Leserbriefe – 01–2021
„Zur Frage des Zinses“ von Christian J. Jäggi – in HUMANE WIRTSCHAFT 04/2020, Seite 20–23
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Zuerst ein Lob an den Redakteur: es ist gut, wenn auch Beiträge mit konträren Ansichten in der HUMANEN WIRTSCHAFT erscheinen. Würden nur Artikel abgedruckt, die weitestgehend den Positionen der breiten Leserschaft entsprächen, würden sich die die Zeitschrift Konsumierenden in eine Art Blase begeben.
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Der Autor Christian J. Jäggi signalisiert, dass er die Denkweise von Freundinnen und Freunden des Fließenden Geldes leider noch nicht vollumfänglich verinnerlichen konnte. So spricht er von „Zinsgegnern“. Menschen, die eine konstruktive Geldumlaufsicherung befürworten, sind keine Gegner des Zinses. Warum nicht?
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Damit es uns Menschen gut geht, sollte das Geld möglichst gleichmäßig im Wirtschaftskreislauf zirkulieren und somit für einen harmonischen Waren- und Dienstleistungstausch sorgen. Dafür bedarf es jedoch eines Mechanismus. Im gegebenen überholten System sind das Zinsen deutlich über Null Prozent und Inflation. Die Alternative hierzu sind Zinsen deutlich kleiner Null Prozent auf Bargeld und kurzfristige Einlagen (Fließendes Geld). Je länger die Laufzeit der Einlage, desto geringer der Zins kleiner Null Prozent. Ab einer gewissen Laufzeit stellt sich je nach Marktbedingungen ein Zins von Null Prozent ein. Bei einem Inflationsziel von Null Prozent bleibt die Einlage ab diesen Fristigkeiten wertstabil. Personen, die sich eine solche konstruktive Umlaufsicherung wünschen, sind somit keine Gegner des Zinses, die sogenannte Zinsstrukturkurve wird nur in Richtung Süden parallelverschoben.
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Des Weiteren liefert der Autor ein Brotbeispiel. Er setzt an dieser Stelle den Zins größer Null Prozent auf geldnahe Anlagen dem Gewinn beim Verkauf eines Brotes gleich. Jetzt übersieht er bedauerlicherweise einiges. Geld ist ein von Menschen künstlich geschaffenes Tauschmittel, um stabile Wirtschaftskreisläufe zu organisieren. Es gibt Wissenschaftler, die erklären, dass das nicht die historische Ursprungsmotivation beim Einsatz von Geld gewesen ist. Darauf soll hier jedoch nicht eingegangen werden. Für die Märkte der spätmodernen Zeit gilt das in jedem Fall.
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Auch beim Fließenden Geld werden Einleger „belohnt“, wenn sie mittel- bis langfristige Laufzeiten zeichnen. Auf diese Kapitalanlagen werden keine Kosten erhoben, die finanziellen Mittel sind wertstabil. Da durch die Umstellung der Geldumlaufsicherung das gesamte System stabilisiert wird, damit keine Finanzkrisen aller ca. 70 Jahre mehr stattfinden, können sich Anleger auf ihre Rücklagen verlassen. Eine Altersvorsorge beispielsweise wäre immer sicher verfügbar. Im aktuellen System müssen gerade breite Bevölkerungsschichten bangen, dass das Ersparte herbe Wertverluste erleidet, stößt das System an seine Grenzen. Abwertungen werden sich in Verbindung mit den notwendigen Schuldenreduktionen systembedingt nicht vermeiden lassen.
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Darüber hinaus hinkt auch deshalb das Brotbeispiel, da der Geldbesitzer im gegebenen System in eine privilegierte Rolle gebracht wird. Er muss ja das Brot nicht kaufen, er kann sein Geld zurückhalten und wird dafür noch mit einem Zins größer Null Prozent belohnt. Der Bäcker, der mit viel Mühe und mit seinem herrlichen Handwerksgeschick das leckere Lebensmittel hergestellt hat, braucht schnell einen Käufer. Wer mag schon das köstlichste Brot, wenn es alt und hart ist. Fließendes Geld schafft nun Fairness zwischen Geldbesitzer und Bäckermeister.
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Jäggi empfiehlt eine Begrenzung des Zinses auf maximal Fünf Prozent. Wieso er Fünf Prozent anbietet und nicht Vier oder Sechs, erklärt er leider nicht. Insofern wirkt seine Forderung willkürlich gewählt. Er übersieht, dass sich bei Fünf Prozent Zins und Zinseszins Guthaben und Schulden ca. aller 12 Jahre verdoppeln. Systeme mit solch exponentiellem Wachstum können auf lange Sicht nicht funktionieren. Trotz Jäggis Zinskappung bliebe der zinsbedingte Wirtschaftswachstumszwang, zu einem nachhaltigen Wirtschaften zum Schutz unserer Natur könnten wir nicht finden. Der zinsbedingte Umverteilungsmechanismus bliebe erhalten, damit bildeten sich weiter extreme Kapitalkonzentrationen aus, eine Gefahr für bestehende demokratische Strukturen. Der Autor dieses Textes lädt hiermit deshalb Jäggi dazu ein, eine Null-Zins-Strategie bei mittleren Laufzeiten dank des Einsatzes von Fließendem Geld erneut zu prüfen.
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Steffen Henke, Leipzig https://www.neuesgeld.net
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HUMANE WIRTSCHAFT ist ansteckend
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Mit Freude und Gewinn lese ich das jeweilige Editorial der HUMANEN WIRTSCHAFT. Das hat in der Tat eine ansteckende Wirkung auf mich. Herr Bangemann kann komplizierte Zusammenhänge verständlich und mit einem Lächeln wie auf seinem Abbild darstellen. Es ist wohltuend für mich, wie er ohne düstere Warnungen oder unerbittliche Dogmatik seine Visionen vorträgt.
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Das gilt darüber hinaus für die allermeisten Beiträge in ihrer Zeitschrift. Ich möchte Sie ermuntern, an den Themen mit gleichem Einsatz und Freude dran zu bleiben.
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Ich bin seit Jahrzehnten in der lokalen und globalen Friedensarbeit unterwegs. Was ich immer noch suche, das ist ein möglicher Angelpunkt zur Aushebelung der offensichtlichen Ursache für Ungerechtigkeit, struktureller Gewalt und damit für den ausbleibenden Frieden. Mit Ihnen stimme ich wohl überein, dass die herrschende, kapitalistisch organisierte Wirtschaftsweise verantwortlich ist. Und innerhalb derselben die Rolle und das Wesen des Geldes.
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Wir können nicht über Frieden reden, ohne über Wirtschaft zu reden und nicht über Wirtschaft, ohne über Geld zu reden. Hier enden dann schon meine Einsichten und meine Möglichkeiten eines Einflusses darauf. An dieser Stelle sind mir die Vermittlung wesentlicher Einsichten über die HUMANE WIRTSCHAFT hilfreich.
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Franz-Roger Reinhard
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