Im Bannkreis des Geldes – Markus Pühringer 0

Im Bannkreis des Geldes – Markus Pühringer

Wir verbrin­gen einen großen Teil unse­rer Zeit mit Dingen, die uns nicht wirk­lich glück­lich macht: Arbei­ten, Kaufen, Konsu­mie­ren. Die wahren Quel­len des Glücks liegen aber im „inne­ren Selbst“. Warum wir dennoch das Glück im Außen suchen, hängt mit unse­rem moder­nen Geld zusammen.

Vermut­lich kennen Sie die Anek­do­te zur Senkung der Arbeits­mo­ral von Hein­rich Böll (1963). Darin beschreibt er einen ärmlich geklei­de­ten Fischer, der in einem Hafen an der West­küs­te Euro­pas schläft. Er wird durch das Klicken des Foto­ap­pa­ra­tes eines Touris­ten geweckt. Der Tourist fragt den Fischer, warum er denn nicht fische, wo doch so idea­les Wetter dafür sei. Nach eini­gem Zögern antwor­tet der Fischer, dass er heute schon drau­ßen gewe­sen sei und einen so guten Fang gehabt hätte, dass es für die nächs­ten Tage noch reiche. Nach eini­gem Zögern geht mit dem Touris­ten die Phan­ta­sie durch: Wenn der Fischer heute doch noch drei- oder vier­mal hinaus­fah­ren würde, dann würde er viel verdie­nen. Damit könnte er mittel­fris­tig ein klei­nes Unter­neh­men grün­den und immer weiter wach­sen. Das Unter­neh­men könnte so groß werden, dass er sogar ins Ausland Fische liefern könne. Und, dann – der Tourist kommt zum Ende seiner Phan­ta­sie­rei­se – dann hätte der Fischer genug verdient, um einfach am Hafen sitzen und sich ruhig entspan­nen zu können. Darauf entgeg­net der Fischer gelas­sen, am Hafen sitzen und sich entspan­nen könne er doch jetzt schon. Das mache er ja gerade. Daraufhin
verschlägt es dem Touris­ten die Spra­che, nach­denk­lich und ein wenig neidisch geht er fort.

Ich denke, an dieser klei­nen Geschich­te werden zwei konträ­re Welt­an­schau­un­gen deut­lich. Der Fischer lebt im „Hier und Jetzt“. Er hat heute genug für seinen Lebens­un­ter­halt getan, ja er hat sogar so viel gefan­gen, dass er an den nächs­ten Tagen nichts tun muss. Frei­lich: Er ist ärmlich geklei­det, er besitzt vermut­lich selbst keinen Foto­ap­pa­rat und er kann sich vermut­lich auch keine teuren Touris­ten­aus­flü­ge leis­ten. Aber ich stelle mir ihn als einen glück­li­chen und zufrie­de­nen Menschen vor: Er verfügt über wenig
mate­ri­el­len Reich­tum, aber er hat einen großen Luxus an frei verfüg­ba­rer Zeit: Er hat so Zeit für ein Schläf­chen am hell­lich­ten Tag. Er hat vermut­lich auch Zeit für seine Freun­dIn­nen, seine Kinder, seine Leiden­schaf­ten; ja Zeit, um mit sich (seinem „inne­ren Selbst“) in gutem Kontakt zu stehen. Der Fischer
steht für die Über­zeu­gung, dass sich das „gute Leben“ einstel­len wird, wenn wir unsere Lebens­zeit für eine
gute Bezie­hung zu unse­rem Selbst und zu unse­ren Mitmen­schen aufbau­en; oder in ande­ren Worten.

Entscheidend ist die Tat – Pat Christ 0

Entscheidend ist die Tat – Pat Christ

Zahl­rei­che Freun­de, Wegge­fähr­ten, Neugie­ri­ge und Inter­es­sier­te kamen vom 31. Okto­ber bis 3. November
zur „Jahres­fei­er Humane Wirt­schaft 2013“ des Förder­ver­eins Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung e. V. in die Wupper­ta­ler Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te. „Entschei­dend ist die Tat“ laute­te das dies­jäh­ri­ge Motto. 

„Theo­rien und Philo­so­phien sind sicher wich­tig,“ so Chef­re­dak­teur Andre­as Bange­mann zum Auftakt. „Doch von ebenso großer Bedeu­tung ist es, etwas real umzu­set­zen und etwas zu bewe­gen.“ Ein großes Ziel ist allen Human­wirt­schaft­le­rin­nen und Human­wirt­schaft­lern klar. Es heißt: Eine Geld­ord­nung schaf­fen, in der sich das
Geld nicht mehr, wie den derzeit herr­schen­den Spiel­re­geln zufol­ge, selbst vermeh­ren und dadurch die Gesell­schaft immer weiter aufspal­ten kann. Doch der Weg dahin ist noch ziem­lich weit.

Sehr ferne Ziele können demo­ti­vie­ren. Vor allem, wenn es nicht gewiss erscheint, dass sie auch erreicht werden können. Damit die Einsatz­freu­de nicht nach­lässt, sind sinn­vol­le Zwischen­etap­pen und eine Menge
klei­ner, krea­ti­ver Ideen nötig. „Was wir anstre­ben, kann nur dann rich­tig Wirkung entfal­ten, wenn es in sehr vielen Köpfen ist und wenn sich sehr viele Menschen daran betei­li­gen“, beton­te Bangemann.

Dafür müssen die Menschen begeis­tert werden. Und zwar durch etwas, was konkret und „anfass­bar“ ist. Was akti­viert. Statt ledig­lich Diskus­sio­nen auszu­lö­sen. Ist es doch auf Dauer äußerst unbe­frie­di­gend, nur immer über die Gier der Reichen und die Blind­heit der Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker zu schimp­fen. Solche
Debat­ten erschöp­fen sich irgend­wann. Besser versu­chen, von unten etwas zu verän­dern. Dass die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Jahres­fei­er tatsäch­lich den großen Wunsch haben, etwas zu bewe­gen, machte die „Murmel­run­de“ am Eröff­nungs­abend deut­lich. Span­nen­der Tagungs­ein­stieg Was immer einem selbst gerade keine Ruhe lässt, womit man sich gerade beschäf­tigt und wie man über­haupt auf das Thema „Humane Wirt­schaft“ kam, das erzähl­ten sich je zwei Teil­neh­me­rIn­nen bei diesem unge­wöhn­li­chen Einstieg in die Tagung. In sechs Minu­ten mach­ten sich zwei Menschen, die sich bis dato noch nie gese­hen hatten, auf diese inten­si­ve Weise mitein­an­der bekannt. Wech­sel­sei­tig stell­ten sie sich später im Plenum vor. Heraus kamen facet­ten­rei­che Persön­lich­keits­be­schrei­bun­gen, Infor­ma­tio­nen über inter­es­san­te biogra­phi­sche Wege, unge­wöhn­li­che Pläne und erste konkre­te Projekte.

Am zwei­ten Abend kam bei Andre­as Bange­mann Gold­grä­ber­stim­mung auf: In der Rolle des Fürch­te­gott Zwei­fel­mann brach­te er gegen­über Stef­fen Unver­zagt alias Stef­fen Henke erfreut zum Ausdruck, wie
gran­di­os sich sein Geld vermehrt. In den 80er Jahre habe er eine kleine Erbschaft von seinem Groß­va­ter bekom­men, erzähl­te er. Immer­hin 10.000 Mark. Die hat er als flei­ßi­ger schwä­bi­scher Sparer gleich ange­legt – und nun verdop­pelt sich dieses Vermö­gen alle zwölf Jahre.

Die schönere Welt… – Charles Eisenstein 0

Die schönere Welt… – Charles Eisenstein

„Es ist möglich, dass wir erst dann vor unse­rer wirk­li­chen Aufga­be stehen, wenn wir nicht mehr wissen, was zu tun ist. Und viel­leicht haben wir unsere wirk­li­che Reise erst dann begon­nen, wenn wir nicht mehr wissen, welchen Weg wir einschla­gen sollen. Der Geist, der nicht ratlos ist, ist unter­for­dert. Es ist der in seinem Lauf behin­der­te Strom, der singt.“ (Wendell Berry)

Als ich die Einlei­tung von „Ökono­mie der Verbun­den­heit“ »der schö­ne­ren Welt, von deren Möglichkeit
uns unsere Herzen erzäh­len« widme­te, schrieb ich von einem Wider­stand im Denken dage­gen, dass die
Welt ganz anders sein könnte, als wir sie immer kann­ten. Tatsäch­lich haben wir uns viele Jahr­hun­der­te und sogar Jahr­tau­sen­de an eine Welt von großer und immer weiter stei­gen­der Ungleich­heit, von Gewalt, Häss­lich­keit und Kampf gewöhnt.

Manch­mal erin­nert uns ein Ausflug in die unbe­rühr­te Natur, zu einer tradi­tio­nel­len Kultur oder in die von der verarm­ten moder­nen Welt verschlei­er­te reich­hal­ti­ge Sinnen­welt an das, was verlo­ren gegan­gen ist. Und diese Erin­ne­rung schmerzt, streut Salz in die Wunde der Getrennt­heit. Solche Erfah­run­gen zeigen uns zumin­dest, was möglich ist, was gewe­sen ist und was sein kann, aber sie zeigen uns nicht, wie wir eine solche Welt erschaf­fen können. Ange­sichts der enor­men Kräfte, die in Stel­lung gebracht wurden, um den Status quo beizu­be­hal­ten, lassen wir verzagt den Mut sinken. Die flüch­ti­gen Blicke auf eine schö­ne­re Welt, die wir in der Natur erha­schen, oder bei spezi­el­len Begeg­nun­gen, auf Musik­fes­ti­vals, bei Zere­mo­nien, in der Liebe und im Spiel, sind umso entmu­ti­gen­der, wenn wir glau­ben, dass sie niemals mehr sein können als kurz­zei­ti­ge Verschnauf­pau­sen von der seelen­ver­nich­ten­den, geld­ge­trie­be­nen Welt, an die wir gewöhnt sind.

Ein Haupt­ziel war, die Logik der Vernunft mit dem Wissen des Herzens in Einklang zu brin­gen: nicht nur deut­lich zu machen, was möglich ist, sondern auch, wie wir dort­hin gelan­gen können. Wenn ich das Wort „möglich“ verwen­de, meine ich es nicht im Sinn von „viel­leicht“, wie: „Es könnte viel­leicht passie­ren, wenn wir nur Glück haben.“ Ich meine möglich im Sinn von Selbst­be­stim­mung: eine schö­ne­re Welt als etwas, das wir schaf­fen können. Ich habe viele Bewei­se für diese Möglich­keit gelie­fert: den unaus­weich­li­chen Nieder­gang eines Geld­sys­tems, das von expo­nen­ti­el­lem Wachs­tum abhän­gig ist, einen Bewusst­seins­wan­del hin
zu einem Selbst in Verbun­den­heit in einer kokrea­ti­ven Part­ner­schaft mit der Erde, und ich habe viele Beispie­le ange­führt, dass die nöti­gen Einzel­tei­le einer heili­gen Ökono­mie schon im Entste­hen begrif­fen sind. Das ist etwas, das wir schaf­fen. Wir können es, und wir tun es. Und können Sie sich ange­sichts dessen, dass so viel Schlech­tes und Häss­li­ches in der gegen­wär­ti­gen Welt auf das Geld zurück­ge­führt werden
kann, vorstel­len, wie die Welt sein wird, wenn einmal das Geld umge­stal­tet worden ist? Ich kann sie mir nicht vorstel­len, nicht alles davon, obwohl ich manch­mal Visio­nen von ihr habe, die mir den Atem stocken lassen. Viel­leicht stimmt es gar nicht, dass ich sie mir nicht vorstel­len kann – viel­leicht wage ich es nicht. Eine Vision von einer wahr­haft heili­gen Welt, einer heili­gen Ökono­mie, macht das Ausmaß unse­res heuti­gen Leidens umso deut­li­cher. Aber ich will mit Ihnen teilen, was ich in meinen Visio­nen gese­hen habe, selbst die speku­la­tivs­ten, die naivs­ten, unprak­tischs­ten und verträum­tes­ten Aspek­te. Ich hoffe, dass
meine Offen­heit nicht die Glaub­wür­dig­keit (sofern vorhan­den) dessen infra­ge stellt, was ich hier aufgebaut
habe, indem ich die Konzep­te einer heili­gen Ökono­mie in einer schlüs­si­gen und logi­schen Weise darlegte.

Vom spaltenden Geist zu integraler Politik – Peter Berner 0

Vom spaltenden Geist zu integraler Politik – Peter Berner

Ein beson­ders aufge­weck­ter Grund­schü­ler fragte vor kurzem meine Frau, die als Märchen­er­zäh­le­rin tätig ist: „Warum ist das so, dass im Märchen immer die Guten gewin­nen, aber in der Wirk­lich­keit immer die Bösen?“ Dieser junge Mensch also warf beherzt die Ponerologiefrage[1] auf, die von uns Erwach­se­nen meist tabui­siert wird, obwohl – oder gerade weil? – deren Beant­wor­tung für gesell­schafts­po­li­ti­sches Handeln oder Nicht-Handeln von zentra­ler Bedeu­tung sein dürfte. Ob wir über­haupt die Einschät­zung dieses Jungen teilen und wenn ja, wie wir seine Frage beant­wor­ten, dürfte einen hohen Einfluss darauf haben, wie es nicht nur um unser poli­ti­sches Enga­ge­ment, sondern darüber hinaus auch um unsere innere Ausge­gli­chen­heit, Gesund­heit und Lebens-Quali­tät bestellt ist. Deswe­gen möchte ich – als Psycho­the­ra­peut, dem seit Jahr­zehn­ten immer wieder auch die Heilung unse­res Gemein­we­sens beson­ders am Herzen liegt – hier meine persön­li­che Antwort
auf diese Frage ins Gespräch bringen.

