Wachst aus euren Nischen! – Pat Christ
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gehört zu den Transformationspionieren
– - -
Pat Christ
– - -
„Postwachstum“ – das Thema boomt. Ganz so neu ist es jedoch gar nicht. Vor fast 35 Jahren begann man am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), darüber nachzudenken, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren könnte. „Auswege aus dem industriellen Wachstumsdilemma“ lautete der Titel der IÖW-Eröffnungstagung im November 1985. Bis heute wird im IÖW untersucht, wie die Abhängigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung vom Wirtschaftswachstum reduziert werden könnte.
– - -
Einer, der sich hierüber intensiv Gedanken macht, ist der Volkswirt Ulrich Petschow, seit 1989 arbeitet der Wissenschaftler am IÖW. Aktuell leitet er das Forschungsfeld „Umweltökonomie und Umweltpolitik“. Zusammen mit anderen Autoren veröffentlichte er im vergangenen Jahr den Arbeitsbericht „Gesellschaftliches Wohlergehen innerhalb planetarer Grenzen“. Das Papier empfiehlt, statt „Green Growth“ und „Degrowth“ eine „vorsorgeorientierte Postwachstumsposition“ als dritte Alternative.
– - -
Blickt Ulrich Petschow auf die letzten 30 Jahre zurück, stellt er fest: „Das Thema ‚Wachstumskritk’ ist im Mainstream angekommen.“ In den 80er Jahren sei daran nicht zu denken gewesen. „Wer damals etwas gegen Wachstum gesagt hat, wurde gleich in die Ecke der ‚Spinner’ gestellt“, erinnert er sich nur allzu gut. Heute ist es möglich, dass ein Institut wie das IÖW zusammen mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung eine gemeinsame Konferenz zum Thema „Herausforderung Wachstumsunabhängigkeit“ veranstaltet.
– - -
Nachdem immer deutlicher wird, dass das Klima zu kollabieren droht und die Biodiversität rasant abnimmt, bröckelt das langjährige Credo: „Nur was wächst, ist gut!“. An immer mehr Stellen wird an Konzepten wie „Postwachstum“, „Steady-State-Ökonomien“ oder „Degrowth“ gearbeitet. Selbst in kirchlichen Kreisen wacht man auf. Vor einem Jahr erschien eine Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz. Darin wurde die Rolle von Wirtschaftswachstum für die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung untersucht. Das Papier plädiert für eine Kombination von politischen Effizienz- und Suffizienz-Maßnahmen.
– - -
Zumindest diskursiv, so Petschow, passierte in den vergangenen drei Jahrzehnten eine Menge. Dazu zählt auch der „Better Life Index“ der OECD sowie die Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist“, mit der die Bundesregierung die Lebensqualität in den Fokus ihres Regierungshandelns rücken will. Wobei gleichzeitig klar festzustellen ist: Im großen Ganzen rückt man von der ökonomischen Wachstumsideologie noch keineswegs ab. Unsere Wirtschaft ist immer noch nicht nachhaltig. Immer noch nicht umweltgerecht. Immer noch nicht sozial. Und nach wie vor nicht ökonomisch stabil.
– - -
Aus der Nische wachsen
– - -
Die Wachstumsmaschine läuft weiter, obwohl jeder wissen müsste, dass die ökologischen Grenzen des Planeten längst nicht mehr eingehalten werden können. Immerhin bildeten sich innerhalb des Systems eine Menge widerständiger Nischen heraus. Man denke an Transition Town, Umsonstläden, Tauschringe oder Freiraum-Projekte – allesamt spannende Experimentierräume für nachhaltige Lebensstile, die unabhängig vom weiteren Wachstum der Wirtschaftsleistung werden wollen. „Das Problem ist, dass man in seinen Nischen bleibt“, so Petschow. Notwendig wäre es, aus der Nische herauszuwachsen. Doch wie gelingt das? Untersuchungen hierzu gibt es kaum.
– - -
Eine neue Lebens- und Wirtschaftsweise kann wahrscheinlich nur dann gesellschaftlich verankert werden, wenn sich die kleinen Initiativen institutionalisieren und professionalisieren. Dies jedenfalls legt für Petschow eine Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie (WI) nahe. Dabei wurde die Wiederverwendung von Elektro- und Elektronikaltgeräten analysiert.
