Ein Kurs im Manipulieren – Roland Rottenfußer

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Ein inter­nes Memo­ran­dum beweist: Spätes­tens seit der Bush-Ära wuss­ten die Eliten von der Klima­er­wär­mung und versuch­ten, sie schön zu reden.

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Ja, es gab schon in der Amts­zeit von George W. Bush ein Klima. Und ja, auch der Begriff „Klima­er­wär­mung“ war bekannt. Auch kann niemand den dama­li­gen Poli­ti­kern Untä­tig­keit vorwer­fen. Sie gaben sich alle erdenk­li­che Mühe — um die Tatsa­chen zu verschlei­ern. 2002 verfass­te Frank Luntz ein Memo­ran­dum für das Weiße Haus, in dem der Bera­ter und Meinungs­for­scher detail­lier­te Vorschlä­ge für die Beein­flus­sung der öffent­li­chen Meinung machte. Das Papier wurde von Kongress­ab­ge­ord­ne­ten und Regie­rungs­mit­glie­dern der Repu­bli­ka­ner genutzt. Beson­ders inter­es­sant: das Kapi­tel zur Klima­fra­ge. Hier drohte die rechte Partei, die Meinungs­füh­rer­schaft an die Demo­kra­ten zu verlie­ren. Umfang­rei­che Regu­lie­rungs­maß­nah­men zum Schutz des Klimas wurden vorge­schla­gen. Um diese zu verhin­dern, schlug Luntz den Repu­bli­ka­nern bestimm­te psycho­lo­gisch wirk­sa­me Argu­men­ta­ti­ons­stra­te­gien zur Volks­be­ru­hi­gung vor. Das Memo­ran­dum beweist zwei­er­lei: 1. Ange­hö­ri­ge der „Eliten“ kann­ten schon lange die Gefah­ren der Klima­er­wär­mung. 2. Sie bedie­nen sich ausge­feil­ter Metho­den der Massen­be­ein­flus­sung und sind sich des mani­pu­la­ti­ven Charak­ters dieser Metho­den voll­kom­men bewusst.

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Die Eliten haben so ihre Schwie­rig­kei­ten mit Eliten­kri­tik. Und — das ist erfreu­lich — sie merken inzwi­schen selbst, dass das Miss­trau­en in der Bevöl­ke­rung wächst, dass immer weni­ger Menschen glau­ben, dass „die da oben“ es schon rich­ten werden.

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Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel nahm den Jahres­tag der Wieder­ver­ei­ni­gung am 3. Okto­ber 2019 zum Anlass, gegen ihrer Meinung nach unsach­li­che Eliten­kri­tik zu wettern: Sie warnte davor, „die Ursa­che für Schwie­rig­kei­ten und Widrig­kei­ten vor allem und zuerst beim Staat und den soge­nann­ten Eliten“ zu suchen, „denen man sowie­so nichts glau­ben könne und die dem Einzel­nen irgend­wie nur im Wege sind“. In ganz Deutsch­land will Merkel „ein solches Denken“ beob­ach­tet haben. „Setzte sich ein solches Denken durch, führte das ins Elend.“

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Die Frage ist jedoch: Besteht das Elend nicht viel­mehr darin, dass wir etablier­ten Poli­ti­kern und Wirt­schafts­len­kern zu lange zu viel geglaubt haben? Dies rächt sich jetzt. Nicht nur, dass wir mit ein paar harm­lo­sen Manage­ment­feh­lern zu kämp­fen haben — das ganze Ökosys­tem steht infol­ge der Täuschungs­stra­te­gien der Mäch­ti­gen und unse­rer Neigung, diesen auf den Leim zu gehen, vor dem Kollaps. Ein hoher Preis für Gehor­sam und Leichtgläubigkeit.

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Eine Sache für Profis 

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Chris­ti­an Lind­ner, der FDP-Vorsit­zen­de, erteil­te Greta Thun­berg Anfang 2019 einen Verweis. „Von Kindern und Jugend­li­chen kann man nicht erwar­ten, dass sie bereits alle globa­len Zusam­men­hän­ge, das tech­nisch Sinn­vol­le und das ökono­misch Mach­ba­re sehen.“ Das sei viel­mehr „eine Sache für Profis“. Wenn man sich aber ansieht, in welchen Zustand Polit-Profis unsere Umwelt gebracht haben, sehnt man sich eher nach Laien mit Herz, einem wachen Instinkt und der Fähig­keit, sich unvor­ein­ge­nom­men zu informieren.

