Gleichzeitig Zuschauer sein und Teil des Geschehens. Im Theater ist das seit Jahrhunderten erlebbar.
Die ganze Welt ist Bühne
und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
Sie treten auf und gehen wieder ab,
sein Leben lang spielt einer manche Rollen,
durch sieben Akte hin.
(William Shakespeare, Wie es euch gefällt, II/7, 140–144)
Theater spielen wurde in London als eine Art „Wunderwaffe“ erkannt, weil sich durch diese Kunstform Politik machen ließ. Königin Elisabeth I. (sie regierte von 1558–1603) wusste das für ihre Zwecke zu nutzen und trug mit dazu bei, dass das englische Volk ins Schauspielhaus strömte und in England Theater von Weltrang gemacht wurde. Einer, der wie kein anderer Stücke auf die Bühne zu zaubern verstand, war zweifellos William Shakespeare. Doch ausgerechnet ihm wird auch nachgesagt, dass er gar nicht der Urheber der ihm zugeschriebenen Bühnenwerke war. Als wahrer Autor wird am häufigsten Sir Francis Bacon, der angebliche, erstgeborene aber nicht anerkannte Sohn Elisabeths I. genannt. Welche Ironie des Schauspiels! Von Haus aus Wissenschaftler konnte Bacon die Intellektuellen auf der Verstandesebene überzeugen. Eines seiner weiteren Talente bestand demnach im Verfassen von Theaterstücken, mit Hilfe derer auch die menschliche Gefühlsebene angesprochen wurde. Und eine solche Gabe lässt sich bis zum heutigen Tage nutzen, um Geschichten zu erzählen, welche Menschen hören wollen. Geschichten, mit denen man die Alltagssorgen, die kleinen wie die großen, hinter sich lassen kann.
Fast kommt es einem vor, als würde die Geschichte vom „guten Kapitalismus“ bereits Jahrhunderte lang erzählt. Und selbst in seiner millionsten Variation strömen die Massen noch immer in das Theater der Experten, um bei diesem uralten Stück dabei zu sein.
Das Theater von heute sind die unendlich vielen Fernsehsender. Mich macht es zunehmend sprachlos, wenn ich erlebe, wie sich in den Talkshowsesseln vermeintliche Autoritäten mit Worten äußern, deren Sinn eigentlich dazu geeignet wäre, die „alte Geschichte“ in Frage zu stellen und die Forderung nach einer neuen damit zu verbinden. Jedoch, erkennbar gefährliche Entwicklungen werden individuellen Fehlleistungen zugeschrieben, und als eine menschliche Entgleisung dargestellt, die nicht den Wahrheitsgehalt der alten Geschichte gefährdet. Diese wird munter weitererzählt. Von allen, gleich welchen politischen Lagern sie angehören. Niemand stellt grundsätzlich in Frage, sondern erzählt nur eine weitere Variation der alten Geschichte. Mir scheint, als seien wir vermittels Sprache
kaum noch in der Lage, das Geschehende wiederzugeben. Offenbar müssen wir erleben, um wahrzunehmen. Wie kann dieses Erleben aussehen, damit es uns wachrüttelt? Gibt es da etwas anderes als Begebenheiten, die wir uns besser nicht ausmalen wollen? Dinge wie Nahrungsmittelknappheit, Gewalt, Kriege usw.
Zu allen Zeiten spielten ökonomische Belange und Interessen die Hauptrolle. Selbst die seichtesten Stücke des täglichen Theaters haben mit Geld zu tun. Wirtschaften bedeutet in Beziehung stehen. Weil wir Menschen nur in Gemeinschaft fortbestehen können, ist die Art, wie wir miteinander umgehen eine der wesentlichsten Voraussetzungen für das Überleben unserer Spezies. Als solche sind wir Teil allen Lebens auf der Erde und auch Teil des unendlichen Universums. Mittlerweile spüren die allermeisten, wie stark sich jegliches Handeln der „alten Geschichte“ des kapitalistischen Denkens anpasst. Die Beschaffenheit des Geldwesens bestimmt unsere Denkweise. Es wird Zeit, das zu erkennen.
Wir sind Akteure und Zuschauer zugleich. Wir sind Teil eines Ganzen, dessen Schicksal auch unser Schicksal ist. Nichts, was wir tun – aber auch nichts, was wir nicht tun – bleibt ohne Folgen für uns selbst.
Als Leser der HUMANEN WIRTSCHAFT sind Sie Teil des Widerstands. Aber auch die Verkörperung des Neuen. Im „Theater des Lebens“ sind wir die Störenfriede. Im Bemühen um eine klare Sprache hinsichtlich aller Fragen zum Geld und seinen Wirkungen hat sich kaum einer so verdient gemacht, wie unser Autor Helmut Creutz.
Im Bemühen um die Einbettung des Wirtschaftssystems in den großen Zusammenhang allen Seins schickt sich derzeit Charles Eisenstein aus den USA an, die Augen zu öffnen. Es macht Freude, ihm zuzuhören, denn einer, wie er hat uns noch gefehlt. Einer der die Verstandeswelt rationaler Fakten in ein Gesamtbild überführt, das auch „gefühlt“ werden kann. Vieles von dem, worüber er philosophiert lässt sich mit jener nüchternen Logik erreichen, die unsere Reformvorschläge zur Geld- und Bodenordnung prägen. Logik und Gefühl – wir sind nicht umsonst mit beidem von der Natur ausgestattet worden.
Lassen Sie uns gemeinsam mit allen unseren vortrefflichen Autoren – in dieser und in allen anderen Ausgaben – versuchen, den letzten Akt dieses Schauspiels im „Theater des Scheins“ in den ersten Akt einer neuen Geschichte zu überführen. Wir haben das Zeug dazu.
Herzlich grüßt Ihr Andreas Bangemann
Aktuelle Kommentare