Wir Menschen auf dieser Erde leben – so würde ich es formu­lie­ren – seit mehre­ren Jahrtausenden
unter der sich zuspit­zen­den Herr­schaft eines diabo­li­schen, krie­ge­ri­schen, spal­ten­den Geis­tes, welcher sich
in beson­de­rer Weise gegen seine eigene Aufklä­rung immu­ni­siert hat – so ähnlich wie wir es in der Tiefen­psy­cho­lo­gie als „Wider­stand“ gegen das Erken­nen unbe­wuss­ter selbst­schä­di­gen­der Denk- und Verhal­tens­mus­ter kennen. „Geist“ ist hier­bei durch­aus in seiner doppel­ten Bedeu­tung gemeint: Einer­seits als Feld­ef­fekt im kollek­ti­ven Bewusst­sein, als weit verbrei­te­tes Denk- und Inter­pre­ta­ti­ons-Muster – ande­rer­seits als indi­vi­du­el­le Wesen­heit mit Durch­set­zungs­wil­len und Selbsterhaltungsinteresse.

Diese Sicht­wei­se folgt einem trans­per­so­na­len Welt­bild, demzu­fol­ge den Erschei­nun­gen der mate­ri­el­len Welt Kräfte und Forma­tio­nen auf fein­stoff­li­cher und Bewusst­seins­ebe­ne zugrun­de liegen – und sie folgt einem mehr­per­spek­ti­vi­schen, inte­gra­len Ansatz, dem zufol­ge beispiels­wei­se auch das abso­lu­te, allumfassende,
allem zugrun­de liegen­de Bewusst­sein („Gott“) zugleich so etwas wie eine abstrak­te Ener­gie und so etwas
wie eine indi­vi­du­el­le Persön­lich­keit ist.

[1] „Pone­rolo­gie“ ist ein selten gebrauch­ter Ausdruck für „die Lehre vom Bösen“

Problemfeld Geld – Fakten und Fehlvorstellungen – Helmut Creutz 0

Problemfeld Geld – Fakten und Fehlvorstellungen – Helmut Creutz

Vorbe­mer­kun­gen

Das Thema Geld und allem was damit zusam­men­hängt, findet in unse­ren Tagen zuneh­men­de Beach­tung. Bedingt
nicht nur durch das stän­dig disku­tier­te und publi­zier­te Krisen­ge­sche­hen im Umfeld der Börsen und Banken,
sondern vor allem auch vor dem Hinter­grund der Staats-Über­schul­dun­gen und der diver­sen „Rettungs­schir­me“
durch Regie­run­gen und Notenbanken.

Inzwi­schen wird sogar, zur Lösung der Proble­me, selbst die Abschaf­fung des Bargelds disku­tiert, weil dann die Zentral­ban­ken die Möglich­keit haben würden, die Leit­zin­sen auch auf null zu senken! Andere schla­gen sogar vor, die Sicht­gut­ha­ben der Bürger mit Straf­zin­sen zu bele­gen, obwohl die darauf gepark­te Kauf­kraft zum größ­ten Teil den Banken für zwischen­zeit­li­che Kredit­ver­ga­ben zu Verfü­gung steht. Doch unge­klärt bleibt bei allen Diskus­sio­nen zumeist, wen man mit diesen Straf­an­dro­hun­gen eigent­lich tref­fen will, die Bürger oder die Banken?

Wie wir aus den Medien wissen, ist inzwi­schen sogar das Thema „Minus­zin­sen“ kein Tabu mehr, jedoch nicht –
wie in dieser Zeit­schrift immer wieder gefor­dert – bezo­gen als Kosten auf das umlau­fen­de Bargeld in den Händen der Bürger, sondern statt dessen bezo­gen auf die Zurver­fü­gung­stel­lung des Zentral­bank­gel­des an die Banken. Also auf jene Bestän­de, die den Banken nicht nur als Bargeld­re­ser­ven dienen, sondern auch als Basis für die Verrech­nun­gen und damit Absi­che­run­gen jener unzäh­li­gen Geld-Gutha­ben-Über­tra­gun­gen, die wir als Bank­kun­den über unsere Sicht­gut­ha­ben täglich abwi­ckeln. Manche Kriti­ker und Refor­mer in unse­ren Tagen plädie­ren sogar dafür – wie z. B. die „Voll­geld-Initia­ti­ve“ – die Sicht­gut­ha­ben­be­stän­de dem Bargeld gleich­zu­stel­len und die Ausga­be des auf diese Weise verviel­fach­ten Geldes direkt an den Staat vorzu­neh­men. Wobei sie offen­sicht­lich den Tatbe­stand verdrän­gen, dass diese Bestän­de auf den Sicht­gut­ha­ben von den Bürgern durch Einzah­lun­gen von Bargeld aufge­baut worden sind.

Was ist über­haupt Geld?

Beur­tei­len kann man alle diese Aussa­gen und Ansich­ten zum Geld nur dann, wenn man sich, sowohl bezo­gen auf
die heuti­ge Situa­ti­on als auch fast alle Reform­vor­schlä­ge, über die sach­be­zo­ge­nen Größen, Gege­ben­hei­ten und Entwick­lun­gen in Sachen Geld im Klaren ist. Ausge­hend vor allem von den statis­tisch erfass- und damit nach­weis­ba­ren Größen und Vorgän­gen, die von der Deut­schen Bundes­bank seit Jahr­zehn­ten für unse­ren natio­na­len Wirt­schafts­raum erfasst und ausge­wie­sen worden sind. Doch geht man diesen Spuren noch weiter und ins Allge­mei­ne nach, dann ist Geld zuerst einmal eine ganz tolle Erfin­dung. Eine Erfin­dung, die den Handel und Austausch von Gütern ähnlich erleich­tert hat, wie die Erfin­dung des Rades den Trans­port. Geld
ist weiter­hin – im Normal­fall – der Lohn für eine einge­brach­te Leis­tung und der Anspruch auf eine gleich­wer­ti­ge Gegen­leis­tung. Und schließ­lich ist Geld in einem Wirt­schafts­raum zumeist das gesetz­lich einge­führ­te und allge­mein akzep­tier­te Zahlungs­mit­tel. Also jenes Medium, das man – orts- wie zeitversetzt
– für belie­bi­ge Zahlungs­zwe­cke verwen­den und damit als ein Binde­glied zwischen auszutauschenden
Leis­tun­gen sehen kann.

Ähnlich wie die Maßstä­be für Längen und Gewich­te, ist Geld also ein univer­sa­ler Maßstab aller Werte und damit auch aller Preis­ge­stal­tun­gen. Ein Maßstab, mit dessen Hilfe man in unse­ren Tagen sämt­li­che Güter- und Leis­tun­gen mitein­an­der verglei­chen und verrech­nen kann und der ähnlich stabil sein sollte, wie die Maßstä­be für Längen oder Gewich­te. Und dieser Wert­maß­stab Geld ist deshalb als umlau­fen­des offi­zi­el­les Zahlungs­mit­tel sogar mit einem Annah­me­zwang für alle Wirt­schafts­teil­neh­mer verbun­den, die in dem jewei­li­gen Wirt­schafts­raum Leis­tun­gen einbrin­gen oder Waren zum Verkauf anbieten.

TAFTA Currencies mit Globus © Martin Bangemann 0

TAFTA – die große Unterwerfung – Lori Wallach

Über­tra­gung aus dem Engli­schen von Niels Kadritzke

Aufge­reg­te Poli­ti­ker von Berlin bis Brüs­sel sehen durch den NSA-Skan­dal das Trans­at­lan­ti­sche Frei­han­dels­ab­kom­men in Gefahr. Über das, was in dem ange­streb­ten Vertrag stehen soll, reden sie nicht so gern. Ein Blick auf die ersten Blau­pau­sen lässt ahnen, was Euro­pas Bürger nicht zu früh erfah­ren sollen.

Bereits vor fünf­zehn Jahren versuch­ten Groß­un­ter­neh­men bei den Verhand­lun­gen über das Multi­la­te­ra­le Abkom­men über Inves­ti­tio­nen (MAI) ihre Macht heim­lich still und leise in unvor­stell­ba­rem Maße auszu­wei­ten. Damals schei­ter­te das Projekt am hart­nä­cki­gen Wider­stand der Öffent­lich­keit und der Parla­men­te. Damit wurde unter ande­rem verhin­dert, dass sich einzel­ne Konzer­ne densel­ben Rechts­sta­tus wie Natio­nal­staa­ten verschaf­fen konn­ten. Das hätte etwa bedeu­tet, dass Unter­neh­men eine Regie­rung verkla­gen können, „entgan­ge­ne Gewin­ne“ aus Steu­er­gel­dern auszugleichen.

Jetzt aber kommen diese Pläne erneut auf den Tisch, und zwar in deut­lich verschärf­ter Fassung. Der offi­zi­el­le Name des neuen Projekts lautet „Trans-Atlan­tic Trade and Invest­ment Part­ner­ship“, abge­kürzt TTIP. Dieses trans­at­lan­ti­sche Handels- und Inves­ti­ti­ons­ab­kom­men soll, ähnlich wie früher das MAI, die Privi­le­gi­en von Konzer­nen und Inves­to­ren absi­chern und sogar noch auswei­ten. So wollen die EU und die USA ihre jewei­li­gen Stan­dards in „nicht handels­po­li­ti­schen“ Berei­chen verein­heit­li­chen. Diese ange­streb­te „Harmo­ni­sie­rung“ orien­tiert sich erwar­tungs­ge­mäß an den Inter­es­sen der Konzer­ne und Inves­to­ren. Werden deren Stan­dards nicht erfüllt, können zeit­lich unbe­grenz­te Handels­sank­tio­nen verhängt werden. Oder es werden gigan­ti­sche Entschä­di­gun­gen für die Unter­neh­men fällig.

Die Verhand­lun­gen über diese Art Staats­streich in Zeit­lu­pe haben im Juli dieses Jahres in Washing­ton begon­nen – mit der erklär­ten Absicht, in zwei Jahren ein Abkom­men zu unter­zeich­nen, das eine trans­at­lan­ti­sche Frei­han­dels­zo­ne „Trans-Atlan­tic Free Trade Area“ (TAFTA) begrün­den wird. Das gesam­te TTIP-TAFTA-Projekt
gleicht dem Mons­ter aus einem Horror­film, das durch nichts totzu­krie­gen ist. Denn die Vortei­le, die eine solche „Wirt­schafts-NATO“ den Unter­neh­men bieten würde, wären bindend, dauer­haft und prak­tisch irrever­si­bel, weil jede einzel­ne Bestimmung
nur mit Zustim­mung sämt­li­cher Unter­zeich­ner­staa­ten geän­dert werden kann.

Ist die deutsche Energiewende rentabel? – Wolfgang Berger 0

Ist die deutsche Energiewende rentabel? – Wolfgang Berger

Emnid hat ermit­telt, dass 84 Prozent der Deut­schen eine rasche und voll­stän­di­ge Ener­gie­ver­sor­gung mit erneu­er­ba­ren Ener­gien wünschen. Jeder Dritte würde sich an Erneu­er­ba­re-Ener­gien-Anla­gen in seiner Nähe finan­zi­ell betei­li­gen. Das sind über 20 Millio­nen poten­zi­el­le Inves­to­ren. Ist diese Präfe­renz ratio­nal oder ist es eine emotio­na­le Präfe­renz jenseits unter­neh­me­ri­schen Kalküls?

Die meis­ten Unter­neh­men berech­nen die Renta­bi­li­tät ihrer mögli­chen oder geplan­ten Inves­ti­tio­nen mit einer einfa­chen Rech­nung: Sie ermit­teln die zusätz­li­chen Ausga­ben, die bei einer Inves­ti­ti­on Jahr für Jahr notwen­dig werden und die zusätz­li­chen Einnah­men, die diese Inves­ti­ti­on Jahr für Jahr bringt. Die jähr­li­chen Salden dieser Zahlen­rei­he stehen für die Ertrags­kraft der Investition.

Nun können wir diese Salden aber nicht einfach addie­ren – wir müssen sie mit der Zeit gewich­ten. Eine Milli­on in diesem Jahr ist mehr als eine Milli­on im nächs­ten Jahr, denn wenn wir es gut anfan­gen, hat sich die eine Milli­on in diesem Jahr bis zum nächs­ten Jahr vermehrt. Wollen wir die Zahlen addie­ren, müssen sie zuvor vergleich­bar gemacht und auf den heuti­gen Tag abzinst werden. Diese „Kapi­tal­wert­me­tho­de“ ist der umge­kehr­te Rechen­vor­gang wie die Zins­be­rech­nung für die Zukunft, nur dass hier die Zahlen nicht größer, sondern klei­ner werden, je weiter das Jahr in der Zukunft liegt, auf das sie sich beziehen.

Wenn wir beim Abzin­sen mit zehn Prozent rech­nen, sind eine Milli­on Euro in einem Jahr heute 910.000 Euro wert, denn wenn ich heute 910.000 Euro mit zehn Prozent anlege, habe ich in einem Jahr eine Milli­on. Nicht weil die Zinsen heute zehn Prozent sind; sie sind nied­ri­ger. Aber Inves­ti­ti­ons­kre­di­te sind trotz­dem teuer und Über­zie­hungs­zin­sen sind auch bei einem Leit­zins­satz der Zentral­bank nahe Null weit über zehn Prozent.

