – Andreas Bangemann

Kapi­ta­lis­mus – Wort ohne Bedeutung?
Eine Spurensuche

Kapi­ta­lis­mus­kri­tik ist welt­weit an der
Tages­ord­nung. Alle schrei­ben darüber,
alle reden davon. Doch worüber eigentlich?
Was ist Kapitalismus?
Auf der Entde­ckungs­rei­se gelangt man zu
einem leeren Gefäß, in das viele hineinrufen.
Und die Töne der Rufen­den schallen
zurück.
„Unprä­zi­ser Begriff für ein modernes
Wirtschaftssystem …“
So beginnt im „Brock­haus“ die Erklärung
unter dem Stich­wort „Kapi­ta­lis­mus“.
Es folgen zahl­rei­che Hinwei­se auf ökonomische
Denker, die mit ihrer Definition
versuch­ten, die Betrachtungsweise
zum Kapi­ta­lis­mus zu prägen.
Priva­tes Eigen­tum ist für viele eine
Grund­vor­aus­set­zung des Kapitalismus.
Darauf baute Karl Marx seine
Kritik auf und prägte maßgeb­lich die
Diskus­si­on. In den seit Ausbruch der
Wirt­schafts- und Finanz­kri­se sich formierenden,
kapitalismuskritischen
Grup­pen und Orga­ni­sa­tio­nen finden
sich bis zum heuti­gen Tage die Marxschen
Darle­gun­gen wieder.
„Occupy“ – „deutsch: beset­zen, beanspruchen“
ist das bedeutsamste
– auch im nicht englischsprachigen
Raum genutz­te – Wort für das Ziel der
Occupy-Bewe­gung. Das Gefühl der
Ohnmacht im Anblick der immensen
Kapi­tal­sum­men, die dazu zu ermächtigen
schei­nen, die gesam­te Menschheit
in den Abgrund zu stür­zen, befördert
den Wunsch nach einem Ende der bedrohlichen
Entwick­lung. Man wünscht
sich die Quelle des Irrsinns zu besetzen.
Doch wo ist diese Quelle?
Folgt man der Spur des Geldes, dann
stößt man auf Perso­nen. Superreiche,
Banker und Finanz­ak­teu­re, die mit Milliarden
jonglie­ren können und die offenbar
die Augen vor den Folgen ihres Tuns
verschlie­ßen. Der Gedan­ke, die Profiteure
des Systems der Macht zu berauben
und sie selbst zu beanspruchen,
liegt auf der Hand. Doch was wäre mit
einer solchen Aneig­nung erreicht?
Haben nicht ausge­rech­net die von Karl
Marx vorge­schla­ge­nen Lösun­gen einer
völli­gen Enteig­nung der Menschen zu
Guns­ten einer „Allge­mein­heit“ in der
Praxis hinläng­lich bewie­sen, dass trotz
alle­dem ein wesent­li­ches Element des
Wirt­schaf­tens immer weiter fröhliche
Urstän­de feiert?
Die Versu­chung ist groß: Soll ich den
unzäh­li­gen Defi­ni­tio­nen von Kapitalismus
noch eine hinzu­zu­fü­gen? Schließlich
habe ich – wie alle ande­ren – mir
auch eine eigene Vorstel­lung davon
heraus­ge­bil­det, was ich unter diesem
Begriff verste­he. Und da es ja nichts
„Präzi­ses“ und Allge­mein­gül­ti­ges gibt,
warum also nicht?
Außer Kopf­ni­cken von jenen, die meine
Auffas­sung teilen – und ihr sicher noch
einige Details hinzu­fü­gen würden – wäre
damit nicht viel gewon­nen. Ausnahme:
die Defi­ni­ti­on schaff­te es zu allgemeiner
Aner­ken­nung und ihr würde im Brockhaus
„Präzi­si­on“ attes­tiert werden.
Das ist schon sehr unwahrscheinlich.
Apro­pos Wahrscheinlichkeit:
In den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten gibt
es keine Natur­ge­set­ze, wie in der Physik.
Spätes­tens seit der Globalisierung
scheint niemand mehr in der Lage, abgeschlossene
Räume zu defi­nie­ren, innerhalb
welcher Wirt­schaf­ten nach klaren
Regeln mit vorher­seh­ba­ren Folgen
ablau­fen kann. Sobald wir Wirtschaften,
also mitein­an­der in Bezie­hung treten
zum Zwecke eines „Ener­gie­aus­tau­sches
«, gelan­gen wir in Sphä­ren, die
der Physi­ker im Mikro­be­reich längst
als allen eindeu­ti­gen Vorher­sa­gen entzogen
bezeich­nen und nur noch von
Wahr­schein­lich­keit spre­chen würde.
Eine Tatsa­che, die den sich immer auf
der Grund­la­ge voll­stän­di­ger Kausalitätsforderungen
gewähn­ten Physikern
zu Beginn des vori­gen Jahrhunderts
fast den Verstand raubte.
Albert Einstein formu­lier­te es 1924
nach vielen Jahren des Erkenntniswachstums,
beina­he verzwei­felt klingend,
so: „Der Gedan­ke, dass ein einem
Strahl ausge­setz­tes Elek­tron aus
freiem Entschluss den Augen­blick und
die Rich­tung wählt, in der es fortspringen
will, ist mir uner­träg­lich. Wenn
schon, dann möchte ich lieber Schuster
oder Ange­stell­ter einer Spiel­bank sein
als Physiker.“[1]
Es ist deshalb nach­voll­zieh­bar, dass
wir uns heute einer unerschöpflich
schei­nen­den Zahl an Erklärungsversuchen
für die Vorgän­ge in der Wirtschaft
und am Finanz­markt gegenübersehen.
Die daran geknüpf­ten Erwar­tun­gen für
die weite­re Entwick­lung können nur mit
Hilfe des Zufalls eintref­fen. In Wahrheit
fischen alle „Exper­ten“ im Trüben. Zugeben
würde das nur keiner.
Einen Unter­schied zwischen Physikern
und Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern gibt
es jedoch. In der Physik will man die beobachteten
Erschei­nun­gen in der Natur
aufde­cken und ihre kausa­len Zusammenhänge
ergrün­den. Erst Beobachten,
dann Ergrün­den. Man kann sich des
1 Quelle: »Albert Einstein«, Hedwig und Max Born (1969),
S. 118. Brief von Einstein an Max Born, 29. April 1924)
Eindrucks nicht erweh­ren, dass das bei
den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten anders
läuft, um nicht zu sagen umgekehrt.
Man verfügt über einen immer gültigen
Theo­rie-Werk­zeug­kas­ten und schaut in
der Reali­tät nach den Abläu­fen, die dazu
passen und sich damit formen lassen.
Die ande­ren blen­det man aus.
Die Neutra­li­tät des Geldes
Ein Beispiel: In der Ökono­mie wird
ausge­rech­net der essen­zi­ells­te Energieträger
nicht in seinen Eigenschaften
und Wirkun­gen erforscht. In Zeiten
des Papier­gel­des und der Bits und
Bytes verzich­tet man, offen­bar wegen
der vermeint­li­chen Energielosigkeit
des Trägers, dessen Rele­vanz hinsichtlich
der ausge­lös­ten Prozes­se zu erforschen.
So wird bis heute in den Standardwerken
der Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten die
„Neutra­li­tät des Geldes“ gelehrt. Zwar
ist die Rede von einem „Schlei­er“, den
das Geld über Trans­ak­tio­nen legt, man
misst ihm aber dennoch keine Bedeutung
in Bezug auf die realen Prozesse
der Wirt­schaft bei.
Ob ein Physi­ker anstel­le eines Ökonomen
das jemals so sähe, angesichts
der Tatsa­che, dass es im Zusammenhang
mit Geld einen Selbstvermehrungsprozess,
wie den des Zins- und
Zinses­zins­sys­tems gibt, darf stark bezweifelt
werden.
Im Rahmen der Spei­che­rung von Geld
in unter­schied­li­che „Kapi­tal­for­men“
entsteht mehr Geld, was wieder­um zu
Auswir­kun­gen in der Wirt­schaft führt.
Zum Beispiel zu realem Wachs­tum, in
Form von mehr Autos, mehr Gebäuden
und vieler­lei ande­ren mate­ri­el­len Dingen.
Versucht man die beharr­li­che Sichtweise
der Neutra­li­tät des Geldes in der
Ökono­mie zu ergrün­den, kommt man
auf aller­lei – für die Betrof­fe­nen wenig
schmei­chel­haf­te – Erklärungsversuche,
die hinsicht­lich der Motive zweifellos
speku­la­tiv sind.
Die Daseins­be­rech­ti­gung und Reputation
dieses Wissens­zwei­ges hängt maßgeblich
davon ab, wie die postulierten
Erkennt­nis­se mit der von jedermann
beob­acht­ba­ren Reali­tät in Einklang stehen.
Da erscheint es ange­sichts der im
Vergleich zur Physik mangeln­den Wissenschaftlichkeit
nur plau­si­bel, dass
sich Beob­ach­tun­gen und Erkenntnisse
zu selbst­er­fül­len­den Prophezeiungen
ausprägen.
Solan­ge die maßgeb­li­chen Wirtschaftsteilnehmer
ihr Verhal­ten, an die von federführenden
Stel­len vorgegebenen
Bedin­gun­gen anpas­sen, handeln auch
alle ande­ren danach. Die immer aufs
Neue entste­hen­den, „natür­lich unvorhersehbaren
«, Neben­wir­kun­gen werden
auf Basis des glei­chen Denkens
sogleich in das bestehen­de Denkmuster
inte­griert und sind infolgedessen
auch erklärt. So arbei­ten keine Wissenschaftler.
So arbei­ten Scharlatane.
Wozu führt das in der Reali­tät? Welche
Auswir­kun­gen hat eine solche Wissenschaft
auf wirt­schaft­li­che Abläufe?
Zunächst einmal erzeugt und verfestigt
man damit Mythen.
• Zum Beispiel den Mythos von den
Flei­ßi­gen, die ausschließ­lich durch ihrer
Hände und ihres Geis­tes Arbeit zu
Reich­tum kamen.
• Reich wird man nur dank außerordentlichem
Fleiß.
• Wer Arm ist, hat enor­men Nachholbedarf
an Streb­sam­keit und dem Aneignen
von Fähig­kei­ten, welche die Gesellschaft
– genau­er: die Wirtschaft
– von einem erwartet.
• Reich sein ist ein Beweis für großartige
Leistungsfähigkeit.
• Arm sein einer für einen Mangel an gesellschaftlicher
Anpassungsfähigkeit.
• Der „Vom-Teller­wä­scher-zum-Millio­när-
Mythos“ ist auch einer, der nur
aufrecht­zu­er­hal­ten ist, wenn dem
Geld Neutra­li­tät beigemes­sen wird.
Der Liste ließen sich unzäh­li­ge andere
Beispie­le hinzu­fü­gen. Doch, was hilft
uns das weiter, in einer Welt, in der diese
Mythen mehr Einfluss auf das tägliche
Leben ausüben, als gutgemeinte
„Gegen­ent­wür­fe“.

