Die Entropie und das Geld – Werner Onken
1 Am Ende des grenzenlosen Wachstums
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In einem Interview mit dem „Greenpeace-Magazin“ äußerte der amerikanische Ökonom Nicholas Georgescu-Roegen 1992 den Gedanken, es sei vielleicht das Schicksal der Menschheit, „ein kurzes, aber berauschendes und extravagantes Leben zu führen“. Wenn dann nach jahrmillionenlanger Evolution die rauschende Ballnacht des Industriezeitalters vorbei sei, „…werden wir die Erde eines Tages anderen Spezies überlassen müssen – den Amöben etwa. Die können sich dann noch ein paar Milliarden Jahre im Sonnenschein tummeln.“ Georgescu-Roegen ist jedoch keiner jener Untergangspropheten, die ein solches Schicksal von Mensch und Erde herbeireden oder es fatalistisch hinzunehmen bereit wären. Im Gegenteil, in seinen Forschungen geht es ihm besonders um ein Nachdenken über Wege in eine Postmoderne, in der auch der Mensch noch eine Zukunft hat.
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Wenn der Mensch mit seiner auf grenzenloses Wachstum programmierten Wirtschaft nicht zu einem für die Erde untragbaren Dinosaurier werden und aussterben soll, bedarf es eines Umdenkens in der Ökonomie. Dafür hat Nicholas Georgescu-Roegen wertvolle Impulse gegeben. In einem Rückblick auf die Anfänge der Ökonomie hat er zeigen können, wie sehr die Vorstellungen der ökonomischen Klassiker vom mechanistischen Weltbild der klassischen Physik geprägt waren. Der Wirtschaftsprozess wurde als Pendelbewegung zwischen Produktion und Konsum innerhalb eines völlig geschlossenen Systems gedacht. Wie bei einem Perpetuum Mobile bringe dieses Kreislaufsystem die Pendelbewegungen aus sich selbst hervor und die Pendelschläge hätten auch keine Wirkungen nach außen. Dieselbe Ignoranz gegenüber der Umwelt dieses Kreislaufsystems beobachtete Georgescu-Roegen im Modell der kreislaufmäßigen Reproduktion des Kapitals von Karl Marx sowie in den Kreislauf- und Wachstumsmodellen der postkeynesianischen und neoklassischen Ökonomen. Die „neoklassische Standardökonomie“ leugnet den Zusammenhang mit der Umwelt, „…indem sie von dem faktischen Input des ökonomischen Prozesses ebenso abstrahiert wie von seinem Output – dem energetischen Abfall. Dadurch wird der ökonomische Prozess zum vollkommenen Kreis, in dessen Verlauf sich lediglich die Verteilung von Materie und Energie ändert, aber nicht ihr Zustand.“
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2 Die Einbeziehung der thermodynamischen Gesetze der Ökonomie durch Georgescu-Roegen
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Georgescu-Roegen erinnert daran, dass William Petty als Vorläufer der klassischen Ökonomie in England die Einbettung des Wirtschaftskreislaufs in die Umwelt bewusst war. Petty schrieb, dass die „Arbeit der Vater und die Natur die Mutter des Wohlstands“ sei. Auch die französischen Physiokraten hielten den Boden für die eigentliche Quelle des gesellschaftlichen Wohlstands. Diese Einsicht ist später von fortschritts- und wachstumsgläubigen Ökonomen völlig verdrängt worden. Georgescu-Roegen hat sich auf sie zurückbesonnen und sie zusammen mit Erkenntnissen aus der Physik zum Ausgangspunkt für eine Korrektur der ökonomischen Theorie genommen.
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Wirtschaft ist im Gegensatz zu den Standardlehrbüchern der Ökonomie kein von der übrigen Welt isoliertes Geschehen, denn der Mensch kann mit seiner Arbeit Materie Energie wieder schaffen noch vernichten. Produktion und Konsum sind vielmehr mit der sie umgebenden Natur vernetzt: sie entnehmen ihr Rohstoffe und Energie und scheiden Abfälle in die Natur aus.
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2.1 Erster Hauptsatz der Thermodynamik
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Vereinfacht könnte man sagen: von nichts kommt auch in der Wirtschaft nichts, und nichts wird zu nichts. Diese an sich selbstverständliche Tatsache ist in der Physik als Grundsatz zur Erhaltung von Materie bzw. Energie beschrieben worden. Es gilt als der erste Hauptsatz der Thermodynamik. Ganz alltägliche Erfahrungen scheinen dem zu widersprechen. Zum Beispiel geht nach dem Kochen einer Mahlzeit die Energie einer langsam abkühlenden Herdplatte scheinbar verloren. In Wirklichkeit ist sie jedoch nicht „weg“, sondern wie feiner Staub im Raum verteilt.
