Automatismen des Niedergangs – Günther Moewes
In den Jahren 2010 bis 2015 hat die „Humane Wirtschaft“ vier Aufsätze von mir zum Thema „Superreiche“ veröffentlicht. Die soziale Ungleichverteilung ist seitdem noch schneller fortgeschritten als allgemein erwartet wurde. Gleichzeitig haben wir einen weltweiten politischen Rechtsruck erlebt, sowie autoritäre, mafiöse, antidemokratische Tendenzen, zunehmende Unregierbarkeit und „failed states“. Auch Klimawandel, Artensterben, Zerstörung und Vermüllung von Landschaft und Meeren sind dramatisch fortgeschritten. Es stellt sich die Frage: Besteht zwischen dem Entstehen einer neuen globalen Superklasse und diesen Fehlentwicklungen ein Zusammenhang? Lösen extreme Anhäufungen von Reichtum unter Umständen einen politischen und kulturellen Niedergang aus? Tatsächlich gibt es dafür ja eklatante geschichtliche Beispiele: etwa das späte Rom oder das vorrevolutionäre Zarentum in Russland. Beeinflusst die Superklasse inzwischen die ökonomische und politische Entwicklung? Hat sie eine Strategie? Gibt es irgendwo eine Führungszentrale? Sprechen sich US-amerikanische, russische und chinesische Superreiche untereinander ab? Telefonieren sie miteinander?
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Natürlich gibt es direkte Einflussnahme. Es gibt die Stiftungen und Thinktanks. Die lassen „Untersuchungen“ anfertigen, geben Berichte heraus und veranstalten Spendengalas, „Arbeitsessen“ und Tagungen, in deren luxuriöser Atmosphäre sich Politiker, Ökonomen und Medienleute gern sonnen. Dort eingeladen zu werden, verleiht das Gefühl von Élite und Wichtigkeit. Man kann z.B. sehr genau nachzeichnen, wie von hier aus seinerzeit der Neoliberalismus befördert wurde. Vor allem aber werden hier über scheinbar wissenschaftliche Vorträge die zahlreichen ökonomischen Pseudotheorien in die Welt gesetzt, die dann über die „sozialen Netzwerke“ sehr schnell Verbreitung finden. Dort werden elementare ökonomische Zusammenhänge gezielt in ihr Gegenteil verkehrt (siehe Kasten). Eine andere wichtige Einflussnahme erfolgt über den Aufkauf von Medien. Der heutige Zustand der SPD hat auch damit zu tun, dass sie seinerzeit äußerst leichtsinnig ihre hauseigenen Medien verkauft hat. Ein weiteres wichtiges Einflussinstrument sind schließlich die Banken und vor allem die Schattenbanken. Von ihnen wird das private Großkapital ganz gezielt gebündelt und vermehrt. Angesehene Wirtschaftshistoriker und kritische Ökonomen sind zu dem Schluss gekommen, dass die traumatischen Erfahrungen, die große Teile der Bevölkerungen in den USA und anderswo mit der Finanzkrise 2008 gemacht haben, einen nicht unerheblichen Anteil am heutigen politischen Rechtsruck haben.
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Dennoch erklären diese direkten Einflussnahmen nur einen sehr geringen Teil der tatsächlichen Macht der Superreichen. Diese beruht zum weitaus größeren Teil auf ökonomischen Mechanismen, die größtenteils vor sehr langer Zeit installiert wurden und den Superreichen ständig lautlos in die Hände arbeiten, ohne dass diese besonders etwas dazu tun müssten.
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1.) Konzentrationsautomatismen von Geld und Kapital. Geld will zu Geld. Größe hat einen überproportionalen Hang, selbsttätig noch mehr Kapital an sich zu ziehen. Große Unternehmen können kleinere aufkaufen. Ganz große können inzwischen sogar noch größere aufkaufen. Je größer das Kapital, desto größer die Streuungsmöglichkeit, desto geringer das Anlagerisiko, desto größer die Vermehrungschance. Keine noch so gesellschaftsdienliche Arbeit kann da mithalten. Staaten müssen versuchen, Industrien an sich zu ziehen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Industriereiche Staaten haben in der Regel eine bessere Infrastruktur und deshalb eine größere Chance, noch mehr Industrien aus industrieärmeren Staaten an sich zu ziehen. Alle Märkte führen ohne staatliche Regulierung stets automatisch in immer größere Konzentration. Alle Konzentration führt aber automatisch zu entsprechender Dekonzentration an anderer Stelle, vorrangig an einer schwächeren.
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Ohne staatliches Eingreifen können sich die Reichen diese automatische Tendenz zu immer größerer Ungleichverteilung genüsslich zunutze machen. Die derzeit bereits erreichten Verteilungsunterschiede können ohnehin nur noch mit einer gehörigen Portion Menschenverachtung gerechtfertigt werden. In Deutschland verdienen Vorstandsmitglieder inzwischen im Durchschnitt 71-mal so viel wie das Durchschnittsgehalt ihrer Unternehmen. 2005 war es noch 42-mal so viel. Wie viel mal so viel ist das erst gegenüber Geringverdienern, Armutsrentnern oder Hartz-IV-Empfängern? In Einzelfällen verdient ein Vorstandschef das 232-fache des Durchschnittsgehalts seiner Arbeitnehmer (Deutsche Post). Dabei sind das eigentliche Problem noch nicht einmal die Einkommen, sondern vielmehr die Vermögen. Das Nettorealvermögen aller Deutschen betrug 2007 im Durchschnitt 88 000 Euro. In einer Grafik, in der diese 88 000 Euro 1,76 cm hoch wären, müssten die damaligen 20,7 Milliarden von Theo Albrecht 4,14 km hoch sein. Wo die höchsten Einkommen noch das 232-fache des Durchschnitts betragen, betragen die höchsten Vermögen das 232 000-fache des Durchschnitts und das 20-Milliardenfache gegenüber den 50% Vermögenslosen. Natürlich sind Einkommensunterschiede gerechtfertigt. Ein Arbeiter kann nicht ohne weiteres die Tätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden ausführen, der aber sehr wohl die eines Arbeiters. Es ist eine Frage der Dimension.