Wenn wir mit zehn Prozent rech­nen, sind eine Milli­on Euro in zwei Jahren dann heute noch einmal zehn Prozent weni­ger wert, also 830.000 Euro. Und so können wir weiter rech­nen: Eine Milli­on Euro in zehn Jahren sind heute 390.000 Euro wert. Eine Milli­on Euro in 100 Jahren sind heute 700 Euro wert. Eine Milli­on Euro in 200 Jahren sind heute drei Euro wert und eine Milli­on Euro in 250 Jahren sind abge­zinst heute nur ganze vier Cent wert.

Weil die lang­fris­ti­gen Auswir­kun­gen so lächer­lich gering sind, brau­chen wir die Rech­nung nur für gut zehn
Jahre durch­zu­füh­ren. Was danach geschieht, wirkt sich auf das Ergeb­nis kaum noch aus. Was danach geschieht, beein­flusst die Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen also nicht mehr. In unse­rem gegen­wär­ti­gen destruk­ti­ven Geld­sys­tem erzwingt der Rendi­te­zwang deshalb die Zerstö­rung der Umwelt. Der Erhalt der Umwelt wirkt sich erst lang­fris­tig aus und ist deshalb nicht renta­bel. Eine Nach-uns-die-Sint­flut-Menta­li­tät erhöht den Börsen­wert des Unter­neh­mens (Share­hol­der Value) und ist deshalb die logi­sche Konsequenz.
In Zeiten nied­ri­ger Zinsen wach­sen die großen Vermö­gen über Aktien und die Speku­la­ti­on mit Derivaten.
Nied­ri­ge Zinsen verlei­hen Deri­va­ten eine Hebel­wir­kung, mit der sie fast die ganze Welt aufkau­fen können.

Bei flie­ßen­dem Geld pendelt der effek­tiv gezahl­te Markt­zins um Null; zusätz­li­che Einnah­men und Ausga­ben von Inves­ti­tio­nen werden deshalb nicht mehr abge­zinst. Damit wird es renta­bel, die Umwelt zu erhal­ten. In einem solchen Geld­sys­tem werden die Märkte deshalb Nach­hal­tig­keit und dauer­haft halt­ba­re Güter erzwingen.

Die Mehrheit in Deutschland profitiert nicht vom Euro – Felix Fuders 0

Die Mehrheit in Deutschland profitiert nicht vom Euro – Felix Fuders

Immer häufi­ger ließt man in Kommen­ta­ren der inter­na­tio­na­len Presse, dass Deutsch­land mit seinen enor­men Handels­bi­lanz­über­schüs­sen, die zuletzt sogar größer waren als dieje­ni­gen Chinas, Schuld sei an der defi­zi­tä­ren Handels­bi­lanz der südli­chen Länder Euro­pas. In einem Arti­kel in der New York Times[1] beschwer­te sich Ökono­mie Nobel­preis­trä­ger Paul Krug­man kürz­lich beispiels­wei­se über die seiner Meinung nach „depres­sing Germans“[2]. Der Tenor des Arti­kels ist, dass Deutsch­land durch eine expan­si­ve Geld- und Fiskal­po­li­tik eigen­nüt­zig hohe Export­über­schüs­se auf Kosten der euro­päi­schen Nach­barn erzie­le und damit sogar auch die Stabi­li­tät der Welt­wirt­schaft gefähr­de. Da Export­über­schüs­se eines Landes immer eine nega­ti­ve Handels­bi­lanz in einem ande­ren Land erzeu­gen müssen[3], sei Deutsch­land mitver­ant­wort­lich für
die hohe Arbeits­lo­sig­keit etwa in Spani­en. Deutsch­land solle Maßnah­men tref­fen, den Export­über­schuss zu verrin­gern. Tatsäch­lich haben die Handels­bi­lanz­un­gleich­ge­wich­te in Europa nur wenig mit der Wirt­schafts- und Außen­han­dels­po­li­tik Deutsch­lands, sondern viel­mehr mit dem Euro zu tun. Das soll im Folgen­den erklärt werden. Anschlie­ßend wir darauf einge­gan­gen werden, dass der Euro im Übri­gen auch nicht gut ist für die Mehr­heit der Deut­schen, da er einen indi­rek­ten Wohl­stands­trans­fer der Haus­hal­te der produk­ti­ve­ren hin zu
den Haus­hal­ten der weni­ger produk­ti­ven Ländern der Euro­zo­ne darstellt.

[1] Paul Krug­man, Those depres­sing Germans, in: Inter­na­tio­nal New York Times, v. 5. 11. 2013
[2[ Es sei ange­merkt, dass Alfred Nobel niemals einen Preis im Fach­ge­biet Ökono­mie vorge­schla­gen hatte, es folg­lich also keinen „Nobel­preis für Ökono­mie“ gibt. Der so genann­te „Nobel­preis für Ökono­mie“ ist ein von der schwe­di­schen Natio­nal­bank heraus­ge­ge­be­ner Preis für heraus­ra­gen­de wissen­schaft­li­che Leis­tun­gen im Fach­ge­biet Ökono­mie, der in Ange­den­ken Alfred Nobels verlie­hen wird
[3[ Vgl. etwa Karl- Heinz Moritz, Georg Stadt­mann, Mone­tä­re Außen­wirt­schaft, 2. Aufl. München 2011, S. 15

Die vierte Ohnmacht- Jens Brehl im Interview mit dem Autor Dirk C. Fleck 0

Die vierte Ohnmacht- Jens Brehl im Interview mit dem Autor Dirk C. Fleck

Jour­na­lis­ten genie­ßen zuneh­mend einen schlech­ten Ruf, gelten gar als korrupt und viele Menschen wenden sich enttäuscht über den ober­fläch­li­chen Einheits­brei von etablier­ten Medien ab. Zu recht findet Dirk C. Fleck. Der heute 70jährige „Vater des Ökothril­lers“ schrieb unter ande­rem für namhaf­te Blät­ter wie die „Hambur­ger Morgen­post“, „Die Welt“, „Stern“, „Spie­gel“ und viele mehr. Schon lange würden Medien nicht mehr als Wäch­ter der Demo­kra­tie fungie­ren; es zähle allein die Höhe der verkauf­ten Aufla­gen und Einschalt­quo­ten. Für sein Buch „Die vierte Macht“ sprach er mit 25 Spit­zen­jour­na­lis­ten über ihre Verant­wor­tung in Krisen­zei­ten. Die Zukunft der Medien sieht Fleck aller­dings schwarz. 

Jens Brehl: „Warum haben Sie den Beruf des Jour­na­lis­ten ergriffen?“

dirk C. Fleck: „Den Berufs­wunsch hatte ich bereits im Alter von 14 Jahren. Im Grunde war ich kein heraus­ra­gen­der Schü­ler, bis ich mein Talent für das Schrei­ben entdeck­te. Plötz­lich erhielt ich zum ersten Mal gute Noten für meine Schul­ar­bei­ten. Dadurch hatte ich endlich meinen Zugang zu den Lehr­in­hal­ten und meiner Krea­ti­vi­tät gefunden.

Meine Eltern hatten ‚Die Welt‘ abon­niert. Damals war das noch eine links-libe­ra­le Zeitung, was man sich heute gar nicht mehr vorstel­len kann. Jeden­falls waren für mich die Jour­na­lis­ten, die für ‚Die Welt‘ schrie­ben, Helden, denen ich gerne nach­ei­fern wollte. Als ich dann für meine Schule eine Jahres­ar­beit über die Zeitung schrieb, konnte ich die Redak­ti­on besu­chen. Ich bin fast vor Ehrfurcht gestor­ben, als ich die Namens­schil­der meiner Helden auf den diver­sen Türen gese­hen habe. Mein beruf­li­ches Ziel stand danach
endgül­tig fest. Nach meiner Buch­händ­ler­leh­re und dem Ersatz­dienst studier­te ich an der Deut­schen Jour­na­lis­ten­schu­le in München. Da es damals die einzi­ge Jour­na­lis­ten­schu­le in Deutsch­land war, gab es einen entspre­chend großen Andrang. Im Vorfeld muss­ten alle 2.000 Bewer­ber eine Repor­ta­ge einrei­chen. Ledig­lich 40 Anwär­ter wurden zur münd­li­chen Prüfung einge­la­den, doch nur für 20 gab es einen Studi­en­platz. Einer davon war dann ich. “

Entlarvte Pseudo-Demokratie – Wilhelm Schmülling 0

Entlarvte Pseudo-Demokratie – Wilhelm Schmülling

Da sage noch einer, mehr Demo­kra­tie sei nicht möglich. Jetzt wurde sogar das Ergeb­nis des mühsam ausge­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trags den SPD-Mitglie­dern zur Abstim­mung vorge­legt. Welch ein Fort­schritt, so scheint es auf den ersten Blick. In Wirk­lich­keit war es der Versuch, eine im Wahl­kampf fest­ge­leg­te Aussa­ge zu umge­hen und den Mitglie­dern die davon abwei­chen­den Ergeb­nis­se der Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen schmack­haft zu machen. Schließ­lich wurden einige sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Forde­run­gen von der CDU über­nom­men, die Balsam für die sozia­le Seele beider Partei­en sind. Reichen die Beschlüs­se für eine ange­streb­te umfas­sen­de sozia­le Gerech­tig­keit? Wohl kaum.

Warum dieser nichts­nut­zi­ge Streit, ob die SPD mit der Mitglie­der­be­fra­gung zur großen Koali­ti­on die Verfas­sung bricht oder nicht. Auf jeden Fall war es eine Gele­gen­heit mehr Basis­de­mo­kra­tie zu wagen. Wenn man die gerin­ge Anzahl an Versamm­lungs­be­su­chern auf Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tun­gen der CDU zum Koali­ti­ons­ver­trag sieht, hat die CDU keinen Anlass zu über­heb­li­cher Kritik.

Das ist eben das Dilem­ma, in einer auf Kapi­tal­ertrag ausge­rich­te­ten Wirt­schafts­ord­nung die systembedingte
Unge­rech­tig­keit produ­ziert sozia­le Gerech­tig­keit zu errei­chen. Das bleibt ein nicht zu lösen­des Problem. Denn Kapi­ta­lis­mus und Markt­wirt­schaft vertra­gen sich nicht, sind sogar krasse Gegen­sät­ze. Die stän­di­ge Gleich­set­zung beider in den Medien ist gewollt. Wer kann schon etwas gegen Markt­wirt­schaft einwen­den? Wer es doch tut, will die Plan­wirt­schaft, unter­stellt man. Und so werden von den Meinungs­bild­nern flugs die „Märkte“, die Kapi­tal­märk­te genann­te werden müss­ten, als Markt­wirt­schaft ausge­ge­ben. Und die Bezeich­nung „Finanz­in­dus­trie“ ist eben­falls ein Mogel­wort. Dort wird nichts produ­ziert, nur spekuliert.

Auf den Märk­ten der Real­wirt­schaft werden Waren und Dienst­leis­tun­gen der arbei­ten­den Menschen getauscht.
Würde auf den Märk­ten dieser Leis­tungs­trä­ger das Geld ausschließ­lich als Tausch­mit­tel einge­setzt und nicht
ein Teil an das Kapi­tal abge­zweigt werden, gäbe es kein Eigen­tum ohne Arbeit. Denn Eigen­tum kommt von eige­nem Tun. Die deut­sche Spra­che hat viele zutref­fen­de Ausdrü­cke, auch für Ökono­men. Auf den angeblichen
Finanz­märk­ten werden ange­eig­ne­te Leis­tun­gen ande­rer Menschen für möglichst hohe Profi­te einge­setzt. Die
heute unter­schied­li­chen Ziel­rich­tun­gen der Märkte, die einen produ­zie­ren Waren, die ande­ren Profi­te, sind
das Grund­übel unse­rer Zeit.

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt 0

Wisst Ihr denn, wohin Ihr wollt? – Siegfried Wendt

1. Der Wunsch der Eltern

Meine Erin­ne­rung reicht zurück bis in die letz­ten Jahre des Zwei­ten Welt­kriegs. Da kannte ich viele Leute, die sagten: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Sie hatten tatsäch­lich allen
Grund, dies zu wünschen in Anbe­tracht ihrer gefal­le­nen Verwand­ten und Freun­de, der zerbomb­ten Städte und der Versor­gungs­pro­ble­me hinsicht­lich der elemen­ta­ren Bedürf­nis­se – Nahrung, Klei­dung, Wohnung. Sie wünsch­ten sich eine radi­ka­le Ände­rung der Lebens­ver­hält­nis­se in Deutsch­land. Die anzustrebende
Ziel­si­tua­ti­on sollte derart sein, dass möglichst niemand mehr Anlass haben sollte zu dem Wunsch: „Unsere
Kinder sollen es einmal besser haben als wir.“ Wenn man die Leute damals gebe­ten hätte, die gewünsch­te Ziel­si­tua­ti­on ein wenig zu konkre­ti­sie­ren, wäre sehr schnell deut­lich gewor­den, dass der Wunsch zwei klar unter­scheid­ba­re Ziele umfass­te. Das eine Ziel fand von Anfang an seinen Ausdruck in der bekannten
Forde­rung „Nie wieder Krieg!“, woge­gen das andere Ziel erst etwas später von Ludwig Ehrhard in die grif­fi­ge Formel „Wohl­stand für alle!“ gepackt wurde. Ich gehöre zu den glück­li­chen Kindern, für
die beide Teile des dama­li­gen Wunsches ihrer Eltern tatsäch­lich in Erfül­lung gegan­gen sind. Seit dem Zwei­ten Welt­krieg hat es in Deutsch­land keinen Krieg mehr gege­ben, und es sieht auch nicht so aus,
als ob ich in der mir verblei­ben­den Lebens­zeit noch mit einem solchen Krieg rech­nen müsste. Auch was den Wohl­stand angeht, ist der Wunsch für mich selbst und viele meiner Verwand­ten und Freun­de in Erfül­lung gegan­gen. Ich meine aber, dass wir das Ziel „Wohl­stand für alle“ nicht nur nicht erreicht haben, sondern
aktu­ell dabei sind, uns wieder weiter von diesem Ziel zu entfernen.

