Verdientes Denkmal für einen großen Freiwirtschafter – Buchrezension von Heinz Girschweiler
Andreas Müller beleuchtet Leben und Gedanken Friedrich Salzmanns in einer Biografie.
Er war ein kleiner, feiner Mann, dazu
ein Leben lang körperlich behindert:
Deshalb zählt Friedrich Salzmann
(1915–1990) nicht zu den lauten und
vordergründig nicht zu den bekanntesten
Köpfen unter den Schweizer
Freiwirtschaftern. Fritz Schwarz, Hans
Konrad Sonderegger, Hans Bernoulli,
Werner Schmid und Werner Zimmermann
stehen für viele in dieser ersten
Reihe. Zu ihnen gehört aber unzweifelhaft
auch Friedrich Salzmann. Wer
es nicht ohnehin schon wusste, dem
macht dies die neu erschienene Biografie
klar.
Der Sohn eines Schweizer Kaufmanns
– in Persien geboren, in
Berlin und in der Schweiz aufgewachsen
– hat ein beeindruckendes
schriftliches Werk hinterlassen,
und er setzte sich ein Leben lang für
die Umsetzung der Erkenntnisse Silvio
Gesells ein.
Schon in der Jugend infiziert
Salzmann kam schon im Elternhaus
mit den freiwirtschaftlichen Ideen
in Kontakt. Ja er begegnete als Jüngling
auch noch Silvio Gesell, kurz vor
dessen Tod. So war es für den aufgeweckten
jungen Mann eine Selbstverständlichkeit,
sich in der freiwirtschaftlichen
Jugendbewegung zu
engagieren. Und früh schon trat er
nach einer kaufmännischen Lehre
auch als Redner an öffentlichen Veranstaltungen
auf. Als blutjunger Korrespondent
in Paris berichtete er für
das „Freie Volk“ über die große Politik
im Vorkriegsfrankreich. Nach seiner
Rückkehr trat er – an der Seite des
legendären Fritz Schwarz – in die Redaktion
des freiwirtschaftlichen Organs
ein. Er prägte es entscheidend
mit. Und er war – zusammen mit Werner
Schmid – treibende Kraft bei der
Gründung der Liberalsozialistischen
Partei (LSP) im Jahre 1946. Denn Salzmann
war überzeugt, dass man sich
politisch einmischen musste, wenn
man die gute Sache vorwärtsbringen
wollte.
Als in den Fünfzigerjahren die wirtschaftliche
Basis für die freiwirtschaftliche
Wochenzeitung zusehends
schwand, fasste Salzmann
schweren Herzens einen Entschluss:
Er folgte einem Ruf des Schweizer Radios
und trat in deren Inlandredaktion
ein. Weil er dank seiner weltläufigen
Erziehung ein ausgesprochen
gepflegtes Hochdeutsch sprach und
über eine tiefe, ruhige Stimme verfügte,
war er fürs Radio geboren.
Und Salzmann blühte in diesem Medium
auf. Er wurde zum anerkannten
Chef der Inlandabteilung, er moderierte
politische Streitgespräche,
und er führte die erste kritische Sendung
für Konsumenten ein. „Mit kritischem
Griffel“ hieß sie und wurde zur
damals besten Sendezeit am frühen
Samstagnachmittag ausgestrahlt.
Dann, 1971, wurde er auf der Liste des
Landesrings der Unabhängigen in
Bern überraschend in den Nationalrat
gewählt. Dort fiel er als seriöser
Arbeiter in den Kommissionen (etwa
zum Medienrecht) und als unerbittlicher
Kritiker der bundesrätlichen
Wirtschafts- und Konjunkturpolitik
auf. Dann kam zu seiner Behinderung
durch eine Kinderlähmung noch die
Parkinson-Krankheit hinzu, und er
musste deshalb 1978 schweren Herzens
aus dem Nationalrat zurücktreten.
Die folgenden Jahre waren dann
– er hatte seine geliebte Gattin, Gefährtin
und Betreuerin Hilde Grünig
schon früh verloren – von einer zunehmenden
Vereinsamung geprägt.
Seine letzten fünf Jahre verbrachte er
in einem Berner Pflegeheim.
Radikaler Denker
Neben seinem beruflichen Wirken
und der direkten politischen Arbeit
steht das schriftstellerische Werk
Salzmanns. Er hat rund ein Dutzend
Bücher geschrieben, dazu zahlreiche
Schriften und Tausende von Artikeln.
In „Bürger für die Gesetze“ (1949)
setzt sich der leidenschaftliche Liberale
kritisch mit dem Staat als Erzieher
auseinander und fordert einen
freien Bildungsmarkt. In „Jenseits der
Interessenpolitik“ (1953) widmet er
sich der grossen Auseinandersetzung
zwischen Kommunismus und Kapitalismus
und plädiert für eine wahrhaft
liberale Wirtschaftsordnung mit
starken staatlichen Leitplanken. Und
in „Mit der Freiheit leben“ (1961) vertieft
er diese Auseinandersetzung
zwischen den beiden rivalisierenden
Gesellschaftssystemen und fordert
seinen radikal liberalsozialen dritten
Weg.
Salzmanns Biograf weist mit Recht
auf dessen letzte Schrift „Gedanken
zu einer lebenswerten Zukunft“
(1985) als eigentliches gedankliches
Vermächtnis hin. Die programmatische
Schrift fasst die Positionen der
Liberalsozialisten – wohlbegründet
und konzentriert – zusammen. Sie
entstand in enger Zusammenarbeit
mit dem damaligen Sekretär der Partei,
Hans Barth. Der Einleitungssatz
ist typisch für das Bürgerverständnis
des philosophisch denkenden und
02/2014 www.humane-wirtschaft.de 37
politischen handelnden Menschen
Friedrich Salzmann:
„Wir sind nicht nur verantwortlich
für das, was wir tun, sondern
auch für alles, was wir widerspruchslos
dulden.“
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