Exponentielles Wachstum – was ist das? – Roland Spinola
Damit hatte keiner gerechnet. Wenn dieses Wachstum so weiter geht, hat die Stadt nach weiteren 20 Jahren 1 Million Einwohner! Exponentielles Wachstum wird von den wenigsten Menschen verstanden, weil es in unseren natürlichen Lebensprozessen (fast) nicht vorkommt. Ein weiteres Merkmal dieser Art des Wachstums besteht darin, dass die Kurven plötzlich immer steiler werden und damit ein Überraschungseffekt eintritt. Exponentielles Wachstum liegt vor, wenn eine Basismenge prozentual wächst. Es führt immer zur Katastrophe, wenn es nicht in einem frühen Stadium begrenzt wird: Beispiel: Gehirnzellenwachstum in den ersten Wochen nach der Geburt wird plötzlich gestoppt – die weitere Entwicklung erfolgt in der immer komplexeren Vernetzung. Krebs ist ein exponentielles Wachstum, das in der Katastrophe endet. Für die Instabilität in dynamischen Systemen gibt es zwei Ursachen: Die positive Rückkopplung führt zu Wachstum, das Fehlen von Dämpfungselementen verhindert die Begrenzung dieses Wachstums. Positive Rückkopplung ist das, was im Volksmund „Schneeball-Effekt“ oder „Teufelskreis“ genannt wird, ein sich selbstverstärkender Prozess, der für immer stärkeres Wachstum sorgt. Peter Senge gibt in seinem Buch „The Fifth Discipline“ einige gute Beispiele: Ein gutes Produkt verkauft sich gut, es gibt mehr zufriedene Kunden, die es anderen weitererzählen, die wiederum kaufen, zufrieden sind, es anderen erzählen und so weiter, bis Dämpfungselemente eintreten: Kapazitätsengpässe, kein Rohmaterial mehr, Bedarfssättigung tritt ein usw. usw.
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– Ein anderes Beispiel, das zu Schwund führt: Das Gerücht, eine Bank sei in Schwierigkeiten, führt zu Abhebungen, wodurch Geld knapp wird, was wiederum andere Kunden ebenfalls dazu bewegt, ihr Geld aus der Bank zu nehmen, wodurch diese schließlich wirklich in Schwierigkeiten gerät. Dieser Prozess endet in der Bankrott-Katastrophe, wenn nicht Dämpfungselemente eingebaut werden, die ihn wirksam stoppen: Schließen der Schalter, Informationen an die Kunden, unbeschränkter Kredit an die Bank von anderen Banken, bis das Vertrauen wiederhergestellt ist – um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen. Die „Bevölkerungsexplosion“ ist ein weiteres Beispiel, an dem sich das „unbegreifliche“ des exponentiellen Wachstums erkennen lässt: Bis zur ersten Milliarde Menschen auf der Erde im Jahr 1804 vergingen Millionen Jahre. Die zweite Milliarde wurde 123 Jahre später erreicht, im Jahr 1927; die dritte Milliarde, 1960, brauchte nur 33 Jahre und die vierte wurde 1974 nach nur weiteren 14 Jahren erreicht. Die Bevölkerung wächst weiter – allerdings nicht in dieser alarmierenden Geschwindigkeit – im Augenblick mit 1,6 % pro Jahr. Mit der 72er-Regel kann die Anzahl der Jahre bis zur Verdopplung angenähert berechnet werden: Zeit in Jahren = 72/p, wobei p der Prozentsatz, des Wachstums ist. Wenn also die Weltbevölkerung 1987 bei 5 Milliarden lag und mit 1,6 % pro Jahr wächst, dauert es etwa 45 Jahre (also jetzt nur noch 13 Jahre), bis wir bei 10 Milliarden angekommen sind!
