Bargeld – Ein Blick über den großen Teich – Thomas Kubo

Helmut Creutz hatte die Bargeld­men­ge mit der jewei­li­gen Bank­no­ten­stü­cke­lung stets im Blick. Für die Verei­nig­ten Staa­ten von Ameri­ka ist die Fede­ral Reser­ve Bank (Fed) als Noten­bank zustän­dig. Die von der Fed veröf­fent­lich­ten Bargeld­zah­len sind in der folgen­den Grafik für den Zeit­raum von 1997 bis 2018 wieder­ge­ge­ben, aufbau­end auf der Struk­tur, die Helmut Creutz für diese Art von Grafi­ken vorge­se­hen hat. Es sind einige inter­es­san­te Beob­ach­tun­gen möglich, auch im Vergleich mit dem Euro-Währungsraum. – -
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Die heraus­ge­ge­be­ne Bargeld­men­ge hat sich im Dollar-Raum von 2007 bis 2018 insge­samt mehr als verdop­pelt: Sie stieg von 792 Mrd. $ auf 1.680 Mrd. $ an. Die größte Bank­no­te ist der 100$-Schein. Die Zunah­me ist vor allem beim 100$-Schein sicht­bar. Diese Entwick­lung läuft paral­lel zum Euro oder dem Schwei­zer Fran­ken. Dort war die Zunah­me der Bargeld­men­ge eben­falls bei den größe­ren Bank­no­ten zu verzeich­nen. Die klei­ne­ren Noten blei­ben in ihrer Menge in allen Währungs­räu­men etwa konstant. Man kann bild­lich spre­chen: Bei den nied­ri­gen Bank­no­ten hat die Noten­bank noch den Finger am Puls des Bargeld­kreis­lau­fes, bei den größe­ren nicht.
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Die Stei­ge­rung der heraus­ge­ge­be­nen Bargeld­men­ge war im Dollar-Raum wesent­lich stär­ker als im Euro-Raum (Dort nahm sie in den Jahren 2007 bis 2018 von 783 Mrd. € auf ca. 1.279 Mrd. € zu, eine Stei­ge­rung von immer­hin gut 63 Prozent).
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Es gibt gute Argu­men­te dafür, die großen Bank­no­ten im Euro-Raum zurück­zu­ru­fen – ein Koffer Drogen­geld mit 500-€-Scheinen ist nun mal leich­ter zu verste­cken als zehn Koffer mit 50-€-Scheinen. Prak­ti­ka­bel für den tägli­chen Einkauf beim Bäcker sind die großen Noten auch nicht. Das ameri­ka­ni­sche Beispiel zeigt aber, dass die Bargeld­men­ge bei Nied­rig- und Nega­tiv­zin­sen auch ohne „Riesen­schein“ unauf­hör­lich weiter­wächst. Es handelt sich um zwei verschie­de­ne Probleme.
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Helmut Creutz wies darauf hin, dass bereits der Begriff „Bargeld­um­lauf“ unge­nau ist. Die heraus­ge­ge­be­ne Menge an Bargeld ist nie diesel­be Menge, die im Wirt­schafts­kreis­lauf aktiv ist. Der Begriff „Umlauf“ sugge­riert jedoch, dass alles Bargeld sich glei­cher­ma­ßen im Umlauf befin­det, was nicht der Fall ist. Anders ausge­drückt: Ein 100-€-Schein, der ein Mal im Jahr umläuft, ist wirt­schaft­lich nur halb so wirk­sam wie ein 50-€-Schein, der vier Mal im Jahr umläuft.
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Durch die Nied­rig­zin­sen ist nun das einge­tre­ten, was das Bargeld zum Dreh- und Angel­punkt im Geld­sys­tem macht: Den Bargeld­hal­tern entgeht für den Liqui­di­täts­vor­teil des Geldes, den sie momen­tan genie­ßen, keine Rendi­te am Geld- und Kapi­tal­markt. Dies wird zuneh­mend zum Problem: Bargeld­hor­tung wird bei nied­rigs­ten Zinsen und gerin­ger Infla­ti­on als nahezu risi­ko­lo­se Geld­an­la­ge attrak­tiv, zumal einige Banken schon damit begon­nen haben, Nega­tiv­zin­sen auf Gutha­ben zu erhe­ben. Die Nach­fra­ge nach Bargeld steigt daher weiter stark an. Die Noten­ban­ken sehen sich genö­tigt, noch mehr Bargeld heraus­zu­ge­ben, und koppeln die Bargeld­men­ge so von der realen Wirt­schafts­leis­tung ab.
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Damit haben sich die Noten­ban­ker ein Dilem­ma geschaf­fen: Auf der einen Seite entsteht bei einer Verrin­ge­rung der Umlauf­ge­schwin­dig­keit bzw. bei einer abneh­men­den wirk­sam umlau­fen­den Bargeld­men­ge Defla­ti­ons­ge­fahr. Auf der ande­ren Seite wächst mit zuneh­men­der Ausga­be frischen Bargelds ein erheb­li­ches verdeck­tes Infla­ti­ons­po­ten­zi­al heran, das reali­siert wird, sobald die über­schüs­si­ge, nun erhöh­te Menge an gehor­te­tem Bargeld wieder in den Wirt­schafts­kreis­lauf einge­schleust wird. Dies könnte bei anzie­hen­der Infla­ti­on der Fall sein. Das Dilem­ma ließe sich auflö­sen: Mit einer Umlauf­si­che­rungs­ge­bühr auf Bargeld kann es bei den Hörnern gepackt werden, ohne auf die segens­rei­chen Effek­te nied­ri­ger Zinsen verzich­ten zu müssen! Helmut Creutz schrieb dazu 2009: „Die frag­wür­di­gen Entwick­lun­gen der Geld­men­ge lassen noch einmal erken­nen, welche Beru­hi­gun­gen in die Volks­wirt­schaf­ten einkeh­ren könn­ten und wie sehr sich die Geld­men­gen­steue­rung verein­fa­chen ließe, wenn endlich die heraus­ge­ge­be­ne Geld­men­ge mit der tatsäch­lich am Markt erfor­der­li­chen nach­fra­gen­den Geld­men­ge in Über­ein­stim­mung gebracht werden würde. Konkret: Wenn der von der Bundes­bank immer als ›umlau­fen­de Geld­men­ge‹ bezeich­ne­te Bestand auf die tatsäch­lich erfor­der­li­che nach­fra­ge­ak­ti­ve Menge redu­ziert würde, wie ja von der Geld­re­form­be­we­gung angestrebt.“
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Der Seiten­blick auf den ameri­ka­ni­schen Währungs­raum ist in Bezug auf das Bargeld sehr wich­tig: Ein voll­kom­men unter­schied­lich struk­tu­rier­ter Währungs­raum kämpft mit demsel­ben Problem. Es liegt nahe, dass ein gemein­sa­mes Problem ursäch­lich verant­wort­lich ist, nämlich Nied­rig­zin­sen ohne Geldumlaufsicherung!
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