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2.2 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik: Entropie – das Gesetz vom Schwund
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Die nach dem Kochen von der Herdplatte noch abgestrahlte Energie bleibt zwar erhalten, aber für die Zubereitung einer weiteren Mahlzeit ist sie nicht mehr verfügbar. Diese Erfahrung des Sichverstreuens von nicht mehr nutzbarer Energie drückt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik aus. Demnach neigt alle Energie dazu, sich in Wärme zu verwandeln und sich dann gleichmäßig zu verteilen.
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Das Maß für die Verfügbarkeit von Energie ist die sogenannte Entropie. Je niedriger die Entropie, desto höher die Verfügbarkeit von Energie. Wie beim Essenkochen geht überall und besonders auch in der industriellen Produktion Energie von einem verfügbaren in einen nichtverfügbaren Zustand über.
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Nach einer anderen Definition ist Entropie außerdem das Maß für die Unordnung. Beim Wechsel vom verfügbaren in einen nicht-verfügbaren Zustand geht Energie von Ordnung (niedrige Entropie) in Unordnung (hohe Entropie) über. Nicholas Georgescu-Roegen bezeichnet es nun als ein „Charakteristikum des Lebens“, dass lebendige Organismen mit Hilfe der ständigen Zufuhr von Sonnenenergie (niedrige Entropie) die entropische Entartung ihrer eigenen materiellen Struktur bekämpfen und die eigene Entropie für die Dauer ihres Lebens weitgehend konstant halten können. Die moderne Industriegesellschaft verbraucht jedoch weitaus mehr Energie als die Sonne der Erde an neuer verfügbarer Energie liefert. Wirtschaftliches Wachstum führt mithin zu einem fortschreitenden und sich beschleunigenden Schwund von verfügbarer Energie und Ordnung, indem es wertvolle Rohstoffe und Energie in wertlose Abwärme und Abfälle verwandelt. Dieser Prozess ist irreversibel, denn die in einem Stück Kohle steckende Energie lässt sich nur einmal nutzen, und nach dem Verbrennen kann man die Asche nicht in verbrennbare Kohle zurückverwandeln. Deshalb vergleicht Georgescu-Roegen die Erde mit einer Sanduhr, die sich nicht umdrehen lässt: „Wie der Sand nach unten rieselt, so verwandelt sich niedrige Entropie unwiderruflich in hohe Entropie. Wenn wir das ernst nehmen, wird das Wachstum des Bruttosozialprodukts zu einem negativen Wachstum: Was wächst ist die Menge an nicht-verfügbarer Energie.“ Grenzenloses exponentielles Wirtschaftswachstum zerstört – wenn es nicht rechtzeitig gebremst wird – geordnete Strukturen des Lebens und führt schließlich unweigerlich zum Tod des endlichen, begrenzten Raumschiffs Erde.
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In einem Interview mit dem „Greenpeace-Magazin“ äußerte der amerikanische Ökonom Nicholas Georgescu-Roegen 1992 den Gedanken, es sei vielleicht das Schicksal der Menschheit, „ein kurzes, aber berauschendes und extravagantes Leben zu führen“. Wenn dann nach jahrmillionenlanger Evolution die rauschende Ballnacht des Industriezeitalters vorbei sei, „…werden wir die Erde eines Tages anderen Spezies überlassen müssen – den Amöben etwa. Die können sich dann noch ein paar Milliarden Jahre im Sonnenschein tummeln.“ Georgescu-Roegen ist jedoch keiner jener Untergangspropheten, die ein solches Schicksal von Mensch und Erde herbeireden oder es fatalistisch hinzunehmen bereit wären. Im Gegenteil, in seinen Forschungen geht es ihm besonders um ein Nachdenken über Wege in eine Postmoderne, in der auch der Mensch noch eine Zukunft hat.
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Wenn der Mensch mit seiner auf grenzenloses Wachstum programmierten Wirtschaft nicht zu einem für die Erde untragbaren Dinosaurier werden und aussterben soll, bedarf es eines Umdenkens in der Ökonomie. Dafür hat Nicholas Georgescu-Roegen wertvolle Impulse gegeben. In einem Rückblick auf die Anfänge der Ökonomie hat er zeigen können, wie sehr die Vorstellungen der ökonomischen Klassiker vom mechanistischen Weltbild der klassischen Physik geprägt waren. Der Wirtschaftsprozess wurde als Pendelbewegung zwischen Produktion und Konsum innerhalb eines völlig geschlossenen Systems gedacht. Wie bei einem Perpetuum Mobile bringe dieses Kreislaufsystem die Pendelbewegungen aus sich selbst hervor und die Pendelschläge hätten auch keine Wirkungen nach außen. Dieselbe Ignoranz gegenüber der Umwelt dieses Kreislaufsystems beobachtete Georgescu-Roegen im Modell der kreislaufmäßigen Reproduktion des Kapitals von Karl Marx sowie in den Kreislauf- und Wachstumsmodellen der postkeynesianischen und neoklassischen Ökonomen. Die „neoklassische Standardökonomie“ leugnet den Zusammenhang mit der Umwelt, „…indem sie von dem faktischen Input des ökonomischen Prozesses ebenso abstrahiert wie von seinem Output – dem energetischen Abfall. Dadurch wird der ökonomische Prozess zum vollkommenen Kreis, in dessen Verlauf sich lediglich die Verteilung von Materie und Energie ändert, aber nicht ihr Zustand.“
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2 Die Einbeziehung der thermodynamischen Gesetze der Ökonomie durch Georgescu-Roegen
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Georgescu-Roegen erinnert daran, dass William Petty als Vorläufer der klassischen Ökonomie in England die Einbettung des Wirtschaftskreislaufs in die Umwelt bewusst war. Petty schrieb, dass die „Arbeit der Vater und die Natur die Mutter des Wohlstands“ sei. Auch die französischen Physiokraten hielten den Boden für die eigentliche Quelle des gesellschaftlichen Wohlstands. Diese Einsicht ist später von fortschritts- und wachstumsgläubigen Ökonomen völlig verdrängt worden. Georgescu-Roegen hat sich auf sie zurückbesonnen und sie zusammen mit Erkenntnissen aus der Physik zum Ausgangspunkt für eine Korrektur der ökonomischen Theorie genommen.