2. Die Frage nach dem Zielzustand

Zustän­de, in denen ein System ewig verblei­ben könnte, obwohl noch dyna­mi­sche Vorgän­ge statt­fin­den, werden
statio­nä­re Zustän­de genannt. Schon in der Bibel (1. Mose 8, Vers 22) wird – obwohl dort natür­lich die Bezeich­nung „statio­nä­rer Zustand“ nicht vorkommt – ein solcher Zustand beschrie­ben: „Solan­ge die Erde steht, soll nicht aufhö­ren Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Ohne Zwei­fel befin­det sich unser Wirt­schafts­sys­tem zur Zeit nicht in einem statio­nä­ren Zustand. Vermut­lich war
die Geschwin­dig­keit der Ände­run­gen im Wirt­schafts­sys­tem noch nie so hoch wie jetzt. Es wird auch von Poli­ti­kern und Wirt­schafts­fach­leu­ten immer wieder betont, dass das beson­ders Posi­ti­ve am aktu­el­len Zustand darin bestehe, dass er in hohem Maße dyna­misch sei. Zur Bestä­ti­gung ihres Urteils verwei­sen sie manch­mal auf das Sprich­wort „Wer rastet, der rostet.“ Und sie meinen, um dem Rosten zu entge­hen, müsse man immer schnel­ler rennen. Ich bin dage­gen über­zeugt, dass wir uns fragen soll­ten, wohin die Reise gehen soll, d. h. ob wir nicht doch einen statio­nä­ren Ziel­zu­stand charak­te­ri­sie­ren können, den fast alle Mitbür­ger posi­tiv beur­tei­len würden. Selbst­ver­ständ­lich kann dieser Ziel­zu­stand kein endgül­ti­ger sein, denn jede „revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­idee“ würde zwangs­läu­fig zum Verlas­sen dieses Zustands führen. Beispie­le für revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen sind die Erfin­dung des Buch­drucks oder der Dampf­ma­schi­ne, und in neue­rer Zeit die viel­fäl­ti­gen Ideen zur Nutzung der natur­wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se in der Physik und der Chemie. Ohne diese Erkennt­nis­se gäbe es keine Autos, kein elek­tri­sches Licht, keine Roll­trep­pen, keine Compu­ter, kein Inter­net und keine draht­lo­se Kommu­ni­ka­ti­on. Aus der Tatsa­che, dass in den letz­ten zwei­hun­dert Jahren in immer kürze­ren Abstän­den revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen gebo­ren wurden, glau­ben manche Wirt­schafts­pro­phe­ten schlie­ßen zu dürfen, dass sich die zeit­li­chen Abstän­de zwischen solchen Ereig­nis­sen auch weiter­hin verkür­zen werden. Da revo­lu­tio­nä­re Inno­va­ti­ons­ideen aber häufig ihren Ursprung
in über­ra­schen­den natur­wis­sen­schaft­li­chen Entde­ckun­gen haben, sehe ich eine Analo­gie zwischen dem Feld dieser Ideen und einem Erdöl­feld: Lange bleibt es unent­deckt, dann wird es immer schnel­ler ausge­beu­tet und
schließ­lich ist es leer gepumpt. Deshalb halte ich es durch­aus für sinn­voll, darüber nach­zu­den­ken, welchen Zustand unse­res Wirt­schafts­sys­tems wir uns denn wünschen soll­ten unter der Annah­me, dass in den kommenden
Jahr­zehn­ten keine revo­lu­tio­nä­ren Inno­va­ti­ons­ideen mehr vom Himmel fallen.

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites 0

Aus der Logik des Verdrängungswettbewerbs heraushalten – Michael Beleites

Die bäuer­li­che Lebens­form besteht aus einem Zusam­men­hang von Erwerbs­ar­beit, Eigen­ar­beit, gemein­nüt­zi­ger Arbeit und Erho­lung in einem selbst gestalt­ba­ren Lebens­um­feld. Mit diesem bäuer­li­chen Prin­zip wird der Zusam­men­hang von Wohn- und Arbeits­ort, die Verein­bar­keit von Fami­lie und Beruf, der Zusam­men­halt der Gene­ra­tio­nen, ein hohes Selbst­ver­sor­gungs-Poten­zi­al sowie eine zeit­lich und räum­lich über den Hofall­tag hinaus­rei­chen­de Verant­wor­tung gewähr­leis­tet. Es ist ein Lebens- und Arbeits­mo­dell, das individuelle
Frei­heit mit einer Begren­zung und Einord­nung in die Natur­zu­sam­men­hän­ge einer endli­chen Welt organisch
verbindet.

Diese für die Bauern­fa­mi­li­en wie für die Gesell­schaft glei­cher­ma­ßen nütz­li­che und förder­li­che Lebens- und Arbeits­form wird heute erstickt: Wo außer Geld keine ande­ren Werte zählen, wird allein der Sektor der Erwerbs­ar­beit hono­riert – und in den Wett­be­werb gestellt. Das Wett­be­werbs- System führt zwangs­läu­fig dazu, dass dieje­ni­gen gewin­nen, bei denen der Bereich der Erwerbs­ar­beit nahezu 100 % ausmacht, also die anderen
Arbeits- und Lebens­be­rei­che weit­ge­hend erdrückt. Je mehr ein Betrieb den Aspekt der Erwerbs­ar­beit zurück­fährt, um den ande­ren Berei­chen Raum zu geben, desto eher wird er zum Verlie­rer in diesem System. Wer mit viel Fläche und weni­gen Arbeits­kräf­ten wirt­schaf­tet, wer viele Tiere auf engem Raum hält, wer auf Kosten der Natur, des Grund­was­sers und der Quali­tät seiner Produk­te die Erträ­ge stei­gert, wer wegen der Flächen­sub­ven­tio­nen die Neuein­rich­tung klei­ner Betrie­be blockiert – verhält sich system­kon­form, ist
aber nicht Urhe­ber dieser Verhältnisse.

In den oppo­si­tio­nel­len Grup­pen in der DDR der 80er Jahre habe ich gelernt, dass es nichts bringt, dieje­ni­gen zu kriti­sie­ren, die sich system­kon­form verhal­ten – wenn man nicht das System selber zur Debat­te stellt. Nun ist die heuti­ge Situa­ti­on eine andere als damals. Aber auch heute müssen wir damit rech­nen, dass sich viele Menschen so oder so verhal­ten, weil sie Teil eines gesell­schaft­li­chen Systems sind – und nicht, weil sie sich das in völli­ger Entschei­dungs­frei­heit selbst ausge­dacht haben. Mit dem heuti­gen System meine ich nicht allein die derzei­ti­ge Agrar­po­li­tik, die nur ein Teil davon ist. Ich meine insbe­son­de­re die aus einer falsch verstan­de­nen Biolo­gie (Selek­ti­ons­leh­re) in die Ökono­mie übertragene
und von dort aus in alle Gesell­schafts­be­rei­che einge­drun­ge­ne Wett­be­werbs- Logik. Im Ideal­fall ist eine Gesell­schaft nämlich wie ein Orga­nis­mus verfasst, dessen „Organe“ zum gegen­sei­ti­gen Vorteil und zum Wohle des Ganzen zusam­men­ar­bei­ten – und nicht danach trach­ten, sich gegen­sei­tig zu verdrängen.

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert 0

Hamburger Gedanken – Stefan Pinkert

Eine ganz persön­li­che Buchbesprechung.

Der ICE ist fast pünkt­lich, dies­mal, auf meiner Reise von Frank­furt nach Hamburg. Im Abteil neben mir ein junger Mann, Student offen­sicht­lich, nicht unfreund­lich. Hat die ganze Fahrt über seinen Laptop in Betrieb, stun­den­lang mit Compu­ter­spie­len. Scheint sich ablen­ken zu müssen; von was eigent­lich, würde ich ihn am liebs­ten fragen.

Gedan­ken kommen und gehen: wach sein, hier sein, unsere Reali­tät sehen, sehen was wirk­lich um uns herum ist… scheint nicht mehr in Mode zu sein bei vielen jungen Leuten. Wie anders war es doch noch in meiner Gene­ra­ti­on, der 68er.

Ich begin­ne mit meiner Reise­lek­tü­re: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te Wirt­schaft lohnt‑, von Chris­ti­an Kreiß, einem Wirt­schafts­pro­fes­sor mitt­le­ren Alters. Im Bild auf dem Klap­pen­text mit wachen Augen, die etwas verwun­dert drein schau­en. Hätten wir doch alle tatsäch­lich Grund uns sehr zu wundern, denke ich.

Wie ist es möglich, fragt der Autor, dass wir offen­sicht­lich in einer Art kollek­ti­ver Trance die falschen Grund­an­nah­men unse­rer gängi­gen Wirt­schafts­theo­rien nicht wahr­neh­men? Wie war es möglich, denke ich, schon beim Lesen der ersten Seiten, dass damals im drit­ten Reich ein ganzes Volk dem Rassen­wahn verfiel mit den dann schier unglaub­li­chen Folgen? Kreiß versucht immer wieder im Zusam­men­hang mit der neoli­be­ra­len Wirt­schafts­dok­trin eine Antwort auf diese Kern­fra­ge zu geben. Er ist Fach­mann, Insi­der, hoch­kom­pe­tent, scheint mir, und er hat Mut. Braucht es Mut aus kollek­ti­ven Tran­cen aufzu­wa­chen? Ja, und – man muss es wollen.

Der Autor hat profun­de Geschichts­kennt­nis­se, verknüpft aktu­el­le Zusam­men­hän­ge damit, er versucht ein
ganz­heit­li­ches Bild unse­rer derzei­ti­gen Wirt­schafts­kri­se zu vermit­teln. Plötz­lich erge­ben die Zusam­men­hän­ge ein verblüf­fend einleuch­ten­des und logisch stim­mi­ges Bild: nur eine gerech­te Wirt­schaft, so Kreiß, kann auf Dauer bestehen. Das lehrt eindrück­lich die jünge­re Geschichte!

Mir gegen­über im Zug sitzt eine junge Dame mit einem frischen, offe­nen Gesicht, auch sie stun­den­lang am Laptop. Ich erfah­re später, sie schrei­be ihre Master­ar­beit nach elf Semes­tern Psycho­lo­gie­stu­di­um. Man merkt, sie ist ganz absor­biert davon, wohl auch genervt vom vielen kompli­zier­ten Denken. Ihr Enga­ge­ment, ande­ren Menschen zu helfen, nehme ich ihr sofort ab, sie wirkt sehr sympathisch.

Ein Satz fällt mir ein, von einem indischen
Weisen: Es sei kein Zeichen
geis­ti­ger Gesund­heit sich (und andere)
an eine kranke Gesell­schaft anzupassen.
Kann ich der jungen Psychologiestudentin
so etwas sagen?

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow 1

Wohlstand ohne Zinsen – Bernhard von Sydow

Auf der Univer­si­tät wird gelehrt, dass die Zinsen eine Beloh­nung für den Konsum­ver­zicht eines Menschen sind. Diese Begrün­dung ist auf den ersten Blick abso­lut verständ­lich und plau­si­bel. Dass dage­gen das Chris­ten­tum in seiner ursprüng­li­chen Lehre – wie andere große Reli­gio­nen auch – es ablehnt, dass die Menschen Zinsen für ihr verlie­he­nes Geld nehmen, wird von den meis­ten verdrängt, sofern dieses Gebot ihnen über­haupt bekannt ist. Zudem leben wir schon seit Jahr­hun­der­ten mit der Vorstel­lung, für unser Geld Zinsen zu bekom­men. Daher können wir uns eine opti­ma­le Volks­wirt­schaft ohne Zinsen über­haupt nicht mehr vorstel­len. Darüber hinaus wird die Metho­de, eine Gebühr für aufbe­wahr­tes Geld (Liege­ge­bühr) zu erhe­ben, ohne­hin für völlig absurd gehalten.

Doch die Reali­tät sieht anders aus. Bernard A. Lietaer beschreibt in seinem Buch „Myste­ri­um Geld“ zwei Epochen, in denen eine Markt­wirt­schaft ohne Zinsen und mit einer Anti-Hortungs­ge­bühr zu einem „außer­ge­wöhn­li­chen Wohl­stand“ der gesam­ten Bevöl­ke­rung geführt hat, nicht nur einer bestimm­ten Schicht: Einmal eine Epoche im alten Ägyp­ten und dann die Zeit des Hoch­mit­tel­al­ters, also etwa vom 10. bis 13. Jahrhundert.

