Norbert Rost - Foto: © Pat Christ
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Arbeits- und Kapitaleinkommen – Norbert Rost

Ein alter­na­ti­ver Blick auf unser Wirtschaftssystem

In der öffent­li­chen Debat­te um die (2. Welt-)Wirtschaftskrise ist das Thema Arbeits­ein­kom­men allgegenwärtig.
Derzeit z. B. in Form der Diskus­si­on zum Thema „Gesetz­li­cher Mindest­lohn“. Tabui­siert wird eine Debat­te um die andere Seite dieser Medail­le: die Kapi­tal­kos­ten und Kapi­tal­ein­kom­men. Jene stel­len nicht nur die eigent­li­che Ursa­che der Wirt­schafts­kri­se dar, sondern mani­fes­tie­ren zugleich eine gesell­schaft­lich legi­ti­mier­te Art der Skla­ve­rei, indem die Arbeits- und damit Lebens­zeit der großen Masse der Bevöl­ke­rung in einer unge­recht­fer­tig­ten Form einer vergleichsweise
klei­nen, aber vermö­gen­den Minder­heit zukommt.

Wenn eine Person eine andere zwingt, ohne Gegen­leis­tung Zeit zu opfern, um Arbei­ten zu verrich­ten, so lässt sich dies als Skla­ve­rei bezeich­nen. Skla­ve­rei geht einher mit Frei­heits­be­rau­bung der Skla­ven und ist Dieb­stahl ihrer Lebenszeit.
Skla­ve­rei ist in der soge­nann­ten „zivi­li­sier­ten Welt“ mora­lisch geäch­tet und gesetz­lich unter­sagt. Trotz­dem findet sie in einem Maße statt, das nur weni­gen bewusst ist. Der Groß­teil der Mensch­heit wird dabei von einer klei­nen vermö­gen­den Élite als Skla­ven einge­setzt – legi­ti­miert und geför­dert durch Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Poli­tik, einem passen­den Rechts­sys­tem sowie einem durch indi­rek­te Wirkungs­wei­sen undurch­sich­tig wirken­den Wirt­schafts­sys­tem. Diese weit­rei­chen­de Aussa­ge verlangt berech­tig­ter­wei­se eine Erklä­rung. In einer Wirt­schaft gibt es grund­sätz­lich nur zwei Arten von Einkom­men: Arbeits­ein­kom­men und Kapi­tal­ein­kom­men. Arbeits­ein­kom­men wird von jenen erzielt, welche ihre Arbeits­kraft gegen Lohn oder Gehalt anbie­ten. Kapi­tal­ein­kom­men erhal­ten die Bereit­stel­ler von Kapi­tal, häufig auch „Inves­to­ren“ oder „Kapi­ta­lis­ten“ genannt. Dabei „strei­ten“ sich aber beide Inter­es­sen­grup­pe um ein Gesamt­ein­kom­men, nämlich um das, was inner­halb einer bestimm­ten Peri­ode in der Volks­wirt­schaft produ­ziert wird. Verein­facht: das Volks­ein­kom­men. Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeitseinkommen

Insge­samt kann in einer Volk­wirt­schaft nur das verteilt werden, was zuvor produ­ziert wurde. Wenn also Kapi­tal­be­reit­stel­ler und Arbeits­zeit­be­reit­stel­lern sich die Gesamt­pro­duk­ti­on teilen müssen, so wird deut­lich, dass die jewei­li­ge Gruppe nur das bekom­men kann, was die andere Gruppe „übrig“ gelas­sen hat. Es gilt also:
Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeitseinkommen.

Anhän­ger marxis­ti­scher Wirt­schafts­theo­rien unter­tei­len aufgrund dieser Einkom­mens­ar­ten die Gesell­schaft in „Klas­sen“,
in diesem Fall in „Arbei­ter­klas­se“ und „Kapi­ta­lis­ten“. In unse­rer Gesell­schaft ist es weit­ge­hend unhin­ter­frag­ter Bestand­teil, dass die Bereit­stel­ler von Kapi­tal einen entspre­chen­den Bonus erhal­ten. Dieser Bonus nennt sich Zins, Divi­den­de, Miete, Ausschüt­tung oder Rendi­te. Die Summe aller dieser Boni, die in einer Volks­wirt­schaft meist von Unter­neh­men gezahlt werden, nennt man Kapitalkosten.

Die Kapi­tal­kos­ten der Unter­neh­mer sind entspre­chend Kapi­tal­ein­kom­men der Kapi­tal­ge­ber. Diese Kapi­tal­ein­kom­men müssen von den Unter­neh­men aber über den Verkauf von Produk­ten erzielt werden. Oder anders: Die Kunden der Unter­neh­men bezah­len nicht nur die Kosten für real getane Arbeit in den Unter­neh­men (Perso­nal­kos­ten), sondern auch die darüber
hinaus­ge­hen­den Boni für die Kapi­tal­ge­ber. Jeder Kunde zahlt somit Kapi­tal­ein­kom­men über die Preise. Helmut Creutz kommt in seinen Analy­sen auf einen durch­schnitt­li­chen Kapi­tal­kos­ten­an­teil in den Verkaufs­prei­sen von bis zu 40 %.
Ein Beispiel soll zeigen, dass diese Zahlen durch­aus realis­tisch sind. Bekannt­lich erhal­ten Vermie­ter allein für den
Besitz ihrer Immo­bi­lie vom Mieter ein Einkom­men (Miete), zu welchem die laufen­den Kosten in Form von „Neben­kos­ten“
hinzu­ge­rech­net werden. Bei einer Wohnung im Wert von 100.000 Euro erwar­tet der Besit­zer eine Verzin­sung seines inves­tier­ten Kapi­tals mindes­tens entspre­chend dem Geld­markt­zins­satz. Eine Verzin­sung von 5 % entsprä­che hier­bei 5.000 Euro jähr­lich bzw. ca. 420 Euro monat­lich, die der Mieter pro Jahr an den Wohnungs­be­sit­zer bezah­len muss.

Dieser Zahlung steht keine konkre­te Leis­tung gegen­über, weil der Bau der Immo­bi­lie offen­sicht­lich bereits abge­schlos­sen ist und nun nur noch die Knapp­heits­si­tua­ti­on auf dem Markt vom Besit­zer ausge­nutzt wird. Beträgt die Monats­mie­te dieser beispiel­haft ange­nom­me­nen Situa­ti­on 600 Euro, so entspre­chen die ca. 420 Euro monatlicher
Kapi­tal­kos­ten etwa 70 % des „Wohnungs­prei­ses“. Dabei gilt: Je höher der Kapi­tal­ein­satz bei einem Produkt, umso höher auch die Kapi­tal­kos­ten­an­tei­le (Kosten für den Mieter, Einkom­men für den Vermie­ter) in den Verkaufspreisen.

Leis­tungs­lo­ses Einkom­men = Einkom­mens­lo­se Leis­tung = gestoh­le­ne Lebens­zeit = gesell­schaft­lich legi­ti­mier­te Sklaverei
Kapi­tal­ein­kom­men stel­len genau den Punkt dar, an welchem von gesell­schaft­li­cher Skla­ve­rei die Rede sein darf. Dieje­ni­gen, die Kapi­tal­ein­kom­men durch die Bereit­stel­lung ihres Eigen­tums erzie­len, müssen dafür Arbeits- und Kapi­tal­ein­kom­men nichts tun. Sie erzie­len diese Einkom­men allein durch den Besitz. Man spricht deshalb von „leis­tungs­lo­sen Einkommen“.Erkennbar sollte sein, dass dann, wenn jemand Einkom­men erzielt, ein ande­rer Ausga­ben haben muss. Wenn also die Kapi­tal­be­sit­zer Einkom­men erzie­len, ohne eine Leis­tung dafür zu erbrin­gen, so müssen andere eine Leis­tung erbrin­gen, ohne dafür ein Einkom­men zu erzie­len: einkom­mens­lo­se Leis­tung. Erbracht werden muss diese Leistung
ohne Gegen­leis­tung von allen Kunden, die über die Preise – ohne wirk­lich eine Wahl zu haben – erhöh­te Ausga­ben haben.
Die meis­ten Kunden sind aber Arbeit­neh­mer, die ihre Einkäu­fe mit ihrer Lebens­zeit bezah­len, indem sie in ihrem Job, ihr Know-how und ihre Arbeits­zeit zur Verfü­gung stel­len. Einkom­mens­lo­se Leis­tung ist demnach nichts weiter als Zeit­auf­wand der Arbei­ten­den ohne eine entspre­chen­de Gegen­leis­tung erwar­ten zu dürfen. Oder eben: Skla­ve­rei mittels eines auf Kapi­tal­ein­kom­men basie­ren­den Wirt­schafts­sys­tems zuguns­ten der Besit­zen­den. Micha­el Ende hat diese Zusam­men­hän­ge in seinem Buch „Momo“ meta­pho­risch darge­stellt. Dort wird den Bewoh­ner von den „Zeit­die­ben“, welche die Menschen zum „Zeit­spa­ren“ bewe­gen, hinter­lis­tig ihrer Lebens­zeit und Lebens­freu­de beraubt. Es gibt mehre­re Gründe, die heuti­gen Besitz­stän­de und die Möglich­keit der Erzie­lung leis­tungs­lo­ser Einkom­men (Kapi­tal­ein­kom­men) in Frage zu stellen.

Zum einen geht es hier­bei um Gerech­tig­keit. Die Aneig­nung der Arbeits- und damit Lebens­zeit ande­rer, nur durch den bloßen Besitz, wäre mora­lisch zu verur­tei­len. Abseits von einer Moral­dis­kus­si­on ist jedoch auch die Stabi­li­tät eines Wirt­schafts­sys­tems gefähr­det, wenn es leis­tungs­lo­se Einkom­men zulässt. Die Ursa­che zykli­scher Wirt­schafts­kri­sen in kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­te­men ist nicht in zu hohen Lohn­ne­ben­kos­ten oder zu gerin­gen Wachs­tums­ra­ten zu finden, wie uns eine auf dem kapi­ta­len Auge blinde poli­ti­sche „Élite“ weis­ma­chen will, sondern in einem Vertei­lungs­pro­blem des
Wirt­schafts­sys­tems. Lässt man leis­tungs­lo­se Kapi­tal­ein­kom­men zu, so bedeu­tet das, dass Kapi­tal­be­sit­zer allein durch die Nicht-Zurück­hal­tung ihres Kapi­tals noch mehr Kapi­tal erzie­len. Sie nutzen ihren Besitz­vor­teil gegen­über der Gesell­schaft, indem sie ihr „Privat­ei­gen­tum“ nur gegen eine Beloh­nung zur Verfü­gung stel­len. Die Vermö­gen der Besit­zen­den werden auf diesem Wege immer größer. Die stän­dig wach­sen­den Vermö­gen werden jedoch erneut zins­brin­gend in der Volks­wirt­schaft inves­tiert und erhö­hen somit die Kapi­tal­ein­kom­men der späte­ren Peri­oden und so weiter. Dies ist ein sich expo­nen­ti­ell beschleu­ni­gen­der Prozess.

Anhand von Volks­ein­kom­men = Kapi­tal­ein­kom­men + Arbeits­ein­kom­men lässt sich ablei­ten, dass nur dann die Kapi­tal­ein­kom­men stei­gen können, ohne die Arbeits­ein­kom­men zu schmä­lern, wenn die Gesamt­wirt­schaft wächst (= stei­gen­des Volks­ein­kom­men). Anhand dieser simp­len Zusam­men­hän­ge ließe sich somit nicht nur der Wachstumszwang
unse­rer Volks­wirt­schaf­ten erklä­ren (Wachs­tum, Wachs­tum über alles), sondern kann zugleich abge­le­sen werden,
welcher Inter­es­sen­grup­pe die heuti­ge Wirt­schafts­po­li­tik wirk­lich dient: den Kapi­tal­be­sit­zern. Der Kapi­ta­lis­mus als insta­bi­les Gesell­schafts­sys­tem Ein Wirt­schafts­sys­tem, das leis­tungs­lo­se Kapi­tal­ein­kom­men zulässt, tendiert dazu, den Besit­zen­den immer mehr Besitz zuzu­schan­zen, während für die Arbei­ten­den immer weni­ger übrig bleibt. Es dürfte selbst den Reichs­ten der Reichen auffal­len, dass eine Gesell­schaft, welche diesen Gesetz­mä­ßig­kei­ten unter­liegt, nicht dauer­haft stabil sein kann, sondern sich in Arm und Reich aufspal­tet und zugleich die Wirt­schaft schä­digt. Denn:
Arbeits­ein­kom­men werden über­wie­gend verkon­su­miert, anstatt inves­tiert, kurbeln demnach den Konsum und damit den Wirt­schafts­kreis­lauf an und helfen vor allem der klei­nen und mittel­stän­di­schen Wirt­schaft. Kapitaleinkommen
dage­gen werden meist nur dann in die Wirt­schaft in Form von Inves­ti­tio­nen oder Kredi­ten „zurück­ge­führt“, wenn eine entspre­chen­de Rendi­te erzielt wird – was erneut die Konzen­tra­ti­on der Vermö­gen und damit die Insta­bi­li­tät des Wirt­schafts­sys­tems fördert.