Der KannWas kann was! – Redaktion 0

Der KannWas kann was! – Redaktion

Das Kann­Was-Jubi­lä­um – 31. Mai bis 01. Juni 2014 in Kiel
10 Jahre Regio­nal­wäh­rung für Schleswig-Holstein
Sieben enga­gier­te Menschen, die sich für ein gerech­tes Geld­sys­tem einset­zen, grün­de­ten 2004 auf Initia­ti­ve von Dr. Frank Schep­ke, den Verein
Regio­nal­geld Schles­wig-Holstein e. V. und began­nen das Regio­nal­geld Kann­Was heraus­zu­ge­ben. Anläss­lich des 10-jähri­gen Jubi­lä­ums hat der Verein
ein inter­es­san­tes und abwechs­lungs­rei­ches Tagungs­pro­gramm erar­bei­tet und namhaf­te Refe­ren­ten für diese Veran­stal­tung gewin­nen können.
Die Referenten:
Prof. Dr. Wolf­gang Berger, Karls­ru­he. Leiter der Busi­ness Reframing GmbH,Institut für Orga­ni­sa­ti­on und Manage­ment, mit dem
er „Flow“ in Unter­neh­men veran­kert. „Wer etwas verän­dern will, hat alle gegen sich, die sich in den alten Zustän­den bequem
einge­rich­tet haben.“
Dr. Elisa­beth Meyer-Renschhau­sen, Berlin, ist frei­schaf­fen­de Autorin und Privat­do­zen­tin am Insti­tut für Sozio­lo­gie der Freien
Univer­si­tät Berlin.
Dr. Regula Müller, Kiel, gibt Gebrauchs­an­wei­sung zur Herstel­lung von Terra preta heraus und infor­miert über Grundprinzipien
einer ökolo­gi­schen Kreislaufwirtschaft.
Andre­as Bange­mann, Wupper­tal, ist verant­wort­li­cher Redak­teur der Zeit­schrift „HUMANE WIRTSCHAFT“.
Matthi­as Stühr­woldt, Stolpe, ist Bauer und Schrift­stel­ler zugleich.
Jona­than Ries, Wupper­tal, ist gelern­ter Sport­wis­sen­schaft­ler mit dem Schwer­punkt Bewegungstheater.
Bern­hard Schaef­fer, Berlin, Physi­ker, der sich mit der Entwick­lung von Misch­dampf-Kraft­wer­ken beschäftigt.
Prof. Dr. Wolf­gang Deppert, Hamburg, pensio­nier­ter Profes­sor für Philo­so­phie und promo­vier­ter Physi­ker. Grün­dungs­rek­tor des
Sokra­tes-Univer­si­täts­ver­eins e. V.
Volker Viehoff, Jürgen Ceyno­wa und Bernd Petrosch­ka, Lübeck, Sie sind bei uns mit „Rhythm & Lyrics“.
Dr. Frank Schep­ke, Löptin, Bio-Bauer im Unru­he­stand, Begrün­der des Regio­nal­gel­des Kann­Was für Schleswig-Holstein.
Seit 2004 im Vorstand des Vereins Regio­nal­geld Schles­wig-Holstein e.V.
Anmel­dung, Tickets und weite­re Infor­ma­tio­nen: http://www.kannwas.org

Alter Taler im neuen Gewand – Lukas Walter 0

Alter Taler im neuen Gewand – Lukas Walter

Der FREITALER aus Frei­burg im Breisgau

Regio­nal­wäh­run­gen sind ein alter Hut,
könnte man meinen. Dass dem nicht
so ist, zeigen etablier­te Dauerbrenner,
aber auch Regio­gel­der, die sich
neu erfin­den. Die Gemeinschaftswährung
FREITALER exis­tiert seit 2008.
Damals orien­tier­ten sich die Macher,
wie viele aus der Szene, an den Lehren
von Silvio Gesell. So konnte sich
schnell ein klei­ner, aber engagierter
Freun­des­kreis bilden. Im Jahre 2012
wurde dann die Umstel­lung beschlossen.
Weg vom Regio­geld hin zur Spendenplattform.
Als regio­na­les Zahlungsmittel
und Spen­den­platt­form hat der
FREITALER nun etwa 130 Unternehmen
ange­schlos­sen. Diese
Entwick­lung, ein langsames
aber steti­ges Wachs­tum, dauert
nach wie vor an.

Das Beson­de­re:
Keine Klebemarken
Eine tief grei­fen­de und bis heute diskutierte
Verän­de­rung, war die Abschaffung
des Umlauf­im­pul­ses in Form von Klebemarken.
Dieser Impuls, wie er bei vielen
Regio­gel­dern, wie beispiels­wei­se dem
„Chiem­gau­er“ verwen­det wird, kann
für einen schnel­le­ren Umlauf des Geldes
sorgen. Die „Umlauf­ge­bühr“ muss
durch den Kauf einer Klebe­mar­ke bezahlt
werden, die dann auf den Schein aufgebracht
wird. Dadurch ist jeder angehalten
das Geld schnell weiter zu geben, um keine
Klebe­mar­ken kaufen zu müssen.
In Frei­burg brauch­te es oft viel Überzeugungsarbeit
die Unter­neh­men und
Verbrau­cher fürs Kleben zu begeistern.
Dies und der erhöh­te Verwaltungsaufwand
waren die Haupt­grün­de, es 2012 erst einmal ohne Umlauf­ge­bühr zu versuchen.
Dafür trat die Projektförderung
in den Vordergrund.
Die Projekt­för­de­rung im Fokus
Wie bei vielen Regio­nal­wäh­run­gen werden
auch Spen­den für gemeinnützige
Verei­ne in der Region generiert.
Die Förde­rung fließt, sobald beim Eintausch
von Euro in FREITALER ein Projekt
ange­ge­ben wird. Mitt­ler­wei­le können
über 20 verschie­de­ne Projek­te gefördert
werden. Im Mittel­punkt stehen relativ
klei­nen Initia­ti­ven, bei denen schon geringe
Beträ­ge eine große Wirkung hervorrufen.
Das neues­te Projekt ist die Studenteninitiative
Weit­blick Frei­burg e. V.
Sie konn­ten kürz­lich ihre erste Förderung
von 74 FREITALER abho­len. Unterstützer
des Projekts tausch­ten insge­samt 3700 €
in FREITALER ein, 2 % davon gingen sofort
an Weit­blick Frei­burg e. V. „Wir waren
freu­dig über­rascht, dass wir als neues
Projekt mit dieser Förde­rung einsteigen,“
so das Vorstands­mit­glied Eva Kimmig.
Das Beson­de­re dabei ist, dass die Projekte
keine gemein­nüt­zig eingetragenen
Verei­ne sein müssen. Ob ein Projekt förderungswürdig
ist oder nicht, entscheiden
die Bürger vor Ort, indem sie beim
Eintausch ein Projekt wählen. So können
viele verschie­de­ne Initia­ti­ven und Neugründungen
eine größe­re Bekanntheit
errei­chen und Spen­den gene­rie­ren. Im
ersten Jahr mit Projekt­för­de­rung wurden
etwa 100.000 € eingetauscht.
„Die FREITALER werden wir bei einer lokalen
Drucke­rei wieder ausge­ben“, so Eva
Kimmig weiter „Zuvor haben wir bei einer
Online­dru­cke­rei drucken lassen“. Der
gemein­nüt­zi­ge Verein verkauft jedes Jahr
Frei­burg­ka­len­der, die in loka­len Schreibwarengeschäften
erhält­lich sind. Vom
Erlös werden ein Frei­bur­ger Flüchtlingswohnheim
und ein Schul­pro­jekt in Kenia
unter­stützt. „Global denken und lokal
handeln, das ist auch unser Motto“, sagt
Kimmig. Durch den FREITALER, der sich
als Vermitt­ler zwischen Unternehmen
und Projek­ten versteht, kann die Spende
als Start­ka­pi­tal einge­setzt werden, um
weite­re Unter­stüt­zer, wie die Druckerei,
zu gewin­nen. Da die Spende in FREITALER
ausge­zahlt wird, fließt sie wieder in
die regio­na­le Wirt­schaft zurück.

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Sommertagung der HUMANEN WIRTSCHAFT – Freiburg 2014 – Redaktion

Sams­tag, den 21. Juni 2014 in Frei­burg im Breisgau
Veran­stal­tungs­ort: Histo­ri­sches Kauf­haus Frei­burg – Kamin­saal Müns­ter­platz 24 79098 Freiburg
Einlass: 9:00 Uhr
Programm von 10:00 bis 18:00 Uhr

Gesprä­che über Geld im Kauf­haus – Kann es einen besse­ren Ort dafür geben?
In unmit­tel­ba­rer Nähe zum Frei­bur­ger Müns­ter liegt das schöne, histo­ri­sche Gebäu­de, in dem die Sommer­ta­gung 2014 stattfindet.
In der sonnen­reichs­ten Region Deutsch­lands den längs­ten Tag des Jahres erleben!

Erle­ben Sie die HUMANE WIRTSCHAFT leibhaftig:
Sommer­ta­gung am 21. Juni 2014 in Frei­burg im Breisgau.
Ein kurz­wei­li­ger Tag unter ande­rem mit Vorträ­gen von Prof. Dr. Dirk Löhr
und Andre­as Bange­mann bringt die Arbeit und die Menschen hinter der
Zeit­schrift näher.
Weite­re Infor­ma­tio­nen und Anmel­dun­gen in unse­rer Geschäfts­stel­le bei Frau
Erika Schmied:
Luit­pold­str. 10,
91413 Neustadt a.d. Aisch
Tel. (09161) 87 28 672 (vormit­tags),
Fax (09161) 87 28 673
E‑Mail: service@humane-wirtschaft.de
Die Anmel­dung über ein Anmel­de­for­mu­lar mit allen wich­ti­gen Infor­ma­tio­nen ist
auch im Inter­net möglich: http://goo.gl/njHaFb

Leserbriefe 03/2014 0

Leserbriefe 03/2014

Ihre Meinung ist uns wich­tig! Senden Sie uns Ihre Fragen, Anre­gun­gen oder persön­li­chen Meinun­gen. Wir bemü­hen uns, so viele
Leser­brie­fe unter­zu­brin­gen, wie möglich. Wenn wir Leser­brie­fe kürzen, dann so, dass das Anlie­gen der Schrei­ben­den gewahrt bleibt.
Leser­brie­fe geben nicht die Meinung der Redak­ti­on wieder.

Mit Termin­hin­weis zum Kongress – Burn­out und Resi­li­enz – Bewusst­seins­kom­pe­tenz für Wirt­schaft und Gesellschaft
22. bis 25. Mai 2014, Bad Kissin­gen, Regen­ten­bau und Heili­gen­feld Klini­ken. siehe auch www.kongress-heiligenfeld.de

Ist die HUMANE WIRTSCHAFT kapitalismuskritisch? – Andreas Bangemann 0

Ist die HUMANE WIRTSCHAFT kapitalismuskritisch? – Andreas Bangemann

Wenn man die Frage bis in die Details durch­denkt, ist sie
nicht so leicht zu beant­wor­ten. Es wird behaup­tet, dass
der Mangel etwas sei, das system­be­dingt zum Kapitalismus
gehört. Ob das ein Grund ist, weshalb es an einer
allge­mein­gül­ti­gen Defi­ni­ti­on für den Termi­nus mangelt?
Bedingt durch diesen Mangel, liegt die Fest­stel­lung, ob
Kapi­ta­lis­mus­kri­tik vorliegt oder nicht, im Auge des Betrachters.
Zu dem Bemü­hen, das Beob­acht­ba­re wissenschaftlich
zu unter­su­chen und darin Gesetzmäßigkeiten
zu entde­cken, kommt erschwe­rend hinzu, dass es nur
wenige Grund­an­nah­men gibt, worauf man verlässliche
Aussa­gen aufbau­en kann. Ein Beispiel: „Die Akteu­re auf
dem Markt“ verhal­ten sich „ökono­misch“. Der daraus
entstan­de­ne, vom berühm­ten Adam Smith ins Leben gerufene
„Homo Oeco­mic­us“ wurde mitt­ler­wei­le zum Verwahrstück
in der wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Asservatenkammer.