Zwar unter­schie­den sich die Moda­li­tä­ten, unter denen die Gebüh­ren auf das Geld erho­ben wurden, in den beiden Zeit­al­tern. In Ägyp­ten war das System der Liege­ge­büh­ren auf gepark­tes Geld „höher entwi­ckelt als das mittel­al­ter­li­che“. Doch trotz der unter­schied­li­chen Mittel fielen die Resul­ta­te in Ägyp­ten und im Hoch­mit­tel­al­ter „uner­war­tet ähnlich“ aus. Das Geld war zwangs­läu­fig „nur“ Tausch­mit­tel und kein
Wert­ge­gen­stand, der dazu anreizt, es zu horten. Es war wesent­lich sinn­vol­ler, Erspar­nis­se in Form von Produk­ti­ons­gü­tern anzu­le­gen, die lange Bestand hatten, als in Form von Geld. Es gab keine Speku­lan­ten, die auf Kosten einer verarm­ten Bevöl­ke­rung immer reicher wurden. Das Geld blieb dort, wo es gebraucht wurde. Die Umlauf­ge­schwin­dig­keit des Geldes blieb also hoch. Das Geld wurde nicht zuneh­mend knapper.

Im alten Ägyp­ten dauer­te diese Epoche einer intak­ten Volks­wirt­schaft wesent­lich länger als dieje­ni­ge im Mittel­al­ter. Man schätzt diese Zeit auf immer­hin 1.500 Jahre. Das alte Ägyp­ten mit seinen hohen Getrei­de­er­trä­gen wird ja bekannt­lich als die „Korn­kam­mer der Antike“ bezeich­net. Diese Zeit des Wohl­stan­des und des Reich­tums endete allmäh­lich durch den grie­chi­schen Einfluss, der sich dort ausbrei­te­te. Später ersetz­ten die Römer das dorti­ge Währungs­sys­tem „durch ihr eige­nes mone­tä­res System“, das sich eben­falls nega­tiv auf die Volks­wirt­schaft auswirkte.

Im Hoch­mit­tel­al­ter war die Phase wirt­schaft­li­cher Expan­si­on von einer star­ken Zunah­me der Bevöl­ke­rung beglei­tet. Zwischen etwa den Jahren 1.000 und 1.300 verdop­pel­te sie sich im euro­päi­schen Raum von ca. fünf auf zehn Millio­nen Menschen. Die Boden­er­trä­ge stie­gen. Im Gewer­be kam es zu einer weite­ren Spezia­li­sie­rung und Arbeits­tei­lung. Es bilde­te sich ein Markt für agra­ri­sche und gewerb­li­che Produkte.

In dieser Zeit entstan­den auch die meis­ten der berühm­ten und präch­ti­gen Kathe­dra­len. Sie gehör­ten – auch
das ist wenig bekannt – weder der Kirche noch den Fürs­ten, sondern dem einfa­chen Volk, meist den Bürgern der Stadt, in der sie erbaut worden waren. Sie wurden auch von diesen finan­ziert. Die Kirche besaß selbst­ver­ständ­lich ihre „privi­le­gier­ten Zeiten“, in denen die Gottes­diens­te statt­fan­den, sowie ihren „privi­le­gier­ten Raum“ (den Chor um den Altar).

B. A. Lietaer verdeut­licht in folgen­der Schil­de­rung aus dem norma­len Leben die dama­li­ge Situa­ti­on sehr anschaulich:

„Natür­lich gibt es für die dama­li­ge Zeit keine ‚Statis­tik‘ in unse­rem heuti­gen Sinne… Dennoch besit­zen wir aussa­ge­kräf­ti­ge Quel­len. So berich­tet beispiels­wei­se Johann Butz­bach in seiner Chro­nik: ‚Die gemei­nen Leute hatten selten weni­ger als vier Gänge bei der Mittags­und Abend­mahl­zeit. Sie aßen Getrei­de und Fleisch, Eier, Käse und Milch zum Früh­stück, und um 10 Uhr morgens und noch einmal um vier Uhr nachmittags
eine leich­te Mahl­zeit.‘ Der Histo­ri­ker Fritz Schwartz brach­te die Verhält­nis­se auf den Punkt: ‚Kein Unter­schied zwischen Bauern­haus und Schloß.‘

Für die Gesel­len war der soge­nann­te blaue Montag frei. Während der Sonn­tag als der ‚Tag des Herrn‘ galt, an dem man sich um öffent­li­che Ange­le­gen­hei­ten kümmer­te, war der Montag der Tag, an dem die Menschen Zeit für ihre Privat­an­ge­le­gen­hei­ten hatten, Zusätz­lich gab es mindes­tens 90 offi­zi­el­le Feier­ta­ge im Jahr! Daher arbei­te­te ein Gesel­le im Durch­schnitt nicht mehr als vier Tage in der Woche. Außer­dem war auch die Zahl der Arbeits­stun­den pro Tag begrenzt. Als die Herzö­ge von Sach­sen die Arbeits­stun­den von sechs auf acht
Stun­den am Tag ausdeh­nen woll­ten, revol­tier­te das Volk. Die Herzö­ge muss­ten ihre Unter­ta­nen zudem ermah­nen, dass ‚Arbei­ter nur vier Gänge bei jeder Mahl­zeit‘ erhal­ten sollten.

Die Bauern, die als nied­rigs­ter Stand galten ‚trugen Silber­knöp­fe an Weste und Mantel, meist in Doppel­rei­hen, und verwen­de­ten silber­ne Schnal­len und Verzie­run­gen für ihre Schuhe‘. Soziale
Unter­schie­de zwischen hohem und nied­ri­gem Stand, Adel und Bauern, waren deut­lich geschrumpft.“

Die ganze Welt ist ein Theater – Andreas Bangemann 0

Die ganze Welt ist ein Theater – Andreas Bangemann

Gleich­zei­tig Zuschau­er sein und Teil des Gesche­hens. Im Thea­ter ist das seit Jahr­hun­der­ten erlebbar.
Die ganze Welt ist Bühne
und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
sein Leben lang spielt einer manche Rollen,
durch sieben Akte hin.
(William Shake­speare, Wie es euch gefällt, II/7, 140–144)

Thea­ter spie­len wurde in London als eine Art „Wunder­waf­fe“ erkannt, weil sich durch diese Kunst­form Poli­tik machen ließ. Köni­gin Elisa­beth I. (sie regier­te von 1558–1603) wusste das für ihre Zwecke zu nutzen und trug mit dazu bei, dass das engli­sche Volk ins Schau­spiel­haus ström­te und in England Thea­ter von Welt­rang gemacht wurde. Einer, der wie kein ande­rer Stücke auf die Bühne zu zaubern verstand, war zwei­fel­los William Shake­speare. Doch ausge­rech­net ihm wird auch nach­ge­sagt, dass er gar nicht der Urhe­ber der ihm zuge­schrie­be­nen Bühnen­wer­ke war. Als wahrer Autor wird am häufigs­ten Sir Fran­cis Bacon, der angeb­li­che, erst­ge­bo­re­ne aber nicht aner­kann­te Sohn Elisa­beths I. genannt. Welche Ironie des Schau­spiels! Von Haus aus Wissen­schaft­ler konnte Bacon die Intel­lek­tu­el­len auf der Verstan­des­ebe­ne über­zeu­gen. Eines seiner weite­ren Talen­te bestand demnach im Verfas­sen von Thea­ter­stü­cken, mit Hilfe derer auch die mensch­li­che Gefühls­ebe­ne ange­spro­chen wurde. Und eine solche Gabe lässt sich bis zum heuti­gen Tage nutzen, um Geschich­ten zu erzäh­len, welche Menschen hören wollen. Geschich­ten, mit denen man die Alltags­sor­gen, die klei­nen wie die großen, hinter sich lassen kann.

Fast kommt es einem vor, als würde die Geschich­te vom „guten Kapi­ta­lis­mus“ bereits Jahr­hun­der­te lang erzählt. Und selbst in seiner milli­ons­ten Varia­ti­on strö­men die Massen noch immer in das Thea­ter der Exper­ten, um bei diesem uralten Stück dabei zu sein.

Das Thea­ter von heute sind die unend­lich vielen Fern­seh­sen­der. Mich macht es zuneh­mend sprach­los, wenn ich erlebe, wie sich in den Talk­show­ses­seln vermeint­li­che Auto­ri­tä­ten mit Worten äußern, deren Sinn eigent­lich dazu geeig­net wäre, die „alte Geschich­te“ in Frage zu stel­len und die Forde­rung nach einer neuen damit zu verbin­den. Jedoch, erkenn­bar gefähr­li­che Entwick­lun­gen werden indi­vi­du­el­len Fehl­leis­tun­gen zuge­schrie­ben, und als eine mensch­li­che Entglei­sung darge­stellt, die nicht den Wahr­heits­ge­halt der alten Geschich­te gefähr­det. Diese wird munter weiter­erzählt. Von allen, gleich welchen poli­ti­schen Lagern sie ange­hö­ren. Niemand stellt grund­sätz­lich in Frage, sondern erzählt nur eine weite­re Varia­ti­on der alten Geschich­te. Mir scheint, als seien wir vermit­tels Sprache
kaum noch in der Lage, das Gesche­hen­de wieder­zu­ge­ben. Offen­bar müssen wir erle­ben, um wahr­zu­neh­men. Wie kann dieses Erle­ben ausse­hen, damit es uns wach­rüt­telt? Gibt es da etwas ande­res als Bege­ben­hei­ten, die wir uns besser nicht ausma­len wollen? Dinge wie Nahrungs­mit­tel­knapp­heit, Gewalt, Kriege usw.

Zu allen Zeiten spiel­ten ökono­mi­sche Belan­ge und Inter­es­sen die Haupt­rol­le. Selbst die seich­tes­ten Stücke des tägli­chen Thea­ters haben mit Geld zu tun. Wirt­schaf­ten bedeu­tet in Bezie­hung stehen. Weil wir Menschen nur in Gemein­schaft fort­be­stehen können, ist die Art, wie wir mitein­an­der umge­hen eine der wesent­lichs­ten Voraus­set­zun­gen für das Über­le­ben unse­rer Spezi­es. Als solche sind wir Teil allen Lebens auf der Erde und auch Teil des unend­li­chen Univer­sums. Mitt­ler­wei­le spüren die aller­meis­ten, wie stark sich jegli­ches Handeln der „alten Geschich­te“ des kapi­ta­lis­ti­schen Denkens anpasst. Die Beschaf­fen­heit des Geld­we­sens bestimmt unsere Denk­wei­se. Es wird Zeit, das zu erkennen.

Wir sind Akteu­re und Zuschau­er zugleich. Wir sind Teil eines Ganzen, dessen Schick­sal auch unser Schick­sal ist. Nichts, was wir tun – aber auch nichts, was wir nicht tun – bleibt ohne Folgen für uns selbst.

Als Leser der HUMANEN WIRTSCHAFT sind Sie Teil des Wider­stands. Aber auch die Verkör­pe­rung des Neuen. Im „Thea­ter des Lebens“ sind wir die Stören­frie­de. Im Bemü­hen um eine klare Spra­che hinsicht­lich aller Fragen zum Geld und seinen Wirkun­gen hat sich kaum einer so verdient gemacht, wie unser Autor Helmut Creutz.

Im Bemü­hen um die Einbet­tung des Wirt­schafts­sys­tems in den großen Zusam­men­hang allen Seins schickt sich derzeit Charles Eisen­stein aus den USA an, die Augen zu öffnen. Es macht Freude, ihm zuzu­hö­ren, denn einer, wie er hat uns noch gefehlt. Einer der die Verstan­des­welt ratio­na­ler Fakten in ein Gesamt­bild über­führt, das auch „gefühlt“ werden kann. Vieles von dem, worüber er philo­so­phiert lässt sich mit jener nüch­ter­nen Logik errei­chen, die unsere Reform­vor­schlä­ge zur Geld- und Boden­ord­nung prägen. Logik und Gefühl – wir sind nicht umsonst mit beidem von der Natur ausge­stat­tet worden.

Lassen Sie uns gemein­sam mit allen unse­ren vortreff­li­chen Autoren – in dieser und in allen ande­ren Ausga­ben – versu­chen, den letz­ten Akt dieses Schau­spiels im „Thea­ter des Scheins“ in den ersten Akt einer neuen Geschich­te zu über­füh­ren. Wir haben das Zeug dazu.

Herz­lich grüßt Ihr Andre­as Bangemann

HUMANE WIRTSCHAFT 01/2014 3

Größte Bank Europas gibt nur noch Taschengeld heraus

HSBC, die „Hong­kong & Shang­hai Banking Corpo­ra­ti­on Holdings plc), hat ihren Sitz in London und ist die größte Bank Euro­pas. Ihre Bilanz­sum­me belief sich 2012 auf rund 2,7 Billio­nen US-Dollar (Euro­päi­sche Billio­nen) und sie beschäf­tig­te 270.000 Mitar­bei­ter. Sie gehört laut FSB („Finan­cial Stabi­li­ty Board“) zu jenen 28 Groß­ban­ken, die als…

Leserbriefe 06/2013 0

Leserbriefe 06/2013

Fünf Seiten von Lesern für Leser. Die Leser­brie­fe dieser Ausga­be. Ihre Meinung ist uns wich­tig! Senden Sie uns Ihre Fragen, Anre­gun­gen oder persön­li­chen Meinun­gen. Wir bemü­hen uns, so viele
Leser­brie­fe unter­zu­brin­gen, wie möglich. Wenn wir Leser­brie­fe kürzen, dann so, dass das Anlie­gen der Schrei­ben­den gewahrt bleibt. Leser­brie­fe geben nicht die Meinung der Redak­ti­on wieder.