Bischof Tebartz-van Elst. Bild: Bistum Limburg 0

Limburg: Das „Wandlitz“ der Kirche – Norbert Rost

Wieso schreit das Volk plötz­lich auf, wo es um die konse­quen­te Mittel­ver­wen­dung eines bischöf­li­chen Stuhls geht?

Was war das damals für ein Thea­ter, als erst­mals ein Film­team in die Sied­lung des SED-Polit­bü­ros kam und doku­men­tier­te, wie die Obers­ten des
DDR-Staa­tes lebten. „Wand­litz“ ist seit­dem im Osten ein Begriff für die Abson­de­rung der Herr­schen­den und zugleich für die Armse­lig­keit ihrer Lebens­wei­se. Zugleich ist „Wand­litz“ aber auch ein Symbol für die Skan­da­li­sie­rung der Vier­ten Macht, die anno 1989 Bana­nen und Oran­gen in den Mittel­punkt der Wand­litz-Bericht­erstat­tung rücken musste, weil es bei all der Spie­ßig­keit viel mehr kaum zu skan­da­li­sie­ren gab.

2013 nun kriegt die katho­li­sche Kirche ihr „Wand­litz“, es wird künf­tig „Limburg“ heißen. Ein altern­der Bischof, der in seiner Zunft dennoch als
„jung“ gilt, hat sich eine Luxus-Hütte bauen lassen, die symbo­lisch für die Abge­ho­ben­heit der Kirchen­fürs­ten steht. Einige nehmen an, er sei „verrückt“, was auch immer das heißen mag. Aber wer ist schon „verrückt“, wenn er zum Auto­kra­ten bestimmt über angeb­lich 100 Millio­nen Euro schwar­zer Bischofs­kas­sen verfü­gen kann und dies auch tut? Ist er nicht konse­quen­ter Arbeits­platz­be­schaf­fer, wenn er das Geld
seiner Insti­tu­ti­on ausgibt, statt es zins­brin­gend anzu­le­gen? Ist nicht die Arbeits­platz­re­li­gi­on gesell­schaft­lich so breit gewach­sen, dass selbst Sozi­al­de­mo­kra­ten als Gläu­bi­ge gelten müssen? Wo alles getan wird, um Arbeits­plät­ze unge­ach­tet von Wech­sel- und Neben­wir­kun­gen zu schaf­fen, muss doch die ganze Gesell­schaft und nicht nur ein einzel­ner Bischof als „verrückt“ gelten!

Zudem: Luxus, Protz und kranke Bauwut gibt es ja bei weitem nicht nur in Limburg. Viel­mehr quel­len diese Sakra­men­te tagtäg­lich aus all jenen Medi­en­ka­nä­len, die sich jetzt der Hetz­jagd an das waid­ge­schos­se­ne Kirchen­tier anschlie­ßen. Als wäre Reich­tum nicht das Ziel jedes Arbeits­le­bens? Als wären Millio­nen­ge­häl­ter von Fußball­spie­lern (Fußball­spie­ler!!) nicht gesell­schaft­lich akzep­tiert und sogar hochgeachtet,
teil­wei­se sogar unter Erlas­sung aller Steu­er­sün­den? Wieso schreit das Volk plötz­lich auf, wo es um die konse­quen­te Mittel­ver­wen­dung eines bischöf­li­chen Stuhls geht, der doch wohl mit seinem Gelde tun und lassen kann, was ihm beliebt? Zumal seine Mitglie­der sich immer mehr ausdün­nen und damit immer mehr Vermö­gen auf immer weni­ger Köpfe zu vertei­len bleibt (sofern man auf die verrück­te Idee käme, SO ETWAS zu tun).

Helmut Creutz 2013
Foto: Privat
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Problemfeld Inflation – Helmut Creutz

„Infla­ti­on ist nicht nur Betrug am Sparer, nicht nur die unso­zi­als­te Form der Umver­tei­lung, sondern auch die Erwerbs­lo­sig­keit von morgen. Längst ist wider­legt, dass fünf Prozent Infla­ti­on leich­ter zu ertra­gen seien als fünf Prozent Arbeits­lo­sig­keit; viel­mehr sind null Prozent Infla­ti­on die vorzüg­lichs­te Voraus­set­zung für null Prozent Erwerbs­lo­se. Der Glaube, Voll­be­schäf­ti­gung lasse sich mit ‚ein biss­chen Preis­stei­ge­rung‘ erkau­fen, musste welt­weit teuer bezahlt werden.“ Peter Gillies, 1987

Das schrieb Peter Gillies, Chef­re­dak­teur der deut­schen Tages­zei­tung DIE WELT, im Jahre 1987, als die Infla­ti­on – zum drit­ten Mal in der Nach­kriegs­zeit – wieder zu einem stei­len Anstieg ansetz­te. Und zwar bezo­gen auf eine Aussa­ge des dama­li­gen Bundes­kanz­lers Helmut Schmidt, der bereits in den 1970er Jahren einmal die Ansicht vertre­ten hatte, dass „fünf Prozent Infla­ti­on besser sind als fünf Prozent Arbeitslosigkeit!“ –

Wie frag­wür­dig diese Auffas­sung jedoch war, geht aus der Darstel­lung 1 hervor, die jenen Zeit­raum zwischen 1965 und 2005 erfasst, in dem die Infla­ti­ons­sät­ze drei Mal Höchst­stän­de erreich­ten. Erkenn­bar werden daraus auch die jewei­li­gen Folgen: Anstie­ge der Zins­sät­ze und – mit etwa zwei­jäh­ri­ger Verzö­ge­rung – die der Arbeits­lo­sig­keit sowie der zusätz­lich einge­tra­ge­nen Firmenpleiten.

Diese Auswir­kun­gen in der Real­wirt­schaft werden noch deut­li­cher, wenn man – wie in der Grafik gesche­hen – die Infla­ti­ons- und Zins­kur­ven einmal um zwei Jahre nach rechts verschiebt und damit die zeit­li­chen Verzö­ge­run­gen zwischen
beiden Vorgän­gen neutra­li­siert. Nun mag die Infla­ti­on in unse­ren Tagen und ange­sichts der heuti­gen Raten von inzwi­schen etwa zwei Prozent, gar kein großes Thema mehr sein. Aber denkt man an die Massen von Bargeld, die heute in der Welt vorhan­den aber nicht im Umlauf sind, kann sich das sehr schnell verän­dern! Deshalb ist es auch in unse­ren Tagen sinn­voll, sich nicht nur an jene Hyper­in­fla­ti­on der Zwan­zi­ger Jahre zu erin­nern, sondern sich auch mit jenen Entwick­lun­gen aus unse­rer Wirt­schafts­epo­che zu befas­sen, die – bezo­gen auf die letz­ten Jahr­zehn­te – aus der Darstel­lung 1 hervorgehen.

Infla­tio­nen als Ursa­chen der Konjunk­tur­schwan­kun­gen Wie diese Darstel­lung vermit­telt, war die Ursa­che des stän­di­gen Auf und Ab in unse­rer jüngs­ten Vergan­gen­heit im ersten Schritt die Schwan­kun­gen der Infla­ti­ons­sät­ze, denen dann im Gleich­schritt jeweils die der Gutha­ben- und Kredit­zin­sen folg­ten. Aufge­schla­gen wird bei diesen Kredit­zin­sen dann noch
jene Marge, mit der die Banken ihre eige­nen Kosten absi­chern, vor allem für Perso­nal und Risiko. Und natür­lich – wie bei jedem Unter­neh­men – auch noch der betriebs­not­wen­di­ge Gewinn, der allei­ne schon zur Bedie­nung des Eigen­ka­pi­tals erfor­der­lich ist. Aus der Darstel­lung 1 geht vor allem aber auch der lang­fris­ti­ge Anstieg des Arbeitslosensockels
hervor, auf den sich die infla­ti­ons­be­ding­ten aktu­el­len Schübe jeweils aufsat­teln. Wieder­ge­ge­ben ist diese Arbeits­lo­sig­keit jeweils in Prozen­ten der Erwerbs­tä­ti­gen, als so genann­te „Arbeits­lo­sen­quo­te“, deren Sockel – wie
ersicht­lich – von etwa einem Prozent Anfang der 1970er Jahre bis 2005 auf fast zehn Prozent ange­stie­gen ist. Die über der Arbeits­lo­sen­quo­te einge­tra­ge­ne zusätz­li­che Kurve der Insol­ven­zen, also der Firmen­schlie­ßun­gen, folgt – wie ersicht­lich – mit ihren Schwan­kun­gen eben­falls den Entwick­lun­gen von Infla­ti­on und Zinsen, verstärkt sogar ab 1990.

Und was sind die Ursa­chen der Inflation?

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Die Welt retten – aber wie? – Wilhelm Schmülling

Da gibt es zwei Grup­pen. Die einen tun so als ob sie die Welt retten und verdie­nen dabei gut; die ande­ren wollen für die Rettung alles tun und verdie­nen dabei nichts. So ist eben das Leben in einer unge­rech­ten Welt. Wer sich damit abfin­det, ist ein Defätist[1], wer nicht ein Optimist.
([1] Jemand, der mut- und hoffungs­los ist und annimmt, dass sich alles nega­tiv entwi­ckeln wird.)

Wenn selbst ein Kaba­ret­tist seine Sendun­gen mit „Welt retten“ (Priol) ankün­digt, blei­ben seine Aussa­gen wenig konkret, gleich­wohl rütteln sie die Bürger mehr auf als jedes Partei­pro­gramm, das im Gegen­satz zu Kaba­rett­ver­an­stal­tun­gen ernst genom­men werden möchte. Ein Kaba­rett verlangt nach­den­ken, ein
Partei­pro­gramm nach­plap­pern; womit sich Bewer­tungs­kri­te­ri­en erübrigen.

Ist nun das Anlie­gen, die Welt zu retten völlig abwe­gig? Nach den Aussa­gen von Wahl­kampf­red­nern, es gehe uns in Deutsch­land doch gut, ist wohl die Rettung Deutsch­lands nicht gefragt, die Rettung Ameri­kas von Europa aus jedoch unmög­lich. Denn die Verschul­dung der USA ist das Problem und macht die Finanz­märk­te nervös. Auf allen Welt(gipfel)-Konferenzen ist es mit der Ruhe vorbei, seit­dem die USA, der Anker der Welt­wirt­schaft, krampf­haft in aller Öffent­lich­keit versucht, die Pleite abzu­wen­den. Der IWF (Inter­na­tio­na­le Währungs­fonds) kann bei einem Schul­den­stand von 16,7 Billio­nen US-Dollar nur mahnen, nicht helfen. Ameri­ka muss sich schon selbst aus dem Sumpf einer auf Kapi­tal­ertrag ausge­rich­te­ten Wirt­schafts­ord­nung ziehen, die immer noch als Markt­wirt­schaft getarnt wird. Ein solcher Etiket­ten­schwin­del redu­ziert jeden Rettungs­ver­such auf Banken­ret­tung, deut­li­cher gesagt auf Systemrettung.

Das System zu erken­nen, ist weit schwie­ri­ger als das Erken­nen seiner Auswir­kun­gen. Leicht ist es vorzu­ge­ben, die notlei­den­de Natur und die notlei­den­den Menschen in den Mittel­punkt poli­ti­schen Wirkens zu stel­len. Hart im Raum der Finan­zen steht die Wand aus Geld gebrannt. Mitte Okto­ber erleb­te die Welt, was ein unter­bro­che­ner Geld­kreis­lauf in den USA bewirkt: Chaos bei den Sozi­al­sys­te­men und bei vielen Unter­neh­men. Oft tref­fen Volks­weis­hei­ten ins Schwar­ze. „Der Rubel muss rollen“ ist so eine. Wird ein Staat zahlungs­un­fä­hig, bricht das Gemein­we­sen zusam­men. Lebens­mit­tel­vor­rä­te retten allenfalls
über einige Tage. Und dann? Es kommt zu Gewalt­aus­brü­chen, in den Geschäf­ten und vor den Banken. Man mag sich die Auswir­kun­gen einer länge­ren Zahlungs­blo­cka­de gar nicht vorstellen.

Nun wäre es billig, hier die vorzu­neh­men­den Maßnah­men im Einzel­nen aufzu­füh­ren, denn sie wären nur ein Kurie­ren an den Sympto­men einer falschen Geld­ord­nung. Die ameri­ka­ni­sche Zentral­bank (in priva­tem Besitz) und auch die Euro­päi­sche Zentral­bank (im Besitz der euro­päi­schen Staa­ten) bekämp­fen die Krise mit der Ausga­be einer zusätz­li­chen riesi­gen Geld­men­ge. Zu diesem Zweck kaufen sie am soge­nann­ten „Sekun­där­markt“, also von Banken und Fonds, Staats­an­lei­hen auf. Das dient der Stabi­li­sie­rung des Finanz­mark­tes und beför­dert die Speku­la­ti­on. Dort aber werden keine Werte geschaf­fen. Symptom­be­hand­lung ist nicht nur verge­bens, sie ist krisenverschärfend.

