Klimaziele – Nicht erreichbar ohne neues Wirtschaftssystem – Andreas Bangemann
– - -
Barcelona ruft den Klimanotstand aus und findet deutliche Worte im Strategiepapier
– - -
Mit „Això no és un simulacre“ (Dies ist keine Übung) überschreibt die Stadtregierung Barcelonas unter Führung ihrer Bürgermeisterin Ada Colau ein einzigartiges Grundlagendokument für konkrete Maßnahmen, um den Klimawandel aufzuhalten. Die Hauptforderung von Aktionsgruppen, wie „Fridays for Future“ und „Extinction Rebellion“ ist damit erfüllt, aber die Millionenstadt am Mittelmeer erweitert den Brennpunkt der Initiative. Die in dem Papier deutlich hervortretende Radikalität könnte hinsichtlich der konkreten Vorhaben der Feder einer der aufkeimenden Protestgruppen entstammen. In einem Punkt scheint man in der Stadt jedoch vielen Aktivisten voraus zu sein: Man scheint sich bewusst, dass lokale Maßnahmen, seien sie auch zwingend erforderlich, wie der Kampf gegen Windmühlen anmutet, solange das alles beherrschende Wirtschaftssystem nicht ebenso reformiert wird.
– - -
Wenn in Deutschland Wirtschafts- und Finanzexperten, wie Thomas Mayer, bis 2012 Chefvolkswirt der Deutschen Bank, die Jugendklimabewegung kritisiert und mit Argumenten in Bezug auf wirtschaftliche Auswirkungen auftritt, bleiben Antworten aus der hiesigen Protestszene die Ausnahme. Wie ein weißer Fleck auf der Maßnahmenlandkarte werden grundlegende Wirtschaftssystemänderungen aus der Klimadebatte ausgeklammert. Experten Mayerscher Denkart schaffen es mit Aussagen, wie:
– - -
„Gegenwärtig sieht es leider danach aus, dass die Furcht vor dem Klimawandel und dem Verlust an Ersparnissen durch negative Zinsen den Abschwung verstärken könnte.“ nicht nur politisch Verantwortliche zögernder werden zu lassen, sondern auch, dass sich die Öffentlichkeit mehr mit der „Furcht vor…“ als mit wahrhaftigen aktuellen Bedrohungen befasst. Die Meinungsführer eines Weiter-so setzen die in der Bevölkerung verbreitete Mutlosigkeit hinsichtlich von Veränderungen für den Erhalt des bestehenden Systems ein. Zwar gestehen sie ein, dass manche der aktuellen Probleme dadurch herbeigeführt wurden und Reparaturen nötig seien, aber sie verweisen auf die weitaus höher zu bewertenden Wohlstandsverbesserungserfolge und mahnen vor den Folgen weiter steigender Angst:
– - -
„Beide Erzählungen, die vom Klimawandel und die von kommenden „Strafzinsen“ für Bankkunden, können ein Klima der Angst erzeugen, das auch das Konjunkturklima erfasst.“ (Thomas Mayer in FOCUS online, https://hwlink.de/th-mayer-fo/)
– - -
Er redet etwas herbei, das man nur „Angst“ nennen kann, wenn sie selbst verspürt. Eine jahrzehntelang unbehelligt auf Wachstum und Rendite ausgerichtete Wirtschaft wirkt in ihrem Selbstverständnis gefährdet: Kapital muss sich rentieren!
– - -
Politische Weichenstellung hin zu einer „Green Economy“ bergen vermeintliche Chancen für den Erhalt des kapitalistischen Prinzips, den alternative Geldreformkräfte als operablen Wurmfortsatz der Marktwirtschaft einschätzen. „Das Notwendige tun, aber Systemänderungen nicht aussparen“, birgt als generelle Devise die Chance für nachhaltige Veränderungen. Superreiche, mächtige Konzerne und Kapitalsammelstellen sitzen noch am Ruder der Weltgeschicke. Wenn man sich in Kreisen der bürgerlichen Reformkräfte weltweit erst einmal einig wird, dieses „ganz große Rad“ selbst zu drehen, bestehen Aussichten, der Erholung der Umwelt und dem Aufkeimen völlig neugestalteter Formen von sozialen Gemeinwesen den Weg freizumachen. Das geht nur über eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftssystems.
– - -
Insofern traut sich Barcelona etwas. Ob davon eine Signalwirkung ausgeht und die jugendlichen Klimagerechtigkeitsgruppen in Deutschland und weltweit generelle Systemveränderungspläne mit einbeziehen, bleibt abzuwarten.
– - -
„Das derzeitige Wirtschaftsmodell basiert auf kontinuierlichem Wachstum und einem nicht enden wollenden Wettlauf um Gewinne bei ständig steigendem Verbrauch natürlicher Ressourcen.
Dasselbe Wirtschaftssystem, das das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten gefährdet, hat die Ungleichheiten erheblich vergrößert. Zweifellos sind die globale ökologische Krise und insbesondere die Klimakrise weitgehend begründet auf übermäßigem Konsum in den reichen Ländern und vor allem der reichsten gesellschaftlichen Gruppen.
– - -
Der Klimanotstand muss uns anspornen, Veränderungen vorzunehmen, um ein Entwicklungsmodell zu erreichen, das die ökologischen Grenzen der Erde respektiert und ein menschenwürdiges Leben für alle gewährleistet. Untätigkeit birgt weitaus größere Risiken als Mut zu Veränderungen, die uns auf den Weg zu einem nachhaltigeren und gerechteren System bringen würden. […]“ (Aus „Climate Energy Declaration“, herausgegeben vom Stadtrat von Barcelona, 15. Januar 2020, S. 19, Übersetzung aus dem Englischen: Andreas Bangemann https://hwlink.de/Barcelona-CED)
– - –
Aktuelle Kommentare