Er taugt nicht mehr für Forschungen.
Was aus dem Fehlen der Grund­la­gen folgt, ist für die
ganze Welt fatal. Ein undurch­dring­bar komple­xes Gebilde,
namens „Markt“ erzeugt Folgen, dessen Ursachen
man nur „erra­ten“ kann. Um beson­ders bedrohlich
wirken­de Sympto­me kümmern sich Poli­ti­ker und Experten
hastig mit Maßnah­men, deren Konse­quen­zen sie
nur erhof­fen können. Was mit an Sicher­heit grenzender
Wahr­schein­lich­keit erreicht wird, sind neuar­ti­ge Auswirkungen.
„Unvor­her­seh­ba­re“ natürlich.
Mitt­ler­wei­le hegt kaum mehr jemand Zwei­fel daran,
dass mit dem Geld in der Wirt­schaft etwas nicht stimmt.
Was aller­dings die Wissen­schaft dennoch nicht dazu verleitet,
der hinter dem Geld stehen­den Syste­ma­tik auf
die Spur zu gehen. Man bleibt dabei und kümmert sich
um die Auswir­kun­gen. Markt­ver­hal­ten am Kapitalmarkt
spiel­theo­re­tisch zu analy­sie­ren, bringt den forschenden
Wissen­schaft­lern Nobel­prei­se ein.
Auf dem Gebiet der Ursa­chen­for­schung kann man keine
Blumen­töp­fe gewinnen.
Die Ökono­mie führt zu Recht die Markt­wirt­schaft als
derzeit beste und der Frei­heit Rech­nung tragen­de Wirtschaftsordnung
auf. Doch im glei­chen Atem­zug stellt man
ihr den „Kapi­ta­lis­mus“ zur Seite. Ohne Erklä­rung, ob es
sich um das Glei­che handelt oder nur eine Ergän­zung. Kapitalismus
kommt wie der unbe­kann­te und gleich­sam unsichtbare
Beglei­ter der Markt­wirt­schaft daher.
Gemein­sam garan­tie­ren die beiden, dass wir, im Rahmen
ein „paar weni­ger“ Geset­ze, aber immer noch frei,
tun und lassen können, was wir wollen. So haben wir angeblich
unser Schick­sal in der Hand. Jede Frau und jeder
Mann kann es zu etwas brin­gen, in der freien, kapitalistischen
Marktwirtschaft.
Eine große Mehr­heit der Menschen erliegt dieser Illusion
nach wie vor.
In Wahr­heit ist der unsichtbare
Beglei­ter „Kapi­ta­lis­mus“ jedoch
Designer.
Er lässt uns tun, was wir wollen,
aber uns nicht sein,
was wir doch sind.
Gefan­gen ohne Mauern
glau­ben wir zu tun,
was wir wollen.
Jedoch am Ende tun wir,
was er will.
Wir nehmen im kapi­ta­lis­ti­schen „Kunst­werk“ eine festgeschriebene
Funk­ti­on ein. Wir bemer­ken es nicht, also kümmert
es uns nicht. Wir tun was wir wollen und erfül­len dennoch
den Plan des Desi­gners. Beispiels­wei­se beim Konsumieren
immer unsin­ni­ge­rer Produk­te. Beim klaglosen
Akzep­tie­ren immer größe­rer Schä­den am Sozi­al­we­sen und
an der Natur. Die notwen­di­gen Repa­ra­tu­ren nehmen wir gar
schul­ter­klop­fend als Leis­tungs­zu­wachs zur Kenntnis.
Indem wir will­fäh­rig mithel­fen, alle Berei­che des Lebens zu
„mone­ti­sie­ren“. Im Laufe der Zeit erschlos­sen wir – im „Geheim­auf­trag
des Desi­gners“ – immer weite­re Gebie­te. Auf
der Geschäfts­idee der Betreu­ung von Kindern oder Senioren
konnte vor 30 Jahren kaum jemand eine Exis­tenz aufbauen.
Heute ist das ein boomen­der Milli­ar­den­markt, geprägt
von skan­da­lö­sen Mitarbeiter-Entlohnungsmodellen.
Glaubt jemand ernst­haft, dass wir so sind? Wenn Geld
das beherr­schen­de Ziel unse­rer Bestre­bun­gen ist, dann
wird davon alles aufge­saugt. Was sich nicht vereinnahmen
lässt, wird als minder­wer­tig an den Rand gedrückt.
Markt­wirt­schaft und Kapi­ta­lis­mus sind keine Menschen.
Sie sind menschen­ge­macht. Es liegt in unse­rer Hand, die
Unsicht­bar­keit des Kapi­ta­lis­mus zu been­den und den Vorgängen
in der Wirt­schaft den Geld­schlei­er zu entreißen.
Nur so können wir die Frage beant­wor­ten: „Wird es Zeit
für einen Abschied?“ Betrach­tet man den Kapi­ta­lis­mus als
ein unab­hän­gig von der Markt­wirt­schaft funktionierendes
System, das aber maßgeb­li­chen, zerstö­re­ri­schen Einfluss
ausübt, dann ist Kriti­sie­ren vergeu­de­te Zeit. Die Aufgabe
muss deshalb lauten: Entwick­lung völlig neuer Systeme.
Wie könnte ein Geld­sys­tem und dazu korrespondierendes
Eigen­tums­recht aussehen?
Eines, das uns in Wirk­lich­keit frei macht? Womöglich
eines, das uns die Frei­heit zu Geben bringt, verbunden
mit der Entde­ckung wie dadurch Wohl­stand in einer nie
gekann­ten Dimen­si­on entsteht.
Eines, mit dem wir sein können, was wir sind!
Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann.

Roland Geitmann war ein feiner Mensch – Die Redaktion 0

Roland Geitmann war ein feiner Mensch – Die Redaktion

Am 4. 12. 2013 ist Roland Geit­mann gestorben.
Er war ein feiner Mensch.

Er war ein feiner Mensch.

Er verkör­per­te den Frie­den, der ihn als
großes Ziel beweg­te. Seine sympathische
Art, die sich in respektvoller
Zuwen­dung zu seinen Mitmenschen
ebenso ausdrück­te, wie in seiner Liebe
zur Natur und den klei­nen Freu­den des
Lebens, war vorbild­lich. Mit spontanen
Klavier­stü­cken erfreu­te er in den
Pausen die Gäste unse­rer Veranstaltungen.
2012, anläss­lich des 150-jährigen
Geburts­tags­ju­bi­lä­ums von Silvio
Gesell sprach er in Wupper­tal zu einem
ihm am Herzen liegen­den Thema,
nämlich der Rolle direk­ter Demokratie
für die Idee der sozia­len Plas­tik im Sinne
von Joseph Beuys. Mit diesem Beitrag
berei­cher­te er die Veranstaltung
„Gesell­Schafft­Kunst“ im Mai 2012 in
Wuppertal.
Sein Wirken für die gute Sache wird
nicht in Verges­sen­heit gera­ten. Wir
empfin­den es als ein Geschenk von
uner­mess­li­chem Wert, dass er sich
gemein­sam mit uns einge­setzt hat.
Seine Kompe­tenz spen­de­te Kraft und
Selbst­ver­trau­en. Sein Menschsein
lebt in vielen seiner geis­ti­gen und
persön­li­chen Freun­de weiter. Wir zählen
uns dazu.
Zitat Roland Geitmann:
„Im zerstö­re­ri­schen Umgang mit Geld
und mit der Erde offen­bart sich das Innenleben,
die geis­tig-seeli­sche Verfassung
einer Gesell­schaft. Eine solche
Problem­la­ge lässt sich nicht wie
ein tech­ni­scher Defekt reparieren.
So drin­gend notwen­dig unsere Geldund
Boden­re­form­maß­nah­men wären,
so unwahr­schein­lich ist es vorerst,
dass sie ergrif­fen werden. Denn
so tief im Denken, Fühlen und Wollen
der Menschen verwur­zel­te Verhältnisse
ändern sich nur gemein­sam mit
den Menschen und durch sie. So mühsam
Demo­kra­tie ist, zeich­net sie doch
aus, dass sich Erneuerungsimpulse
aus klei­nen Anfän­gen ausbrei­ten können
und letzt­lich auch durchdringen,
wenn ihre Zeit gekom­men ist.“
Zitiert aus „Lob der Viel­falt“ von Roland
Geit­mann erschie­nen in HUMANE WIRTSCHAFT,
Ausga­be 5–2007
Roland Geitmann
(gebo­ren am 13. April 1941 in Sildemow
bei Rostock, gestor­ben am 4. Dezember
2013 in Kehl)
Roland Geit­mann war Verwaltungsrechtler.
Er war von 1974 bis 1982 Oberbürgermeister
der Stadt Schramberg
und von 1983 bis 2006 Profes­sor für
Öffent­li­ches Recht an der Hochschule
Kehl. 1988 wurde Roland Geitmann
Vorsit­zen­der der Arbeitsgemeinschaft
frei­wirt­schaft­li­cher Chris­ten (AfC).
Seit 1989 führt dieser 1950 gegründete
Verein den Namen „Chris­ten für gerechte
Wirt­schafts­ord­nung e. V.“ (CGW). Im
Jahre 2009 gab Roland Geit­mann das
Amt des Vorsit­zen­den weiter. Als Ehrenvorsitzender
beglei­te­te er die CGW
bis zu seinem Tode.
Auch war er Spre­cher des Kuratoriums
von Mehr Demo­kra­tie e. V. sowie verantwortlicher
Heraus­ge­ber der Schriftenreihe
der Arbeits­grup­pe Gerechte
Wirtschaftsordnung.

Leserbriefe 01/2014 0

Leserbriefe 01/2014

Ihre Meinung ist uns wich­tig! Senden Sie uns Ihre Fragen, Anre­gun­gen oder persön­li­chen Meinun­gen. Wir bemü­hen uns, so viele Leser­brie­fe unter­zu­brin­gen, wie möglich. Wenn wir Leser­brie­fe kürzen, dann so, dass das Anlie­gen der Schrei­ben­den gewahrt bleibt. Leser­brie­fe geben nicht die Meinung der Redak­ti­on wieder.
In dieser Ausgabe:
Raum für Neues – Wirt­schaf­ten und Gesundheit
„Steu­ern – Dieb­stahl an der Allgemeinheit“
Zur Kritik am Außen­han­dels­über­schuss Deutschlands
Die Poli­tik des Geldes
Das nicht zu verges­sen­de Ereignis

Im Bannkreis des Geldes – Markus Pühringer 0

Im Bannkreis des Geldes – Markus Pühringer

Wir verbrin­gen einen großen Teil unse­rer Zeit mit Dingen, die uns nicht wirk­lich glück­lich macht: Arbei­ten, Kaufen, Konsu­mie­ren. Die wahren Quel­len des Glücks liegen aber im „inne­ren Selbst“. Warum wir dennoch das Glück im Außen suchen, hängt mit unse­rem moder­nen Geld zusammen.