Eine der segens­reichs­ten Erfin­dun­gen der Mensch­heit, das Geld, wurde zweck­ent­frem­det. Geld ist ein Tausch­mit­tel. Alle ande­ren Verwen­dungs­mög­lich­kei­ten wie zur Wertauf­be­wah­rung, Speku­la­ti­on und Zins-Erpres­sung sind Verge­wal­ti­gun­gen zum Zweck, sich den Arbeits­er­trag ande­rer Menschen anzu­eig­nen. Ist das sozial? Es ist immer noch legal. Wie lange noch?

Dabei ist die Umstel­lung von einer Kapi­tal­ertrags­ori­en­tie­rung auf eine Arbeits­er­trags­ori­en­tie­rung durch flie­ßen­des Geld so einfach, dass man sich wundert, wieso dieser Weg noch nicht beschrit­ten wurde. In der Demo­kra­tie bestimmt die Mehr­heit die Poli­tik und das sind die werte­schaf­fen­den Arbei­ter und Unter­neh­mer. Die Minder­heit der Kapi­tal­rent­ner (1% der Bürger) stellt sich dage­gen – verständ­li­cher­wei­se. Haben die werte­schaf­fen­den Bürger dafür Verständnis?

Wer die Welt retten will, muss damit begin­nen, das jetzi­ge Wirt­schafts­sys­tem als unge­recht zu erken­nen, um es in eine natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung umzuwandeln.

„Das Volk leidet, wenn die Herr­schen­den es aussau­gen, daher seine Not.“ Lao-Tse, Tao Te King

ans Ruder © 2013 Pat Christ
Foto: © Pat Christ
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Vorgegaukelte Demokratie – Pat Christ

Hambur­ger Poli­tik­wis­sen­schaft­ler unter­su­chen Entwick­lung hin zur Postdemokratie

Wohin steu­ert unsere Poli­tik? Nach Ansicht vieler Poli­tik­wis­sen­schaft­ler mitten hinein in die Post­de­mo­kra­tie. Erkenn­bar, sagen sie, ist dies vor allem daran, wie Poli­tik heute begrün­det wird. Dem demo­kra­ti­schen Ideal zufol­ge ist Poli­tik prin­zi­pi­ell verhan­del­bar. Doch de facto wird heute immer weni­ger debat­tiert, ver- und ausge­han­delt. Was angeb­lich zwin­gend imple­men­tiert werden muss, steht von vorne­her­ein fest.

Die Globa­li­sie­rung ist nur eine Entwick­lung von vielen, die so, wie sie sich voll­zieht, als schick­sals­haft und alter­na­tiv­los darge­stellt wird. Poli­ti­sche Gegen­ar­gu­men­te sind rar. Aber auch in ande­ren Feldern wird poli­ti­sches Handeln zuneh­mend als „alter­na­tiv­los“ darge­stellt. Wirt­schaft­li­che Sach­zwän­ge und Zwänge des Mark­tes, Effi­zi­enz- und Kosten­ar­gu­men­te dienen immer häufi­ger als Begrün­dung für Entschei­dun­gen. Für den Bürger ist dies nicht unbe­dingt zu verspü­ren – handelt es sich doch um einen schlei­chen­den Prozess. Bürge­rin­nen und Bürger, die sich wünschen, in einer Welt zu leben, die noch halb­wegs in Ordnung ist, behar­ren darauf: Wir haben eine Demo­kra­tie! Inwie­weit wir tatsäch­lich längst im Post­de­mo­kra­ti­schen gelan­det sind, das unter­sucht Matthi­as Lemke an der Helmut-Schmidt-Univer­si­tät in Hamburg. Über 3,5 Millio­nen Zeitungs­ar­ti­kel aus der Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung, der ZEIT, der Süddeut­schen Zeitung und der taz, die seit 1949 erschie­nen, werden seit einem Jahr von ihm und seinen Kolle­gen ausge­wer­tet. Das Projekt dauert noch zwei Jahre. Viel häufi­ger „unver­zicht­bar“ Nach wie vor werden Wahlen durch­ge­führt und Regie­run­gen wech­seln. Doch das hat mit Demo­kra­tie immer weni­ger zu tun, erga­ben laut Lemke die bishe­ri­gen Ergeb­nis­se. „Wir unter­su­chen unter ande­rem die Häufig­keit von Wörtern im Zeit­ver­lauf“, erklärt er gegen­über der HUMANEN WIRTSCHAFT: „Dazu etablier­ten wir ein Wörter­buch mit Begrif­fen, die Alter­na­tiv­lo­sig­keit ausdrücken.“

Statt stich­hal­ti­ge Argu­men­te zu liefern, operie­ren Anhän­ger der Alter­na­tiv­lo­sig­keits­rhe­to­rik zum Beispiel gern mit den Worten „unver­zicht­bar“, „unab­ding­bar“ oder „Sach­zwang“. Lemke: „Solche Wörter haben zuge­nom­men.“ Im nächs­ten Schritt werden die Begrif­fe analy­siert, die sich in der Nach­bar­schaft dieser Wörter befin­den. So kann fest­ge­stellt werden, in welchem Kontext etwa in einem Zeitungs­be­richt vom „Sach­zwang“ die Rede ist. Mit diesem Wort könnte ja auch davor gewarnt werden, die Demo­kra­tie auszu­höh­len. Dann wäre das Wort „Sach­zwang“ als nega­ti­ver Begriff in einem Arti­kel aufge­taucht. „Derzeit wissen wir einfach noch nicht, ob die Nach­bar­wör­ter jeweils posi­tiv oder nega­tiv sind“, sagt Lemke. Klar sei auf alle Fälle, dass gerade im Kontext der poli­ti­schen – weni­ger der wirt­schaft­li­chen – Bericht­erstat­tung heute Wörter, die der Alter­na­tiv­lo­sig­keits­rhe­to­rik entstam­men, wesent­lich häufi­ger auftre­ten als früher. Am stärks­ten ist der Zuwachs beim Wort „alter­na­tiv­los“. Aber auch „unver­zicht­bar“ wird von Polit­kern heute häufi­ger verwen­det als in der Nachkriegsära.

Andreas Bangemann 0

Möglichkeitsräume – Andreas Bangemann

Aris­to­te­les erkann­te bereits, dass in der Demo­kra­tie „wo die Bürger, da sie sich gleich­ge­stellt sind und viele Dinge gemein­sam besit­zen“ das Prin­zip der Freund­schaft und Gegen­sei­tig­keit am meis­ten Raum hat, sich zu entfalten.

Dabei verstand er die Gleich­stel­lung ausdrück­lich ökono­misch und nicht etwa juris­tisch, wie das heute in politischen
Sonn­tags­re­den immer betont wird.

Das gesell­schaft­li­che Band der „polis“ ist am robus­tes­ten, wenn es hinsicht­lich der Über­schüs­se an mate­ri­el­lem, geis­ti­gem, künst­le­ri­schem und mensch­li­chem Wert­zu­wachs zu keinen Akku­mu­la­tio­nen – Anhäu­fun­gen bei eini­gen weni­gen – kommt. Die Teil­ha­be aller am Erwirt­schaf­te­ten, und zwar auf eine Weise, mit der die Exis­tenz gesi­chert und die Würde gewahrt ist, müsste der anzu­stre­ben­de Königs­weg jeder „Staats­füh­rung“ in demo­kra­ti­schen Ländern sein. Gelingt das nicht, spre­chen wir mit Recht von einem Schei­tern der Politik.

Wir befin­den uns bereits in einem Stadi­um, in dem nicht mehr die Frage ökono­mi­scher Gleich­stel­lung im Raum steht. Das bedroh­li­che Ausein­an­der­drif­ten von Arm und Reich zu verlang­sa­men, ist alles, was man noch anstrebt und errei­chen kann. Es ist, als hätten alle schon aufge­ge­ben. Als wäre das Schick­sal des sozia­len Ausein­an­der­bre­chens alter­na­tiv­los. Das ist vergleich­bar mit der Staats­schul­den­pro­ble­ma­tik. Ein Rück­gang der Neuver­schul­dung feiert man als heraus­ra­gen­den Erfolg, obwohl die Gesamt­si­tua­ti­on sich verschlech­tert hat.

Die Gemein­sam­keit der gängi­gen Vorschlä­ge für das weitere
Vorge­hen ist offen­kun­dig. Immer geht es um ein „mehr“.
Weil die erhoff­te Verbes­se­rung nicht eintritt, versucht man
es mit einer höhe­ren Dosis des glei­chen „Lösungs­mit­tels“.

Ferdinand Knauß 0

Die Fünf-Prozent-Hürde pervertiert den Wählerwillen – Ferdinand Knauß

Noch nie hat der Bundes­tag so wenige Wähler reprä­sen­tiert wie der jetzt gewähl­te. Die Fünf-Prozent-Hürde hat ein Ergeb­nis produ­ziert, das der poli­ti­schen Kultur scha­det. Sie muss endlich gesenkt werden.

Die Bundes­tags­wah­len 2013 waren aus ästhe­ti­scher Perspek­ti­ve ein Tief­punkt in der bundes­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te. Abgeschmackter
noch als die von jeder poli­ti­schen Aussa­ge befrei­ten Wahl­pla­ka­te und die Sprech­bla­sen beim so genann­ten Fern­seh­du­ell, über die schon vor dem 22. Septem­ber viel geklagt wurde, war die Reak­ti­on der Partei, die sich als der große Gewin­ner inter­pre­tiert. Wenn Angela Merkel und andere Spit­zen­po­li­ti­ker wie Volker Kauder und Hermann Gröhe in der Wahl­nacht vor laufen­den Kame­ras herum­wip­pen wie der Vorstand eines Karne­vals­ver­eins und „An Tagen wie diesen“ von den „Toten Hosen“ grölen, wenn also Partei­en das Ergeb­nis von Wahlen feiern wie den Gewinn einer Fußball­meis­ter­schaft, beschä­digt das die Würde dieses zentra­len Aktes der Souve­rä­ni­tät des Volkes.

Doch nicht nur die äußere Form, in der sich die Freude der Unions­par­tei­en äußer­te, sondern auch deren von den meis­ten Jour­na­lis­ten über­nom­me­ne Inter­pre­ta­ti­on eines angeb­lich klaren Auftra­ges für Merkel weiter­zu­re­gie­ren, war bei genaue­rer Betrach­tung befremd­lich. Denn die Frage, ob eine abso­lu­te Mehr­heit der Wähler – geschwei­ge denn der Wahl­be­rech­tig­ten – weiter von Merkel und der amtie­ren­den Koali­ti­on regiert werden möchte, lässt sich doch ganz eindeu­tig beant­wor­ten: Nein! Nur die Wähler von CDU/CSU (41,5 %) und FDP (4,8 %), also insge­samt 46,3 Prozent, wünsch­ten sich eine Fort­set­zung der Merkel­schen Kanz­ler­schaft. Alle ande­ren woll­ten das ganz offen­sicht­lich lieber nicht. In Wahr­heit verdankt Merkel ihre bevor­ste­hen­den weite­ren Regie­rungs­jah­re nicht dem Wähler­vo­tum, sondern allein der Koali­ti­ons­un­fä­hig­keit der Linken. Fünf-Prozent-Hürde verzerrt das Wahl­re­sul­tat Das wirk­lich Besorg­nis­er­re­gen­de an dieser Wahl, oder genau­er: an dem Parla­ment, das aus ihr hervor­geht, ist: Nie seit 1949 hat ein deut­scher Bundes­tag einen so gerin­gen Teil der Wahlberechtigten
reprä­sen­tiert wie der, der sich am 22. Okto­ber in Berlin konsti­tu­iert. Durch das knappe Schei­tern der FDP und der neu gegrün­de­ten Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (4,7 %) sowie die 2,2 % der Pira­ten und die 1,3 % der NPD ist der Anteil der nicht im Bundes­tag vertre­te­nen Wähler mit insge­samt rund 15,8 % so hoch wie nie zuvor in der deut­schen Parla­ments­ge­schich­te. Die den Wähler­wil­len verzer­ren­de Wirkung der Fünf-Prozent-Hürde war in vorher­ge­gan­ge­nen Wahlen längst nicht so stark, weil in der Regel keine oder allen­falls eine Partei knapp schei­ter­te – zum Beispiel 1969 die NPD (4,3 %) oder 1990 die Grünen im Westen (4,8 %). Meist erreich­ten alle „sons­ti­gen“ Partei­en zusam­men weni­ger als 5 %. Die Verzer­rung des Wahl­re­sul­tats ist bedenk­lich: Mit zusam­men nur 42,7 % der Stim­men haben SPD, Grüne und Linke im Bundes­tag eine rech­ne­ri­sche Mehr­heit von 320 von 631 Bundes­tags­sit­zen. An den Wahl­ur­nen dage­gen war ein zumin­dest nach herkömm­li­chem Schema klares Bild des Wähler­wil­lens erkenn­bar: Die Deut­schen haben zu rund 51 Prozent bürger­lich-libe­ral gewählt, wenn man zu den Stim­men der Unions­par­tei­en und der FDP noch die „Alter­na­ti­ve für Deutsch­land“ hinzu­zählt. Doch für den Bundes­tag und die nächs­ten vier Jahre im poli­ti­schen Berlin spielt dieser Wähler­wil­le keine Rolle. Ganz konkret bedeu­tet das zum Beispiel: Obwohl die Deutschen
die Steu­er­erhö­her­par­tei­en abge­wählt haben, werden sie wohl demnächst Staats­kas­se gebeten.

Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude 0

Einübung in eine freiwirtschaftliche Zukunft – Jörg Gude

Zum Geden­ken an den Jahr­hun­dertöko­no­men John Maynard Keynes, der vor 130 Jahren, am 5. 6. 1883, in Cambridge das Licht der Welt erblickte.

Ein Teil der Zukunft
ist schon Gegenwart 

„Ich glaube, daß die Zukunft mehr vom Geiste Gesells als von jenem von Marx lernen wird.“ Heute sind die Befür­wor­ter von Geld- und Boden­re­form aus der Gesell-Schule Träger dieser Botschaft. Was bedeu­tet dies für die Kommen­tie­rung und Veror­tung der heuti­gen Situa­ti­on mit Staats­schul­den­kri­se, Immo­bi­li­en­kri­se, Banken­kri­se, Euro­kri­se? – Die Euro- und die Banken­ret­tung werden uns noch länger beschäf­ti­gen. Die Erschei­nun­gen dieser Krise sind aber der Stoff, aus dem auch frei­wirt­schaft­li­che Blüten­träu­me gewirkt sind. Die real exis­tie­ren­de Ökono­mie verweist vergleich­bar dem Philo­so­phen Ernst Bloch in seinem „Prin­zip Hoff­nung“ im Gegen­wär­ti­gen auf das für Zukünf­ti­ges Ange­leg­te und Intendierte.

Gewiss, wir waren schon einmal weiter. Für eine kurze Zeit­span­ne, viel­leicht für ein histo­ri­sches Zeit­fens­ter, schien der Weg der Noten­ban­ken in einen Nega­tiv­zins geöff­net, als Mankiw und Buiter die Null­zins­schran­ke mit einem Nega­tiv­zins nach unten durch­bre­chen woll­ten und sich dabei auch auf Gesell bezo­gen. Noten­bank­po­li­tik und poli­ti­sche Krisen­be­wäl­ti­ger sind vorerst einen ande­ren Weg gegan­gen. Und doch geben uns die Krise und ihre Bewäl­ti­gung Finger­zei­ge und Inter­pre­ta­ti­ons­hil­fe für frei­wirt­schaft­li­che Lösungs- und Vermittlungsansätze.

Wie wirken nied­ri­ge oder gar in der Nähe von Null verlau­fen­de (Haben-)Zinsen? Wenn Anhän­ger der Geld­re­form­be­we­gung diese postu­lie­ren, so sind sie in der Vergan­gen­heit viel­leicht auf Unver­ständ­nis gesto­ßen. Jetzt können sie darauf verwei­sen, dass die Reali­tät die Utopie einge­holt hat. Auch können sie vorur­teils­frei die sich einstel­len­den Proble­me anschau­en und gege­be­nen­falls entschär­fen. Dafür können wir auch dank­bar sein, weil eine frei­wirt­schaft­li­che Zukunft dann ohne die späte­re Last der Wider­le­gung von Gegen­ar­gu­men­ten bereits jetzt argu­men­ta­tiv entwi­ckelt werden kann. Es ist leicht und billig zu behaup­ten, man habe immer schon das Krisen­haf­te der Entwick­lung vorher­ge­sagt und gewusst, selbst wenn diese Fest­stel­lung rich­tig ist. Dies haben die Marxis­ten auch stets betont und doch gefehlt in ihrer Lösung. Wir müssen im Jetzt für ein behut­sa­mes Verständ­nis werben, dass hohe Rendi­ten in der Gegen­wart und Zukunft nicht, oder nur gegen exor­bi­tan­te Risi­ken zu haben sind. 

Der Haben­zins beläuft sich etwas über oder um null Prozent. Für Anle­ger – auch Lebens­ver­si­che­run­gen – mit weiter zurück­lie­gen­dem Zins­ge­dächt­nis erscheint dies wie eine Kata­stro­phe für ihre Geld­an­la­ge. Und ange­sichts einer, wenn auch mäßi­gen Infla­ti­ons­ra­te bedeu­tet dies eine nega­ti­ve Real­ver­zin­sung auf das einge­setz­te Geld­ka­pi­tal. Der Rück­blick auf vermeint­lich golde­ne Zeiten bezüg­lich der Nomi­nal- und Real­ver­zin­sung geht in die 70er Jahre des vergan­ge­nen Jahr­hun­derts zurück, als die Infla­ti­ons­ra­ten hoch und akze­le­rie­rend waren und keines­wegs fest­stand, dass wenig später mittels einer restrik­ti­ven Geld­po­li­tik die Infla­ti­ons­er­war­tun­gen gebro­chen wurden mit den Folgen von Arbeits­lo­sig­keit, Unter­neh­mens­kon­kur­sen und Wachstumsschwäche.
Zurück­bli­ckend scheu­ten viele Anle­ger in der jüngs­ten Vergan­gen­heit eine lang­fris­ti­ge Anlage wegen der nied­ri­gen Zinsen und flüch­te­ten in die kurz­fris­ti­ge Anlage, die Liqui­di­tät (dieser Aspekt wird insbe­son­de­re von Eckhard Behrens vom Semi­nar für frei­heit­li­che Ordnung betont). Hier bewahr­hei­tet sich, was Frei­wir­te und Keyne­sia­ner, Silvio Gesell und John Maynard Keynes heraus­ge­ar­bei­tet haben: Unter­schrei­tet der Zins eine gewis­se Unter­gren­ze, stellt sich das Geld nicht zur Anlage ein. Das Rezept dage­gen ist die Geld­um­lauf­si­che­rung durch einen Umlaufs­an­trieb, Schwung oder Schwund oder eine Geld­steu­er, wie immer man dies auch benen­nen mag.

Der sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Spit­zen­kan­di­dat im hessi­schen Land­tags­wahl­kampf 2009 Thors­ten Schä­fer-Gümbel hatte die Idee einer Zwangs­an­lei­he bei Vermö­gen­den für den Staat. Jeder mit einem Vermö­gen über 750.000 € sollte 2 % hier­von für 15 Jahre dem Staat zu 2,5 % Zinsen zur Verfü­gung stel­len. In meinem Beitrag „Zwangs­an­lei­he für Reiche? – Nein Danke“ habe ich dage­gen­ge­hal­ten: „Warum sollte der Staat ausge­rech­net dieser Klien­tel einen Zins und eine Rendi­te von 2,5 % auf 15 Jahre garan­tie­ren?“ Ich habe dann weite­re Zins­sen­kun­gen voraus­ge­se­hen, die ja auch tatsäch­lich einge­tre­ten sind. 

Komm auf den Punkt! – Roland Spinola 0

Komm auf den Punkt! – Roland Spinola

Stel­len Sie sich folgen­de Situa­ti­on vor: In einer Unter­hal­tung sagt jemand „Sie haben sich doch mit Komple­men­tär­wäh­run­gen beschäf­tigt – worum geht es da eigent­lich?“ Das ist Ihre Chance! Wenn Sie jetzt kurz und klar darstel­len können, worum es geht, kann das der Beginn einer inter­es­san­ten Diskus­si­on werden!

Wie viel Zeit haben Sie? Eine Minute, viel­leicht zwei, wenn Ihr Gegen­über inter­es­siert ist! Und wie oft passiert es Ihnen, dass Sie ich verhas­peln, verspre­chen, vom Hölz­chen zum Stöck­chen kommen und schließ­lich merken, dass das Inter­es­se ihres Zuhö­rers – oder sind es gar mehre­re? – lang­sam nach­lässt. Ein paar höfli­che Bemer­kun­gen – dann wendet man sich ande­ren Themen zu.

Mein Kolle­ge Wolf­gang Enßlin beschreibt eine Vari­an­te, die wohl jedem von uns schon passiert ist – sei es als Opfer oder als Täter: „Sie wollen Ihrem Gegen­über eine faszi­nie­ren­de Idee oder einen wich­ti­gen Gedan­ken­gang erklä­ren … und spon­tan wird bei Ihnen ein unge­hemm­ter Rede­fluss ausge­löst – wie in einem Weizen­si­lo: Klap­pen­he­bel auf und das Korn fließt heraus auf den darun­ter stehen­den Empfän­ger, der nur noch ‚Bahn­hof‘ versteht. Ihr Zuhö­rer schal­tet ganz einfach ab.“

Woran liegt’s?

An mangeln­dem Wissen in den wenigs­ten Fällen. Weshalb gelingt es dann so selten, unser Wissen und Ideen klar, kurz und wirkungs­voll zu kommunizieren?

„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“, hat Martin Luther die Regeln für einen guten Vortrag zusam­men­ge­fasst. Und Kurt Tuchol­sky meinte: „Klare Dispo­si­ti­on im Kopf – möglichst wenig auf dem Papier. Haupt­sät­ze, Haupt­sät­ze, Haupt­sät­ze. Merke: wat jestri­chen is, kann nich durchfalln.“

Finanzzirkus 0

Der Krieg gegen die arbeitende Bevölkerung – Wolfgang Berger

Im Jahre 1870 bildet die Londo­ner Manège-Schule erst­mals Zirkus­di­rek­to­ren aus. Die Abschluss­qua­li­fi­ka­ti­on für die erfolg­rei­chen Absol­ven­ten ist eine Berufs­be­zeich­nung, die hundert Jahre später auch woan­ders in Mode kommt: Mana­ger. Der Begriff leitet sich vom latei­ni­schen „manum agere“ ab: jemand an der Hand führen.

Im Zirkus hat es ange­fan­gen. Kennen Sie das? Zirkus­tie­re werden an der Leine geführt, mit Tricks und Gewalt dres­siert und zu Kunst­stü­cken gezwun­gen, die sie von sich aus nie tun würden. So wie Zirkus­tie­re gegen ihre Natur auf ein nicht artge­rech­tes Verhal­ten gedrillt werden, dril­len Unter­neh­men viele Menschen gegen ihre Natur auf ein nicht artge­rech­tes Verhalten.

„Angst und Geld sind das einzi­ge, was Mitar­bei­ter moti­viert“, meinte Jeffrey Skil­ling, Chef der Enron Corpo­ra­ti­on – einem Ener­gie­kon­zern aus Texas – bis zur spek­ta­ku­lä­ren Pleite in 2001. Der Harvard Absol­vent hatte seine Karrie­re bei der Unter­neh­mens­be­ra­tung McKin­sey begon­nen und dann den größ­ten Wirt­schafts­kri­mi des 20. Jahr­hun­derts insze­niert. Nach jahre­lan­gen Anfech­tungs­kla­gen hat im Sommer 2013 ein Bezirks­rich­ter in Hous­ton, Texas, seine Gefäng­nis­stra­fe von 24 auf 14 Jahre redu­ziert – gegen Zahlung von 40 Millio­nen Dollar.
Die Share­hol­der-Value-Doktrin zerbricht die Menschen 

Die Enron-Pleite hat 22.000 Menschen arbeits­los gemacht und zugleich ihre Alters­ver­sor­gun­gen vernich­tet. In den letz­ten fünf Jahren vor dem Zusam­men­bruch hat Enron seinen Gewinn jähr­lich um 65 Prozent stei­gern können. Der nach der Börsen­ka­pi­ta­li­sie­rung gemes­se­ne Wert des Unter­neh­mens war welt­weit an sechs­ter Stelle. Namhaf­te Exper­ten haben im Jahre 2000 den Enron-Verwal­tungs­rat (Board) als einen der fünf besten der USA bewertet.

In weni­gen Tagen ist dann das Karten­haus aus Gier, Skru­pel­lo­sig­keit und Größen­wahn zusam­men­ge­fal­len. Auslö­ser für eine Unter­neh­mens­stra­te­gie, die zunächst von der Fach­welt bewun­dert und anschlie­ßend von einem Tsuna­mi regel­recht über­rollt wird, ist ein US-ameri­ka­ni­sches Gerichts­ur­teil. Weil alle großen Firmen eine Nieder­las­sung in den USA haben und dort mit astro­no­mi­schen Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen verklagt werden können, hinter­lässt es eine Spur auf der ganzen Welt:

1932 grün­den Joseph und Charles Revson die Kosme­tik­fir­ma Revlon. Zu Beginn der 1980er Jahre inter­es­siert sich die Leitung der Firma für die Gewin­ne der Eigen­tü­mer, aber außer­dem auch noch für Belan­ge von Beleg­schaft, Kunden und Liefe­ran­ten. Da wird sie verklagt. 1985 verur­teilt der Dela­ware Supre­me Court (das höchs­te Gericht des Bundes­staa­tes) die Führung des Unter­neh­mens. Nach dem Urteil des Gerichts muss die Leitung eines Unter­neh­mens der Eigen­tums­meh­rung der Aktio­nä­re alles – wirk­lich alles andere unter­ord­nen. Mit diesem Urteil gelingt es Ronald Pere­man, die Akti­en­ge­sell­schaft „feind­lich“ zu über­neh­men. Und das heißt: Gegen den erbit­ter­ten Wider­stand der Beleg­schaft und der Unternehmensleitung.

