Stiglitz: „Renditestreben spaltet die Gesellschaft“

Der US-Ameri­ka­ni­sche Wirt­schafts­pro­fes­sor und Nobel­preis­trä­ger Joseph E. Stig­litz sagt es in einem Inter­view, das er „FoxBusi­ness“ gege­ben hat, sehr deutlich.
Sehr schön darin auch die Beschrei­bung der Perso­nen, welche nach Rendi­te stre­ben (im engli­schen nennt er sie „rent seekers“): 

Sie bean­spru­chen ein stets größer werden­des Stück des (Leistungs)-kuchens, zu dessen Vergrö­ße­rung sie selbst aber nichts beitragen. 

(c) Martin Bangemann

Im weite­ren Verlauf des Inter­views rela­ti­viert Stig­litz das Rendi­te­stre­ben und spricht nur noch von der Rendi­te, die der „Land­be­sitz“ abwirft. Für sein neues Buch, „Price of Inequa­li­ty“, das sich mit der gesell­schaft­li­chen Scher­en­ent­wick­lung von Arm und Reich ausein­an­der­setzt, war er aber offen­bar gezwun­gen, den Aspekt leis­tungs­lo­ser Umver­tei­lung einge­hen­der zu beleuch­ten. Wer heut­zu­ta­ge ehrlich ist, kann auch zu gar keinen ande­ren Schlüs­sen kommen, als solchen, die diese Entwick­lung auf die syste­mi­schen Grund­la­gen zurückführen.
Mark Thoma am Depart­ment of econo­mics an der Univer­si­tät von Oregon hat Teile des Inter­views auf seinem Blog verlinkt. Höchst inter­es­sant daran sind die vielen quali­fi­zier­ten Kommen­ta­re unter dem Beitrag, die wieder­um sehr infor­ma­ti­ve Links enthalten.

Es wird deut­lich, dass wir in Sachen Analy­se schritt­wei­se in die rich­ti­ge Rich­tung weiter­kom­men. Stig­litz ist ein Beweis dafür, wenn­gleich er bei seinen Lösung­vor­schlä­gen noch immer an den Sympto­men haften bleibt. In Sachen Wirt­schafts- und Finanz­kri­se kann man – das macht die gesam­te Entwick­lung sehr klar – nicht mit schnel­len poli­ti­schen Entschei­dun­gen rech­nen, welche die Grund­la­gen der jahr­zehn­te­lan­gen Poli­tik der Förde­rung neoli­be­ra­ler Denk­schu­len über den Haufen werfen. Man tastet sich heran. Ob es am Ende noch recht­zei­tig für einen „Maschi­nen­stop“ oder ein schnel­les Ausweich­ma­nö­ver der Welt­wirt­schafts-Tita­nic reichen wird, bleibt abzuwarten. 

Eine Antwort

  1. Dr. Ludwig Paul Häußner sagt:

    Wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­che Ortho­do­xie dies­seits und jenseits des Atlantiks
    —————————————————————————-

    Egal ob in den USA oder in Deutsch­land, die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten gehen von einem mecha­nis­tisch-reduk­tio­nis­ti­schen Menschen- und Welt­bild aus. Die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten sind auch keine exak­ten Wissen­schaf­ten umge­ben sich aber mittels mathe­ma­ti­scher Model­lie­rung mit der Aura des Exak­ten. Die Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten sind keine Wissen­schaf­ten des SEINS, sondern des SOLLENs. Dadurch kommt es immer­wie­der (hoffentlich)zu hete­ro­do­xen Ansichten.

    Leider wird in der ganzen Diskus­si­on, vor allem von den US-Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern der volks­wirt­schaft­li­che Faktor BODEN igno­riert, obwohl es in den USA einmal eine Persön­lich­keit wie Henry George gab mit seinem Werk „Fort­schritt und Armut: eine Unter­su­chung über die Ursa­che der indus­tri­el­len Krisen und der Zunah­me der Armut bei zuneh­men­dem Reichtum“.

    Leider wird die Unhei­li­ge Alli­anz zwischen BODEN (und dessen fälsch­li­chen Waren­cha­rak­ter samt dessen Kapi­ta­li­sier­bar­keit) und KREDIT auch nicht nur annä­hernd diskutiert.

    In den USA wie in Deutsch­land wird die derzei­ti­ge Geld­ord­nung als nicht reform­be­dürf­tig ausge­klam­mert, obwohl es inter­es­san­tes­te Vorschla­ge dazu gibt: aktu­ell der Voll­geld­an­satz von Prof. Joseph Huber von der Univer­si­tät Halle, oder „altern­des Geld“ von Irving Fisher, Silvio Gesell und Rudolf Steiner.

    Die Ökono­men­zunft in den USA wie auch in Europa igno­riert den Reform­be­darf im Steu­er­we­sen: der Schwer­punkt der Besteue­rung müsste am Konsum­pol liegen – sprich eine höhere und harmo­ni­sier­te MwSt inner­halb der Euro­zo­ne. Die EU lässt derzeit einen Höchst­satz von 25% zu. Spani­en, Itali­en und auch Frank­reich müssen zur Haus­halts­kon­so­li­die­rung und zur Euro-Rettung die MwSt drin­gend dras­tisch erhö­hen. Ein Licht­blick ist Spani­en: nur soll die MwSt dort von 18 auf 21% erhöht werden.

    Alles Dinge die die ortho­do­xe Wirt­schafts­wis­sen­schaft ignoriert.

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