– - -
Nadja von Gries verglich die Situation in Flandern und in Nordrhein-Westfalen. Flandern, so das Ergebnis, ist NRW weit voraus. Dort wird ein landesweites Datenbanksystem betrieben, um Mengen, Logistik und Umweltrelevanz von 120 ReUse-Shops unter der Dachmarke „de Kringwinkel“ zu erfassen. Für Petschow ist dies ein anschauliches Beispiel dafür, dass durch professionelle Höherskalierung einer Idee weitreichende Effekte erzielt werden können: „In Flandern erhielt der Gedanke ‚ReUse’ sehr große Unterstützung.“
– - -
Die meisten Firmen wachsen nicht
– - -
Doch wie könnte dies beim Thema Postwachstum gelingen? Wäre es denn denkbar, Unternehmerinnen und Unternehmer von dieser Idee zu überzeugen? Eigentlich, so Petschow, müsste dies gelingen können: „Die meisten Unternehmen wachsen nicht, sie sind in ihrer Nische glücklich.“ Das kann natürlich daran liegen, dass der jeweilige Markt nicht entwicklungsfähig ist. Doch viele wissen auch, dass sie sich, werden sie größer, neue Probleme einhandeln: „Sie befürchten, dass sich die Qualität des Miteinanders im Unternehmen negativ verändert.“
– - -
Das IÖW veröffentlichte 2013 eine interessante Studie über die Rolle von Betrieben in einem Transformationsprozess. „Wachstumsneutrale Unternehmen“ lautete der Titel. Mehrere Chefs erklärten ihre Motivation für eine wachstumsneutrale Ausrichtung ihrer Firma. „Wir wollen kein Geld scheffeln, sondern der Umwelt dienen“, hieß es zum Beispiel von den Elektrizitätswerken Schönau. Der Energieversorger möchte zudem beweisen, „dass unsere energiepolitischen Forderungen und unser bürgerschaftliches Engagement wirtschaftlich machbar sind“.
– - -
Firmen wie „Die Möbelmacher“, die Richard Henkel GmbH sowie die Oktoberdruck AG nennen „Qualität statt Quantität“ als strategisches Leitmotiv. Die Produkte sollen „sinnvoll“ sein und den eigenen Qualitätsansprüchen an Hochwertigkeit, Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit genügen. Der Chef des Unternehmens neuland bremen GmbH will nicht weiter wachsen, um nicht zusätzliche administrative und organisatorische Strukturen aufbauen zu müssen. „Viele Unternehmer möchten nicht mehr nur noch mit Zahlen, sondern weiterhin mit Menschen zu tun haben“, resümiert Petschow.
– - -
mehr dazu online
– - -
Pat Christ
– - -
„Postwachstum“ – das Thema boomt. Ganz so neu ist es jedoch gar nicht. Vor fast 35 Jahren begann man am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), darüber nachzudenken, wie eine Wirtschaft ohne Wachstum funktionieren könnte. „Auswege aus dem industriellen Wachstumsdilemma“ lautete der Titel der IÖW-Eröffnungstagung im November 1985. Bis heute wird im IÖW untersucht, wie die Abhängigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung vom Wirtschaftswachstum reduziert werden könnte.
– - -
Einer, der sich hierüber intensiv Gedanken macht, ist der Volkswirt Ulrich Petschow, seit 1989 arbeitet der Wissenschaftler am IÖW. Aktuell leitet er das Forschungsfeld „Umweltökonomie und Umweltpolitik“. Zusammen mit anderen Autoren veröffentlichte er im vergangenen Jahr den Arbeitsbericht „Gesellschaftliches Wohlergehen innerhalb planetarer Grenzen“. Das Papier empfiehlt, statt „Green Growth“ und „Degrowth“ eine „vorsorgeorientierte Postwachstumsposition“ als dritte Alternative.
– - -
Blickt Ulrich Petschow auf die letzten 30 Jahre zurück, stellt er fest: „Das Thema ‚Wachstumskritk’ ist im Mainstream angekommen.“ In den 80er Jahren sei daran nicht zu denken gewesen. „Wer damals etwas gegen Wachstum gesagt hat, wurde gleich in die Ecke der ‚Spinner’ gestellt“, erinnert er sich nur allzu gut. Heute ist es möglich, dass ein Institut wie das IÖW zusammen mit dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung eine gemeinsame Konferenz zum Thema „Herausforderung Wachstumsunabhängigkeit“ veranstaltet.
– - -
Nachdem immer deutlicher wird, dass das Klima zu kollabieren droht und die Biodiversität rasant abnimmt, bröckelt das langjährige Credo: „Nur was wächst, ist gut!“. An immer mehr Stellen wird an Konzepten wie „Postwachstum“, „Steady-State-Ökonomien“ oder „Degrowth“ gearbeitet. Selbst in kirchlichen Kreisen wacht man auf. Vor einem Jahr erschien eine Studie der Sachverständigengruppe „Weltwirtschaft und Sozialethik“ der Deutschen Bischofskonferenz. Darin wurde die Rolle von Wirtschaftswachstum für die Ziele einer nachhaltigen Entwicklung untersucht. Das Papier plädiert für eine Kombination von politischen Effizienz- und Suffizienz-Maßnahmen.