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Das Grund­pro­blem mit den „Eliten“ ist: Wir können ihr Verhal­ten nicht ange­mes­sen analy­sie­ren, wenn wir ihnen pauschal guten Willen unter­stel­len, Proble­me im Sinne des Gemein­wohls zu lösen. Ja, es gibt viel Exper­ten­wis­sen und soli­des poli­ti­sches Hand­werks­zeug, das aber oft gezielt einge­setzt wird, um die Tatsa­chen zu verschlei­ern und sich vor den notwen­di­gen Maßnah­men zu drücken. Unfass­bar viel Gehirn­ak­ti­vi­tät wird aufge­wen­det — nicht um das Rich­ti­ge zu tun, sondern um dem dummen Volk das Falsche marke­ting­psy­cho­lo­gisch smart zu verkaufen.

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Als größ­tes Hinder­nis für eine ange­mes­se­ne Ehrfurcht vor unse­rem globa­len Führungs­per­so­nal erwei­sen sich immer wieder die Eliten selbst. Deren Verhal­ten über­trifft oft die schlimms­ten Befürch­tun­gen von „Verschwö­rungs­theo­re­ti­kern“ und könnte als Real­sa­ti­re belä­chelt werden, wäre die Sache, um die es geht, nicht so ernst.

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Der Manipulationslehrer 

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Frank Luntz, Jahr­gang 1962, ist ein promo­vier­ter Poli­tik­wis­sen­schaft­ler, der im Laufe seiner Karrie­re für eine Reihe von Groß­kon­zer­nen und Poli­ti­kern als Bera­ter tätig war. So unter ande­rem für Newt Ging­rich, Silvio Berlus­co­ni, Rudol­phe Guilia­ni, Pat Buchanan und George W. Bush. 1992 grün­de­te er die Luntz Rese­arch Compa­nies. Sein bis heute bekann­tes­tes „Werk“ ist das Frank Luntz Memo­ran­dum to Bush White House von 2002. Das Papier enthält stra­te­gi­sche Vorschlä­ge, wie die Repu­bli­ka­ni­sche Partei ihre Posi­ti­on auf verschie­de­nen Feldern besser verkau­fen könnte. Später wurde es gele­akt und kann heute öffent­lich einge­se­hen werden. Das Memo­ran­dum ist als Ganzes eine höchst lohnens­wer­te Lektü­re. Für diesen Beitrag genügt es aber, sich auf die Aussa­gen zur Umwelt- und Klima­po­li­tik zu konzentrieren.

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Ziel des Umwelt­ka­pi­tels im Memo­ran­dum, benannt „The Envi­ron­ment: A Clea­ner, Safer, Healt­hi­er Ameri­ca“, war es offen­sicht­lich vor allem, die in der Wissen­schaft fast unstrit­ti­ge These von der menschen­ge­mach­ten Klima­er­wär­mung öffent­lich unglaub­wür­dig zu machen und so wirk­sa­me Maßnah­men zum Schutz des Plane­ten zu verhin­dern. Die Aufga­be, die sich den Mani­pu­lie­ren­den dabei stell­te, war nicht leicht. Die Wissen­schaft wurde über Jahr­zehn­te in der Öffent­lich­keit quasi zum Fetisch aufge­baut und genießt hohe Repu­ta­ti­on, auch bei Menschen mit wenig wissen­schaft­li­chem Verständnis.

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So wich­tig Wissen­schaft den Eliten aber auch sein mag — wich­ti­ger ist ihnen stets der Profit. Ihm gegen­über hat die Wissen­schaft — wie auch Poli­tik und Kunst — eine dienen­de Funk­ti­on einzu­neh­men. Wirk­sa­mer Klima­schutz ist aber kaum denk­bar, ohne das Wachs­tums­dog­ma anzu­grei­fen, was beträcht­li­che Geschäfts­in­ter­es­sen berührt. Deshalb rät Frank Luntz den Repu­bli­ka­nern, sich selbst quasi als die besse­ren Wissen­schaft­ler darzu­stel­len. Als beson­ne­ne poli­ti­sche Kraft, die sich nicht zu über­eil­ten Entschei­dun­gen hinrei­ßen lässt, bevor die Frage der menschen­ge­mach­ten Klima­er­wär­mung nicht rest­los geklärt ist, die Wissen­schaft also nicht voll­stän­dig mit einer Stimme spricht.
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