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Es gibt viele Geschichten und Metaphern, die uns helfen können, exponentielles Wachstum besser zu begreifen; hier sind ein paar Beispiele:
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In einer Ecke eines Teiches beginnen Seerosen so zu wachsen, dass sich ihre Menge täglich verdoppelt. Zunächst fällt die bedeckte Fläche nicht so auf – nach 27 Tagen ist erst ein Achtel der Seefläche bedeckt. Frage: Wie viele Tage dauert es, bis der ganze See bedeckt ist? Antwort nur 3 Tage! Am 28. Tag sind ein Viertel bedeckt am 29. Tag die Hälfte und am 30. Tag ist der See vollständig zugewachsen. • Ein besonders eindrucksvolles Beispiel wurde vor ein paar Jahren in der Zeitschrift Economist gebracht und von Raju Varghese von der Firma Intellisoft im Internet publiziert: Nehmen Sie ein DIN-A4-Blatt und falten es mehrfach, wobei Sie die Dicke des Papieres immer wieder verdoppeln. Gehen Sie davon aus, dass das Papier 0,1 mm dick ist (das entspricht normalem 80g-Papier) und versuchen Sie, diese Fragen zu beantworten:
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Wie oft können Sie das Papier falten und dick ist das Gebilde dann?
Wie dick ist es nach 10, 20, 50 und 100 Faltungen?
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Die Antworten werden Sie verblüffen: Mehr als 7‑mal ist nicht zu schaffen – dann haben Sie bereits die Dicke eines Notizbuches. Nach 10 Faltungen entspricht die Dicke einer Handbreite; nach 20 Faltungen sind es 100 Meter, nach 50 Faltungen die Entfernung zur Sonne und bei 100 Faltungen sind Sie mit 12 Milliarden Lichtjahren beim wahrscheinlichen Durchmesser des Universums angelangt.
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Die dritte Geschichte: Dem Erfinder des Schachspiels wurde von einem dankbaren Herrscher in China die Erfüllung eines Wunschs zugesichert. Der Erfinder erbat sich pro Tag eine Menge Reis, die sich durch folgende Prozedur ergibt:
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Auf das erste Schachfeld wird am ersten Tag ein Reiskorn gelegt, auf das zweite am zweiten Tag die doppelte Menge, also 2, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also 4, und so weiter bis zum 64. Feld am 64. Tag. Dem Herrscher schien die Bitte leicht erfüllbar – als aber am Ende des ersten Monats die Reismenge für diesen Tag auf 35 Tonnen angewachsen war, musste er einsehen, dass bei Erfüllung des Wunsches alle Reisernten dieser Welt nicht ausreichen würden! Berechnet werden die Beispiele nach der Formel 2 hoch n (2n), wobei n die Anzahl der Verdopplungen darstellt, also die Faltungen beim Papier oder die Anzahl der Schachbrettfelder minus 1. Wenn Sie also von einem Gewicht von 0,033 g je Reiskorn ausgehen und berechnen, dass 2 hoch 63 = ca. 0,9 x 10 hoch 18 ist, kommen Sie zu einer Reismenge von ca. 30 Milliarden Tonnen, die der Erfinder am 64. Tag zu bekommen hätte – zusätzlich zu all dem, was er vorher schon bekommen hat!
Bei diesen drei Geschichten sind die Effekte besonders dramatisch, weil das Wachstum jeweils 100 % beträgt – aber das Prinzip ist natürlich das Gleiche wie bei niedrigeren Prozentsätzen.
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– Ein anderes Beispiel, das zu Schwund führt: Das Gerücht, eine Bank sei in Schwierigkeiten, führt zu Abhebungen, wodurch Geld knapp wird, was wiederum andere Kunden ebenfalls dazu bewegt, ihr Geld aus der Bank zu nehmen, wodurch diese schließlich wirklich in Schwierigkeiten gerät. Dieser Prozess endet in der Bankrott-Katastrophe, wenn nicht Dämpfungselemente eingebaut werden, die ihn wirksam stoppen: Schließen der Schalter, Informationen an die Kunden, unbeschränkter Kredit an die Bank von anderen Banken, bis das Vertrauen wiederhergestellt ist – um nur ein paar Möglichkeiten zu nennen. Die „Bevölkerungsexplosion“ ist ein weiteres Beispiel, an dem sich das „unbegreifliche“ des exponentiellen Wachstums erkennen lässt: Bis zur ersten Milliarde Menschen auf der Erde im Jahr 1804 vergingen Millionen Jahre. Die zweite Milliarde wurde 123 Jahre später erreicht, im Jahr 1927; die dritte Milliarde, 1960, brauchte nur 33 Jahre und die vierte wurde 1974 nach nur weiteren 14 Jahren erreicht. Die Bevölkerung wächst weiter – allerdings nicht in dieser alarmierenden Geschwindigkeit – im Augenblick mit 1,6 % pro Jahr. Mit der 72er-Regel kann die Anzahl der Jahre bis zur Verdopplung angenähert berechnet werden: Zeit in Jahren = 72/p, wobei p der Prozentsatz, des Wachstums ist. Wenn also die Weltbevölkerung 1987 bei 5 Milliarden lag und mit 1,6 % pro Jahr wächst, dauert es etwa 45 Jahre (also jetzt nur noch 13 Jahre), bis wir bei 10 Milliarden angekommen sind!