Das Urteil zwingt die Unter­neh­men der Welt zu einer Stra­te­gie, die „Share­hol­der-Value-Doktrin“ genannt wird. „Share­hol­der Value“ ist der Betrag, den das gesam­te Unter­neh­men zum gegen­wär­ti­gen Börsen­kurs wert ist. Das Manage­ment muss mit allen lega­len Mitteln den Unter­neh­mens­wert stei­gern und dadurch den Reich­tum der Aktio­nä­re mehren. Andere Ziele dürfen nur verfolgt werden, wenn es nicht zu Lasten dieses höchs­ten Gebots geht.

Wo die Doktrin nicht befolgt wird, sinkt der Akti­en­kurs – und damit droht eine feind­li­che Über­nah­me des Unter­neh­mens. Fonds, die solche Spiele radi­kal betrei­ben, finan­zie­ren Über­nah­men mit Kredi­ten großer Finanz­in­sti­tu­te, vornehm­lich in der „City of London.“ Die Rück­zah­lung der Kredi­te wird dem erober­ten Unter­neh­men aufge­bür­det. Wenn es den Wert des Unter­neh­mens erhöht, muss die Unter­neh­mens­lei­tung Perso­nal entlas­sen. Naomi Klein beschreibt diese Machen­schaf­ten und ihre Hinter­grün­de auf 763 Seiten detail­liert und fakten­reich: »Die Schock-Stra­te­gie – Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus«.

Die Vorstän­de müssen mitspie­len und ihre Verant­wor­tung für das Ganze zurück­stel­len. Die Voraus­set­zun­gen dafür schuf Mitte der 1970er Jahre die Unter­neh­mens­be­ra­tung »McKin­sey & Compa­ny Inc.« Bis dahin waren Mana­ger Arbeit­neh­mer, ebenso wie die ihnen unter­stell­ten Mitar­bei­ter – und stan­den damit in natür­li­chem Inter­es­sen­ge­gen­satz zu den Kapi­tal­eig­nern. Mit „Stock Opti­ons“ (Akti­en­op­tio­nen) wurden die ange­stell­ten Unter­neh­mens­füh­rer von der Seite der Beleg­schaft auf die Seite des Kapi­tals gezogen.

Akti­en­op­tio­nen werden als Erfolgs­bo­nus – als Beloh­nung – zusätz­lich zum Gehalt ausge­ge­ben, wenn der Akti­en­kurs eine bestimm­te Höhe erklimmt. Wer solche Optio­nen besitzt, kann sie gegen Aktien des von ihm gelei­te­ten Unter­neh­mens eintau­schen und diese Aktien später auch verkaufen.

Unab­hän­gig von den Zwän­gen der Recht­spre­chung hat der Inha­ber von Optio­nen ein persön­li­ches Inter­es­se an einem hohen Akti­en­kurs. Die Versu­chung ist groß, diesem Inter­es­se andere Themen unter­zu­ord­nen: die Belan­ge der Beleg­schaft und die lang­fris­ti­ge Zukunft des Unter­neh­mens; gewach­se­ne Kunden- und Liefe­ran­ten­be­zie­hun­gen; Fair­ness gegen­über Wett­be­wer­bern; Loya­li­tät gegen­über Produk­ti­ons­stand­or­ten, die die Infra­struk­tur bereit­stel­len und deren Bevöl­ke­rung von Entlas­sungs­wel­len betrof­fen ist; sowie Rück­sicht auf den Staat, auf dessen Infra­struk­tur alle Unter­neh­men ange­wie­sen sind.

Akti­en­op­tio­nen haben den Kapi­ta­lis­mus von Grund auf verän­dert. Die Führung von börsen­ge­han­del­ten Akti­en­ge­sell­schaf­ten ist seit­dem weni­ger bestrebt, Produk­te oder Dienst­leis­tun­gen anzu­bie­ten, Stand­or­te und Arbeits­plät­ze zu erhal­ten. Sie bemüht sich vor allem darum, den Akti­en­kurs nach oben zu trei­ben. Die übri­gen Arbeit­neh­mer – bis dahin in einer Inter­es­sen­ge­mein­schaft mit der Unter­neh­mens­spit­ze – blei­ben zurück und profi­tie­ren nicht mehr von dem Produk­ti­vi­täts­zu­wachs, den sie erarbeiten.
Auch das Land, in dem die Akti­en­ge­sell­schaft ihren Sitz hat, bleibt zurück. Die Mehr­heit der Aktien der 30 größ­ten und umsatz­stärks­ten deut­schen Unter­neh­men, die an der Frank­fur­ter Börse gehan­delt werden – die deut­schen „DAX-Konzer­ne“ – gehört nach Auskunft der Wirt­schafts­prü­fer Ernst & Young auslän­di­schen Inves­to­ren. In ande­ren Ländern ist es kaum anders. Viele dieser Konzer­ne weisen Bilanz­sum­men aus, die das Brut­to­in­lands­pro­dukt der meis­ten Staa­ten dieser Welt übersteigen.

Die Fonds haben ihren Sitz über­wie­gend auf exoti­schen Inseln, die ihnen als „tax haven“ (Steu­er­flucht­stät­te) dienen. Diese „Offshore“-Finanzplätze“ liegen jenseits der eige­nen Küste (off shore). Aber die Fonds werden in der „City of London“ verwal­tet. Ähnlich wie der Vati­kan kein Teil Itali­ens ist, gehört der Finanz­di­strikt „City of London“ nicht zu Groß­bri­tan­ni­en. Er ist eine eigen­stän­di­ge poli­ti­sche Einheit. Die dort gülti­gen Geset­ze werden von den ca. 250 global täti­gen Finanz­in­sti­tu­ten gestal­tet, die dort nieder­ge­las­sen sind und keine natio­na­le Iden­ti­tät haben.

Samuel J. Palmi­s­a­no, Aufsichts­rats­vor­sit­zen­der der Compu­ter­fir­ma IBM, drückt die Aufla­gen des Finanz­sek­tors in seiner „Road­map to 2015“ (Ziel­pla­nung für 2015) knackig aus: „Earnings to double“ (Den Gewinn verdop­peln). Unter der Leitung der CEO (Präsi­den­tin) Virgi­nia M. „Ginni“ Romet­ty sollen die welt­weit über 430.000 Mitar­bei­ter die Rendi­ten der Aktien in weni­gen Jahren um 100 Prozent erhö­hen. Dieser Druck wird an die gesam­te Beleg­schaft weitergegeben.

Die Konse­quen­zen zeigen sich in den Verei­nig­ten Staa­ten – dem Ausgangs­punkt der verän­der­ten Recht­spre­chung – am drama­tischs­ten: 1970 verdien­te ein Unter­neh­mens­chef in den USA das 25fache des Durch­schnitts­ein­kom­mens seiner Mitar­bei­ter, heute ist es das 500fache. Im Rest der Welt drif­ten die Einkom­men zwischen der Unter­neh­mens­spit­ze und der Beleg­schaft ähnlich stark auseinander.

Leserbriefe 05/2013 0

Leserbriefe 05/2013

Sommer­ta­gung 90. Geburts­tag Helmut Creutz

Am Rande der Tagung hatte ich viel­fach Gele­gen­heit, mich mit ande­ren Teil­neh­mern auszu­tau­schen. Geball­tes Fach­wis­sen war auf der Tagung unter­wegs. Sehr erfri­schend waren der Sketch mit Andre­as Bange­mann und Stef­fen Henke, die Rumba-Einla­ge mit Stef­fen Henke und seiner Frau, um flie­ßen­des Geld tänze­risch darzu­stel­len. Gran­di­os auch die tänze­ri­sche Inter­pre­ta­ti­on von Silvio Gesells „Robin­so­na­de“ durch Jona­than Ries.

Es war ein gran­dio­ses Wochen­en­de – mein Dank an alle Orga­ni­sa­to­ren und Mitmacher.
Marie-Luise Volk,
Gesund­heits­be­ra­te­rin (GGB) und Spre­che­rin der Bürger­initia­ti­ve „Bürger/innen sagen NEIN
zur Agro-Gentech­nik“ im Land­kreis Cochem-Zell
www.agrogen-rlp.de – www.kritisches-netzwerk.de

Eine wunder­vol­le Sommer­ta­gung bei herr­li­chem Wetter.

Dr. Frank Schep­ke, Löptin – www.kannwas.org

Syste­ma­ti­sche Belanglosigkeit

„Wenn wir auf unsere Schu­len und Hoch­schu­len schau­en, dann müssen uns erheb­li­che Zwei­fel kommen, ob die Aufga­ben, mit denen Schü­ler in Trab, wenn auch nicht bei Laune gehal­ten werden, diesen Anfor­de­run­gen genü­gen. Können wir uns Lehrer vorstel­len, die auf die Mitar­beit ihrer Schü­ler für eine wich­ti­ge gemein­sa­me Ange­le­gen­heit ange­wie­sen sind? Können wir uns Schü­ler vorstel­len, die das im Ernst erwar­ten? Die Aufga­ben, die Schü­lern und Studen­ten aufer­legt werden, sind beinah ausnahms­los trivi­al. Schu­len sind wahre Produk­ti­ons­stät­ten für belang­lo­se Aufga­ben. Allein die Tatsa­che, dass immer alle das Glei­che tun müssen und immer alle am fest­ge­leg­ten Stan­dard gemes­sen werden, macht die Arbeit, die in der Schule geleis­tet wird – von Schü­lern wie von Lehrern – syste­ma­tisch belang­los. Dass ein Schü­ler mit einer ihm gemä­ßen Aufga­be befasst werde, wird nicht einmal mehr für wünschbar gehal­ten. Dass ein Profes­sor sich um Talent und Bega­bung jedes seiner Studen­ten sorgt, macht ihn zu einem Stör­fak­tor im Betrieb. Aufga­ben müssen nicht bedeut­sam sein, wenn nur die Resul­ta­te abprüfbar sind und mit einer Note erle­digt werden können. Und an die Stelle der Koope­ra­ti­on bei der Bewäl­ti­gung wich­ti­ger Aufga­ben ist die Konkur­renz getre­ten, die jede Erkennt­nis und alle Wahr­heits­su­che dem Sieges­wil­len und der Image­pfle­ge opfert. Aus Lehren­den und Lernen­den sind Prüfer und Prüf­lin­ge gewor­den und die Aufga­ben sind zum Prüfstoff verkom­men, wodurch selbst Inhal­te von erheb­li­cher Trag­wei­te zu Baga­tel­len werden. Bildung ist von diesen Bildungs­ein­rich­tun­gen nicht zu erwar­ten und wird auch nicht von ihnen erwar­tet. Man kann in ihnen reüs­sie­ren oder schei­tern, das ist alles. Dass sich im Einzel­fall Bildung dennoch ereig­net, weil Lehrer und Schü­ler trotz alle­dem auch unter den widrigs­ten Umstän­den dort einan­der und ihre Aufga­ben finden, ist ein Wunder, ändert aber nichts an der trau­ri­gen Bilanz. Wäre diese Proze­dur nur einfach wirkungs­los, dann könnte man die vergeu­de­te Zeit und die verschwen­de­ten Steu­er­gel­der bekla­gen, und müsste sich sonst nicht weiter aufre­gen. Dann wäre die Sache eben einfach unnütz. Tatsäch­lich aber ist sie sehr wirk­sam, und es wird dabei eine verhee­ren­de Lekti­on gelernt, nämlich die, dass es auf mich über­haupt nicht ankommt, auch nicht auf das, was ich tue oder kann oder lasse, nicht darauf, ob ich Gutes oder Böses im Sinn habe oder
igno­rant gegen­über beidem bin, sondern ledig­lich darauf, dass ich mithal­ten kann im Kampf um Rang und Vorteil.“

Zitiert aus dem Vortrag von Prof. Mari­an­ne Grone­mey­er, 2012 anläss­lich des 10. Todes­tags von Ivan Illich.
Im Ganzen hier zu finden: http://www.marianne-gronemeyer.de/resources/Bremen+2012+10.+Todestag.pdf

Ein Jubiläum der besonderen Art – Andreas Bangemann 0

Ein Jubiläum der besonderen Art – Andreas Bangemann

Sommer­ta­gung der HUMANEN WIRTSCHAFT aus Anlass des 90. Geburts­tags von Helmut Creutz.
Ein Bericht von Andre­as Bangemann

„Wir sind sehr glück­lich, dieses Fest hier feiern zu können.“, sagten Barba­ra und Helmut Creutz zu Beginn dieser beson­de­ren Sommer­ta­gung vom 13. bis 14. Juli 2013 in Wuppertal. 

In der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te hat Helmut Creutz ein „Heim­spiel“. Seit Jahr­zehn­ten nimmt er immer gerne die Einla­dun­gen zu Veran­stal­tun­gen an diesem Ort an.

Das Programm hatte dementspre­chend einen Schwer­punkt in Vorträ­gen rund um das Schaf­fen des erfolg­rei­chen Buch­au­tors und Wirtschaftsanalytikers.

Den Anfang machte Prof. Günther Moewes, der erläu­ter­te, wie es Helmut Creutz gelang, ihn in seinen Bann zu schla­gen. In seiner Lehr­tä­tig­keit als Profes­sor an der Fach­hoch­schu­le in Dort­mund stieß er wieder­keh­rend auf die ökono­mi­schen Zwänge, welche einer ökolo­gisch erfor­der­li­chen Entwick­lung im Bauwe­sen im Wege standen.

