Die verheerenden Folgen der geduldeten Missachtung einer Grundgesetzvorschrift – Siegfried Wendt
1. Einführung in das Problemfeld
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Der Absatz 2 des Artikels 14 unseres Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
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Hier kann nicht jegliches Eigentum gemeint sein, denn ich wüsste nicht, wie ich meine Unterwäsche, meine Sonnenbrille oder mein Fahrrad zum Wohle der Allgemeinheit gebrauchen könnte. Obwohl man im Grundgesetz keine expliziten Kriterien findet, die einem helfen könnten, die Art von Eigentum abzugrenzen, dessen Gebrauch zum Wohle der Allgemeinheit möglich ist, wird man doch bei der Suche nach der in Frage stehenden Art von Eigentum schnell fündig. Denn es ist offensichtlich, dass in unserem aktuellen Wirtschaftssystem vieles dem Allgemeinwohl zuwiderläuft. So geht es insbesondere den Investoren, die von unseren Politikern und den Medien so begeistert begrüßt werden, in keinem Falle darum, dafür zu sorgen, dass möglichst viel der vorhandenen Arbeit getan wird. Vielmehr schaffen sie nur solche Arbeitsplätze, deren Renditepotenzial möglichst hoch ist. Dies hat ein hoher Industriemanager einmal bestätigt, als er sagte: „Unser Unternehmen ist doch keine Sozialanstalt.“ Wie schlimm diese Aussage ist, wird deutlich, wenn man sie wie folgt übersetzt: „Man kann doch nicht von uns verlangen, dass wir unsere Entscheidungen am Gemeinwohl orientieren.“
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Wenn man bedenkt, dass das jeweilige Spektrum der vorhandenen Arbeitsplätze die Folge der Entscheidung ist, welche Arbeit getan werden soll und welche nicht, müsste man eigentlich verlangen, dass dieses Spektrum von Politikern bestimmt wird, die in ihrem Amtseid geschworen haben, ihre Entscheidungen ausschließlich am Gemeinwohl zu orientieren.
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2.Die Entwicklung seit Ludwig Erhard
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In seinem 1957 erschienenen Buch „Wohlstand für alle“ schrieb Ludwig Erhard den folgenden Satz: „Diese Überlegung macht wohl auch deutlich, wie ungleich nützlicher es mir erscheint, die Wohlstandsmehrung durch die Expansion zu vollziehen als Wohlstand aus einem unfruchtbaren Streit über eine andere Verteilung des Sozialproduktes erhoffen zu wollen.“
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Das war im Jahre 1957 sicher richtig, weil damals noch eine Mangelwirtschaft herrschte. Wer dieses Zitat aber in unserer heutigen Überflusswirtschaft benutzt, will damit nur unliebsame Debatten über ungerechte Verteilungen abwürgen. Es fehlen heute überhaupt keine Produkte mehr auf dem Angebotsmarkt, die für ein gutes Leben des Normalbürgers unbedingt erforderlich sind. Und die Produktionskapazitäten würden es auch erlauben, diese Produkte in einem solchen Umfang herzustellen, dass es für alle Mitbürger reicht. Das würde aber voraussetzen, dass sich die maßgeblichen Entscheider überhaupt die Frage stellen, was denn für ein gutes Leben des Normalbürgers gebraucht wird. Diese Frage kommt aber weder unseren Politikern noch den Professoren der Volkswirtschaftslehre in den Sinn. Insbesondere fragen sie nicht, auf was man problemlos verzichten kann, wenn dieser Verzicht dazu dient, Kriege zu vermeiden und ein würdiges Leben für immer mehr Mitmenschen zu ermöglichen.
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Wirtschaftspolitik sollte immer wieder anhand der folgenden vier Zielvorstellungen bewertet werden: • Es sollte ein Spektrum individuell nutzbarer Güter und Dienstleistungen angeboten werden, das von fast allen Bürgern als für ein angenehmes Leben ausreichend angesehen wird.• Die Einkommensverteilung sollte derart sein, dass sie von fast allen Bürgern als einigermaßen gerecht beurteilt wird. Dazu gehört auch, dass selbst die Empfänger der kleinsten Einkommen immer noch ein menschenwürdiges Leben führen können.• Der Staat sollte in der Lage sein, Leistungen für das Gemeinwohl in einem Umfang zu erbringen, der von den meisten Bürgern als angemessen betrachtet wird.• Die Aufgaben sollten unter den Arbeitenden möglichst so verteilt sein, dass jeder bezüglich seiner Leistungsfähigkeit weder unter- noch überfordert ist.
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Hätten unsere Wirtschaftspolitiker ihr Handeln immer an diesen Zielvorstellungen orientiert, wäre die Entwicklung unserer wirtschaftlichen Situation seit dem Erscheinen von Ludwig Erhards Buch vor 60 Jahren zweifellos anders verlaufen. Die Mangelwirtschaft wurde zwar recht erfolgreich und in erstaunlich kurzer Zeit überwunden, aber die daran anschließende Entwicklung ist gekennzeichnet einerseits durch eine immer noch weitergehende Überschwemmung des Marktes mit Produkten, die mehrheitlich für ein angenehmes Leben völlig überflüssig sind, und andererseits durch eine zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen für immer größere Teile der Bevölkerung.