Vermut­lich kennen Sie die Anek­do­te zur Senkung der Arbeits­mo­ral von Hein­rich Böll (1963). Darin beschreibt er einen ärmlich geklei­de­ten Fischer, der in einem Hafen an der West­küs­te Euro­pas schläft. Er wird durch das Klicken des Foto­ap­pa­ra­tes eines Touris­ten geweckt. Der Tourist fragt den Fischer, warum er denn nicht fische, wo doch so idea­les Wetter dafür sei. Nach eini­gem Zögern antwor­tet der Fischer, dass er heute schon drau­ßen gewe­sen sei und einen so guten Fang gehabt hätte, dass es für die nächs­ten Tage noch reiche. Nach eini­gem Zögern geht mit dem Touris­ten die Phan­ta­sie durch: Wenn der Fischer heute doch noch drei- oder vier­mal hinaus­fah­ren würde, dann würde er viel verdie­nen. Damit könnte er mittel­fris­tig ein klei­nes Unter­neh­men grün­den und immer weiter wach­sen. Das Unter­neh­men könnte so groß werden, dass er sogar ins Ausland Fische liefern könne. Und, dann – der Tourist kommt zum Ende seiner Phan­ta­sie­rei­se – dann hätte der Fischer genug verdient, um einfach am Hafen sitzen und sich ruhig entspan­nen zu können. Darauf entgeg­net der Fischer gelas­sen, am Hafen sitzen und sich entspan­nen könne er doch jetzt schon. Das mache er ja gerade. Daraufhin
verschlägt es dem Touris­ten die Spra­che, nach­denk­lich und ein wenig neidisch geht er fort.

Ich denke, an dieser klei­nen Geschich­te werden zwei konträ­re Welt­an­schau­un­gen deut­lich. Der Fischer lebt im „Hier und Jetzt“. Er hat heute genug für seinen Lebens­un­ter­halt getan, ja er hat sogar so viel gefan­gen, dass er an den nächs­ten Tagen nichts tun muss. Frei­lich: Er ist ärmlich geklei­det, er besitzt vermut­lich selbst keinen Foto­ap­pa­rat und er kann sich vermut­lich auch keine teuren Touris­ten­aus­flü­ge leis­ten. Aber ich stelle mir ihn als einen glück­li­chen und zufrie­de­nen Menschen vor: Er verfügt über wenig
mate­ri­el­len Reich­tum, aber er hat einen großen Luxus an frei verfüg­ba­rer Zeit: Er hat so Zeit für ein Schläf­chen am hell­lich­ten Tag. Er hat vermut­lich auch Zeit für seine Freun­dIn­nen, seine Kinder, seine Leiden­schaf­ten; ja Zeit, um mit sich (seinem „inne­ren Selbst“) in gutem Kontakt zu stehen. Der Fischer
steht für die Über­zeu­gung, dass sich das „gute Leben“ einstel­len wird, wenn wir unsere Lebens­zeit für eine
gute Bezie­hung zu unse­rem Selbst und zu unse­ren Mitmen­schen aufbau­en; oder in ande­ren Worten.

Entscheidend ist die Tat – Pat Christ 0

Entscheidend ist die Tat – Pat Christ

Zahl­rei­che Freun­de, Wegge­fähr­ten, Neugie­ri­ge und Inter­es­sier­te kamen vom 31. Okto­ber bis 3. November
zur „Jahres­fei­er Humane Wirt­schaft 2013“ des Förder­ver­eins Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung e. V. in die Wupper­ta­ler Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te. „Entschei­dend ist die Tat“ laute­te das dies­jäh­ri­ge Motto. 

„Theo­rien und Philo­so­phien sind sicher wich­tig,“ so Chef­re­dak­teur Andre­as Bange­mann zum Auftakt. „Doch von ebenso großer Bedeu­tung ist es, etwas real umzu­set­zen und etwas zu bewe­gen.“ Ein großes Ziel ist allen Human­wirt­schaft­le­rin­nen und Human­wirt­schaft­lern klar. Es heißt: Eine Geld­ord­nung schaf­fen, in der sich das
Geld nicht mehr, wie den derzeit herr­schen­den Spiel­re­geln zufol­ge, selbst vermeh­ren und dadurch die Gesell­schaft immer weiter aufspal­ten kann. Doch der Weg dahin ist noch ziem­lich weit.

Sehr ferne Ziele können demo­ti­vie­ren. Vor allem, wenn es nicht gewiss erscheint, dass sie auch erreicht werden können. Damit die Einsatz­freu­de nicht nach­lässt, sind sinn­vol­le Zwischen­etap­pen und eine Menge
klei­ner, krea­ti­ver Ideen nötig. „Was wir anstre­ben, kann nur dann rich­tig Wirkung entfal­ten, wenn es in sehr vielen Köpfen ist und wenn sich sehr viele Menschen daran betei­li­gen“, beton­te Bangemann.

Dafür müssen die Menschen begeis­tert werden. Und zwar durch etwas, was konkret und „anfass­bar“ ist. Was akti­viert. Statt ledig­lich Diskus­sio­nen auszu­lö­sen. Ist es doch auf Dauer äußerst unbe­frie­di­gend, nur immer über die Gier der Reichen und die Blind­heit der Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker zu schimp­fen. Solche
Debat­ten erschöp­fen sich irgend­wann. Besser versu­chen, von unten etwas zu verän­dern. Dass die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Jahres­fei­er tatsäch­lich den großen Wunsch haben, etwas zu bewe­gen, machte die „Murmel­run­de“ am Eröff­nungs­abend deut­lich. Span­nen­der Tagungs­ein­stieg Was immer einem selbst gerade keine Ruhe lässt, womit man sich gerade beschäf­tigt und wie man über­haupt auf das Thema „Humane Wirt­schaft“ kam, das erzähl­ten sich je zwei Teil­neh­me­rIn­nen bei diesem unge­wöhn­li­chen Einstieg in die Tagung. In sechs Minu­ten mach­ten sich zwei Menschen, die sich bis dato noch nie gese­hen hatten, auf diese inten­si­ve Weise mitein­an­der bekannt. Wech­sel­sei­tig stell­ten sie sich später im Plenum vor. Heraus kamen facet­ten­rei­che Persön­lich­keits­be­schrei­bun­gen, Infor­ma­tio­nen über inter­es­san­te biogra­phi­sche Wege, unge­wöhn­li­che Pläne und erste konkre­te Projekte.

Am zwei­ten Abend kam bei Andre­as Bange­mann Gold­grä­ber­stim­mung auf: In der Rolle des Fürch­te­gott Zwei­fel­mann brach­te er gegen­über Stef­fen Unver­zagt alias Stef­fen Henke erfreut zum Ausdruck, wie
gran­di­os sich sein Geld vermehrt. In den 80er Jahre habe er eine kleine Erbschaft von seinem Groß­va­ter bekom­men, erzähl­te er. Immer­hin 10.000 Mark. Die hat er als flei­ßi­ger schwä­bi­scher Sparer gleich ange­legt – und nun verdop­pelt sich dieses Vermö­gen alle zwölf Jahre.

Die schönere Welt… – Charles Eisenstein 0

Die schönere Welt… – Charles Eisenstein

„Es ist möglich, dass wir erst dann vor unse­rer wirk­li­chen Aufga­be stehen, wenn wir nicht mehr wissen, was zu tun ist. Und viel­leicht haben wir unsere wirk­li­che Reise erst dann begon­nen, wenn wir nicht mehr wissen, welchen Weg wir einschla­gen sollen. Der Geist, der nicht ratlos ist, ist unter­for­dert. Es ist der in seinem Lauf behin­der­te Strom, der singt.“ (Wendell Berry)

Als ich die Einlei­tung von „Ökono­mie der Verbun­den­heit“ »der schö­ne­ren Welt, von deren Möglichkeit
uns unsere Herzen erzäh­len« widme­te, schrieb ich von einem Wider­stand im Denken dage­gen, dass die
Welt ganz anders sein könnte, als wir sie immer kann­ten. Tatsäch­lich haben wir uns viele Jahr­hun­der­te und sogar Jahr­tau­sen­de an eine Welt von großer und immer weiter stei­gen­der Ungleich­heit, von Gewalt, Häss­lich­keit und Kampf gewöhnt.

Manch­mal erin­nert uns ein Ausflug in die unbe­rühr­te Natur, zu einer tradi­tio­nel­len Kultur oder in die von der verarm­ten moder­nen Welt verschlei­er­te reich­hal­ti­ge Sinnen­welt an das, was verlo­ren gegan­gen ist. Und diese Erin­ne­rung schmerzt, streut Salz in die Wunde der Getrennt­heit. Solche Erfah­run­gen zeigen uns zumin­dest, was möglich ist, was gewe­sen ist und was sein kann, aber sie zeigen uns nicht, wie wir eine solche Welt erschaf­fen können. Ange­sichts der enor­men Kräfte, die in Stel­lung gebracht wurden, um den Status quo beizu­be­hal­ten, lassen wir verzagt den Mut sinken. Die flüch­ti­gen Blicke auf eine schö­ne­re Welt, die wir in der Natur erha­schen, oder bei spezi­el­len Begeg­nun­gen, auf Musik­fes­ti­vals, bei Zere­mo­nien, in der Liebe und im Spiel, sind umso entmu­ti­gen­der, wenn wir glau­ben, dass sie niemals mehr sein können als kurz­zei­ti­ge Verschnauf­pau­sen von der seelen­ver­nich­ten­den, geld­ge­trie­be­nen Welt, an die wir gewöhnt sind.

Ein Haupt­ziel war, die Logik der Vernunft mit dem Wissen des Herzens in Einklang zu brin­gen: nicht nur deut­lich zu machen, was möglich ist, sondern auch, wie wir dort­hin gelan­gen können. Wenn ich das Wort „möglich“ verwen­de, meine ich es nicht im Sinn von „viel­leicht“, wie: „Es könnte viel­leicht passie­ren, wenn wir nur Glück haben.“ Ich meine möglich im Sinn von Selbst­be­stim­mung: eine schö­ne­re Welt als etwas, das wir schaf­fen können. Ich habe viele Bewei­se für diese Möglich­keit gelie­fert: den unaus­weich­li­chen Nieder­gang eines Geld­sys­tems, das von expo­nen­ti­el­lem Wachs­tum abhän­gig ist, einen Bewusst­seins­wan­del hin
zu einem Selbst in Verbun­den­heit in einer kokrea­ti­ven Part­ner­schaft mit der Erde, und ich habe viele Beispie­le ange­führt, dass die nöti­gen Einzel­tei­le einer heili­gen Ökono­mie schon im Entste­hen begrif­fen sind. Das ist etwas, das wir schaf­fen. Wir können es, und wir tun es. Und können Sie sich ange­sichts dessen, dass so viel Schlech­tes und Häss­li­ches in der gegen­wär­ti­gen Welt auf das Geld zurück­ge­führt werden
kann, vorstel­len, wie die Welt sein wird, wenn einmal das Geld umge­stal­tet worden ist? Ich kann sie mir nicht vorstel­len, nicht alles davon, obwohl ich manch­mal Visio­nen von ihr habe, die mir den Atem stocken lassen. Viel­leicht stimmt es gar nicht, dass ich sie mir nicht vorstel­len kann – viel­leicht wage ich es nicht. Eine Vision von einer wahr­haft heili­gen Welt, einer heili­gen Ökono­mie, macht das Ausmaß unse­res heuti­gen Leidens umso deut­li­cher. Aber ich will mit Ihnen teilen, was ich in meinen Visio­nen gese­hen habe, selbst die speku­la­tivs­ten, die naivs­ten, unprak­tischs­ten und verträum­tes­ten Aspek­te. Ich hoffe, dass
meine Offen­heit nicht die Glaub­wür­dig­keit (sofern vorhan­den) dessen infra­ge stellt, was ich hier aufgebaut
habe, indem ich die Konzep­te einer heili­gen Ökono­mie in einer schlüs­si­gen und logi­schen Weise darlegte.

