Zu guter Letzt – Ein Zitat von Fernand Braudel

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Fernand Brau­del, 1902 gebo­ren, war einer der großen Histo­ri­ker des 20. Jahr­hun­derts. 1946 habi­li­tier­te er sich mit einer bahn­bre­chen­den Studie über den Mittel­meer­raum zur Zeit Phil­ipps II. Im selben Jahr wurde er Mither­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Anna­les“. Der zwan­zig­fa­che Ehren­dok­tor, der seit 1949 am Collé­ge de France und seit 1956 auch an der École pratique des Hautes Études lehrte, wurde 1984 in die Acadé­mie Fran­çai­se gewählt. Er starb im Novem­ber 1985.
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„Was ich persön­lich bedau­re – nicht als Histo­ri­ker, sondern als ein Mensch meiner Zeit -, ist, dass man es sowohl in der kapi­ta­lis­ti­schen wie in der sozia­lis­ti­schen Welt ablehnt, zwischen Kapi­ta­lis­mus und Markt­wirt­schaft zu unter­schei­den. Jenen, die im Westen die nega­ti­ven Folgen des Kapi­ta­lis­mus brand­mar­ken, antwor­ten Poli­ti­ker und Ökono­men, dass es sich nur um das klei­ne­re Übel handle, um die notwen­di­ge Kehr­sei­te des freien Unter­neh­mer­tums und der Markt­wirt­schaft. Das glaube ich keines­wegs. Und jenen, die sich, einer Bewe­gung entspre­chend, die sogar in der Sowjet­uni­on spür­bar ist, über die Lang­sam­keit der sozia­lis­ti­schen Wirt­schaft bekla­gen und ihr etwas mehr ‚Spon­ta­nei­tät’ einräu­men möch­ten (ich über­set­ze dies mit ‚mehr Frei­heit’), wird zur Antwort gege­ben, dass dies das klei­ne­re Übel sei, die notwen­di­ge Kehr­sei­te für die Besei­ti­gung der kapi­ta­lis­ti­schen Plage. Auch daran glaube ich nicht. Aber ist die Gesell­schaft, die ich für erstre­bens­wert halte, über­haupt möglich? Jeden­falls vermu­te ich, dass sie auf dieser Welt nicht sehr viele Anhän­ger hat.“
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Aus: „Die Dyna­mik des Kapi­ta­lis­mus“, Klett-Cotta Stutt­gart 1986, S. 100
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