Die Welt aus den Fugen?
Klimakatastrophe – Flüchtlingselend – Kriege überall
Drei Tagungen des Seminars für freiheitliche Ordnung in Bad Boll
In letzter Zeit hat es die Menschheit in steigendem Maße mit Problemen zu tun,
die den Rahmen einzelstaatlicher Lösungsmöglichkeiten weit übersteigen: hervorgehoben seien
das immer drängender werdende Klimaproblem, das die Erde als ganze und die ganze Menschheit betrifft
die Kriege, die große Teile der Erde dauerhaft mit Gewalt überziehen und zwangsläufig und nicht erst als Stellvertreterkriege den Rahmen einzelstaatlicher Lösungen sprengen, und
die von Umweltproblemen und Kriegen hervorgerufenen Flüchtlingsströme, die sowohl im Verhältnis der aufnehmenden Staaten zueinander als auch im Verhältnis der Flüchtlinge zu den Ansässigen Probleme aufwerfen, die aus einzelstaatlicher Perspektive neu sind und neue Lösungen erfordern.
Nicht nur die einzelnen Staaten sind offensichtlich von diesen Problemen überfordert: auch die bisherigen Versuche zwischenstaatlicher Lösungen – von den Klimakonferenzen bis zur Kriegs- und Krisendiplomatie im Nahen Osten und anderswo – geben nicht die Zuversicht, dass auf diesem Wege tragfähige Lösungen gefunden und durchgesetzt werden können.
Wenn man vor diesen Krisen nicht in Ratlosigkeit erstarren und den Mut verlieren will, sollte man sich vergegenwärtigen, dass der wohl wichtigste Schritt in der Staatsbildung der Neuzeit der Übergang vom Absolutismus zum Rechtsstaat war. Der Herrscher – später die Exekutive demokratischer Staaten – steht seit diesem Wendepunkt nicht mehr über dem Recht, sondern ist selbst an das Recht gebunden. Mit dieser Verrechtlichung des Staates ging die Befreiung der Gesellschaft Hand in Hand: aus Untertanen wurden gleichberechtigte Bürger mit Grund‑, Freiheits- und Teilhaberechten, die sich untereinander als Gleiche begegnen. Diese innere Entwicklung der Staaten zum demokratischen Rechtsstaat ist noch keineswegs abgeschlossen.
Nach außen dagegen sieht sich auch der demokratische Rechtsstaat herkömmlicherweise immer noch als souveräner Staat, der zwar – nach der Verfassung einiger Staaten – keinen Angriffskrieg vom Zaun brechen darf, in der Außenpolitik aber durchaus seinen (wirklichen oder vermeintlichen) Interessen folgen und ihnen, entsprechend seiner Macht, Nachdruck verleihen darf. Eine Bindung an eine Rechtsordnung, die nach der Innenpolitik nun auch die Außenpolitik von einem Gewirr willkürlicher Einzelmaßnahmen der Machtausweitung und Interessenverfolgung in eine äußere Ordnung, d.h. in ordnungspolitische Beiträge zu einer Weltinnenpolitik umwandeln würde, ist nur in Ansätzen sichtbar, zum Beispiel in der Charta der Vereinten Nationen und im Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Die oben genannten Probleme werfen jetzt aber mit großer Dringlichkeit die Frage auf, ob der demokratische Rechtsstaat, der nach innen seine Bürger als Gleiche betrachtet, sich nach außen weiterhin zu anderen Staaten und zu den Menschen, die nicht seine Staatsangehörigkeit besitzen, ganz anders verhalten darf. Auf diese Fragen werden von den Staaten jetzt neue Antworten erwartet. Dabei wird die Globalisierung der wirtschaftlichen und kulturellen Prozesse zu bedenken sein, die an alten Staatsgrenzen schon lange nicht mehr haltmachen und immer mehr Menschen auch schicksalsmäßig miteinander verbinden. Nicht nur die internationale Rechtsordnung bedarf dazu der Weiterentwicklung, auch die internationale Ordnung von Wirtschaft und Kultur muss durchlässiger werden, damit die verbleibenden Interessenkonflikte in zivilisierteren Formen bewältigt werden können als bisher.
Könnte z. B. nicht einer der erster Schritte darin bestehen, das Stimmengewicht der Staaten im internationalen Zusammenhang nach der Anzahl ihrer Staatsangehörigen zu bemessen? Der Gleichheit der Bürger im Inneren, die für den demokratischen Rechtsstaat fundamental ist (nicht nur als demokratische Gleichheit bei der Mitwirkung im Staat, sondern auch als rechtsstaatliche Gleichheit vor dem Gesetz), muss auch international zum Durchbruch verholfen werden, wenn der Gleichheit aller Menschen weltweit der Weg geebnet werden soll. Das Prinzip: „Ein Staat-eine Stimme“ muss abgelöst werden durch eine Ordnung, die der demokratischen und rechtsstaatlichen Gleichheit aller Menschen weltweit besser entspricht.
Aus den Überlegungen zu den 3 Krisen folgt, dass wir die Herabstimmung des Staates vom Macht- und Interessenstaat zum reinen Rechtsstaat nicht nur aus innenpolitischen, sondern auch aus weltpolitischen Gründen brauchen. Sie bedeutet im Grunde keine Änderung, wohl aber eine Erweiterung und Ergänzung und gewissermaßen eine Vollendung unserer Vorstellungen vom demokratischen Rechtsstaat. Wir sollten diese Aufforderung, vor die uns die Krisen stellen, im Interesse unserer eigenen Weiterentwicklung annehmen: das ist es, was wir uns und der Welt schulden!
Es wird noch ein langer Weg zur außenpolitischen Herabbestimmung der Staaten und ihrer angemaßten Souveränität zu Trägern einer weltweiten Rechtsordnung sein und dieser Weg wird kaum leichter sein, als der Übergang vom Absolutismus zum Rechtsstaat. Aber die drei Krisen und das bisherige Scheitern nationaler und zwischenstaatlicher Lösungsversuche zeigt mit allem Nachdruck, dass die Zeit nationalstaatlicher Souveränität auch nach außen zu Ende gehen muss. Erst dann wird es uns auch gelingen, die innerstaatliche Rechtsstaatlichkeit in der Ergänzung durch eine entsprechende Außenpolitik zur Vollendung zu bringen (Zusammenhang von Innen- und Außenpolitik).
Das Seminar für freiheitliche Ordnung wird zu den drei Problemkomplexen je eine Tagung veranstalten und dabei gemeinsame Aspekte herausarbeiten, die den Zusammenhang der Probleme sichtbar machen. Die Tagungen können einzeln besucht werden, der Zusammenhang mit den anderen Tagungen wird in jeder verdeutlicht; aber am meisten wird von den Tagungen profitieren und zu ihnen beitragen können, wer sie alle besucht.
Die Tagungen:
Aktuell:
Flüchtlinge: Heimat verloren – Zuflucht versperrt? 28. – 29. Mai 2016
Krieg und Frieden: Termin und Programm folgt in Kürze
Bereits stattgefunden: „Klimapolitik und internationale Gerechtigkeit“: 9. – 10. April 2016 Das Programm dieser Tagung
Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.sffo.de
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