Vom spaltenden Geist zu integraler Politik – Peter Berner 0

Vom spaltenden Geist zu integraler Politik – Peter Berner

Ein beson­ders aufge­weck­ter Grund­schü­ler fragte vor kurzem meine Frau, die als Märchen­er­zäh­le­rin tätig ist: „Warum ist das so, dass im Märchen immer die Guten gewin­nen, aber in der Wirk­lich­keit immer die Bösen?“ Dieser junge Mensch also warf beherzt die Ponerologiefrage[1] auf, die von uns Erwach­se­nen meist tabui­siert wird, obwohl – oder gerade weil? – deren Beant­wor­tung für gesell­schafts­po­li­ti­sches Handeln oder Nicht-Handeln von zentra­ler Bedeu­tung sein dürfte. Ob wir über­haupt die Einschät­zung dieses Jungen teilen und wenn ja, wie wir seine Frage beant­wor­ten, dürfte einen hohen Einfluss darauf haben, wie es nicht nur um unser poli­ti­sches Enga­ge­ment, sondern darüber hinaus auch um unsere innere Ausge­gli­chen­heit, Gesund­heit und Lebens-Quali­tät bestellt ist. Deswe­gen möchte ich – als Psycho­the­ra­peut, dem seit Jahr­zehn­ten immer wieder auch die Heilung unse­res Gemein­we­sens beson­ders am Herzen liegt – hier meine persön­li­che Antwort
auf diese Frage ins Gespräch bringen.

Wir Menschen auf dieser Erde leben – so würde ich es formu­lie­ren – seit mehre­ren Jahrtausenden
unter der sich zuspit­zen­den Herr­schaft eines diabo­li­schen, krie­ge­ri­schen, spal­ten­den Geis­tes, welcher sich
in beson­de­rer Weise gegen seine eigene Aufklä­rung immu­ni­siert hat – so ähnlich wie wir es in der Tiefen­psy­cho­lo­gie als „Wider­stand“ gegen das Erken­nen unbe­wuss­ter selbst­schä­di­gen­der Denk- und Verhal­tens­mus­ter kennen. „Geist“ ist hier­bei durch­aus in seiner doppel­ten Bedeu­tung gemeint: Einer­seits als Feld­ef­fekt im kollek­ti­ven Bewusst­sein, als weit verbrei­te­tes Denk- und Inter­pre­ta­ti­ons-Muster – ande­rer­seits als indi­vi­du­el­le Wesen­heit mit Durch­set­zungs­wil­len und Selbsterhaltungsinteresse.

Diese Sicht­wei­se folgt einem trans­per­so­na­len Welt­bild, demzu­fol­ge den Erschei­nun­gen der mate­ri­el­len Welt Kräfte und Forma­tio­nen auf fein­stoff­li­cher und Bewusst­seins­ebe­ne zugrun­de liegen – und sie folgt einem mehr­per­spek­ti­vi­schen, inte­gra­len Ansatz, dem zufol­ge beispiels­wei­se auch das abso­lu­te, allumfassende,
allem zugrun­de liegen­de Bewusst­sein („Gott“) zugleich so etwas wie eine abstrak­te Ener­gie und so etwas
wie eine indi­vi­du­el­le Persön­lich­keit ist.

[1] „Pone­rolo­gie“ ist ein selten gebrauch­ter Ausdruck für „die Lehre vom Bösen“

Problemfeld Geld – Fakten und Fehlvorstellungen – Helmut Creutz 0

Problemfeld Geld – Fakten und Fehlvorstellungen – Helmut Creutz

Vorbe­mer­kun­gen

Das Thema Geld und allem was damit zusam­men­hängt, findet in unse­ren Tagen zuneh­men­de Beach­tung. Bedingt
nicht nur durch das stän­dig disku­tier­te und publi­zier­te Krisen­ge­sche­hen im Umfeld der Börsen und Banken,
sondern vor allem auch vor dem Hinter­grund der Staats-Über­schul­dun­gen und der diver­sen „Rettungs­schir­me“
durch Regie­run­gen und Notenbanken.

Inzwi­schen wird sogar, zur Lösung der Proble­me, selbst die Abschaf­fung des Bargelds disku­tiert, weil dann die Zentral­ban­ken die Möglich­keit haben würden, die Leit­zin­sen auch auf null zu senken! Andere schla­gen sogar vor, die Sicht­gut­ha­ben der Bürger mit Straf­zin­sen zu bele­gen, obwohl die darauf gepark­te Kauf­kraft zum größ­ten Teil den Banken für zwischen­zeit­li­che Kredit­ver­ga­ben zu Verfü­gung steht. Doch unge­klärt bleibt bei allen Diskus­sio­nen zumeist, wen man mit diesen Straf­an­dro­hun­gen eigent­lich tref­fen will, die Bürger oder die Banken?

Wie wir aus den Medien wissen, ist inzwi­schen sogar das Thema „Minus­zin­sen“ kein Tabu mehr, jedoch nicht –
wie in dieser Zeit­schrift immer wieder gefor­dert – bezo­gen als Kosten auf das umlau­fen­de Bargeld in den Händen der Bürger, sondern statt dessen bezo­gen auf die Zurver­fü­gung­stel­lung des Zentral­bank­gel­des an die Banken. Also auf jene Bestän­de, die den Banken nicht nur als Bargeld­re­ser­ven dienen, sondern auch als Basis für die Verrech­nun­gen und damit Absi­che­run­gen jener unzäh­li­gen Geld-Gutha­ben-Über­tra­gun­gen, die wir als Bank­kun­den über unsere Sicht­gut­ha­ben täglich abwi­ckeln. Manche Kriti­ker und Refor­mer in unse­ren Tagen plädie­ren sogar dafür – wie z. B. die „Voll­geld-Initia­ti­ve“ – die Sicht­gut­ha­ben­be­stän­de dem Bargeld gleich­zu­stel­len und die Ausga­be des auf diese Weise verviel­fach­ten Geldes direkt an den Staat vorzu­neh­men. Wobei sie offen­sicht­lich den Tatbe­stand verdrän­gen, dass diese Bestän­de auf den Sicht­gut­ha­ben von den Bürgern durch Einzah­lun­gen von Bargeld aufge­baut worden sind.

Was ist über­haupt Geld?

Beur­tei­len kann man alle diese Aussa­gen und Ansich­ten zum Geld nur dann, wenn man sich, sowohl bezo­gen auf
die heuti­ge Situa­ti­on als auch fast alle Reform­vor­schlä­ge, über die sach­be­zo­ge­nen Größen, Gege­ben­hei­ten und Entwick­lun­gen in Sachen Geld im Klaren ist. Ausge­hend vor allem von den statis­tisch erfass- und damit nach­weis­ba­ren Größen und Vorgän­gen, die von der Deut­schen Bundes­bank seit Jahr­zehn­ten für unse­ren natio­na­len Wirt­schafts­raum erfasst und ausge­wie­sen worden sind. Doch geht man diesen Spuren noch weiter und ins Allge­mei­ne nach, dann ist Geld zuerst einmal eine ganz tolle Erfin­dung. Eine Erfin­dung, die den Handel und Austausch von Gütern ähnlich erleich­tert hat, wie die Erfin­dung des Rades den Trans­port. Geld
ist weiter­hin – im Normal­fall – der Lohn für eine einge­brach­te Leis­tung und der Anspruch auf eine gleich­wer­ti­ge Gegen­leis­tung. Und schließ­lich ist Geld in einem Wirt­schafts­raum zumeist das gesetz­lich einge­führ­te und allge­mein akzep­tier­te Zahlungs­mit­tel. Also jenes Medium, das man – orts- wie zeitversetzt
– für belie­bi­ge Zahlungs­zwe­cke verwen­den und damit als ein Binde­glied zwischen auszutauschenden
Leis­tun­gen sehen kann.

Ähnlich wie die Maßstä­be für Längen und Gewich­te, ist Geld also ein univer­sa­ler Maßstab aller Werte und damit auch aller Preis­ge­stal­tun­gen. Ein Maßstab, mit dessen Hilfe man in unse­ren Tagen sämt­li­che Güter- und Leis­tun­gen mitein­an­der verglei­chen und verrech­nen kann und der ähnlich stabil sein sollte, wie die Maßstä­be für Längen oder Gewich­te. Und dieser Wert­maß­stab Geld ist deshalb als umlau­fen­des offi­zi­el­les Zahlungs­mit­tel sogar mit einem Annah­me­zwang für alle Wirt­schafts­teil­neh­mer verbun­den, die in dem jewei­li­gen Wirt­schafts­raum Leis­tun­gen einbrin­gen oder Waren zum Verkauf anbieten.

TAFTA Currencies mit Globus © Martin Bangemann 0

TAFTA – die große Unterwerfung – Lori Wallach

Über­tra­gung aus dem Engli­schen von Niels Kadritzke

Aufge­reg­te Poli­ti­ker von Berlin bis Brüs­sel sehen durch den NSA-Skan­dal das Trans­at­lan­ti­sche Frei­han­dels­ab­kom­men in Gefahr. Über das, was in dem ange­streb­ten Vertrag stehen soll, reden sie nicht so gern. Ein Blick auf die ersten Blau­pau­sen lässt ahnen, was Euro­pas Bürger nicht zu früh erfah­ren sollen.

Bereits vor fünf­zehn Jahren versuch­ten Groß­un­ter­neh­men bei den Verhand­lun­gen über das Multi­la­te­ra­le Abkom­men über Inves­ti­tio­nen (MAI) ihre Macht heim­lich still und leise in unvor­stell­ba­rem Maße auszu­wei­ten. Damals schei­ter­te das Projekt am hart­nä­cki­gen Wider­stand der Öffent­lich­keit und der Parla­men­te. Damit wurde unter ande­rem verhin­dert, dass sich einzel­ne Konzer­ne densel­ben Rechts­sta­tus wie Natio­nal­staa­ten verschaf­fen konn­ten. Das hätte etwa bedeu­tet, dass Unter­neh­men eine Regie­rung verkla­gen können, „entgan­ge­ne Gewin­ne“ aus Steu­er­gel­dern auszugleichen.

Jetzt aber kommen diese Pläne erneut auf den Tisch, und zwar in deut­lich verschärf­ter Fassung. Der offi­zi­el­le Name des neuen Projekts lautet „Trans-Atlan­tic Trade and Invest­ment Part­ner­ship“, abge­kürzt TTIP. Dieses trans­at­lan­ti­sche Handels- und Inves­ti­ti­ons­ab­kom­men soll, ähnlich wie früher das MAI, die Privi­le­gi­en von Konzer­nen und Inves­to­ren absi­chern und sogar noch auswei­ten. So wollen die EU und die USA ihre jewei­li­gen Stan­dards in „nicht handels­po­li­ti­schen“ Berei­chen verein­heit­li­chen. Diese ange­streb­te „Harmo­ni­sie­rung“ orien­tiert sich erwar­tungs­ge­mäß an den Inter­es­sen der Konzer­ne und Inves­to­ren. Werden deren Stan­dards nicht erfüllt, können zeit­lich unbe­grenz­te Handels­sank­tio­nen verhängt werden. Oder es werden gigan­ti­sche Entschä­di­gun­gen für die Unter­neh­men fällig.

Die Verhand­lun­gen über diese Art Staats­streich in Zeit­lu­pe haben im Juli dieses Jahres in Washing­ton begon­nen – mit der erklär­ten Absicht, in zwei Jahren ein Abkom­men zu unter­zeich­nen, das eine trans­at­lan­ti­sche Frei­han­dels­zo­ne „Trans-Atlan­tic Free Trade Area“ (TAFTA) begrün­den wird. Das gesam­te TTIP-TAFTA-Projekt
gleicht dem Mons­ter aus einem Horror­film, das durch nichts totzu­krie­gen ist. Denn die Vortei­le, die eine solche „Wirt­schafts-NATO“ den Unter­neh­men bieten würde, wären bindend, dauer­haft und prak­tisch irrever­si­bel, weil jede einzel­ne Bestimmung
nur mit Zustim­mung sämt­li­cher Unter­zeich­ner­staa­ten geän­dert werden kann.