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Es gibt viele Geschichten und Metaphern, die uns helfen können, exponentielles Wachstum besser zu begreifen; hier sind ein paar Beispiele:
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In einer Ecke eines Teiches beginnen Seerosen so zu wachsen, dass sich ihre Menge täglich verdoppelt. Zunächst fällt die bedeckte Fläche nicht so auf – nach 27 Tagen ist erst ein Achtel der Seefläche bedeckt. Frage: Wie viele Tage dauert es, bis der ganze See bedeckt ist? Antwort nur 3 Tage! Am 28. Tag sind ein Viertel bedeckt am 29. Tag die Hälfte und am 30. Tag ist der See vollständig zugewachsen. • Ein besonders eindrucksvolles Beispiel wurde vor ein paar Jahren in der Zeitschrift Economist gebracht und von Raju Varghese von der Firma Intellisoft im Internet publiziert: Nehmen Sie ein DIN-A4-Blatt und falten es mehrfach, wobei Sie die Dicke des Papieres immer wieder verdoppeln. Gehen Sie davon aus, dass das Papier 0,1 mm dick ist (das entspricht normalem 80g-Papier) und versuchen Sie, diese Fragen zu beantworten:
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Wie oft können Sie das Papier falten und dick ist das Gebilde dann?
Wie dick ist es nach 10, 20, 50 und 100 Faltungen?
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Die Antworten werden Sie verblüffen: Mehr als 7‑mal ist nicht zu schaffen – dann haben Sie bereits die Dicke eines Notizbuches. Nach 10 Faltungen entspricht die Dicke einer Handbreite; nach 20 Faltungen sind es 100 Meter, nach 50 Faltungen die Entfernung zur Sonne und bei 100 Faltungen sind Sie mit 12 Milliarden Lichtjahren beim wahrscheinlichen Durchmesser des Universums angelangt.
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Die dritte Geschichte: Dem Erfinder des Schachspiels wurde von einem dankbaren Herrscher in China die Erfüllung eines Wunschs zugesichert. Der Erfinder erbat sich pro Tag eine Menge Reis, die sich durch folgende Prozedur ergibt:
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Auf das erste Schachfeld wird am ersten Tag ein Reiskorn gelegt, auf das zweite am zweiten Tag die doppelte Menge, also 2, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also 4, und so weiter bis zum 64. Feld am 64. Tag. Dem Herrscher schien die Bitte leicht erfüllbar – als aber am Ende des ersten Monats die Reismenge für diesen Tag auf 35 Tonnen angewachsen war, musste er einsehen, dass bei Erfüllung des Wunsches alle Reisernten dieser Welt nicht ausreichen würden! Berechnet werden die Beispiele nach der Formel 2 hoch n (2n), wobei n die Anzahl der Verdopplungen darstellt, also die Faltungen beim Papier oder die Anzahl der Schachbrettfelder minus 1. Wenn Sie also von einem Gewicht von 0,033 g je Reiskorn ausgehen und berechnen, dass 2 hoch 63 = ca. 0,9 x 10 hoch 18 ist, kommen Sie zu einer Reismenge von ca. 30 Milliarden Tonnen, die der Erfinder am 64. Tag zu bekommen hätte – zusätzlich zu all dem, was er vorher schon bekommen hat!
Bei diesen drei Geschichten sind die Effekte besonders dramatisch, weil das Wachstum jeweils 100 % beträgt – aber das Prinzip ist natürlich das Gleiche wie bei niedrigeren Prozentsätzen.
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