Umso mehr inspi­rier­te ihn die Begeg­nung mit Helmut Creutz und dessen Werk. Kurze Zeit nach dem Kennen­ler­nen lud er ihn zu Vorträ­gen nach Dort­mund ein.

„Geld­ord­nung und Bauwe­sen – Die Haupt­ur­sa­che der Ökolo­gie­feind­lich­keit unse­rer Wirt­schaft“ titel­te Günther Moewes 1991 in der Einladung. 

In der Folge verband sich die Arbeit von Günther Moewes immer ausge­präg­ter mit dem Wissen seines Aache­ner Archi­tek­ten­kol­le­gen. Das Buch „Geld oder Leben – Umden­ken und unsere Zukunft nach­hal­tig sichern“ entstamm­te 2004 als Ergeb­nis dieser „Symbio­se“. Bis heute ist Günther Moewes, wenn auch beruf­lich im Ruhe­stand, schrei­bend in der Sache tätig. Unnach­gie­big macht er auf das folgen­schwe­re immer deut­li­cher an den Ursa­chen vorbei­ge­hen­de poli­ti­sche Verhal­ten aufmerk­sam. Ein Verhal­ten, das schlicht reflex­haft einsei­tig auf die Sympto­me der erkenn­ba­ren Miss­stän­de reagiert und den Ursa­chen nicht auf den Grund geht.

Profes­sor Chris­ti­an Kreiß aus Aalen sprach am Nach­mit­tag unter dem Titel „Profit­wahn – Warum sich eine mensch­li­che Wirt­schaft lohnt“. 

Er kann als einer der zuletzt zu Helmut Creutz‘ „Kreis der Bewun­de­rer“ Hinzu­ge­kom­me­nen benannt werden. In seinem Vortrag, den er spick­te mit Zita­ten des Aache­ners, war die „Linie“ unver­kenn­bar, welche die beiden verbindet.

Tipps aus dem Reparatur-Café – Pat Christ 0

Tipps aus dem Reparatur-Café – Pat Christ

Drei Fragen an den Olden­bur­ger Post­wachs­tums­öko­no­men Niko Paech

So, wie Menschen heute nach Geld, Konsum und immer mehr Wohl­stand jagen, das kann nicht gut sein und wird nicht gut gehen, warnt Niko Paech seit langem. Der Post­wachs­tums­öko­nom plädiert für ein neues Bewusst­sein von gutem Leben, das einen ande­ren Konsum­stil hervor­bringt. Inak­zep­ta­bel ist für den Wachs­tums­kri­ti­ker, dass Waren auf Verschleiß herge­stellt werden. Gegen­über Pat Christ berich­tet er, was jeder einzel­ne gegen geplan­te Obso­les­zenz tun kann.

Herr Paech, in welchem Umfang produ­zie­ren gerade Elek­tro­kon­zer­ne Ihren Erkennt­nis­sen zufol­ge auf vorzei­ti­gen Verschleiß?

Minia­tu­ri­sie­rung, Digi­ta­li­sie­rung und die Halb­lei­ter­tech­no­lo­gie bilden perfek­te Voraus­set­zun­gen für das Design von Objek­ten, die nicht repa­ra­bel sind und deren Verschleiß sich unbe­merkt, zuwei­len auch schwer beweis­bar, regel­recht einpro­gram­mie­ren lässt. Das ist die Schat­ten­sei­te vermeint­li­cher Fort­schrit­te in der Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie: Wo sich alles steu­ern und program­mie­ren lässt, kann eben auch die Zerstö­rung auto­ma­ti­siert werden, ohne den Nutzern die Chance zu lassen, selbst­tä­tig für Instand­hal­tung zu sorgen oder Objek­te zu repa­rie­ren. Digi­ta­li­sie­rung als Spät­sta­di­um einer durch und
durch indus­tri­el­len Fremd­ver­sor­gung führt nicht nur zur Verküm­me­rung eige­ner Fähig­kei­ten, sondern auch zur Entmün­di­gung. Einer­seits machen wir uns zuse­hends abhän­gig von den heiß geliebten
Elek­tronik­spiel­zeu­gen, ande­rer­seits können wir deren Hard­ware in keins­ter Weise gestal­ten oder beherr­schen. Hinzu kommt, dass die Komple­xi­tät des Designs der Produk­te dazu führt, dass wir die Quali­tät nicht mehr eigen­hän­dig prüfen können. Ein Fahr­rad, ein Hemd, eine mecha­ni­sche Näh- oder Schreib­ma­schi­ne, eine Rohr­zan­ge, ein Möbel­stück etc. kann ich mir genau anschau­en. Unter
Nutzung meiner Sinnes­or­ga­ne bin ich wenigs­tens teil­wei­se in der Lage, das Mate­ri­al, die Robust­heit, die Verar­bei­tung zu prüfen. Ein Smart­phone ist vergli­chen damit eine Mischung aus Wunder­tü­te und Roulette.

Nur haltbar ist nachhaltig – Pat Christ 0

Nur haltbar ist nachhaltig – Pat Christ

Stefan Schrid­de wehrt sich mit „Murks? Nein danke!“ gegen program­mier­ten Verschleiß

Gesell­schafts­kri­tik ist für Stefan Schrid­de an dieser Stelle fehl am Platz: Nicht die „geizi­gen“ Konsu­men­ten, sondern die Konzer­ne tragen nach seiner Meinung die volle Verant­wor­tung dafür, dass immer mehr Produk­te auf Verschleiß produ­ziert werden. Mit seinem Verein „Murks? Nein danke!“ setzt er sich dafür ein, dass halt­ba­rer produ­ziert wird. „Halt­bar­keit ist der größe­re Hebel als Nach­hal­tig­keit“, betont der Stadt- und Regionalentwickler.
Dass Produk­te bewusst auf Verschleiß produ­ziert werden, sei längst keine Verschwö­rungs­theo­rie mehr, sagt er. An vielen Beispie­len konn­ten Schrid­de und seine Mitstrei­ter dies aufzei­gen. „Es werden zum Beispiel Konden­sa­to­ren für Geräte ausge­wählt, die eindeu­tig unter­di­men­sio­niert sind“, so der Anti-Murks-Aktivist.
Dabei koste­ten elek­tro­ni­sche Bautei­le, die zehn Jahre länger halten würden, gar nicht mehr: „Im Falle der Konden­sa­to­ren müsste man um die drei Cent zusätz­lich ausge­ben.“ Auch könn­ten Plati­nen kosten­neu­tral so geplant werden, dass sie es 30 Jahre länger machen: „Das haben mir Inge­nieu­re, mit denen ich gespro­chen habe, bestätigt.“
Was bei einer Jacke schlecht möglich ist, funk­tio­niert bei allen tech­ni­schen Gerä­ten: Ein einge­bau­ter Zähler begrenzt bewusst die Nutzung. Aufge­flo­gen ist diese Verschleiß­me­tho­de inzwi­schen unter
ande­rem bei Toner­kar­tu­schen, Kaffee­ma­schi­nen und Akkus. Schrid­de: „Bei Kartu­schen wird zum Beispiel auf 15.000 Seiten runter­ge­zählt.“ Ist diese Zahl erreicht, erfolgt die Meldung, dass die Kartu­sche leer ist. Wer so clever ist und den Chip auf Null stellt, kann jedoch mit dieser angeb­lich leeren Kartu­sche munter weiter­dru­cken: „Manche Kartu­schen drucken insge­samt 50.000 Seiten.“ Also drei­mal so viel.

Gerechte Medizin hilft besser – Wilfried Deiß 0

Gerechte Medizin hilft besser – Wilfried Deiß

Gesund­heits­we­sen als Modell für die Wirt­schaft der Zukunft?
Über die Bedeu­tung von Ungleich­heit und Nach­hal­tig­keit für das Gesundheitswesen

„Ich sehe voraus, dass sich unsere moder­ne west­eu­ro­päi­sche Entwick­lung einem vergleich­ba­ren Konflikt nähert ‚(Anm.: gemeint ist nichts Gerin­ge­res als der Gali­lei-Konflikt).‘ Das poli­ti­sche System unse­res Landes beruht auf Annah­men, die mit der Lebens­wirk­lich­keit nicht länger verein­bar sind; auf der Annah­me nämlich, dass ein stetes expo­nen­ti­el­les Wachs­tum der mate­ri­ell verfüg­ba­ren Ressour­cen, des mate­ri­el­len Brut­to­so­zi­al­pro­duk­tes, dauer­haft möglich ist. Sämt­li­che seiner wesent­li­chen Grund­la­gen, Struk­tu­ren, Verhal­tens­wei­sen und Erwar­tun­gen sind durch diese Annah­me inhalt­lich geprägt. Sein Geld­sys­tem und die Markt­wer­te der Güter und Dienst­leis­tun­gen beru­hen auf ihr. Es sieht seine Legi­ti­ma­ti­on durch die Zustim­mung seiner Bürger zur demo­kra­ti­schen Ordnung und zum Partei­en­staat nur unter der Bedin­gung eines steti­gen und ange­mes­se­nen Wirt­schafts­wachs­tums gesi­chert. Steti­ges und expo­nen­ti­el­les Wirt­schafts­wachs­tum und Macht­er­hal­tung im bestehenden
poli­ti­schen System bedin­gen einan­der … . Wer die Möglich­keit dauer­haf­ten expo­nen­ti­el­len Wachs­tums leug­net, gefähr­det deshalb das gegen­wär­tig reale demo­kra­ti­sche Herr­schafts­sys­tem ebenso wie die Bewei­se Gali­leis das dama­li­ge Herr­schafts­sys­tem der Kirche gefähr­de­ten.“ – Fest­vor­trag auf der 56. Physi­ker­ta­gung 1992 in Berlin, Phys. Bl. Juli/Aug 1992 von Prof. Kurt Biedenkopf

Die „Zeitung“ der HUMANEN WIRTSCHAFT – Redaktion 0

Die „Zeitung“ der HUMANEN WIRTSCHAFT – Redaktion

Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT … mehr als eine Zeitung

Der Markt für Print­me­di­en, wie Tages­zei­tun­gen, Zeit­schrif­ten und Peri­odi­ka aller Art erlebt einen nie für möglich gehal­te­nen Rück­gang der Aufla­gen. Die digi­ta­len Medien sorgen für einen Umbruch, dessen Ende noch nicht abzu­se­hen ist. Offen­bar began­nen die Heraus­ge­ber der aufla­gen­star­ken Titel viel zu spät damit, sich um zukunfts­fä­hi­ge Konzep­te zu bemü­hen, die der Verän­de­rung der Nutzung von Medien in Zeiten des Inter­net Rech­nung tragen. Die Eins-zu-Eins-Kopie des alten Geschäfts­mo­dells wurde versucht, war aber aussichts­los. Für Infor­ma­tio­nen im Inter­net bezahlt man nicht. Auch Werbe­stra­te­gien lassen sich nicht einfach „Kopie­ren und Einfügen“.

Damit die gute, alte Zeitung nicht ganz stirbt, haben wir uns entschlos­sen, ihr zu neuem Leben zu verhelfen.

Am 7. August war es soweit. Die HUMANE WIRTSCHAFT hat die erste Ausga­be ihrer „Zeitung“ heraus­ge­bracht. Auf Anre­gung des Lesers Tris­tan Abromeit heißt die neue Publi­ka­ti­on aus unse­rer Redak­ti­on „Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT“. In unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den, aber mindes­tens einmal monat­lich wird über Hinter­grün­de, neues­te Entwick­lun­gen und Zusam­men­hän­ge rings um die Themen Wirt­schaft, Geld und Boden in Form eines Inter­net-News­let­ters informiert.

Wir durch­su­chen für unsere Leser das Daten­meer des Inter­net nach rele­van­ten Infor­ma­tio­nen mit dem thema­ti­schen Schwer­punkt, den auch unsere Zeit­schrif­ten­ar­beit prägt. Wir entschleu­ni­gen die Flüch­tig­keit der Infor­ma­tio­nen, die aufgrund ihrer Unmen­ge in ihrem Wahr­heits­ge­halt nicht mehr einschätz­bar ist. Mit der Schlin­ge unse­rer Wahr­neh­mung, getra­gen von jahr­zehn­te­lan­ger Erfah­rung und ausge­rüs­tet mit moderns­ten Instru­ment für die “Infor­ma­ti­ons­jagd“ fangen wir die Wirk­lich­keit für unsere Leser ein. 

Wir weisen auf Veran­stal­tun­gen hin und geben Hinter­grund­in­for­ma­tio­nen zu Verei­nen und Organisationen. 

Wann und wo auch immer sich auf der Welt neue Entwick­lun­gen erge­ben, berei­ten wir diese Infor­ma­tio­nen auf und stel­len Sie Ihnen zur Verfügung.

„Die Zeitung der HUMANEN WIRTSCHAFT“ gibt es als Email, PDF-Datei oder Online auf der Websei­te der Zeit­schrift oder über unsere Sozia­len Netzwerkseiten. 

Das Beste: Die Zeitung ist kosten­los! Und alle von uns geschrie­be­nen Texte stehen unter Crea­ti­ve Commons Lizenz zur Weiter­ver­wen­dung bereit. Die Zeitung ist wie alles bei der HUMANEN WIRTSCHAFT unab­hän­gig von Einnah­men durch Werbung. 