Ist die deutsche Energiewende rentabel? – Wolfgang Berger 0

Ist die deutsche Energiewende rentabel? – Wolfgang Berger

Emnid hat ermit­telt, dass 84 Prozent der Deut­schen eine rasche und voll­stän­di­ge Ener­gie­ver­sor­gung mit erneu­er­ba­ren Ener­gien wünschen. Jeder Dritte würde sich an Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Anla­gen in seiner Nähe finan­zi­ell betei­li­gen. Das sind über 20 Millio­nen poten­zi­el­le Inves­to­ren. Ist diese Präfe­renz ratio­nal oder ist es eine emotio­na­le Präfe­renz jenseits unter­neh­me­ri­schen Kalküls?

Die meis­ten Unter­neh­men berech­nen die Renta­bi­li­tät ihrer mögli­chen oder geplan­ten Inves­ti­tio­nen mit einer einfa­chen Rech­nung: Sie ermit­teln die zusätz­li­chen Ausga­ben, die bei einer Inves­ti­ti­on Jahr für Jahr notwen­dig werden und die zusätz­li­chen Einnah­men, die diese Inves­ti­ti­on Jahr für Jahr bringt. Die jähr­li­chen Salden dieser Zahlen­rei­he stehen für die Ertrags­kraft der Investition.

Nun können wir diese Salden aber nicht einfach addie­ren – wir müssen sie mit der Zeit gewich­ten. Eine Milli­on in diesem Jahr ist mehr als eine Milli­on im nächs­ten Jahr, denn wenn wir es gut anfan­gen, hat sich die eine Milli­on in diesem Jahr bis zum nächs­ten Jahr vermehrt. Wollen wir die Zahlen addie­ren, müssen sie zuvor vergleich­bar gemacht und auf den heuti­gen Tag abzinst werden. Diese „Kapi­tal­wert­me­tho­de“ ist der umge­kehr­te Rechen­vor­gang wie die Zins­be­rech­nung für die Zukunft, nur dass hier die Zahlen nicht größer, sondern klei­ner werden, je weiter das Jahr in der Zukunft liegt, auf das sie sich beziehen.

Wenn wir beim Abzin­sen mit zehn Prozent rech­nen, sind eine Milli­on Euro in einem Jahr heute 910.000 Euro wert, denn wenn ich heute 910.000 Euro mit zehn Prozent anlege, habe ich in einem Jahr eine Milli­on. Nicht weil die Zinsen heute zehn Prozent sind; sie sind nied­ri­ger. Aber Inves­ti­ti­ons­kre­di­te sind trotz­dem teuer und Über­zie­hungs­zin­sen sind auch bei einem Leit­zins­satz der Zentral­bank nahe Null weit über zehn Prozent.

Wenn wir mit zehn Prozent rech­nen, sind eine Milli­on Euro in zwei Jahren dann heute noch einmal zehn Prozent weni­ger wert, also 830.000 Euro. Und so können wir weiter rech­nen: Eine Milli­on Euro in zehn Jahren sind heute 390.000 Euro wert. Eine Milli­on Euro in 100 Jahren sind heute 700 Euro wert. Eine Milli­on Euro in 200 Jahren sind heute drei Euro wert und eine Milli­on Euro in 250 Jahren sind abge­zinst heute nur ganze vier Cent wert.

Weil die lang­fris­ti­gen Auswir­kun­gen so lächer­lich gering sind, brau­chen wir die Rech­nung nur für gut zehn
Jahre durch­zu­füh­ren. Was danach geschieht, wirkt sich auf das Ergeb­nis kaum noch aus. Was danach geschieht, beein­flusst die Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen also nicht mehr. In unse­rem gegen­wär­ti­gen destruk­ti­ven Geld­sys­tem erzwingt der Rendi­te­zwang deshalb die Zerstö­rung der Umwelt. Der Erhalt der Umwelt wirkt sich erst lang­fris­tig aus und ist deshalb nicht renta­bel. Eine Nach-uns-die-Sint­flut-Menta­li­tät erhöht den Börsen­wert des Unter­neh­mens (Share­hol­der Value) und ist deshalb die logi­sche Konsequenz.
In Zeiten nied­ri­ger Zinsen wach­sen die großen Vermö­gen über Aktien und die Speku­la­ti­on mit Derivaten.
Nied­ri­ge Zinsen verlei­hen Deri­va­ten eine Hebel­wir­kung, mit der sie fast die ganze Welt aufkau­fen können.

Bei flie­ßen­dem Geld pendelt der effek­tiv gezahl­te Markt­zins um Null; zusätz­li­che Einnah­men und Ausga­ben von Inves­ti­tio­nen werden deshalb nicht mehr abge­zinst. Damit wird es renta­bel, die Umwelt zu erhal­ten. In einem solchen Geld­sys­tem werden die Märkte deshalb Nach­hal­tig­keit und dauer­haft halt­ba­re Güter erzwingen.

Die Mehrheit in Deutschland profitiert nicht vom Euro – Felix Fuders 0

Die Mehrheit in Deutschland profitiert nicht vom Euro – Felix Fuders

Immer häufi­ger ließt man in Kommen­ta­ren der inter­na­tio­na­len Presse, dass Deutsch­land mit seinen enor­men Handels­bi­lanz­über­schüs­sen, die zuletzt sogar größer waren als dieje­ni­gen Chinas, Schuld sei an der defi­zi­tä­ren Handels­bi­lanz der südli­chen Länder Euro­pas. In einem Arti­kel in der New York Times[1] beschwer­te sich Ökono­mie Nobel­preis­trä­ger Paul Krug­man kürz­lich beispiels­wei­se über die seiner Meinung nach „depres­sing Germans“[2]. Der Tenor des Arti­kels ist, dass Deutsch­land durch eine expan­si­ve Geld- und Fiskal­po­li­tik eigen­nüt­zig hohe Export­über­schüs­se auf Kosten der euro­päi­schen Nach­barn erzie­le und damit sogar auch die Stabi­li­tät der Welt­wirt­schaft gefähr­de. Da Export­über­schüs­se eines Landes immer eine nega­ti­ve Handels­bi­lanz in einem ande­ren Land erzeu­gen müssen[3], sei Deutsch­land mitver­ant­wort­lich für
die hohe Arbeits­lo­sig­keit etwa in Spani­en. Deutsch­land solle Maßnah­men tref­fen, den Export­über­schuss zu verrin­gern. Tatsäch­lich haben die Handels­bi­lanz­un­gleich­ge­wich­te in Europa nur wenig mit der Wirt­schafts- und Außen­han­dels­po­li­tik Deutsch­lands, sondern viel­mehr mit dem Euro zu tun. Das soll im Folgen­den erklärt werden. Anschlie­ßend wir darauf einge­gan­gen werden, dass der Euro im Übri­gen auch nicht gut ist für die Mehr­heit der Deut­schen, da er einen indi­rek­ten Wohl­stands­trans­fer der Haus­hal­te der produk­ti­ve­ren hin zu
den Haus­hal­ten der weni­ger produk­ti­ven Ländern der Euro­zo­ne darstellt.

[1] Paul Krug­man, Those depres­sing Germans, in: Inter­na­tio­nal New York Times, v. 5. 11. 2013
[2[ Es sei ange­merkt, dass Alfred Nobel niemals einen Preis im Fach­ge­biet Ökono­mie vorge­schla­gen hatte, es folg­lich also keinen „Nobel­preis für Ökono­mie“ gibt. Der so genann­te „Nobel­preis für Ökono­mie“ ist ein von der schwe­di­schen Natio­nal­bank heraus­ge­ge­be­ner Preis für heraus­ra­gen­de wissen­schaft­li­che Leis­tun­gen im Fach­ge­biet Ökono­mie, der in Ange­den­ken Alfred Nobels verlie­hen wird
[3[ Vgl. etwa Karl- Heinz Moritz, Georg Stadt­mann, Mone­tä­re Außen­wirt­schaft, 2. Aufl. München 2011, S. 15

Die vierte Ohnmacht- Jens Brehl im Interview mit dem Autor Dirk C. Fleck 0

Die vierte Ohnmacht- Jens Brehl im Interview mit dem Autor Dirk C. Fleck

Jour­na­lis­ten genie­ßen zuneh­mend einen schlech­ten Ruf, gelten gar als korrupt und viele Menschen wenden sich enttäuscht über den ober­fläch­li­chen Einheits­brei von etablier­ten Medien ab. Zu recht findet Dirk C. Fleck. Der heute 70jährige „Vater des Ökothril­lers“ schrieb unter ande­rem für namhaf­te Blät­ter wie die „Hambur­ger Morgen­post“, „Die Welt“, „Stern“, „Spie­gel“ und viele mehr. Schon lange würden Medien nicht mehr als Wäch­ter der Demo­kra­tie fungie­ren; es zähle allein die Höhe der verkauf­ten Aufla­gen und Einschalt­quo­ten. Für sein Buch „Die vierte Macht“ sprach er mit 25 Spit­zen­jour­na­lis­ten über ihre Verant­wor­tung in Krisen­zei­ten. Die Zukunft der Medien sieht Fleck aller­dings schwarz. 

Jens Brehl: „Warum haben Sie den Beruf des Jour­na­lis­ten ergriffen?“

dirk C. Fleck: „Den Berufs­wunsch hatte ich bereits im Alter von 14 Jahren. Im Grunde war ich kein heraus­ra­gen­der Schü­ler, bis ich mein Talent für das Schrei­ben entdeck­te. Plötz­lich erhielt ich zum ersten Mal gute Noten für meine Schul­ar­bei­ten. Dadurch hatte ich endlich meinen Zugang zu den Lehr­in­hal­ten und meiner Krea­ti­vi­tät gefunden.

Meine Eltern hatten ‚Die Welt‘ abon­niert. Damals war das noch eine links-libe­ra­le Zeitung, was man sich heute gar nicht mehr vorstel­len kann. Jeden­falls waren für mich die Jour­na­lis­ten, die für ‚Die Welt‘ schrie­ben, Helden, denen ich gerne nach­ei­fern wollte. Als ich dann für meine Schule eine Jahres­ar­beit über die Zeitung schrieb, konnte ich die Redak­ti­on besu­chen. Ich bin fast vor Ehrfurcht gestor­ben, als ich die Namens­schil­der meiner Helden auf den diver­sen Türen gese­hen habe. Mein beruf­li­ches Ziel stand danach
endgül­tig fest. Nach meiner Buch­händ­ler­leh­re und dem Ersatz­dienst studier­te ich an der Deut­schen Jour­na­lis­ten­schu­le in München. Da es damals die einzi­ge Jour­na­lis­ten­schu­le in Deutsch­land war, gab es einen entspre­chend großen Andrang. Im Vorfeld muss­ten alle 2.000 Bewer­ber eine Repor­ta­ge einrei­chen. Ledig­lich 40 Anwär­ter wurden zur münd­li­chen Prüfung einge­la­den, doch nur für 20 gab es einen Studi­en­platz. Einer davon war dann ich. “

Entlarvte Pseudo-Demokratie – Wilhelm Schmülling 0

Entlarvte Pseudo-Demokratie – Wilhelm Schmülling

Da sage noch einer, mehr Demo­kra­tie sei nicht möglich. Jetzt wurde sogar das Ergeb­nis des mühsam ausge­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trags den SPD-Mitglie­dern zur Abstim­mung vorge­legt. Welch ein Fort­schritt, so scheint es auf den ersten Blick. In Wirk­lich­keit war es der Versuch, eine im Wahl­kampf fest­ge­leg­te Aussa­ge zu umge­hen und den Mitglie­dern die davon abwei­chen­den Ergeb­nis­se der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen schmack­haft zu machen. Schließ­lich wurden einige sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Forde­run­gen von der CDU über­nom­men, die Balsam für die sozia­le Seele beider Partei­en sind. Reichen die Beschlüs­se für eine ange­streb­te umfas­sen­de sozia­le Gerech­tig­keit? Wohl kaum.