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In Wuppertal steinreich werden – Andreas Bangemann

Die Frei­licht­büh­ne an der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te wird mehr als 80 Jahre nach ihrer Entste­hung wieder mit Leben erfüllt.

Jona­than Ries als „Baulei­ter“ und die Fami­lie Bange­mann achten dabei darauf, dem „Geist“ des Gelän­des und der herr­li­chen Natur Rech­nung zu tragen. Der Frei­wirt­schaft­li­che Jugend­ver­band Deutsch­land e. V. als Träger und Eigen­tü­mer des Gelän­des sucht auf beson­de­re Weise Unter­stüt­zer. Mit der Über­nah­me einer „Stein­pa­ten­schaft“ kann das Projekt, das 2015 voll­endet werden soll, unter­stützt werden.

Gedan­ken, die zur Entschei­dung für Steine geführt haben

Die Terras­sie­rung des Sitz­be­rei­ches, die später einmal die Stufen des Zuschau­er­rau­mes bilden wird, soll aus massi­ven Stein­blö­cken gestal­tet werden. Die Model­lie­rung des Erdreichs, seine Verdich­tung und der Unter­grund für die „Sitz­stei­ne“ stel­len dabei eine Heraus­for­de­rung dar.

Die Frei­licht­büh­ne in Form einer unver­wüst­li­chen Wahr­heit, als Spagat zwischen mani­fes­ter Masse und geis­ti­gem Leben. Dem Stein und seiner alles mensch­li­che Leben über­dau­ern­den Stärke, soll in Form der Nutzung der Bühne die Leich­tig­keit des Gedan­ken­spiels in allen künst­le­ri­schen Facet­ten begeg­nen. Der Stein als das Symbol der Zeit­lo­sig­keit trifft in der zukünf­ti­gen Bühne auf die leben­di­ge Krea­ti­vi­tät von Mensch und Natur.

Diese Ambi­va­lenz bezieht ihre Über­ra­schungs­mo­men­te aus den immensen zeit­li­chen Versatz­stü­cken von Entwick­lun­gen. Hier das ewig Gelten­de, Verstei­ner­te, dort das Flüch­ti­ge, die dem mensch­li­chen Geist entsprin­gen­de Moment­auf­nah­me. Hier das Behä­bi­ge, Unbe­weg­li­che und dort das Flie­ßen­de und auf ganz beson­de­re Weise Verän­de­rung Herbeiführende.

Der Stein ist Stein und bleibt es ewig. Der Mensch vergeht in kürzes­ter Zeit und nährt sich von den Früch­ten der Natur und des Geis­tes. Leben vergeht und entsteht in unend­li­chem Kreis­lauf. Ein Kunst­werk, das auf einer Bühne aufge­führt wird, ist Vergäng­lich­keit im Stundentakt.

Doch diese Frei­licht­büh­ne wird mit ihrem Ensem­ble aus Kunst, Archi­tek­tur und Krea­ti­vi­tät für unge­ahn­te Refle­xio­nen und blei­ben­de Eindrü­cke sorgen. Bäume, Sträu­cher, Pflan­zen und die Tiere des Waldes und der angren­zen­den Felder, berei­chern die Kulis­se, welche der Mensch mit seiner Krea­ti­vi­tät erfüllt.

Reden aller Art, Klein­kunst, Akro­ba­tik, Bewe­gungs­kunst, Thea­ter, Tanz, Musik, kind­li­che Entde­ckungs­rei­sen, Semi­nar­ver­an­stal­tun­gen und, und, und …

Der zukünf­ti­gen Nutzung als Spiel- und Ausdrucks­raum für viel­fäl­ti­ge Zwecke sind kaum Gren­zen gesetzt.

Die gewal­ti­ge, zeit­lo­se, mit Ewig­keits­an­spruch verse­he­ne Form der gesam­ten Anlage bietet einen Raum, der den Menschen täglich aufs Neue die Frei­heit bietet, sie mit Künst­le­ri­schem und Krea­ti­vem auszu­fül­len. Dem unauf­hör­li­chen Werden und Verge­hen wird ein einzig­ar­ti­ger Rahmen gege­ben. Dem Entste­hen der Verän­de­rung wird Raum gegeben.

Stein­pa­ten­schaf­ten

Viele hundert Steine werden nötig sein,
bis die zukünf­ti­gen Sitzgelegenheiten
geschaf­fen sind. Ein einzel­ner dieser Muschelkalksteine
wird etwa 45 cm x 45 cm
im Quer­schnitt messen, ca. 80 bis 100 cm
lang sein und rund 500 kg wiegen.

Tragen Sie mit einer Steinpatenschaft
zum Gelin­gen dieses außergewöhnlichen
Bauwerks bei. Es werden Patenschaften
mit 50,- € (ein Sitzplatz),
100,- € (zwei Sitz­plät­ze) oder 150,- €
(drei Sitz­plät­ze, entspricht einem ganzen
Stein) aufge­legt. Das wird mit einer
Urkun­de doku­men­tiert und durch eine
Gravur auf den Stei­nen für alle Zeiten
sicht­bar gemacht.

Über­wei­sun­gen bitten mit dem Hinweis
„Stein­pa­ten­schaf­ten“ versehen
und gut leser­lich Vor- und Zuna­men für
die Gravur eintragen.

Kontakt im Zusam­men­hang mit dem Projekt:
Jona­than Ries, Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te, Schan­zen­weg 86, 42111 Wuppertal
Email: jonathanries82@hotmail.com
Mobil: 0163–1461604 oder: 02053–423766
Projekt­web­site: http://www.wflb.de

Spen­den­kon­to des gemein­nüt­zi­gen Träger­ver­eins der Tagungs­stät­te und des Freilichtbühnen-Projektes:
Konto­in­ha­ber: Frei­wirt­schaft­li­cher Jugendverband
Deutsch­land e. V. (kurz FJvD e. V.)
Konto­num­mer: 26357251
Bank­leit­zahl: 334 500 00
Spar­kas­se Hilden-Ratingen-Velbert

Wir alle haben Talent – Andreas Bangemann 0

Wir alle haben Talent – Andreas Bangemann

Vor 20 Jahren hat eine Initia­ti­ve starke Impul­se ausge­sen­det, die in der Folge eine Tausch­ring- und Regio­nal­geld­wel­le auslös­te: Das Schwei­zer „Talentex­pe­ri­ment“

Es geschah in einer Zeit weit entfernt von echten ökono­mi­schen Krisen. Ein Land, das durch seine Neutra­li­tät Jahr­hun­der­te lang weit­ge­hend im Frie­den leben konnte und die vermeint­lich stärks­te Währung der Welt aufbau­te, wurde zur Heimat einer selbst­ge­mach­ten, loka­len und zins­frei­en Zweit­wäh­rung. In der Schweiz konnte man in bestimm­ten Regio­nen ab 1993 mit seinen „Talen­ten“ bezahlen.
Im Früh­jahr 1993 haben Mitglie­der der INWO Schweiz (Initia­ti­ve für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung) und weite­re Inter­es­sier­te den Start­schuss für eine Bewe­gung gege­ben, die sich über ganz Europa
ausbrei­te­te. Das Talentex­pe­ri­ment wurde zur Blau­pau­se vieler nach­fol­gen­der Initia­ti­ven und Projekte.

Auf einer Tagung im Novem­ber 1992 wurde ein inhalt­li­cher Grund­stein gelegt. Aus dem dama­li­gen Tagungs­pro­spekt: Eine gerech­te Wirt­schaft ist nur mit einem gerech­ten Geld­sys­tem möglich, das echte Produk­ti­vi­tät fördert und die versteck­te Einkom­mens­um­ver­tei­lung durch den Zins elimi­niert. Ein Geld­we­sen auf Zins­ba­sis ist nicht nur eine sozia­le ökolo­gi­sche Zeit­bom­be, sondern desta­bi­li­siert sich selber durch das expo­nen­ti­el­le Schul­den­wachs­tum. Je unsi­che­rer das inter­na­tio­na­le Währungs- und Finanz­sys­tem wird, desto wich­ti­ger werden lokale, zins­freie Austausch­sys­te­me. Wenn auch für viele die Krise erst 2008 ausbrach, so gab es in alter­na­ti­ven Krei­sen dennoch Weit­bli­cken­de, die sehr genau erkann­ten, wohin eine Wirt­schaft treibt, wenn alles der Kapi­tal­ren­di­te unter­ord­net wird.
„Ein zins­frei­es Tausch­mit­tel, das sich nach den Bedürf­nis­sen der Menschen rich­tet und nicht dem Profit­hun­ger der Finanz­märk­te dient.“ Die Illu­si­on des ewig jungen Geldes stellt mensch­li­che Wert­vor­stel­lun­gen auf den Kopf.

Mit Talen­ten bezah­len konnte man ausschließ­lich bargeld­los. „Wer Talent hat, hat Kredit“, laute­te das Credo. Die Hürden zum Mitma­chen wurden nied­rig ange­setzt. Trans­pa­renz war ein weite­rer wich­ti­ger Punkt in der Konzep­ti­on der Paral­lel­wäh­rung. Thomas Ester­mann schrieb 1994 dazu in der „Zeit­schrift für Sozi­al­öko­no­mie“ unter dem Titel „Das Talent-Expe­ri­ment der INWO Schweiz“: Trans­pa­renz als Schutz vor Machtmissbrauch…

Termine 01/2014 0

Termine 01/2014

Termin­über­sicht 01/2014 mit vielen hervor­ra­gen­den Veran­stal­tun­gen ab Januar 2014 und Termi­nen bis in den Septem­ber, die Sie sich unbe­dingt vormer­ken sollten.

Repariert nicht, was euch kaputt macht! – Streifzüge-Redaktion 0

Repariert nicht, was euch kaputt macht! – Streifzüge-Redaktion

Ausdruck des Webein­trags von www.streifzuege.org
Heraus­ge­ber und Inha­ber: Kriti­scher Kreis. – Verein für gesell­schaft­li­che Trans­for­ma­ti­ons­kun­de – Marga­re­ten­stra­ße 71–73/1/23, 1050 Wien
Der Beitrag ist auf „Streif­zü­ge“ nach­zu­le­sen unter: http://www.streifzuege.org/2013/repariert-nicht-was-euch-kaputt-macht

Geht es auch ohne Geld? – Redaktion 0

Geht es auch ohne Geld? – Redaktion

Der Mensch ist Teil der Natur, das steht außer Zwei­fel. Die Natur kennt kein Geld, erzeugt keinen Abfall, bewer­tet nicht. Sie ist verschwen­de­risch, voller Reich­tum und ohne Schulden.

Könnte das ein Hinweis sein, wie wir unsere Ökono­mie entwi­ckeln sollten?

Ist eine Wirt­schaft ohne Geld denk­bar? Inter­es­san­ter­wei­se decken sich die Analy­sen, poli­tisch links gerich­te­ter Kreise immer mehr mit jenen, die Geld­sys­tem­kri­ti­ker für ihre Zwecke nutzen. Das führt zu Irri­ta­tio­nen, jedoch nur bis zu dem Punkt, an dem man fest­stellt, wie weit die Lösungs­vor­schlä­ge ausein­an­der­lie­gen. Linke, für die Karl Marx und seine Sicht­wei­se nach wie vor das Maß aller Dinge sind, schei­nen sich nicht mit Leuten eini­gen zu können, deren Verän­de­rungs­wil­le sich ganz auf die Trans­ak­ti­ons- oder Zirku­la­ti­ons­sphä­re des Geldes rich­tet. Dem Schei­tern Marx­scher Ideen in der Praxis folgte unter ande­rem auch eine größer werden­de „Szene“ von Linken mit neuen Befrei­ungs­ideen. Die Herr­schaft der Funk­tio­nä­re, wozu der Kommu­nis­mus letzt­lich führte, soll und kann verhin­dert werden, wenn wir uns vom Geld befrei­en, meinen so manche. Das Vorbild der „Freien Soft­ware“ (z. B. Linux) oder von Inter­net­por­ta­len wie Wiki­pe­dia, zu dem Menschen bedin­gungs­los beitra­gen, ohne „Gegen­for­de­run­gen“ zu stel­len, dient als Grund­la­ge für ein System­den­ken jenseits des Geldes. Damit scheint der Spagat geschafft, das reale Schei­tern des marxis­ti­schen Sozia­lis­mus in seiner „Prole­ta­ri­ats­dik­ta­tur-Phan­ta­sie“ doch noch mit dem eigent­li­chen Ziel, der Auflö­sung des Staa­tes, zu verei­nen. Und das, ohne sich von dem Denken verab­schie­den zu müssen, dass es einzig die Produk­ti­ons­mit­tel sind, die den Kapi­ta­lis­mus ausmachen.

In dieser Ausga­be der Zeit­schrift haben wir uns vorge­nom­men, Denk­wei­sen Raum zu geben, die das Thema Geld aus einer ande­ren Sicht betrach­ten. Für „Geld­re­for­mer“ ist es befremd­lich, einmal darüber nach­zu­den­ken, wie die Wirt­schaft ganz ohne Geld funk­tio­nie­ren könnte. Aber das sollte uns nicht daran hindern, es einmal zu tun.