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Der Absatz 2 des Artikels 14 unseres Grundgesetzes lautet: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
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Hier kann nicht jegliches Eigentum gemeint sein, denn ich wüsste nicht, wie ich meine Unterwäsche, meine Sonnenbrille oder mein Fahrrad zum Wohle der Allgemeinheit gebrauchen könnte. Obwohl man im Grundgesetz keine expliziten Kriterien findet, die einem helfen könnten, die Art von Eigentum abzugrenzen, dessen Gebrauch zum Wohle der Allgemeinheit möglich ist, wird man doch bei der Suche nach der in Frage stehenden Art von Eigentum schnell fündig. Denn es ist offensichtlich, dass in unserem aktuellen Wirtschaftssystem vieles dem Allgemeinwohl zuwiderläuft. So geht es insbesondere den Investoren, die von unseren Politikern und den Medien so begeistert begrüßt werden, in keinem Falle darum, dafür zu sorgen, dass möglichst viel der vorhandenen Arbeit getan wird. Vielmehr schaffen sie nur solche Arbeitsplätze, deren Renditepotenzial möglichst hoch ist. Dies hat ein hoher Industriemanager einmal bestätigt, als er sagte: „Unser Unternehmen ist doch keine Sozialanstalt.“ Wie schlimm diese Aussage ist, wird deutlich, wenn man sie wie folgt übersetzt: „Man kann doch nicht von uns verlangen, dass wir unsere Entscheidungen am Gemeinwohl orientieren.“
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Wenn man bedenkt, dass das jeweilige Spektrum der vorhandenen Arbeitsplätze die Folge der Entscheidung ist, welche Arbeit getan werden soll und welche nicht, müsste man eigentlich verlangen, dass dieses Spektrum von Politikern bestimmt wird, die in ihrem Amtseid geschworen haben, ihre Entscheidungen ausschließlich am Gemeinwohl zu orientieren.
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2.Die Entwicklung seit Ludwig Erhard
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In seinem 1957 erschienenen Buch „Wohlstand für alle“ schrieb Ludwig Erhard den folgenden Satz: „Diese Überlegung macht wohl auch deutlich, wie ungleich nützlicher es mir erscheint, die Wohlstandsmehrung durch die Expansion zu vollziehen als Wohlstand aus einem unfruchtbaren Streit über eine andere Verteilung des Sozialproduktes erhoffen zu wollen.“
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Das war im Jahre 1957 sicher richtig, weil damals noch eine Mangelwirtschaft herrschte. Wer dieses Zitat aber in unserer heutigen Überflusswirtschaft benutzt, will damit nur unliebsame Debatten über ungerechte Verteilungen abwürgen. Es fehlen heute überhaupt keine Produkte mehr auf dem Angebotsmarkt, die für ein gutes Leben des Normalbürgers unbedingt erforderlich sind. Und die Produktionskapazitäten würden es auch erlauben, diese Produkte in einem solchen Umfang herzustellen, dass es für alle Mitbürger reicht. Das würde aber voraussetzen, dass sich die maßgeblichen Entscheider überhaupt die Frage stellen, was denn für ein gutes Leben des Normalbürgers gebraucht wird. Diese Frage kommt aber weder unseren Politikern noch den Professoren der Volkswirtschaftslehre in den Sinn. Insbesondere fragen sie nicht, auf was man problemlos verzichten kann, wenn dieser Verzicht dazu dient, Kriege zu vermeiden und ein würdiges Leben für immer mehr Mitmenschen zu ermöglichen.
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Wirtschaftspolitik sollte immer wieder anhand der folgenden vier Zielvorstellungen bewertet werden: • Es sollte ein Spektrum individuell nutzbarer Güter und Dienstleistungen angeboten werden, das von fast allen Bürgern als für ein angenehmes Leben ausreichend angesehen wird.• Die Einkommensverteilung sollte derart sein, dass sie von fast allen Bürgern als einigermaßen gerecht beurteilt wird. Dazu gehört auch, dass selbst die Empfänger der kleinsten Einkommen immer noch ein menschenwürdiges Leben führen können.• Der Staat sollte in der Lage sein, Leistungen für das Gemeinwohl in einem Umfang zu erbringen, der von den meisten Bürgern als angemessen betrachtet wird.• Die Aufgaben sollten unter den Arbeitenden möglichst so verteilt sein, dass jeder bezüglich seiner Leistungsfähigkeit weder unter- noch überfordert ist.
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Hätten unsere Wirtschaftspolitiker ihr Handeln immer an diesen Zielvorstellungen orientiert, wäre die Entwicklung unserer wirtschaftlichen Situation seit dem Erscheinen von Ludwig Erhards Buch vor 60 Jahren zweifellos anders verlaufen. Die Mangelwirtschaft wurde zwar recht erfolgreich und in erstaunlich kurzer Zeit überwunden, aber die daran anschließende Entwicklung ist gekennzeichnet einerseits durch eine immer noch weitergehende Überschwemmung des Marktes mit Produkten, die mehrheitlich für ein angenehmes Leben völlig überflüssig sind, und andererseits durch eine zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen für immer größere Teile der Bevölkerung.
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