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Wirtschaft ist im Gegensatz zu den Standardlehrbüchern der Ökonomie kein von der übrigen Welt isoliertes Geschehen, denn der Mensch kann mit seiner Arbeit Materie Energie wieder schaffen noch vernichten. Produktion und Konsum sind vielmehr mit der sie umgebenden Natur vernetzt: sie entnehmen ihr Rohstoffe und Energie und scheiden Abfälle in die Natur aus.
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2.1 Erster Hauptsatz der Thermodynamik
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Vereinfacht könnte man sagen: von nichts kommt auch in der Wirtschaft nichts, und nichts wird zu nichts. Diese an sich selbstverständliche Tatsache ist in der Physik als Grundsatz zur Erhaltung von Materie bzw. Energie beschrieben worden. Es gilt als der erste Hauptsatz der Thermodynamik. Ganz alltägliche Erfahrungen scheinen dem zu widersprechen. Zum Beispiel geht nach dem Kochen einer Mahlzeit die Energie einer langsam abkühlenden Herdplatte scheinbar verloren. In Wirklichkeit ist sie jedoch nicht „weg“, sondern wie feiner Staub im Raum verteilt.
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2.2 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik: Entropie – das Gesetz vom Schwund
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Die nach dem Kochen von der Herdplatte noch abgestrahlte Energie bleibt zwar erhalten, aber für die Zubereitung einer weiteren Mahlzeit ist sie nicht mehr verfügbar. Diese Erfahrung des Sichverstreuens von nicht mehr nutzbarer Energie drückt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik aus. Demnach neigt alle Energie dazu, sich in Wärme zu verwandeln und sich dann gleichmäßig zu verteilen.
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Das Maß für die Verfügbarkeit von Energie ist die sogenannte Entropie. Je niedriger die Entropie, desto höher die Verfügbarkeit von Energie. Wie beim Essenkochen geht überall und besonders auch in der industriellen Produktion Energie von einem verfügbaren in einen nichtverfügbaren Zustand über.
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Nach einer anderen Definition ist Entropie außerdem das Maß für die Unordnung. Beim Wechsel vom verfügbaren in einen nicht-verfügbaren Zustand geht Energie von Ordnung (niedrige Entropie) in Unordnung (hohe Entropie) über. Nicholas Georgescu-Roegen bezeichnet es nun als ein „Charakteristikum des Lebens“, dass lebendige Organismen mit Hilfe der ständigen Zufuhr von Sonnenenergie (niedrige Entropie) die entropische Entartung ihrer eigenen materiellen Struktur bekämpfen und die eigene Entropie für die Dauer ihres Lebens weitgehend konstant halten können. Die moderne Industriegesellschaft verbraucht jedoch weitaus mehr Energie als die Sonne der Erde an neuer verfügbarer Energie liefert. Wirtschaftliches Wachstum führt mithin zu einem fortschreitenden und sich beschleunigenden Schwund von verfügbarer Energie und Ordnung, indem es wertvolle Rohstoffe und Energie in wertlose Abwärme und Abfälle verwandelt. Dieser Prozess ist irreversibel, denn die in einem Stück Kohle steckende Energie lässt sich nur einmal nutzen, und nach dem Verbrennen kann man die Asche nicht in verbrennbare Kohle zurückverwandeln. Deshalb vergleicht Georgescu-Roegen die Erde mit einer Sanduhr, die sich nicht umdrehen lässt: „Wie der Sand nach unten rieselt, so verwandelt sich niedrige Entropie unwiderruflich in hohe Entropie. Wenn wir das ernst nehmen, wird das Wachstum des Bruttosozialprodukts zu einem negativen Wachstum: Was wächst ist die Menge an nicht-verfügbarer Energie.“ Grenzenloses exponentielles Wirtschaftswachstum zerstört – wenn es nicht rechtzeitig gebremst wird – geordnete Strukturen des Lebens und führt schließlich unweigerlich zum Tod des endlichen, begrenzten Raumschiffs Erde.
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