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Natürlich gibt es direkte Einflussnahme. Es gibt die Stiftungen und Thinktanks. Die lassen „Untersuchungen“ anfertigen, geben Berichte heraus und veranstalten Spendengalas, „Arbeitsessen“ und Tagungen, in deren luxuriöser Atmosphäre sich Politiker, Ökonomen und Medienleute gern sonnen. Dort eingeladen zu werden, verleiht das Gefühl von Élite und Wichtigkeit. Man kann z.B. sehr genau nachzeichnen, wie von hier aus seinerzeit der Neoliberalismus befördert wurde. Vor allem aber werden hier über scheinbar wissenschaftliche Vorträge die zahlreichen ökonomischen Pseudotheorien in die Welt gesetzt, die dann über die „sozialen Netzwerke“ sehr schnell Verbreitung finden. Dort werden elementare ökonomische Zusammenhänge gezielt in ihr Gegenteil verkehrt (siehe Kasten). Eine andere wichtige Einflussnahme erfolgt über den Aufkauf von Medien. Der heutige Zustand der SPD hat auch damit zu tun, dass sie seinerzeit äußerst leichtsinnig ihre hauseigenen Medien verkauft hat. Ein weiteres wichtiges Einflussinstrument sind schließlich die Banken und vor allem die Schattenbanken. Von ihnen wird das private Großkapital ganz gezielt gebündelt und vermehrt. Angesehene Wirtschaftshistoriker und kritische Ökonomen sind zu dem Schluss gekommen, dass die traumatischen Erfahrungen, die große Teile der Bevölkerungen in den USA und anderswo mit der Finanzkrise 2008 gemacht haben, einen nicht unerheblichen Anteil am heutigen politischen Rechtsruck haben.
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Dennoch erklären diese direkten Einflussnahmen nur einen sehr geringen Teil der tatsächlichen Macht der Superreichen. Diese beruht zum weitaus größeren Teil auf ökonomischen Mechanismen, die größtenteils vor sehr langer Zeit installiert wurden und den Superreichen ständig lautlos in die Hände arbeiten, ohne dass diese besonders etwas dazu tun müssten.
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1.) Konzentrationsautomatismen von Geld und Kapital. Geld will zu Geld. Größe hat einen überproportionalen Hang, selbsttätig noch mehr Kapital an sich zu ziehen. Große Unternehmen können kleinere aufkaufen. Ganz große können inzwischen sogar noch größere aufkaufen. Je größer das Kapital, desto größer die Streuungsmöglichkeit, desto geringer das Anlagerisiko, desto größer die Vermehrungschance. Keine noch so gesellschaftsdienliche Arbeit kann da mithalten. Staaten müssen versuchen, Industrien an sich zu ziehen, um Arbeitsplätze zu schaffen. Industriereiche Staaten haben in der Regel eine bessere Infrastruktur und deshalb eine größere Chance, noch mehr Industrien aus industrieärmeren Staaten an sich zu ziehen. Alle Märkte führen ohne staatliche Regulierung stets automatisch in immer größere Konzentration. Alle Konzentration führt aber automatisch zu entsprechender Dekonzentration an anderer Stelle, vorrangig an einer schwächeren.
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Ohne staatliches Eingreifen können sich die Reichen diese automatische Tendenz zu immer größerer Ungleichverteilung genüsslich zunutze machen. Die derzeit bereits erreichten Verteilungsunterschiede können ohnehin nur noch mit einer gehörigen Portion Menschenverachtung gerechtfertigt werden. In Deutschland verdienen Vorstandsmitglieder inzwischen im Durchschnitt 71-mal so viel wie das Durchschnittsgehalt ihrer Unternehmen. 2005 war es noch 42-mal so viel. Wie viel mal so viel ist das erst gegenüber Geringverdienern, Armutsrentnern oder Hartz-IV-Empfängern? In Einzelfällen verdient ein Vorstandschef das 232-fache des Durchschnittsgehalts seiner Arbeitnehmer (Deutsche Post). Dabei sind das eigentliche Problem noch nicht einmal die Einkommen, sondern vielmehr die Vermögen. Das Nettorealvermögen aller Deutschen betrug 2007 im Durchschnitt 88 000 Euro. In einer Grafik, in der diese 88 000 Euro 1,76 cm hoch wären, müssten die damaligen 20,7 Milliarden von Theo Albrecht 4,14 km hoch sein. Wo die höchsten Einkommen noch das 232-fache des Durchschnitts betragen, betragen die höchsten Vermögen das 232 000-fache des Durchschnitts und das 20-Milliardenfache gegenüber den 50% Vermögenslosen. Natürlich sind Einkommensunterschiede gerechtfertigt. Ein Arbeiter kann nicht ohne weiteres die Tätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden ausführen, der aber sehr wohl die eines Arbeiters. Es ist eine Frage der Dimension.
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