Warum dieser nichts­nut­zi­ge Streit, ob die SPD mit der Mitglie­der­be­fra­gung zur großen Koali­ti­on die Verfas­sung bricht oder nicht. Auf jeden Fall war es eine Gele­gen­heit mehr Basis­de­mo­kra­tie zu wagen. Wenn man die gerin­ge Anzahl an Versamm­lungs­be­su­chern auf Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen der CDU zum Koali­ti­ons­ver­trag sieht, hat die CDU keinen Anlass zu über­heb­li­cher Kritik.

Das ist eben das Dilem­ma, in einer auf Kapi­tal­ertrag ausge­rich­te­ten Wirt­schafts­ord­nung die systembedingte
Unge­rech­tig­keit produ­ziert sozia­le Gerech­tig­keit zu errei­chen. Das bleibt ein nicht zu lösen­des Problem. Denn Kapi­ta­lis­mus und Markt­wirt­schaft vertra­gen sich nicht, sind sogar krasse Gegen­sät­ze. Die stän­di­ge Gleich­set­zung beider in den Medien ist gewollt. Wer kann schon etwas gegen Markt­wirt­schaft einwen­den? Wer es doch tut, will die Plan­wirt­schaft, unter­stellt man. Und so werden von den Meinungs­bild­nern flugs die „Märkte“, die Kapi­tal­märk­te genann­te werden müss­ten, als Markt­wirt­schaft ausge­ge­ben. Und die Bezeich­nung „Finanz­in­dus­trie“ ist eben­falls ein Mogel­wort. Dort wird nichts produ­ziert, nur spekuliert.

Auf den Märk­ten der Real­wirt­schaft werden Waren und Dienst­leis­tun­gen der arbei­ten­den Menschen getauscht.
Würde auf den Märk­ten dieser Leis­tungs­trä­ger das Geld ausschließ­lich als Tausch­mit­tel einge­setzt und nicht
ein Teil an das Kapi­tal abge­zweigt werden, gäbe es kein Eigen­tum ohne Arbeit. Denn Eigen­tum kommt von eige­nem Tun. Die deut­sche Spra­che hat viele zutref­fen­de Ausdrü­cke, auch für Ökono­men. Auf den angeblichen
Finanz­märk­ten werden ange­eig­ne­te Leis­tun­gen ande­rer Menschen für möglichst hohe Profi­te einge­setzt. Die
heute unter­schied­li­chen Ziel­rich­tun­gen der Märkte, die einen produ­zie­ren Waren, die ande­ren Profi­te, sind
das Grund­übel unse­rer Zeit.

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt 0

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt

1. Der Wunsch der Eltern

Meine Erin­ne­rung reicht zurück bis in die letz­ten Jahre des Zwei­ten Welt­kriegs. Da kannte ich viele Leute, die sagten: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Sie hatten tatsäch­lich allen
Grund, dies zu wünschen in Anbe­tracht ihrer gefal­le­nen Verwand­ten und Freun­de, der zerbomb­ten Städte und der Versor­gungs­pro­ble­me hinsicht­lich der elemen­ta­ren Bedürf­nis­se – Nahrung, Klei­dung, Wohnung. Sie wünsch­ten sich eine radi­ka­le Ände­rung der Lebens­ver­hält­nis­se in Deutsch­land. Die anzustrebende
Ziel­si­tua­ti­on sollte derart sein, dass möglichst niemand mehr Anlass haben sollte zu dem Wunsch: „Unsere
Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Wenn man die Leute damals gebe­ten hätte, die gewünsch­te Ziel­si­tua­ti­on ein wenig zu konkre­ti­sie­ren, wäre sehr schnell deut­lich gewor­den, dass der Wunsch zwei klar unter­scheid­ba­re Ziele umfass­te. Das eine Ziel fand von Anfang an seinen Ausdruck in der bekannten
Forde­rung „Nie wieder Krieg!“, woge­gen das andere Ziel erst etwas später von Ludwig Ehrhard in die grif­fi­ge Formel „Wohl­stand für alle!“ gepackt wurde. Ich gehöre zu den glück­li­chen Kindern, für
die beide Teile des dama­li­gen Wunsches ihrer Eltern tatsäch­lich in Erfül­lung gegan­gen sind. Seit dem Zwei­ten Welt­krieg hat es in Deutsch­land keinen Krieg mehr gege­ben, und es sieht auch nicht so aus,
als ob ich in der mir verblei­ben­den Lebens­zeit noch mit einem solchen Krieg rech­nen müsste. Auch was den Wohl­stand angeht, ist der Wunsch für mich selbst und viele meiner Verwand­ten und Freun­de in Erfül­lung gegan­gen. Ich meine aber, dass wir das Ziel „Wohl­stand für alle“ nicht nur nicht erreicht haben, sondern
aktu­ell dabei sind, uns wieder weiter von diesem Ziel zu entfernen.

2. Die Frage nach dem Zielzustand

Zustän­de, in denen ein System ewig verblei­ben könnte, obwohl noch dyna­mi­sche Vorgän­ge statt­fin­den, werden
statio­nä­re Zustän­de genannt. Schon in der Bibel (1. Mose 8, Vers 22) wird – obwohl dort natür­lich die Bezeich­nung „statio­nä­rer Zustand“ nicht vorkommt – ein solcher Zustand beschrie­ben: „Solan­ge die Erde steht, soll nicht aufhö­ren Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Ohne Zwei­fel befin­det sich unser Wirt­schafts­sys­tem zur Zeit nicht in einem statio­nä­ren Zustand. Vermut­lich war
die Geschwin­dig­keit der Ände­run­gen im Wirt­schafts­sys­tem noch nie so hoch wie jetzt. Es wird auch von Poli­ti­kern und Wirt­schafts­fach­leu­ten immer wieder betont, dass das beson­ders Posi­ti­ve am aktu­el­len Zustand darin bestehe, dass er in hohem Maße dyna­misch sei. Zur Bestä­ti­gung ihres Urteils verwei­sen sie manch­mal auf das Sprich­wort „Wer rastet, der rostet.“ Und sie meinen, um dem Rosten zu entge­hen, müsse man immer schnel­ler rennen. Ich bin dage­gen über­zeugt, dass wir uns fragen soll­ten, wohin die Reise gehen soll, d. h. ob wir nicht doch einen statio­nä­ren Ziel­zu­stand charak­te­ri­sie­ren können, den fast alle Mitbür­ger posi­tiv beur­tei­len würden. Selbst­ver­ständ­lich kann dieser Ziel­zu­stand kein endgül­ti­ger sein, denn jede „revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­idee“ würde zwangs­läu­fig zum Verlas­sen dieses Zustands führen. Beispie­le für revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen sind die Erfin­dung des Buch­drucks oder der Dampf­ma­schi­ne, und in neue­rer Zeit die viel­fäl­ti­gen Ideen zur Nutzung der natur­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se in der Physik und der Chemie. Ohne diese Erkennt­nis­se gäbe es keine Autos, kein elek­tri­sches Licht, keine Roll­trep­pen, keine Compu­ter, kein Inter­net und keine draht­lo­se Kommu­ni­ka­ti­on. Aus der Tatsa­che, dass in den letz­ten zwei­hun­dert Jahren in immer kürze­ren Abstän­den revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen gebo­ren wurden, glau­ben manche Wirt­schafts­pro­phe­ten schlie­ßen zu dürfen, dass sich die zeit­li­chen Abstän­de zwischen solchen Ereig­nis­sen auch weiter­hin verkür­zen werden. Da revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen aber häufig ihren Ursprung
in über­ra­schen­den natur­wis­sen­schaft­li­chen Entde­ckun­gen haben, sehe ich eine Analo­gie zwischen dem Feld dieser Ideen und einem Erdöl­feld: Lange bleibt es unent­deckt, dann wird es immer schnel­ler ausge­beu­tet und
schließ­lich ist es leer gepumpt. Deshalb halte ich es durch­aus für sinn­voll, darüber nach­zu­den­ken, welchen Zustand unse­res Wirt­schafts­sys­tems wir uns denn wünschen soll­ten unter der Annah­me, dass in den kommenden
Jahr­zehn­ten keine revo­lu­tio­nä­ren Inno­va­ti­ons­ideen mehr vom Himmel fallen.

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites 0

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites

Die bäuer­li­che Lebens­form besteht aus einem Zusam­men­hang von Erwerbs­ar­beit, Eigen­ar­beit, gemein­nüt­zi­ger Arbeit und Erho­lung in einem selbst gestalt­ba­ren Lebens­um­feld. Mit diesem bäuer­li­chen Prin­zip wird der Zusam­men­hang von Wohn- und Arbeits­ort, die Verein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, der Zusam­men­halt der Gene­ra­tio­nen, ein hohes Selbst­ver­sor­gungs-Poten­zi­al sowie eine zeit­lich und räum­lich über den Hofall­tag hinaus­rei­chen­de Verant­wor­tung gewähr­leis­tet. Es ist ein Lebens- und Arbeits­mo­dell, das individuelle
Frei­heit mit einer Begren­zung und Einord­nung in die Natur­zu­sam­men­hän­ge einer endli­chen Welt organisch
verbindet.

Diese für die Bauern­fa­mi­li­en wie für die Gesell­schaft glei­cher­ma­ßen nütz­li­che und förder­li­che Lebens- und Arbeits­form wird heute erstickt: Wo außer Geld keine ande­ren Werte zählen, wird allein der Sektor der Erwerbs­ar­beit hono­riert – und in den Wett­be­werb gestellt. Das Wett­be­werbs- System führt zwangs­läu­fig dazu, dass dieje­ni­gen gewin­nen, bei denen der Bereich der Erwerbs­ar­beit nahezu 100 % ausmacht, also die anderen
Arbeits- und Lebens­be­rei­che weit­ge­hend erdrückt. Je mehr ein Betrieb den Aspekt der Erwerbs­ar­beit zurück­fährt, um den ande­ren Berei­chen Raum zu geben, desto eher wird er zum Verlie­rer in diesem System. Wer mit viel Fläche und weni­gen Arbeits­kräf­ten wirt­schaf­tet, wer viele Tiere auf engem Raum hält, wer auf Kosten der Natur, des Grund­was­sers und der Quali­tät seiner Produk­te die Erträ­ge stei­gert, wer wegen der Flächen­sub­ven­tio­nen die Neuein­rich­tung klei­ner Betrie­be blockiert – verhält sich system­kon­form, ist
aber nicht Urhe­ber dieser Verhältnisse.

