Das Gemeinschaftsgeld COMMON: Der Weg zu einer freien Gesellschaft – Carsten Herrmann-Pillath und Stephan Bannas
In diesen Tagen startet auch in Deutschland ein Experiment zum bedingungslosen Grundeinkommen. Bei solchen Experimenten erhält eine Gruppe von einigen hundert oder wenigen tausend Menschen eine monatliche Auszahlung in begrenzter Höhe ohne jede Bedingung, und über einige Jahre wird verfolgt, wie sich das Verhalten der Menschen verändert und in welcher Lage sie sich befinden (also beispielsweise, ob sie arbeitslos sind oder nicht). So interessant solche Experimente sind, so klar ist auch, dass sie keine Aussagekraft haben, welche systemischen Konsequenzen ein Grundeinkommen besäße, das die gesamte Bevölkerung erfasste. Gleichzeitig können die Experimente das entscheidende Gegenargument nicht entkräften, dass die Kritik immer ins Feld führt: die Unmöglichkeit seiner Finanzierung für alle.- – -
In unserem Buch „Marktwirtschaft: Zu einer neuen Wirklichkeit“ schlagen wir ein völlig neues Modell des Grundeinkommens vor: Das Gemeinschaftsgeld, eine (Gutschein-) Währung mit dem Namen COMMON (community money). Es geht weiter als alle bekannten Vorschläge, indem es einen eigenen Finanzkreislauf außerhalb der Marktwirtschaft einrichtet, der so gestaltet ist, dass sowohl die besonderen Finanzierungs- als auch die spezifischen Nutzeranforderungen beachtet werden. Über einen 1:1 Umtauschsatz ist der COMMON mit dem Geldkreislauf innerhalb der Marktwirtschaft verbunden ist. Der COMMON verkörpert die Prinzipien der Gemeinschaft, Solidarität und Gerechtigkeit, gleichzeitig ist er Pfeiler einer radikalen wirtschaftlichen Freiheit des Individuums. Seine Einführung setzt voraus, dass komplementäre, radikale Reformen der sozialen Sicherungs- und des Steuersystems stattfinden. Auch dieser Aspekt kann sich in den Experimenten zum Grundeinkommen nicht niederschlagen: Wenn alle anderen Anreizstrukturen gleichbleiben, dann sind die Reaktionen auf das experimentelle Konstrukt systematisch verzerrt und lassen sich nicht verallgemeinern. So können sie letztendlich dem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst erweisen.
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Radikale wirtschaftliche Freiheit
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Das bedingungslose Grundeinkommen in den bekannten Formen wird in verschiedener Weise begründet. Aus unserer Sicht ist der entscheidende Punkt: Durch das Grundeinkommen erhalten die Bürgerïnnen die Freiheit, sich für oder gegen eine Beteiligung am marktwirtschaftlichen Wettbewerb auszusprechen. Mit ihm geben sie zwar die Chance auf, zu individuellem, großem Wohlstand zu gelangen, aber sie verlieren nicht ihre Lebensgrundlage: Das Grundeinkommen schafft in diesem Sinne radikale wirtschaftliche Freiheit, nämlich die Freiheit vom Zwang, sich in der (Markt)Wirtschaft engagieren zu müssen. Gleichzeitig tritt die Bürgerïn aus der verordneten Abhängigkeit vom Staat heraus, der nicht mehr als Instanz auftritt, Ansprüche auf Unterstützung zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen. Tatsächlich ist der aktuelle staatliche Zwang, sich an der Marktwirtschaft beteiligen zu müssen, der Grund dafür, die modernen Wohlfahrtsstaaten als „kapitalistisch“ zu bezeichnen: Die soziale Sicherung ist ein Disziplinierungsinstrument.
