Für eine zukunftsfähige Ökonomie – Eine Buchbesprechung von Peter Krause
Wertermittlung und ‑bilanzierung erweitert gedacht
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Der Terminus „Bilanz” ist heutzutage im allgemeinen Sprachgebrauch viel häufiger zu finden als es noch vor Jahren der Fall war. Das kann als Indiz dafür gelten, dass immer mehr Menschen in ihrem Dasein und Leben nach jenen ausgewogenen Verhältnissen suchen, für die sich vordem nur Spezialistinnen und Spezialisten interessierten. So nimmt es nicht Wunder, dass neue Formen des Bilanzierens gesucht werden, die über die klassische Buchhaltung hinausgehen. Rainer Monnet geht in seinem Buch „Wertebilanz” auf die diesbezüglichen Überlegungen ein.
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Die seit dem 15. Jahrhundert bekannte doppelte Buchführung liefert im Ergebnis eine Gegenüberstellung von Kapital (Passiva) und Vermögen (Aktiva). Sie macht sichtbar, in welche Vermögenswerte die jeweils zur Verfügung stehenden Kapitalien investiert wurden. Damit werden Rückschlüsse auf die Intentionen und den Erfolg der Investierenden möglich. Wesentliche Grundlage für das Zustandekommen einer Bilanz ist, dass Ressourcen und Vorgänge bewertet werden. Die Einheit dafür ist traditionell das einer jeweiligen Standardwährung zugehörige Geld.
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Monnet schließt daran an, auch indem er feststellt: „Geld ist eine geistige Form der Beschreibung von Werten, die entstehen und vergehen.“ Die eigentliche Wertschöpfung entsteht für ihn im Augenblick der Entnahme von Ressourcen aus dem Kreislauf der Natur. Mit kritischem Blick stellt der Autor immer wieder dar, dass dem Menschen damit eine Verantwortung zuwächst, maßvoll und in jeder Beziehung verantwortlich zu handeln. Die ökologische Problemlage wird differenziert beschrieben und immer wieder zur Grundlage für das Anliegen gemacht, zu erweiterten Wertvorstellungen vorzudringen. Darin ist das Kernanliegen des Autors zu verorten: Für ein jedes Unternehmen und seinen Erfolg wichtige, bislang unberücksichtigte Ressourcen und Werte zu entdecken, in Geldeinheiten auszudrücken und bilanziell zu erfassen. Dafür erweitert Monnet die bekannten Kontenrahmen, verbunden mit dem Anspruch, nicht nur ein besonderes Reporting – als solches bezeichnet er die „Gemeinwohlbilanz” – zu etablieren, sondern die übliche, gesetzlich geforderte Buchhaltung zu erweitern, weil manche wirtschaftlichen Prozesse nur so sichtbar gemacht werden können. Seiner Ansicht nach geht es letztendlich um „ein System, das auf der einen Seite Freiheit und Freude garantiert, auf der anderen Seite jedoch auch einen Rahmen für Orientierungen bietet – eben ein neuartiges Bilanzsystem“.
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Monnet zeigt in seinen Ausführungen, dass er die betrieblichen Abläufe in Firmen gut kennt (er war lange Jahre Innovation Manager in der SAP AG und ist seither als selbstständiger Berater tätig). Was er zu sagen hat, bettet er immer wieder in philosophisch tingierte Blickrichtungen ein. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen nimmt er Bezug zur Klassik mit Verweisen auf Schillers ästhetische Briefe oder die naturkundlichen Ausführungen Goethes. Besonderen Raum nehmen überdies Ausführungen ein, die zum Verständnis ökonomischer Prozesse künstlerischen Aspekten gewidmet sind.
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Einen roten Faden legt Monnet, indem er für das bessere Verständnis drei Werteebenen voneinander unterscheidet, die er metaphorisch als Sonnen‑, Planeten- und irdische Werteebene bezeichnet. Unter diesen Ebenen zugeordneten Begriffen summiert er die verschiedenen Bereiche, Prozesse und Gegenstände betrieblicher Wertschöpfung und stellt fest: „Bewertungen sind menschengemacht oder intelligent maschinenprogrammiert”. Seine Ausführungen zur Künstlichen Intelligenz und zum Wert elektronischer Daten sind besonders lesenswert, u. a. weil er sich bei SAP gerade in diesem Bereich ein reichhaltiges Wissen erwarb.
Gleichwohl ist das Buch aus der Sicht von Unternehmen geschrieben. Immer geht es um die implizite Empfehlung für und Beratung von Führungskräften oder Kapitaleignern.
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Die Interessen der (sogenannten) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nur in diesem Kontext betrachtet. Dabei wären die Gesichtspunkte für eine Wertebilanz durchaus reichhaltiger, wenn die Überlegungen und Ausführungen so gesehen mehr „Bottom-up”, weniger „Top-down” ausgerichtet wären. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen beispielsweise könnte der notwendigen Trennung von Arbeit und Einkommen näherbringen. Das sieht Monnet zwar auch so, sieht die Verantwortung für die Gewährung des BGE aber bei Wirtschaftsunternehmen, nicht beim Staat.
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Obwohl manches nur angedeutet oder unberücksichtigt bleibt – wie z. B. die Problematik von Zins und Zinseszins, die als Eigenschaft des vorherrschenden Geldsystems wider jede Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit wirkt – ist das Buch empfehlenswert für all diejenigen, denen neue Handlungsansätze in der Ökonomie ein Anliegen sind. Mit seinen Ausführungen zur „Wertebilanz” gibt Rainer Monnet reichlich Anregungen zum Umdenken. Damit stellt er sich einer Herausforderung, der heutzutage kein vernünftiger Mensch mehr ausweichen kann.
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