Getra­gen wird die Zeit­schrift von Abon­nen­ten, Spen­dern und Mitglie­dern im „Förder­ver­ein für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung e. V.“ und dem unbe­zahl­ba­ren Einsatz unse­rer Autoren und Mitarbeiter. 

Alle Akti­ven in den Grup­pen und Initia­ti­ven seien einge­la­den, uns ihre Infor­ma­tio­nen, Hinwei­se und Berich­te zu senden:
redaktion@humane-wirtschaft.de

Redak­ti­ons­schluss für die 2. Ausga­be ist der 27. 8. 2013

Die zweite Ausga­be wird rund eintau­send Leser errei­chen und täglich melden sich neue an.

Zum Erhalt des News­let­ters einfach auf www.humane-wirtschaft.de gehen und „News­let­ter abon­nie­ren“ anklicken.

So einfach muss Zeitung! ;-) 

Tempelreinigung, Holzschnitt (1860) von Julius Schnorr von Carolsfeld 1

Die unterdrückende Religion des Geldes – Christoph Körner

… oder die befrei­en­de Reli­gi­on des Reiches Gottes im Wirken Jesu, darge­stellt an der Geschich­te von Jesu Tempel­rei­ni­gung (Mk.11, 15–19)

Reli­gi­on kann sehr ambi­va­lent verstan­den werden. Deshalb möchte ich Ihnen zu Beginn eine Episo­de aus meinem Leben erzäh­len, die mir sehr eindrück­lich in Erin­ne­rung blieb.

Mit eini­gen kriti­schen Theo­lo­gen habe ich in der DDR im klei­nen Kreis mit kriti­schen Marxis­ten über Reli­gi­on und Gesell­schaft disku­tiert. In einem Gespräch mit Prof. Dr. Dohle sagte ich damals, die Marxis­ten müss­ten endlich den Marx’schen Satz „Reli­gi­on ist Opium des Volkes“ revi­die­ren, wenn sie glaub­haft mit Chris­ten disku­tie­ren woll­ten. Darauf die Antwort: „Opium kann sowohl Gift als auch Heil­mit­tel sein. Je nach­dem wie es ange­wen­det wird, kann es schäd­lich oder heilend wirken. So verhält es sich auch mit der Religion.“

Da wurde mir klar: Es gibt sowohl eine Reli­gi­on der Unter­drü­ckung als auch eine Reli­gi­on der Befrei­ung. Am Beispiel der Tempel­rei­ni­gung Jesu begeg­nen uns kontrast­reich beide Reli­gi­ons­phä­no­me­ne. Verkör­pert die Reli­gi­on des Tempels Reli­gi­on als Ausbeu­tungs­in­stru­ment, so bedeu­tet die Reli­gi­on des Reiches Gottes im Wirken Jesu ein befrei­tes Leben ohne Ausbeu­tung und Unter­drü­ckung. Dies möchte ich Ihnen am Beispiel der Tempel­rei­ni­gung Jesu verdeutlichen.

1. Vorbe­mer­kung:
Zwei Fragen: Wie kommt es, dass in den Texten der Bibel Jesus häufi­ger über Wirt­schaf­ten, Geld und Besitz spricht als über Himmel, Liebe oder Gebet? Hängt es damit zusam­men, dass das Reich Gottes, das er ankün­digt und zeichen­haft lebt, trans­pa­rent in unse­rer irdi­schen Welt werden soll, vor allem im gerech­ten Wirt­schaf­ten und rich­ti­gem Vertei­len der Lebens­gü­ter?! Denn alle Menschen sollen Zugang zu den Gütern des Lebens haben!

Und zum ande­ren: Wie kommt es, dass Jesus die Zentral­ge­walt des Tempels wie kein ande­rer Prophet vor ihm so radi­kal kriti­siert und die Banker aus dem Vorhof des Tempels vertreibt und auch das Zins­neh­men wie im alten Israel verbietet?

Mir scheint, dass hierin das ursäch­lichs­te Anlie­gen Jesu besteht, das bis heute aber die Theo­lo­gie und die Kirche noch nicht recht erkannt haben. 

Wie wich­tig die Tempel­rei­ni­gung Jesu für die Urkir­che war, geht schon daraus hervor, dass alle vier Evan­ge­lis­ten davon berich­ten: Markus 11,15–19; Matth.21,12–17; Luk. 19,45–48; Joh. 2,13–16. Ich bezie­he mich auf die Markusstelle:

Die Tempel­rei­ni­gung: 11, 15–19
15 Dann kamen sie nach Jeru­sa­lem. Jesus ging in den Tempel und begann, die Händ­ler und Käufer aus dem Tempel hinaus­zu­trei­ben; er stieß die Tische der Geld­wechs­ler und die Stände der Tauben­händ­ler um 16 und ließ nicht zu, dass jemand irgend­et­was durch den Tempel­be­zirk trug. 17 Er belehr­te sie und sagte: Heißt es nicht in der Schrift: Mein Haus soll ein Haus des Gebe­tes für alle Völker sein? Ihr aber habt daraus eine Räuber­höh­le gemacht. 18 Die Hohen­pries­ter und die Schrift­ge­lehr­ten hörten davon und such­ten nach einer Möglich­keit, ihn umzu­brin­gen. Denn sie fürch­te­ten ihn, weil alle Leute von seiner Lehre sehr beein­druckt waren. 19 Als es Abend wurde, verließ Jesus mit seinen Jüngern die Stadt.

Wo bitte geht’s zur Wirtschaftsdemokratie? – Johannes Heinrichs 0

Wo bitte geht’s zur Wirtschaftsdemokratie? – Johannes Heinrichs

Wie alle vier Jahre wieder sind wir in diesem Septem­ber 2013 aufge­ru­fen, unser pseu­do­de­mo­kra­ti­sches Kreuz­chen zu machen auf einer Liste von Partei­en, mit denen sich nur wenige iden­ti­fi­zie­ren können. Jeden­falls aber keine/r, die/der eine tief­grei­fen­de Geld­re­form im Sinne der Huma­nen Wirt­schaft und/oder gar eine Demo­kra­tie­re­form im Sinne einer vier­ge­glie­der­ten, wert­ge­stuf­ten Demokratie
will. Diese Partei­en sind für sie alle nur das rela­tiv klei­ne­re Übel.

Wahlkampf ohne aufrüttelnde Themen – Wilhelm Schmülling 0

Wahlkampf ohne aufrüttelnde Themen – Wilhelm Schmülling

Was lockt die Wähler hinter dem Ofen hervor? Steu­er­sen­kung, Abschaf­fung des Solis, eine Miet­preis­be­gren­zung, PKWMaut für Auslän­der oder „Veggy-Days“?
Um Wähler anzu­lo­cken, bieten alle Partei­en solche oder ähnli­che Wahl­ge­schen­ke an. Doch viele Wähler wenden sich frus­triert ab, zu oft wurden sie mit leeren Verspre­chun­gen gekö­dert. Einige Beispiele:
• Die EURO-Einfüh­rung, ein Beispiel unde­mo­kra­ti­schen Verhal­tens. Im Maas­tricht-Vertrag fest­ge­leg­te Krite­ri­en – Das Haus­halts­de­fi­zit darf jähr­lich nicht mehr als 3 % des Brutto-Inlands­pro­dukts betra­gen und die staat­li­chen Schul­den dürfen 60% des BIP nicht über­stei­gen – wurden vom Staat gebrochen.
• 1990 sollte der Aufbau Ost aus der Porto-Kasse gezahlt werden. „Blühen­de Land­schaf­ten“ wurden verspro­chen. Mit dem Soli­da­ri­täts­zu­schlag musste schließ­lich die Wieder­ver­ei­ni­gung finan­ziert werden. Den Soli­da­ri­täts­zu­schlag gibt es immer noch, obwohl er bis „Ende 1999 endgül­tig weg“ sein sollte. Der Staat brach sein Versprechen.
• 2008 verspra­chen Angela Merkel und Peer Stein­brück, dass die Bank-Einla­gen der Deut­schen sicher seien. 2013 deutet man aus Regie­rungs­krei­sen (versteckt) an, dass dem nicht so ist.
• 2012 erklär­te Bundes­kanz­le­rin Merkel, eine gemein­sa­me Schul­den­haf­tung inner­halb der EU (soge­nann­te Euro­bonds) werde es nicht geben, „Solan­ge ich lebe“. Wünschen wir ihr ein langes Leben und beob­ach­ten, was nach der Wahl im Septem­ber passiert.

Ist es da erstaun­lich, wenn viele Wähler nicht zur Wahl gehen, wohl wissend, damit der Demo­kra­tie einen schlech­ten Dienst zu tun? Sie verwei­sen auf die vielen gebro­che­nen Wahl­ver­spre­chen, tref­fen mit Wahl­ent­hal­tung aber nicht die schul­di­gen Poli­ti­ker, sondern die Basis unse­rer Demo­kra­tie, freie Wahlen. Wenn wenigs­tens Erfol­ge vorzeig­bar wären, um die Lethar­gie der Wähler zu über­win­den, dann könnte man auf eine höhere Wahl­be­tei­li­gung hoffen. Da wird doch die Redu­zie­rung der Arbeits­lo­sen­zah­len von fünf auf drei Millio­nen als große Leis­tung gefei­ert. Drei Millio­nen Arbeits­lo­se sind nur Beweis für die
Unfä­hig­keit der Regie­ren­den. Wir glau­ben sogar eini­gen Poli­ti­kern, Fehl­ent­wick­lun­gen mit Geset­zes­ver­bes­se­run­gen begeg­nen zu wollen, z. B. Studi­en­ge­büh­ren abzu­schaf­fen, Kinder­geld und Harz-IV-Bezüge zu erhö­hen und die Mehr­wert­steu­er nicht zu erhö­hen. Ob dieses Wollen nach der Wahl zur Wirk­lich­keit wird, darf bezwei­felt werden. Mit solchen Ände­run­gen wäre zwar eine Linde­rung der sozia­len Not erreicht und etwas mehr Kauf­kraft für die Konsu­men­ten. Die Ursa­chen der Arbeits­lo­sig­keit, der hohen Mieten usw. würden jedoch nicht beho­ben. So wäre das Ergeb­nis: Not wird gelin­dert, aber nicht verhindert.

Andreas Bangemann 0

Kapital, die Neutronenbombe der Wirtschaft? – Andreas Bangemann

Der Erfin­der der Neutro­nen­bom­be, Samuel Cohen, beschrieb sein Massen­ver­nich­tungs­mit­tel, als die „vernünf­tigs­te und mora­lischs­te Waffe, die je erfun­den wurde“ (New York Times, Septem­ber 2010). „Es ist die einzi­ge nuklea­re Waffe der Geschich­te, mit der Kriegs­füh­rung Sinn macht. Wenn der Krieg vorbei ist, ist die Welt noch intakt.“ Offi­zi­ell dürfte es eigent­lich keine Neutro­nen­bom­be mehr geben.
Zwischen 1996 und 2003 demon­tier­ten die USA und Frank­reich angeb­lich die letz­ten noch gebau­ten. Doch die Logik dieser Waffe umgibt unser Leben weiter auf subti­le Weise. Die „Rüstungs­in­dus­trie der Angst“ schafft es, uns in Abhän­gig­keit von den Sachen zu halten und in ihren „Kapi­tal­fa­bri­ken“ gerade immer so viel bereit­zu­stel­len, dass die Mensch­heit ihren Feti­schis­mus erhält. Wir beschüt­zen mate­ri­el­le Dinge und eine abstrak­te Wohl­stands­vor­stel­lung auf Kosten von mensch­li­chem Leben und auf Kosten der Natur. Die Armen sind von den Reichen abhän­gig, die Schwar­zen von den Weißen, die Frauen von den Männern, die Zivi­lis­ten von den Mili­tärs und die Arbei­ter von den Unternehmern.

