Schaffung von Zahlungsmitteln „von unten“ – Hans-Florian Hoyer

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Stel­len Sie sich vor, dass Zahlungs­mit­tel in genau der gebrauch­ten Menge dort geschaf­fen werden, wo gezahlt werden muss. Wo ein Eigen­tums­über­gang statt­fin­det, wo ein Dienst geleis­tet wird oder wo ein Recht ausge­übt wird. Das sei leicht, sagt Marvin Minsky, die Schwie­rig­keit läge darin, jeman­den zu finden, der es akzep­tiert. Dem hilft der souve­rä­ne Staat ab, indem er seine Währung als gesetz­li­ches Zahlungs­mit­tel prokla­miert. Fiat Money!
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Damit ist für jeden Bürger der Zwang verbun­den, das Geld anzu­neh­men. Zahlungs­mit­tel sind für Nicht­ban­ken in der moder­nen Kredit­wirt­schaft Rechte auf Reser­ven, die nur die Zentral­bank schaf­fen kann.
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Könn­ten die Zahlungs­mit­tel auch vom Souve­rän ohne den Staat und die Geschäfts­ban­ken dazwi­schen geschaf­fen werden?
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Ein klei­nes Gedan­ken­ex­pe­ri­ment, das auf grünen und roten Zetteln beruht, die „magi­sche“ Eigen­schaf­ten haben, kann das zeigen.
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Die magi­schen Eigen­schaf­ten bestehen darin, dass die Zettel nicht verlo­ren gehen können und immer ein Deck­blatt haben, das die Summe ihres jewei­li­gen Besit­zers zeigt.
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Wenn Menschen, die in einer Gemein­schaft mit- und fürein­an­der wirt­schaf­ten, sich darauf eini­gen, dass nicht immer gleich alles bezahlt werden muss, sondern dass man sich ein Zahlungs­ziel bis zum Ende des Monats lassen kann, ist diese Vorge­hens­wei­se möglich:
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Will jemand ein Fahr­rad kaufen und bekommt es vom Händ­ler mit Zahlungs­ziel, so gibt der Händ­ler ihm das Rad und für die Endab­rech­nung am Monats­en­de einen roten Zettel mit dem Preis. Er selbst behält einen grünen Zettel mit dem Preis.
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So werden rote und grüne Zettel ausge­füllt beim Friseur, beim Bäcker, im Kino – über­all da, wo der Verkäu­fer oder Dienst­leis­ter Vertrau­en in den Kunden hat.
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Die magi­schen Eigen­schaf­ten sorgen dafür, dass am Tag der Abrech­nung alle Zettel ihren Eigen­tü­mern die Summe der roten und grünen Zettel anzei­gen. Für die rote Summe müssen sie Geld auf einen Abrech­nungs­tisch tun, für die grüne Summe können sie sich etwas davon nehmen. Nennen wir den Tisch „Banco“, wie die Tische der Geld­wechs­ler hießen.
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Spätes­tens nach dem zwei­ten Abrech­nungs­tag wird sich die Gemein­schaft geei­nigt haben, anstel­le der Beträ­ge auf den Deck­blät­tern nur die roten Salden hinzu­blät­tern und dann die grünen Salden einzu­sa­cken (um die Bild­lich­keit des Bargelds einzu­set­zen). Die Zettel stel­len mit ihren magi­schen Eigen­schaf­ten nur sicher, dass die Summen stim­men und alles auf null ausgeht. Nicht gesi­chert ist, dass alle mit roten Salden auch das erfor­der­li­che Geld bereit haben, damit die grünen Salden auch bedient werden können. Dies muss die Gemein­schaft aber garan­tie­ren, damit die Akzep­tanz gege­ben ist.
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Jeder einzel­ne Händ­ler oder Dienst­leis­ter, der ein Zahlungs­ziel gewährt, legt damit einen Grund des Vertrau­ens in die Gemein­schaft, der von dieser erwi­dert wird, indem sie am Tag der Abrech­nung garan­tiert, dass alle Inha­ber eines grünen Saldos zu ihrem Geld kommen.
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Der Vorteil der Teil­neh­mer an diesem Verfah­ren, was neben dem übli­chen Zahlungs­ver­kehr laufen kann, ohne ihn zu stören oder von ihm gestört zu werden, ist, dass sich ein nicht unbe­trächt­li­cher Teil der Forde­run­gen gegen­ein­an­der bargeld­los ausgleicht. Der Grad der Aufrech­nung hängt davon ab, wie viele Bezie­hun­gen es zwischen den Teil­neh­mer gibt. In einer arbeits­tei­li­gen Gesell­schaft kann es viele Bezie­hun­gen geben.
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Ein zwei­ter Vorteil ergibt sich, wenn die Zettel selbst wie Bargeld als Zahlungs­mit­tel einge­setzt werden. Man kann eine Dienst­leis­tung mit einem grünen Zettel in der entspre­chen­den Höhe direkt bezah­len, man kann von einem Verkäu­fer auch einen roten Zettel in Höhe des zu zahlen­den Prei­ses übernehmen.
Das paar­wei­se Ausfül­len von grünen und roten Zetteln entspricht einer Bilanz­ver­län­ge­rung der Gemein­schaft für die jewei­li­ge Abrech­nungs­pe­ri­ode, das Zahlen mit Zetteln entspricht einem Tausch auf der grünen oder roten Seite, ohne die Bilanz zu verlängern.
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Die geschaf­fe­ne Zettel-Geld­men­ge kann so durch Mehr­fach­ver­wen­dung für einen größe­ren Umsatz sorgen. Der Vorteil dieses Zahlungs­mit­tels ist, dass er nach der Abrech­nung verschwun­den ist und wieder neu geschaf­fen werden kann. Das Horten der Zettel wäre ebenso sinn­voll, wie das Horten von Kino­kar­ten nach der Vorstellung.
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Das Zahlungs­mit­tel würde auch nicht zu dem Teil der Infla­ti­on beitra­gen, der durch ein Zuviel von Geld in Rela­ti­on zur Ware bewirkt ist, weil es in der Entste­hung an die Ware gekop­pelt ist. Inwie­weit ein Zuviel von Zetteln in der Weiter­ver­wen­dung preis­stei­gernd wirken kann, bliebe zu untersuchen.

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