Das Geschäft mit der Massenvernichtung – Redaktion 0

Das Geschäft mit der Massenvernichtung – Redaktion

Inves­ti­tio­nen deut­scher Banken in Atomwaffenhersteller

Laut dem Erfolgs­au­tor, David Grae­ber, („Schul­den Die letz­ten 5000 Jahre“) ist das Aufkom­men von Münz­geld im Wesent­li­chen auf die Finan­zie­rung von Krie­gen zurück­zu­füh­ren. Staats­schul­den sind Kriegs­schul­den. „Der Link zwischen Geld und Gewalt zieht sich durch die Geschich­te der Mensch­heit“, sagt er am 10. Okto­ber 2013 in einem Inter­view des Schwei­zer Fern­se­hens DRS.

„Alle moder­nen Regie­run­gen sind verschul­det und meis­tens sind es Kriegs­schul­den.“ Zwar wach­sen die heuti­gen Staats­schul­den im Grunde nur durch die
nicht mehr bedien­ba­ren Zins­las­ten, doch im Gegen­satz zu Sozi­al­aus­ga­ben stehen die Ausga­ben für Vertei­di­gung eher selten auf der Streich­lis­te der Staatshaushalte. 

Wurden Kriege und Gewalt zu frühe­ren Zeiten von unde­mo­kra­ti­schen Herr­schern geführt, so hat sich das zwar geän­dert, nicht jedoch die Tatsa­che, dass Kriege und vor allem schreck­li­che Waffen, wie zum Beispiel Atom­waf­fen, nach wie vor finan­ziert werden müssen. Konn­ten die Herr­scher früher das durch Ausbeu­tung eige­ner Gold- und Silber­mi­nen, so müssen die Krieg­füh­ren­den, aber auch die Produ­zen­ten der Waffen­sys­te­me, heut­zu­ta­ge auf den Finanz­markt zurück­grei­fen, um Kriege und Waffen finan­zie­ren zu können. Ange­sichts der immensen Summen, die mitt­ler­wei­le dafür aufge­wen­det werden, fragt man sich, wie das möglich ist? Wer kennt schon Jeman­den persön­lich, der einem Atom­waf­fen­her­stel­ler Kredit geben würde? Und doch sind viele Im Boot, die es selbst nicht wissen, wenn es an die Beant­wor­tung dieser Frage geht. Oftmals genügt es dazu, einen Spar­be­trag auf dem Konto einer namhaf­ten deut­schen Bank zu haben. Schon ist man unter den Finan­ziers von Atomwaffen.

Buchvorstellungen 06/2013 0

Buchvorstellungen 06/2013

Drei Bücher zum Thema Geld werden hier vorgestellt:
1.) Chris­ti­an Kreiß: „Profit­wahn“ – Warum sich eine menschen­ge­rech­te­re Wirt­schaft lohnt – Tectum Verlag (15. 6. 2013), Klap­pen­bro­schur, 200 Seiten, 17,95 €, ISBN 978–3‑8288–3159‑9
2.) Dirk Löhr: „Prin­zip Renten­öko­no­mie: Wenn Eigen­tum zu Dieb­stahl wird“ – Verlag Metro­po­lis (1. 5. 2013), broschiert, 196 Seiten, 22,00 €, ISBN 978–3‑7316–1013‑7
3.) Charles Eisen­stein, „Ökono­mie der Verbun­den­heit: Wie das Geld die Welt an den Abgrund führte – und sie dennoch jetzt retten kann.“ (Mit einem Vorwort von Margrit Kenne­dy) Scor­pio Verlag (11. März 2013), gebun­den, 496 S., 19,99 €, ISBN-13: 978–3‑943416–03‑9
Alle drei Bücher können auch über unse­ren Online-Shop http://shop.humane-wirtschaft.de bezo­gen werden.

Charles Eisenstein 0

Charles Eisenstein und die Agenten des Wandels – Ein Bericht von Andreas Bangemann

Der US-ameri­ka­ni­sche Kultur­phi­lo­soph Charles Eisen­stein kommt, wenn er geru­fen wird. Seine Reisen werden auf außer­ge­wöhn­li­che Weise orga­ni­siert. Immer mit einem gewis­sen finan­zi­el­len Risiko, denn der Erfolgs­au­tor vertraut dabei auf die Gaben­be­reit­schaft seiner Zuhö­rer, Spon­so­ren und Veran­stal­ter. Er will dem bedin­gungs­lo­sen Geben einen größe­ren Stel­len­wert im mensch­li­chen Mitein­an­der verschaf­fen und geht deshalb beispiel­haft voran. Eine Euro­pa­rei­se im Septem­ber führte ihn in die Schweiz und nach Luxem­burg. Charles Eisen­stein ist für viele zu einem Hoff­nungs­trä­ger gewor­den. Er verkör­pert den Wandel hin zu einer „Ökono­mie der Verbun­den­heit“. Das ist zugleich der Titel seines aktu­el­len Buches (das Nächs­te ist im Entstehen).

Das Programm hatte dementspre­chend einen Schwer­punkt in Vorträ­gen rund um das Schaf­fen des erfolg­rei­chen Buch­au­tors und Wirt­schafts­ana­ly­ti­kers. Am 21. Und 22. Septem­ber 2013 luden CELL („Centre for Ecolo­gi­cal Lear­ning Luxem­bourg“) in Zusam­men­ar­beit mit weite­ren Einrich­tun­gen und Orga­ni­sa­tio­nen zu einem Abend­vor­trag und Work­shop am darauf folgen­den Tag nach Luxem­burg ein. Mit im Orga­ni­sa­ti­ons­team waren Katy Fox, Alex Hornung, Max Hilbert, Anke Colditz und viele Aktive der Luxem­bur­ger Regio­nal­wäh­rung „Beki“, sowie der Luxem­bur­ger Initia­ti­ve für bedin­gungs­lo­ses Grundeinkommen.
In seiner spür­ba­ren Beschei­den­heit wurde er mitt­ler­wei­le zu einem Symbol der Verän­de­rung. Die soge­nann­te „Occupy-Bewe­gung“, die exis­tent, aber doch nicht greif­bar erscheint, hat Charles Eisen­stein zu einem ihrer philosophischen
Vorden­ker erko­ren. Wird seine Präsenz gewünscht, kommt er dem best­mög­lich nach, stets im Geiste seiner „Philo­so­phie“, die ihre Kraft aus der Gewiss­heit einer Gaben­kul­tur schöpft, die laut Eisen­stein fest im Menschen veran­kert ist.

Während seines Vortra­ges am 21. 9. vor rund 120 Gästen wurde deut­lich, wie es zu seiner welt­wei­ten Aner­ken­nung kam. Trotz seiner eher schmäch­ti­gen Statur strahlt er eine charis­ma­ti­sche Präsenz aus. In den kurzen Sprech­pau­sen, die er häufig einlegt und bei denen er auf eine anste­cken­de Weise nach­denk­lich wirkt, würde man eine Steck­na­del fallen hören. Seine Persön­lich­keit in Verbin­dung mit allen spür­ba­ren Fein­hei­ten, die nur die leib­haf­ti­ge Erschei­nung bieten können, zieht die Anwe­sen­den in seinen Bann. Das wäre vermut­lich nicht so, wenn das Gesag­te selbst nicht Anlass zur Hoff­nung gäbe. Und das obwohl Eisen­stein eine scho­nungs­lo­se Analy­se des heuti­gen Zustands liefert. „Die Krise“, sagt er, „wurde nicht gelöst. Sie wurde nur zeit­wei­se verdeckt.“ Wir befän­den uns auch nicht in einer rein ökono­mi­schen Krise, sondern in einer grund­sätz­li­chen. Ein Denken, das darauf aufbaut, stän­di­ges Wachs­tum zu fordern und zu fördern, kann nur schei­tern. Dauer­haf­tes Wirt­schafts­wachs­tum gibt es nur zum Preis zerstö­re­ri­schen Ausbeu­tens der Natur und des Menschen.

Unser Geld­sys­tem lässt Schul­den uner­bitt­lich wach­sen. Deshalb ist ökono­mi­sches Wachs­tum unab­ding­bar. Tag für Tag treten die Schuld­ner mehr von ihrem Leben an die Gläu­bi­ger ab. Es ist effi­zi­en­ter und dient der heuti­gen Wirt­schaft in größe­rem Maße, wenn eine Kinder­gärt­ne­rin auf 50 Kinder aufpasst, anstatt jede Fami­lie selbst ihre Kinder betreut. Es ist effi­zi­en­ter, wenn Maschi­nen physi­sche Arbeit von Menschen erset­zen und Compu­ter die geis­ti­ge. Die Ökono­men können erklä­ren, was das Geld tut, aber nicht, was es ist. Durch das Einge­ben eini­ger Symbo­le in die Tasta­tur eines Compu­ters, kann man in der Reali­tät Gebäu­de entste­hen oder sich Pakete vor die Haus­tü­re stel­len lassen. Geld ist ein Zauber, dem wir verfal­len schei­nen und der es schafft unsere Sinne derart abzu­stump­fen, dass wir gravie­ren­de Krisen auf alles Mögli­che zurück­füh­ren nur nicht auf Geld. Dabei bekom­men wir es mit einer zuneh­men­den Zahl an Krisen zu tun: Energie‑, Wasser‑, Gesund­heits­kri­sen u.v.m. deuten an, wohin das nur führen kann: zum tota­len Kollaps. Und doch bleibt
das Geld auf eine gespens­ti­sche Weise außen vor. Schuld­ner wissen nicht, dass sie Schuld­ner sind, weil sie denken dazu gehöre es, persön­lich verschul­det zu sein. Oder die Schul­den müss­ten ihr Vermö­gen deut­lich über­stei­gen, um sie zu Schuld­nern zu machen. Im Geld­sys­tem liegt eine undurch­schau­bar schei­nen­de Fins­ter­nis, in die einzu­drin­gen vermie­den wird. Dabei zeigt Charles Eisen­stein auf, wie es zu allen Zeiten – bis zum heuti­gen Tage – Grup­pen von Menschen gab, die viele Trans­ak­tio­nen orga­ni­sie­ren konn­ten und dafür kein Geld brauch­ten. „Man nennt diese Grup­pen ‚Fami­lie‘ oder auch ‚commu­ni­ties‘“, sagt Charles Eisen­stein mit einem verschmitz­ten Lächeln. Der Geist inner­halb von Fami­li­en scheint ein voll­kom­men ande­rer zu sein, als jener in der harten ökono­mi­schen Außen­welt. Warum das so ist und wie es gelin­gen kann,das „Terrain“ der Gaben­kul­tur zu erwei­tern, das sind für Charles Eisen­stein wich­ti­ge Zukunftsfragen. …

Gewinnstreben – Ursache oder Symptom? – Interview mit Dr. Ernst Niemeier 0

Gewinnstreben – Ursache oder Symptom? – Interview mit Dr. Ernst Niemeier

Dr. Ernst Niemei­er ist ein Mann, der in seinem Leben so manche „Schlacht“ geschla­gen hat. Über 30 Jahre arbei­te­te er in verschie­de­nen Berei­chen der IBM Deutsch­land. Dabei fungier­te er auch als Betriebs­rat und setzte sich für die Belan­ge der Mitar­bei­ter in seinem Verant­wor­tungs­be­reich ein. Von frühe­ren Kolle­gin­nen und Kolle­gen wurde er für seine uner­bitt­li­che Aufrich­tig­keit geschätzt, die sich auch darin ausdrück­te, dass er sich nicht vor gericht­li­chen Ausein­an­der­set­zun­gen mit seinem Arbeit­ge­ber scheu­te. Mit der Aufde­ckung rechts­wid­ri­ger Maßnah­men zu Lasten der Mitar­bei­ter errang
er sich in den Augen der Kolle­gin­nen und Kolle­gen große Verdiens­te. Gravie­ren­de Fälle hat er jetzt in seinem Buch verar­bei­tet. Dabei sieht er das „Profit­stre­ben“ als „kapi­ta­lis­ti­sche Kern­ener­gie“ an und warnt vor zerstö­re­ri­schen Folgen für das gesam­te Gesellschaftsgefüge.

Im Buch beschreibt und analy­siert er ein ekla­tan­tes Beispiel der Fehl­ent­wick­lung des schran­ken­lo­sen Gewinn­stre­bens. Er führt zu seinem Buch aus: „In diesem Fall rich­te­te es sich gegen die (produk­ti­ven) Beschäf­tig­ten eines Welt­un­ter­neh­mens – einge­lei­tet von dem späte­ren BDI-Präsidenten
Hans-Olaf Henkel, den die Süddeut­sche Zeitung schon einmal als den Mann für das Grobe bezeich­net hatte. Ein solches Verhal­ten verhin­dert nicht nur, dass ein markt­wirt­schaft­lich mögli­ches sozi­al­öko­no­mi­sches Opti­mum nähe­rungs­wei­se erreicht wird. Letzt­lich bedroht es auch die Funk­ti­ons­fä­hig­keit des Markt­sys­tems. Deshalb ist es genau zu analy­sie­ren, und aus den Erkennt­nis­sen sind Konse­quen­zen zu ziehen, die darauf hinaus­lau­fen, dass eine wirk­sa­me Gegen­macht zu bilden ist. Um die Einkom­men und die sons­ti­gen Arbeits­be­din­gun­gen in histo­risch einma­li­ger Breite
und Höhe rechts­wid­rig absen­ken zu können, wurde bei IBM mit einer nicht tarif­fä­hi­gen Orga­ni­sa­ti­on, einem ‚Drit­ten‘ also, ein Vertrag abge­schlos­sen, der dann allen Beschäf­tig­ten oktroy­iert wurde. Auf diese Weise wurden zahl­rei­che bestehen­de Arbeits­ver­trags­in­hal­te einsei­tig und ohne Ände­rungs­kün­di­gung (die aller­dings ange­sichts der Gewinn­si­tua­ti­on aussichts­los gewe­sen wäre) gravie­rend verschlechtert.
Die Beschäf­tig­ten, die sich gegen den Rechts­bruch wehr­ten, wurden bedroht, diffa­miert, mit Sank­tio­nen belegt, mit Abmah­nun­gen und Kündi­gungs­ver­su­chen über­zo­gen. Diese Einschüch­te­rungs­maß­nah­men verfehl­ten nicht ihre Wirkung und führ­ten dazu, dass sich der gerichtlich
fest­ge­stell­te Macht­miss­brauch und Rechts­bruch durch­setz­te. Es geschah also das, was die Cambridge-Ökono­min Joan Robin­son schon Mitte des letz­ten Jahr­hun­derts in die Worte fasste: ‚Wenn (allein) das Trach­ten nach Profit das Krite­ri­um rich­ti­gen Verhal­tens ist, gibt es keine Möglich­keit, produk­ti­ves Handeln von Räube­rei zu unterscheiden‘“.