Buchvorstellungen 05/2013 0

Buchvorstellungen 05/2013

Chris­ti­an Kreiß: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te­re Wirt­schaft lohnt – Tectum Verlag (15. 6. 2013), Klap­pen­bro­schur, 200 Seiten, 17,95 €, ISBN 978–3‑8288–3159‑9

Lavalu­na-Film Film­pro­duk­ti­on: „Poly­po­ly – Geld für alle“ –, produ­ziert von Dinah und Roland Pfaus, DVD, Spiel­zeit: 83 Minu­ten, 12,– €, die DVD kann in unse­rem Online-Shop bestellt werden

Ernst Fried­rich Schu­ma­cher: „Small is beau­tiful“ – Die Rück­kehr zum mensch­li­chen Maß. Der Öko-Klas­si­ker neu aufge­legt mit einem Vorwort von Niko Paech, oekom Verlag, (Aug. 2013), broschiert, 304 Seiten, 19,95 €, 978–3‑86581–408‑1, auch als E‑Book erhältlich

Bestel­lung im Inter­net auf unse­rer Online-Shop­sei­te: http://shop.humane-wirtschaft.de

Jahresfeier 2013 0

Jahresfeier 2013

Unsere dies­jäh­ri­ge Jahres­fei­er (31.10. bis 3.11.2013) wird wieder einmal ein Event, für den Sie sich unbe­dingt ein wenig Zeit nehmen soll­ten. Wir haben ein tolles Programm in petto, das für fast jeden etwas zu bieten hat. Für den Work­shop mit Roland Spino­la (siehe Programm) gibt es nur noch wenige Restplätze,…

Vermögensabgabe statt ökonomischem Unvermögen! – Roland Rottenfußer 0

Vermögensabgabe statt ökonomischem Unvermögen! – Roland Rottenfußer

„Wär ich nicht arm, wärst Du nicht reich!“, heißt das bekann­te Zitat von Bertold Brecht. Umge­kehrt gilt dies aber auch. Über­mä­ßi­ger Reich­tum steht zu wenig im Fokus der Öffent­lich­keit. Dabei ist er in mehr­fa­cher Hinsicht gemein­schafts­schäd­lich. Weil Geld an allen Ecken und Enden fehlt und sich gewal­ti­ge, demo­kra­tisch nicht legi­ti­mier­te Macht­zen­tren bilden. Attac fordert jetzt in einem Papier eine einma­li­ge Vermö­gens­ab­ga­be der Reichen mit einem Gesamt­vo­lu­men von über einer Billi­on Euro. Außer­dem sollen lang­fris­ti­ge Mecha­nis­men der Umver­tei­lung von oben nach unten etabliert werden. Ist dieser Vorschlag von Attac begrü­ßens­wert? Ja. Ist er ausrei­chend? Nein. Kaba­ret­tist Volker Pispers ist in Hoch­form: „Wenn die 10 Prozent rich­tig Reichen im Land bereit wären, die Hälfte ihres Vermö­gens abzu­ge­ben, wären die Staats­schul­den prak­tisch weg.“ Höflich plät­schern­des Lachen im Publi­kum. „Und das bräuch­ten die gar nicht auf einen Schlag zu tun. Wenn die reichs­ten 10 Prozent bereit wären, 10 Jahre lang jeweils 5 Prozent von ihrem Vermö­gen abzu­ge­ben – das würden die in dem einzel­nen Jahr über­haupt nicht mitkrie­gen.“ Betre­te­nes Schwei­gen im Publi­kum. Irgend­wo muss doch der Haken sein! Tatsäch­lich schließt Pispers mit der Bemer­kung: „Es gibt nur ein einzi­ges Problem: Wir haben eine Demo­kra­tie. Und Sie krie­gen in einer Demo­kra­tie keine Mehr­heit für eine Poli­tik, von der 90 Prozent der Bevöl­ke­rung profi­tie­ren würden.“

Renan Demirkan – Foto: © Pat Christ
Foto: © Pat Christ
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Eine Schauspielerin begehrt auf – Pat Christ

Im Allge­mei­nen ist der Begriff nicht umstrit­ten: „Tole­ranz“ wird viel und gern verwen­det. Da gibt es den „Verein für Tole­ranz & Zivil­cou­ra­ge“ in Neumüns­ter. Die „Tole­ranz Fabrik“ in Würz­burg. Oder das „Bünd­nis für Demo­kra­tie und Tole­ranz“ der Bundes­re­gie­rung. Für die aus der Türkei stam­men­de Schau­spie­le­rin Renan Demir­kan aller­dings ist Tole­ranz eine „Herr­schafts­ges­te“. Ange­sichts des sich ausbrei­ten­den Rechts­ra­di­ka­lis­mus warnt sie in ihrem Buch „Respekt“ vor den Folgen „tole­ran­ter“ Respekt­lo­sig­kei­ten. In tole­ran­ten Gesten verrät sich für Demir­kan oft ekla­tan­te Respekt­lo­sig­keit. „Die viel beschwo­re­ne ‚Tole­ranz‘ besteht auf dem Abstand zu Allem“, sagt sie. Wer sein Gegen­über tole­riert, lässt es zwar leben. Aber er nimmt sie oder ihn noch lange nicht an. Ist noch lange nicht bereit, den Schritt vom „Ich“ zum „Wir“ zu voll­zie­hen. Tole­ranz passt genau zur indi­vi­dua­li­sier­ten Kultur des Westens, findet Renan Demir­kan: „Denn dessen Ideal­bild ist der getrenn­te Mensch.“ Den man auf Abstand duldet. Ohne sich weiter mit ihm zu soli­da­ri­sie­ren. Tole­riert wird damit nicht nur das Indi­vi­du­um. Sondern zum Beispiel auch wach­sen­de Armut und Unge­rech­tig­keit im eige­nen Land.

Die neue Bodenfrage – Benedikt Härlin 0

Die neue Bodenfrage – Benedikt Härlin

„Man verkauft nicht das Land, auf dem Menschen gehen“ (One does not sell the land people walk on.), den berühm­ten Ausspruch des Lakota-Häupt­ling Crazy Horse im Jahre 1873 hätte damals wohl eine große Mehr­heit der Mensch­heit für selbst­ver­ständ­lich gehal­ten. Die Vorstel­lung, das Land ihrer Vorfah­ren und Kinder wie Weizen, Werk­zeug oder Pferde zu verkau­fen, wäre ihnen absurd, ja undenk­bar erschie­nen. Land­nah­me war seiner­zeit noch eine exklu­si­ve Beschäf­ti­gung von Köni­gen und Fürs­ten und der von ihnen beauf­trag­ten Erobe­rer. Die gaben zu der Zeit, auch in Deutsch­land, gerade erst die Gewohn­heit auf, mitsamt dem Land auch die Menschen zu verkau­fen, die darauf lebten. Die USA waren dage­gen einer der ersten Staa­ten der Welt, in dem unein­ge­schränk­tes Privat­ei­gen­tum an Grund und Boden zum verbrief­ten Bürger­recht wurde. Der Spruch des Helden von „Little Bighorn“ vor 140 Jahren, unter dessen Jagd­grün­den, zu Unrecht, Gold vermu­tet wurde, galt auch den eige­nen Leuten. Sich durch Zahlung von Geld an Einzel­ne sich des Erbes ganzer Gemein­schaf­ten zu bemäch­ti­gen, gehört seit Langem zu den Grund­la­gen dessen, was heute als „Land­g­rab­bing“ bezeich­net wird.

Wirtschaft und Ethik – Johannes Korten 0

Wirtschaft und Ethik – Johannes Korten

Fast 15 Jahre ist es mitt­ler­wei­le her, dass ich in einer Vorle­sung zum Thema Umwelt- und Ressour­cen-Ökono­mik saß, in der sich der vorle­sen­de Profes­sor bitter darüber beklag­te, dass die Fakul­tät nach einer Mehr­heits­ent­schei­dung des Fakul­täts­ra­tes das Fach „Wirt­schafts­ethik“ aus dem Stun­den­plan gestri­chen hatte. Ein, zwei Semes­ter gab es das Ange­bot noch als frei­wil­li­ge Veran­stal­tung, danach wurde der Unter­richt dann mangels Inter­es­se einge­stellt. Ein aufmerk­sa­mer Blick in den Hörsaal konnte dieses mangeln­de Inter­es­se eigent­lich nur bestä­ti­gen. Über­all kleine ange­hen­de Unter­neh­mer und Nach­wuchs­füh­rungs­kräf­te, die sich mit den Niede­run­gen alltäg­li­cher, harter Arbeit nicht wirk­lich ausein­an­der­set­zen woll­ten oder muss­ten, scho­ben Mami und Papi in den meis­ten Fällen doch monat­lich den dicken Scheck für Auto und Wohnung rüber. Das Mantra vom alles regeln­den und ohne jegli­che Eingrif­fe perfekt funk­tio­nie­ren­den Markt wurde uns ja auch tagtäg­lich vorge­be­tet. Gehört habe ich die Botschaft wohl, allein mir fehlte der Glaube. Nicht umsonst war dieses Studi­um eine solche Quäle­rei für mich. Der fehlen­de Glaube hat sich während meiner beruf­li­chen Lauf­bahn seit­dem auch nur unwe­sent­lich verän­dert. Als 2000 die so genann­te „New Econo­my“ zusam­men­brach, war es mit der Herr­lich­keit in den Unter­neh­men erst­mal vorbei. In vielen Fällen siegte Macht­be­wusst­sein über Kompe­tenz und mit dieser Verän­de­rung zog ein ziem­lich kalter Wind in die Unter­neh­men ein. Das Diktat der Kapi­tal­märk­te mit Ihren jung­spun­di­gen Invest­ment­ma­na­gern die gestan­de­nen Führungs­kräf­ten erzäh­len, sie hätten ihre „Haus­auf­ga­ben nicht gemacht“ (O‑Ton, genau­so erlebt), nahm rasant zu. Absur­de Börsen­vor­schrif­ten mit immer kürze­ren Berichts­zy­klen haben aus vielen Unter­neh­men auch noch das letzte Fünk­chen lang­fris­ti­ges und wirk­lich nach­hal­ti­ges Denken und Handeln verschwin­den lassen.

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Dem Konsumismus trotzen! – Das Abseits als wirtlicher Ort – Marianne Gronemeyer

Die Über­schrift, die dieser Vortrag nach eini­gen Vorüber­le­gun­gen gefun­den hat, ist womög­lich zu kämp­fe­risch gera­ten für das, was ich sagen will. Das „trot­zi­ge“ Aufbe­geh­ren, zu dem in der ersten Zeile des Titels aufge­ru­fen wird, passt nicht recht zu dem „Abseits“, das sich in der zwei­ten als „wirt­li­cher Ort“ empfiehlt. Sie schei­nen einan­der sogar auszu­schlie­ßen. Ich aber will für das Abseits
plädie­ren. Viel­leicht sollte also an der Stelle des Ausru­fungs­zei­chens besser ein Frage­zei­chen stehen. In seinem Vorwort zu der Aufsatz­samm­lung „Schu­len helfen nicht“ („Cele­bra­ti­on of Aware­ness“), die Ivan Illich 1969 erst­ma­lig publi­zier­te, schreibt Erich Fromm: „Weder diese Aufsät­ze, noch ihr Verfas­ser bedür­fen einer Einlei­tung. Wenn trotz­dem Ivan Illich mir die Ehre erwie­sen hat, mich um eine Einlei­tung zu bitten, und wenn ich das gern über­nom­men habe, so schei­nen wir dabei beide gedacht zu haben, eine solche Einlei­tung sei eine Gele­gen­heit, einer gemein­sa­men Haltung und Über­zeu­gung Ausdruck zu geben, obwohl einige unse­rer Ansich­ten beträcht­lich ausein­an­der­ge­hen. Auch die Auffas­sung des Verfas­sers ist heute nicht mehr immer die glei­che wie zu der Zeit, als er im Laufe der Jahre bei verschie­de­nen Anläs­sen diese Aufsät­ze schrieb. Im Kern seiner Einstel­lung ist er sich jedoch treu geblie­ben, und in diesem Kern stim­men wir überein.“

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Über Kapitalfluten und Hochwasserschutz – Günther Moewes

In den Medien erhebt sich derzeit der ganz große Aufschrei: Der Nied­rig­zins bringe unsere gesam­te Alters­ver­sor­gung zum Einsturz. Es drohe Alters­ar­mut. „Und sie wird nicht nur die ohne­hin schon Armen erwi­schen, sondern jene Mittel­schicht, die bisher immer glaub­te, alles rich­tig zu machen.“ Nicht nur den Armge­mach­ten drohe Alters­ar­mut – auch die bisher als privi­le­giert gelten­den „Archi­tek­ten, Rechts­an­wäl­te und Ärzte müssen um ihre Renten­an­sprü­che bangen“. Und so ganz neben­bei auch viele Zins­geg­ner, die ja meist nicht gerade zur Unter­schicht zählen. „Die nied­ri­gen Zinsen sind allen­falls gut für Haus­käu­fer, die Banken und vor allem für Regie­run­gen“ schreibt DER SPIEGEL.[1] Und für Miet­haie. [1 Alle Zitate aus DER SPIEGEL 192013, Titel­ge­schich­te, S. 63, 68.]

Halten wir erst einmal fest: am bishe­ri­gen Beute­sche­ma hat sich wenig geän­dert. Verlie­rer sind nach wie vor die Wert­schöp­fen­den, Arbei­ten­den, Arbeits­lo­sen, Armge­mach­ten, Alleinerziehenden,
Rent­ner und Schuld­ner. Und Gewin­ner sind nach wie vor die Besit­zen­den, Groß­gläu­bi­ger, Speku­lan­ten, Inves­to­ren, Haus­käu­fer und Miet­haie. Nur etwas hat sich geän­dert: Die Regie­run­gen haben entdeckt, wie sie sich auf Kosten der Millio­nen Klein­gläu­bi­ger einen blan­ken Fuß machen können, wie sie am elegan­tes­ten ihre gewal­ti­gen Staats­schul­den auf die Bevöl­ke­run­gen abwäl­zen können. Nach
der Masche mit Rettungs­schir­men und Spar­zwang nun die mit Null­zins­po­li­tik, Infla­ti­on und priva­ter Alters­vor­sor­ge. Auch diese Masche ist uralt. Schon immer haben Staa­ten sich so ihrer Kriegs- und Krisen­schul­den entle­digt. Und deshalb ist das alles auch seit eh und je früh­zei­tig voraus­ge­sagt worden, meist von der kriti­schen Wissen­schaft und manch­mal von den jewei­li­gen Oppo­si­tio­nen der jewei­li­gen Regierungen.