In den oppo­si­tio­nel­len Grup­pen in der DDR der 80er Jahre habe ich gelernt, dass es nichts bringt, dieje­ni­gen zu kriti­sie­ren, die sich system­kon­form verhal­ten – wenn man nicht das System selber zur Debat­te stellt. Nun ist die heuti­ge Situa­ti­on eine andere als damals. Aber auch heute müssen wir damit rech­nen, dass sich viele Menschen so oder so verhal­ten, weil sie Teil eines gesell­schaft­li­chen Systems sind – und nicht, weil sie sich das in völli­ger Entschei­dungs­frei­heit selbst ausge­dacht haben. Mit dem heuti­gen System meine ich nicht allein die derzei­ti­ge Agrar­po­li­tik, die nur ein Teil davon ist. Ich meine insbe­son­de­re die aus einer falsch verstan­de­nen Biolo­gie (Selek­ti­ons­leh­re) in die Ökono­mie übertragene
und von dort aus in alle Gesell­schafts­be­rei­che einge­drun­ge­ne Wett­be­werbs- Logik. Im Ideal­fall ist eine Gesell­schaft nämlich wie ein Orga­nis­mus verfasst, dessen „Organe“ zum gegen­sei­ti­gen Vorteil und zum Wohle des Ganzen zusam­men­ar­bei­ten – und nicht danach trach­ten, sich gegen­sei­tig zu verdrängen.

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert 0

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert

Eine ganz persön­li­che Buchbesprechung.

Der ICE ist fast pünkt­lich, dies­mal, auf meiner Reise von Frank­furt nach Hamburg. Im Abteil neben mir ein junger Mann, Student offen­sicht­lich, nicht unfreund­lich. Hat die ganze Fahrt über seinen Laptop in Betrieb, stun­den­lang mit Compu­ter­spie­len. Scheint sich ablen­ken zu müssen; von was eigent­lich, würde ich ihn am liebs­ten fragen.

Gedan­ken kommen und gehen: wach sein, hier sein, unsere Reali­tät sehen, sehen was wirk­lich um uns herum ist… scheint nicht mehr in Mode zu sein bei vielen jungen Leuten. Wie anders war es doch noch in meiner Gene­ra­ti­on, der 68er.

Ich begin­ne mit meiner Reise­lek­tü­re: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te Wirt­schaft lohnt‑, von Chris­ti­an Kreiß, einem Wirt­schafts­pro­fes­sor mitt­le­ren Alters. Im Bild auf dem Klap­pen­text mit wachen Augen, die etwas verwun­dert drein schau­en. Hätten wir doch alle tatsäch­lich Grund uns sehr zu wundern, denke ich.

Wie ist es möglich, fragt der Autor, dass wir offen­sicht­lich in einer Art kollek­ti­ver Trance die falschen Grund­an­nah­men unse­rer gängi­gen Wirt­schafts­theo­rien nicht wahr­neh­men? Wie war es möglich, denke ich, schon beim Lesen der ersten Seiten, dass damals im drit­ten Reich ein ganzes Volk dem Rassen­wahn verfiel mit den dann schier unglaub­li­chen Folgen? Kreiß versucht immer wieder im Zusam­men­hang mit der neoli­be­ra­len Wirt­schafts­dok­trin eine Antwort auf diese Kern­fra­ge zu geben. Er ist Fach­mann, Insi­der, hoch­kom­pe­tent, scheint mir, und er hat Mut. Braucht es Mut aus kollek­ti­ven Tran­cen aufzu­wa­chen? Ja, und – man muss es wollen.

Der Autor hat profun­de Geschichts­kennt­nis­se, verknüpft aktu­el­le Zusam­men­hän­ge damit, er versucht ein
ganz­heit­li­ches Bild unse­rer derzei­ti­gen Wirt­schafts­kri­se zu vermit­teln. Plötz­lich erge­ben die Zusam­men­hän­ge ein verblüf­fend einleuch­ten­des und logisch stim­mi­ges Bild: nur eine gerech­te Wirt­schaft, so Kreiß, kann auf Dauer bestehen. Das lehrt eindrück­lich die jünge­re Geschichte!

Mir gegen­über im Zug sitzt eine junge Dame mit einem frischen, offe­nen Gesicht, auch sie stun­den­lang am Laptop. Ich erfah­re später, sie schrei­be ihre Master­ar­beit nach elf Semes­tern Psycho­lo­gie­stu­di­um. Man merkt, sie ist ganz absor­biert davon, wohl auch genervt vom vielen kompli­zier­ten Denken. Ihr Enga­ge­ment, ande­ren Menschen zu helfen, nehme ich ihr sofort ab, sie wirkt sehr sympathisch.

Ein Satz fällt mir ein, von einem indischen
Weisen: Es sei kein Zeichen
geis­ti­ger Gesund­heit sich (und andere)
an eine kranke Gesell­schaft anzupassen.
Kann ich der jungen Psychologiestudentin
so etwas sagen?

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow 1

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow

Auf der Univer­si­tät wird gelehrt, dass die Zinsen eine Beloh­nung für den Konsum­ver­zicht eines Menschen sind. Diese Begrün­dung ist auf den ersten Blick abso­lut verständ­lich und plau­si­bel. Dass dage­gen das Chris­ten­tum in seiner ursprüng­li­chen Lehre – wie andere große Reli­gio­nen auch – es ablehnt, dass die Menschen Zinsen für ihr verlie­he­nes Geld nehmen, wird von den meis­ten verdrängt, sofern dieses Gebot ihnen über­haupt bekannt ist. Zudem leben wir schon seit Jahr­hun­der­ten mit der Vorstel­lung, für unser Geld Zinsen zu bekom­men. Daher können wir uns eine opti­ma­le Volks­wirt­schaft ohne Zinsen über­haupt nicht mehr vorstel­len. Darüber hinaus wird die Metho­de, eine Gebühr für aufbe­wahr­tes Geld (Liege­ge­bühr) zu erhe­ben, ohne­hin für völlig absurd gehalten.

Doch die Reali­tät sieht anders aus. Bernard A. Lietaer beschreibt in seinem Buch „Myste­ri­um Geld“ zwei Epochen, in denen eine Markt­wirt­schaft ohne Zinsen und mit einer Anti-Hortungs­ge­bühr zu einem „außer­ge­wöhn­li­chen Wohl­stand“ der gesam­ten Bevöl­ke­rung geführt hat, nicht nur einer bestimm­ten Schicht: Einmal eine Epoche im alten Ägyp­ten und dann die Zeit des Hoch­mit­tel­al­ters, also etwa vom 10. bis 13. Jahrhundert.

Zwar unter­schie­den sich die Moda­li­tä­ten, unter denen die Gebüh­ren auf das Geld erho­ben wurden, in den beiden Zeit­al­tern. In Ägyp­ten war das System der Liege­ge­büh­ren auf gepark­tes Geld „höher entwi­ckelt als das mittel­al­ter­li­che“. Doch trotz der unter­schied­li­chen Mittel fielen die Resul­ta­te in Ägyp­ten und im Hoch­mit­tel­al­ter „uner­war­tet ähnlich“ aus. Das Geld war zwangs­läu­fig „nur“ Tausch­mit­tel und kein
Wert­ge­gen­stand, der dazu anreizt, es zu horten. Es war wesent­lich sinn­vol­ler, Erspar­nis­se in Form von Produk­ti­ons­gü­tern anzu­le­gen, die lange Bestand hatten, als in Form von Geld. Es gab keine Speku­lan­ten, die auf Kosten einer verarm­ten Bevöl­ke­rung immer reicher wurden. Das Geld blieb dort, wo es gebraucht wurde. Die Umlauf­ge­schwin­dig­keit des Geldes blieb also hoch. Das Geld wurde nicht zuneh­mend knapper.

Im alten Ägyp­ten dauer­te diese Epoche einer intak­ten Volks­wirt­schaft wesent­lich länger als dieje­ni­ge im Mittel­al­ter. Man schätzt diese Zeit auf immer­hin 1.500 Jahre. Das alte Ägyp­ten mit seinen hohen Getrei­de­er­trä­gen wird ja bekannt­lich als die „Korn­kam­mer der Antike“ bezeich­net. Diese Zeit des Wohl­stan­des und des Reich­tums endete allmäh­lich durch den grie­chi­schen Einfluss, der sich dort ausbrei­te­te. Später ersetz­ten die Römer das dorti­ge Währungs­sys­tem „durch ihr eige­nes mone­tä­res System“, das sich eben­falls nega­tiv auf die Volks­wirt­schaft auswirkte.

Im Hoch­mit­tel­al­ter war die Phase wirt­schaft­li­cher Expan­si­on von einer star­ken Zunah­me der Bevöl­ke­rung beglei­tet. Zwischen etwa den Jahren 1.000 und 1.300 verdop­pel­te sie sich im euro­päi­schen Raum von ca. fünf auf zehn Millio­nen Menschen. Die Boden­er­trä­ge stie­gen. Im Gewer­be kam es zu einer weite­ren Spezia­li­sie­rung und Arbeits­tei­lung. Es bilde­te sich ein Markt für agra­ri­sche und gewerb­li­che Produkte.

In dieser Zeit entstan­den auch die meis­ten der berühm­ten und präch­ti­gen Kathe­dra­len. Sie gehör­ten – auch
das ist wenig bekannt – weder der Kirche noch den Fürs­ten, sondern dem einfa­chen Volk, meist den Bürgern der Stadt, in der sie erbaut worden waren. Sie wurden auch von diesen finan­ziert. Die Kirche besaß selbst­ver­ständ­lich ihre „privi­le­gier­ten Zeiten“, in denen die Gottes­diens­te statt­fan­den, sowie ihren „privi­le­gier­ten Raum“ (den Chor um den Altar).

B. A. Lietaer verdeut­licht in folgen­der Schil­de­rung aus dem norma­len Leben die dama­li­ge Situa­ti­on sehr anschaulich:

„Natür­lich gibt es für die dama­li­ge Zeit keine ‚Statis­tik‘ in unse­rem heuti­gen Sinne… Dennoch besit­zen wir aussa­ge­kräf­ti­ge Quel­len. So berich­tet beispiels­wei­se Johann Butz­bach in seiner Chro­nik: ‚Die gemei­nen Leute hatten selten weni­ger als vier Gänge bei der Mittags­und Abend­mahl­zeit. Sie aßen Getrei­de und Fleisch, Eier, Käse und Milch zum Früh­stück, und um 10 Uhr morgens und noch einmal um vier Uhr nachmittags
eine leich­te Mahl­zeit.‘ Der Histo­ri­ker Fritz Schwartz brach­te die Verhält­nis­se auf den Punkt: ‚Kein Unter­schied zwischen Bauern­haus und Schloß.‘

Für die Gesel­len war der soge­nann­te blaue Montag frei. Während der Sonn­tag als der ‚Tag des Herrn‘ galt, an dem man sich um öffent­li­che Ange­le­gen­hei­ten kümmer­te, war der Montag der Tag, an dem die Menschen Zeit für ihre Privat­an­ge­le­gen­hei­ten hatten, Zusätz­lich gab es mindes­tens 90 offi­zi­el­le Feier­ta­ge im Jahr! Daher arbei­te­te ein Gesel­le im Durch­schnitt nicht mehr als vier Tage in der Woche. Außer­dem war auch die Zahl der Arbeits­stun­den pro Tag begrenzt. Als die Herzö­ge von Sach­sen die Arbeits­stun­den von sechs auf acht
Stun­den am Tag ausdeh­nen woll­ten, revol­tier­te das Volk. Die Herzö­ge muss­ten ihre Unter­ta­nen zudem ermah­nen, dass ‚Arbei­ter nur vier Gänge bei jeder Mahl­zeit‘ erhal­ten sollten.

Die Bauern, die als nied­rigs­ter Stand galten ‚trugen Silber­knöp­fe an Weste und Mantel, meist in Doppel­rei­hen, und verwen­de­ten silber­ne Schnal­len und Verzie­run­gen für ihre Schuhe‘. Soziale
Unter­schie­de zwischen hohem und nied­ri­gem Stand, Adel und Bauern, waren deut­lich geschrumpft.“