– - -
Zumindest diskursiv, so Petschow, passierte in den vergangenen drei Jahrzehnten eine Menge. Dazu zählt auch der „Better Life Index“ der OECD sowie die Regierungsstrategie „Gut leben in Deutschland – was uns wichtig ist“, mit der die Bundesregierung die Lebensqualität in den Fokus ihres Regierungshandelns rücken will. Wobei gleichzeitig klar festzustellen ist: Im großen Ganzen rückt man von der ökonomischen Wachstumsideologie noch keineswegs ab. Unsere Wirtschaft ist immer noch nicht nachhaltig. Immer noch nicht umweltgerecht. Immer noch nicht sozial. Und nach wie vor nicht ökonomisch stabil.
– - -
Aus der Nische wachsen
– - -
Die Wachstumsmaschine läuft weiter, obwohl jeder wissen müsste, dass die ökologischen Grenzen des Planeten längst nicht mehr eingehalten werden können. Immerhin bildeten sich innerhalb des Systems eine Menge widerständiger Nischen heraus. Man denke an Transition Town, Umsonstläden, Tauschringe oder Freiraum-Projekte – allesamt spannende Experimentierräume für nachhaltige Lebensstile, die unabhängig vom weiteren Wachstum der Wirtschaftsleistung werden wollen. „Das Problem ist, dass man in seinen Nischen bleibt“, so Petschow. Notwendig wäre es, aus der Nische herauszuwachsen. Doch wie gelingt das? Untersuchungen hierzu gibt es kaum.
– - -
Eine neue Lebens- und Wirtschaftsweise kann wahrscheinlich nur dann gesellschaftlich verankert werden, wenn sich die kleinen Initiativen institutionalisieren und professionalisieren. Dies jedenfalls legt für Petschow eine Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie (WI) nahe. Dabei wurde die Wiederverwendung von Elektro- und Elektronikaltgeräten analysiert.
– - -
Nadja von Gries verglich die Situation in Flandern und in Nordrhein-Westfalen. Flandern, so das Ergebnis, ist NRW weit voraus. Dort wird ein landesweites Datenbanksystem betrieben, um Mengen, Logistik und Umweltrelevanz von 120 ReUse-Shops unter der Dachmarke „de Kringwinkel“ zu erfassen. Für Petschow ist dies ein anschauliches Beispiel dafür, dass durch professionelle Höherskalierung einer Idee weitreichende Effekte erzielt werden können: „In Flandern erhielt der Gedanke ‚ReUse’ sehr große Unterstützung.“
– - -
Die meisten Firmen wachsen nicht
– - -
Doch wie könnte dies beim Thema Postwachstum gelingen? Wäre es denn denkbar, Unternehmerinnen und Unternehmer von dieser Idee zu überzeugen? Eigentlich, so Petschow, müsste dies gelingen können: „Die meisten Unternehmen wachsen nicht, sie sind in ihrer Nische glücklich.“ Das kann natürlich daran liegen, dass der jeweilige Markt nicht entwicklungsfähig ist. Doch viele wissen auch, dass sie sich, werden sie größer, neue Probleme einhandeln: „Sie befürchten, dass sich die Qualität des Miteinanders im Unternehmen negativ verändert.“
– - -
Das IÖW veröffentlichte 2013 eine interessante Studie über die Rolle von Betrieben in einem Transformationsprozess. „Wachstumsneutrale Unternehmen“ lautete der Titel. Mehrere Chefs erklärten ihre Motivation für eine wachstumsneutrale Ausrichtung ihrer Firma. „Wir wollen kein Geld scheffeln, sondern der Umwelt dienen“, hieß es zum Beispiel von den Elektrizitätswerken Schönau. Der Energieversorger möchte zudem beweisen, „dass unsere energiepolitischen Forderungen und unser bürgerschaftliches Engagement wirtschaftlich machbar sind“.
– - -
Firmen wie „Die Möbelmacher“, die Richard Henkel GmbH sowie die Oktoberdruck AG nennen „Qualität statt Quantität“ als strategisches Leitmotiv. Die Produkte sollen „sinnvoll“ sein und den eigenen Qualitätsansprüchen an Hochwertigkeit, Langlebigkeit und Reparaturfähigkeit genügen. Der Chef des Unternehmens neuland bremen GmbH will nicht weiter wachsen, um nicht zusätzliche administrative und organisatorische Strukturen aufbauen zu müssen. „Viele Unternehmer möchten nicht mehr nur noch mit Zahlen, sondern weiterhin mit Menschen zu tun haben“, resümiert Petschow.
– - -
mehr dazu online
Aktuelle Kommentare