Inwie­weit Dr. Niemei­er das Gewinn­stre­ben als Ursa­che allen Übels ansieht, bzw. ob er dahin­ter noch andere trei­ben­de Kräfte wahr­nimmt, das wollte Andre­as Bange­mann im Inter­view herausfinden.

Finanzwelt auf der Bühne – Eine schwierige Annäherung – Pat Christ 0

Finanzwelt auf der Bühne – Eine schwierige Annäherung – Pat Christ

Das Thea­ter kann das Thema „Geld“ (noch) nicht so rich­tig packen

Sie joggen zwei­mal in der Woche, ernäh­ren sich gesund – und haben ansons­ten nur eines im Sinn: Umsatz zu machen. Dafür nehmen die drei Finanz­be­ra­ter in Robert Woel­fls Stück „Wir verkau­fen immer“ alle nur denk­ba­ren Konse­quen­zen in Kauf: Bruch mit der eige­nen Fami­lie, Bezie­hungs­abs­ti­nenz, Einsam­keit. Beacht­lich, dass es ein Stück über die Finanz­welt auf die Thea­ter­büh­ne geschafft hat. Nur leider bleibt es – und nicht nur dieses Stück – inhalt­lich weit hinter den Erwar­tun­gen an ein solches Thema zurück.

Sie sind weder noncha­lant noch fies oder ausge­bufft, die beiden Finanz­be­ra­ter und die Finanz­be­ra­te­rin, die Regis­seur Stephan Susch­ke bei der Urauf­füh­rung des Stücks im Septem­ber im Würz­bur­ger Stadt­thea­ter zum Tria­log antre­ten lässt. Unsi­cher sind sie. Und geknickt. Vor allem Martin, in Würz­burg von Robin Bohn darge­stellt, ist ganz betrübt darüber, dass seine Eltern ihn der Falsch­be­ra­tung bezich­ti­gen – haben sie doch dank seiner Einflüs­te­run­gen all ihr Geld in Aktien inves­tiert, deren Kurs dann massiv gefal­len ist. Seit­dem reden sie nicht mehr mit ihrem Sohn. Zu groß ist (noch) der Schock darüber, dass all ihr Vermö­gen vernich­tet ist.

Die drei von Woelfl kreierten Finanz­be­ra­ter müssen sich unge­mein abschuf­ten. Tja. Hätten Sie bloß was Vernünf­ti­ges gelernt… Das Leben genie­ßen, nein, das können Julia, Martin und Ricar­do nicht. Denn da ist ja die perma­nen­te Hatz nach dem Geld. Immer hinken sie hinter ihren eige­nen Erwar­tun­gen her. Immer ist da die Angst vor dem Absturz. Und immer stehen sie mit dem Rücken an der Wand. Gefun­den haben sie sich für den Moment des Tria­logs auch nicht aus alter Freund­schaft. Eher zum Schlag­ab­tausch. Ähnlich Mitglie­dern einer Sekte feuern sie sich gegen­sei­tig an, das zu glau­ben, was als Glaube in ihnen längst am Bröckeln ist. Woelfl präsen­tiert seine Figu­ren verhed­dert in einem Job, der abso­lut nicht zum Glück­lich­ma­chen taugt.

Zu bloßen „Kunden“ degra­diert Wie sie mit ande­ren umge­hen, treibt ihnen beim Erzäh­len keines­wegs die Röte ins Gesicht. Sie schei­nen nicht zu checken, in welchem unmensch­li­chen Maß sie ihre Mitmen­schen zu bloßen „Kunden“ degra­die­ren. Was frei­lich schon etwas mit der Reali­tät zu tun hat. Unbe­strit­ten gehört die Angst davor, zu wenige Kunden zu haben oder bereits gewon­ne­ne Kunden zu verlie­ren, zur Reali­tät von Finanz­be­ra­tern. Realen Schil­de­run­gen zufol­ge gera­ten nicht wenige Finanz­be­ra­ter gar so stark ins Trudeln, dass sie in die Privatinsolvenz
hinein­schlid­dern. Denn neue Kunden zu finden, ist schwer. Auch für Woel­fls farb­lo­se Figu­ren bedeu­tet dies eine chro­nisch stres­sen­de Heraus­for­de­rung. Dabei versu­chen sie auf Teufel komm raus, zu neuen Geschäfts­kon­tak­ten zu kommen. Und weil sie es so sehr versu­chen, passie­ren Pannen. Werden andere geschä­digt. Um exis­ten­zi­ell notwen­di­ges Geld gebracht. Wie Martins Eltern…

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Zeichnen für den Frieden – www.neuesgeld.net

Die gemein­nüt­zi­ge Gesell­schaft „Neues Geld“ aus Leip­zig zeich­net sich durch krea­ti­ve Ideen für ihr Ziel, „das flie­ßen­de Geld“ aus. Die Zusam­men­ar­beit mit der HUMANEN WIRTSCHAFT ist eng, was sich auch in gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten hinsicht­lich vieler Stamm­ti­sche zeigt. (Siehe Seite 24–25). Mit der Aktion „Zeich­nen für den Frie­den“ verbin­den die akti­ven Leip­zi­ger das Thema Kunst mit Geld und schaf­fen so Räume für Ideen, wie „Flie­ßen­dem Geld“ als Lösung Ausdruck verlie­hen werden kann.

Aus der Ankün­di­gung der Aktion: Der herz­li­che Wunsch dieser Aktion ist, dass sich Künst­ler mit dem Gedan­ken des flie­ßen­den Geldes krea­tiv ausein­an­der­set­zen. Die Veröf­fent­li­chung der schöp­fe­ri­schen Werke soll darüber hinaus den Bekannt­heits­grad des flie­ßen­den Geldes weiter erhöhen.
Fried­li­che Verän­de­run­gen dieser beacht­li­chen Dimen­si­on stehen auch stark mit Emotio­nen in Verbin­dung. Kunst und Kultur kann helfen, eine posi­ti­ve Vision, gepaart mit Hoff­nung und Glück, zu trans­por­tie­ren. Sie möch­ten mitmachen?
Bitte infor­mie­ren Sie uns kurz per Mail (henke@neuesgeld.net), dass Sie bei dieser beson­de­ren Initia­ti­ve dabei sein möch­ten, dies hilft uns bei der Planung. Bei Teil­nah­me schen­ken Sie uns bitte das Nutzungs­recht am Bild, damit wir dieses auf unse­rer Inter­net­prä­senz (www.lustauf-neues-geld.de) einstel­len können. Ihre Arbeit muss bis spätes­tens 31. 12. 2013 bei uns einge­trof­fen sein. Die Kosten der Über­sen­dung, wenn Sie dies wünschen, tragen wir für Sie.
Die Bilder sind dann für weite­re drei Monate auf unse­rer Home­page zu sehen. Die Besu­cher unse­rer Seiten können dann als Bewer­tung Herzen vergeben.
Die Maler der 3 Bilder mit den jeweils höchs­ten Bewer­tun­gen, also den meis­ten Herzen, (Stich­tag: 30. 03. 2014) laden wir herz­lich in die schöne Messe­stadt Leip­zig ein. Für drei Künst­le­rin­nen oder Künst­ler wird es als Gewinn einen zwei­tä­gi­gen Aufent­halt in Leip­zig geben, umrahmt mit einem eigens dafür zusam­men­ge­stell­ten Programm. Am Ende der Aktion sind Verstei­ge­run­gen der Bilder geplant. Der Erlös kommt der gemein­nüt­zi­gen Gesell­schaft zugute und beför­dert auf diese wahr­lich krea­ti­ve Weise den Gedan­ken des Flie­ßen­den Geldes.

© Jorma Bork / pixelio.de 625168 0

Steuern: Diebstahl an der Allgemeinheit – Dirk Löhr

Über die Priva­ti­sie­rung öffent­li­cher und die Konfis­ka­ti­on priva­ter Werte.

Angela Merkel hat die Bundes­tags­wahl gewon­nen. Frei­lich, ein Triumph sieht anders aus. Alles steu­ert auf eine große Koali­ti­on zu, und hier ist Frau Merkel auf einen poten­ti­el­len Part­ner ange­wie­sen, der sich Steu­er­erhö­hun­gen in sein Wahl­pro­gramm geschrie­ben hat.

Der Staat, so SPD und Grüne, sei unter­fi­nan­ziert. Hier haben sie ohne Zwei­fel Recht. Aber, so merk­wür­dig es klingt – das Problem ließe sich auch ohne Steu­er­erhö­hun­gen lösen, ja wahr­schein­lich zum aller­größ­ten Teil voll­kom­men ohne die Steu­ern, wie wir sie heut­zu­ta­ge kennen. Rund die Hälfte der Steu­er­ein­nah­men resul­tiert aus der Lohn- und der Mehr­wert­steu­er – und diese tref­fen durch­aus nicht die Reichen. Dabei wird die Wirt­schafts­tä­tig­keit auch noch entmu­tigt: Wer bei Aufnah­me eines Neben­jobs z. B. 30 oder 40 % Steu­ern auf die zusätz­li­chen Einkünf­te an Einkom­men­steu­ern zahlen muss, über­legt sich das drei­mal. Dabei ginge es auch anders. Die staat­li­chen Leis­tun­gen könn­ten auch über die ökono­mi­schen Renten finan­ziert werden. Dabei handelt es sich grob gesagt um Extra­ge­win­ne, die von den Anbie­tern eigent­lich gar nicht benö­tigt werden, um die Leis­tung hervor­zu­brin­gen. Der Proto­typ der ökonomischen
Rente ist die Boden­ren­te. Seit Ricar­do (1817) wird sie vor allem als „Diffe­ren­ti­al­ren­te“ verstan­den, d. h. als
Kosten- oder Ertrags­vor­teil einer Schol­le gegen­über dem Land, das gerade noch kosten­de­ckend bewirt­schaf­tet werden kann („Grenz­bo­den“). Mit den ökono­mi­schen Klas­si­kern kann man dabei „Land“ in einem sehr weiten Sinne verste­hen – als alles, was der Mensch nicht geschaf­fen hat. Dies sind z. B. Wasser, die Atmo­sphä­re, Rohstoff­quel­len – doch auch „virtu­el­les Land“ kann man hierzu zählen (v. a. Paten­te) – als Rechte, die dem Proto­typ Boden in vieler­lei Hinsicht
nach­ge­bil­det sind. Denn wie bei Boden i. e. S. kann man z. B. auch mit Paten­ten mono­pol­ar­ti­ge Renten einfah­ren, andere
Akteu­re blockie­ren und die damit verbun­de­nen Kosten auf andere, schlecht orga­ni­sier­te Grup­pen abwälzen.

Heut­zu­ta­ge werden die ökono­mi­schen Renten weit­ge­hend priva­ti­siert. Die Boden­ren­ten landen in den Taschen der
Boden­ei­gen­tü­mer, die Wasser­ren­ten u. a. bei Nestlé & Co., die Ölren­ten bei den großen Mine­ral­öl­kon­zer­nen etc. Es handelt sich hier­bei um beträcht­li­che Beträ­ge: Die ökono­mi­schen Renten werden je nach Ökono­mie auf zwischen 20 bis 40 Prozent des Volks­ein­kom­mens geschätzt (bislang liegen nur verein­zel­te Unter­su­chun­gen hierzu vor). Nach dem Henry George-Theo­rem können die öffent­li­chen Güter (Infra­struk­tur, Sicher­heit, Bildung, Gesund­heits­ein­rich­tun­gen) unter bestimm­ten Bedin­gun­gen voll­stän­dig aus den Boden­ren­ten finan­ziert werden. Das Theo­rem kann aber auch umge­kehrt gele­sen werden: Danach werden die Boden­ren­ten erst durch die öffent­li­chen Leis­tun­gen erzeugt. Der Staat kann inso­weit als „rent crea­ting insti­tu­ti­on“ verstan­den werden. Werden nun aber die (Boden-)Renten priva­ti­siert und damit der durch das
Henry George-Theo­rem beschrie­be­ne sach­ge­setz­li­che Zusam­men­hang durch­bro­chen (der eine Verge­mein­schaf­tung der Renten impli­ziert), entste­hen Verzichts­kos­ten: Die Inwert­set­zung der öffent­li­chen Güter muss dann nämlich durch Steu­ern auf Kapi­tal und Arbeit finan­ziert werden.