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Das Grundeinkommen muss also der Pfeiler einer künftigen, wahrhaft freien Gesellschaft sein. Damit löst es aber keineswegs ein anderes, ebenso wichtiges Problem: Dass die Marktwirtschaft systematisch mit der Tendenz zur Ungleichheit der Vermögensverteilung und damit einer Konzentration wirtschaftlicher Macht einher geht, die eine Gefährdung der Freiheit darstellt. Gegenwärtig nimmt überall in der Welt die Kluft zwischen Arm und Reich weiter zu. Vor diesem Hintergrund könnte das Grundeinkommen in den bekannten Varianten dazu beitragen, diese Kluft endgültig zu fixieren. Eine Mehrheit der Bevölkerung genießt zwar Sicherheit, aber auf niedrigem Niveau, und eine Minderheit kontrolliert die Schalthebel der ökonomischen, letztendlich aber auch der politischen Macht. Die Digitalisierung und Automatisierung könnten eine solch bedrückende Vision technologisch realistisch werden lassen. Unser Vorschlag des COMMON löst beide Probleme.
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Das Grundeinkommen steht und fällt mit seiner Finanzierbarkeit. Alle vorliegenden Modelle ergeben zwar, dass sie möglich ist, aber auf derart niedrigem Grundeinkommensniveau, dass die gewünschte Wirkung eigentlich verpufft. Unsere Idee des COMMON setzt hier an: Der COMMON wird zwar monatlich überwiesen, aber es kann nicht direkt als Zahlungsmittel eingesetzt werden, sondern wird auf einem eigenen COMMON-Konto gehalten, das beispielsweise bei der Zentralbank geführt wird. Es ist jederzeit 1:1 umtauschbar in das gesetzliche Zahlungsmittel, wobei eine Stellschraube sein kann, dass der Umtausch von angesammelten Beständen nur zu einem monatlichen Höchstbetrag möglich ist, so dass COMMON Konten nicht auf einen Schlag aufgelöst werden können. Diese Trennung in zwei Geldkreisläufe ist nicht nur institutionell bedeutsam, sondern hat weitreichende Verhaltenswirkungen, die durch die Verhaltensökonomik gut belegt sind (beispielsweise dürfte trotz des problemlosen Umtausches gelten, dass Individuen den Charakter der COMMON als Vermögen stärker wahrnehmen als den eines laufenden Einkommens, was bei der Vermischung mit anderen Einkommensströmen in gängigen Konzeptionen des Grundeinkommens der Fall ist).
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Die bekannten Vorschläge zur Finanzierung des Grundeinkommens gehen in der Regel davon aus, dass dies mit einer weitreichenden Reform der Sozialversicherungen einhergehen muss. Das ist in der Tat unabdingbar. Wir radikalisieren diesen Ansatz: Der COMMON tritt an die Stelle des derzeitigen Systems der Sozial- und Rentenversicherung. Das bedeutet, jede Bürgerïn hat einen starken Anreiz, COMMON nicht laufend zu verausgaben, sondern anzusparen, um ihre Rente zu finanzieren und für Phasen der Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Durch die Indexierung des Umtauschsatzes an die Inflationsrate wird der Anreiz hierfür verstärkt. Das bedeutet aber auch, dass durch seine Auszahlung zunächst keine fiskalische Belastung entsteht: Diese tritt erst beim Umtausch auf, also etwa bei der Auszahlung als Renten. Selbstredend sind hier viele institutionelle Details zu klären: COMMON Bestände tragen keine Zinsen (sie sind kein marktwirtschaftliches Zahlungsinstrument), müssen aber inflationsgesichert sein (etwa durch die bereits genannte Indexierung des Umtauschsatzes).
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Gestaltung der Erbschaftssteuer
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Das zweite wesentliche Element des COMMON ist seine Verknüpfung mit der Gestaltung der Erbschaftssteuer. Bei der Einführung des COMMON wird ein Tarif der Erbschaftssteuer für Vererbungen des normalen Vermögens in Höhe von 100 % eingeführt; der Tarif gilt für alle Menschen, also auch für nächste Angehörige. Die Freibetragsregelungen sind, wie unten gezeigt, die zentralen Stellschrauben des Systems. Der 100 % Tarif kann auch niedriger liegen, muss aber substanziell die Akkumulation von Vermögen über die Generationen hinweg unterbinden, muss also auch für direkte Nachkommen gelten.
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