Von der Knappheit in die Fülle – Holger Kreft
Ein anderes Zukunftsbild des Wirtschaftens —
Der erste Fachworkshop des Lernortes Wuppertal, vom 19. bis 21. Februar 2016 —
Eine Reise nach Jerusalem —
Fünf Stühle und sechs Personen. Je nach Temperament schreiten, tänzeln oder marschieren die „Reisenden“ zu den Klängen von Pink Floyds „Money“ um die Stühle herum. Nach jeder Musiksequenz scheidet eine Person aus. Jedes Mal nimmt die Spielführerin einen weiteren Stuhl aus dem Spiel und hortet ihn am Rande des Spielfeldes. Am Ende bleibt ein Teilnehmer übrig, der sich und seine scheinbare Überlegenheit siegestrunken feiert. Die Spielmacherin gratuliert ihm kühl und überreicht ihm eine Auszeichnung, die ihm signalisiert: Ich bin wichtig! Dann wird das Spiel just in dem Moment eingefroren, als beim Sieger erste Ahnungen zu den unangenehmen Konsequenzen seines Sieges aufkommen: Die Ausgeschiedenen stehen zwar ohne Mittel, aber in Verbundenheit beisammen, die Spielführerin hockt auf ihren erbeuteten Stühlen wie auf einem Schatz, und der übrig gebliebene Spieler besitzt allein seinen Stuhl und klammert sich an seine vermeintliche Wichtigkeit. Wo lebt hier die Fülle, und wo herrscht die Knappheit? —
Diese kleine Inszenierung war ein Impuls im Rahmen des ersten größeren Fachworkshops, zu dem der Lernort Wuppertal für das Wochenende vom 19. bis zum 21. Februar eingeladen hatte. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Altersklassen und vielen verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, darunter elf Referentinnen und Referenten sowie die Organisatoren, wirkten mit, als es darum ging, Wege Von der Knappheit in die Fülle aufzuzeigen und ein anderes Zukunftsbild des Wirtschaftens zu skizzieren. —
Viele Teilnehmer äußerten sich am Ende begeistert über die Veranstaltung mit ihren inhaltlichen Anregungen, ihrem Ablauf und der guten Stimmung sowie über den Rahmen mit der Tagungsstätte und der ausgezeichneten Verpflegung. —
Warum Knappheit und Fülle als Themen eines Workshops? —
Knappheit bestimmt unser Wirtschaften und zunehmend unser Fühlen, Denken und Handeln. Viele natürliche Ressourcen sind tatsächlich absolut begrenzt. Knappheit bezeichnet allerdings die Tatsache, dass nicht alle Güter in so ausreichendem Umfang bereitstehen, dass sich damit sämtliche Bedürfnisse befriedigen lassen. Aufgrund des begrenzten, knappen Güterangebots kann nur ein Teil der grundsätzlich unbegrenzten Bedürfnisse des Menschen befriedigt werden. —
Während wir alle zusammen jedoch weiteres Wachstum des Material- und Energiedurchsatzes in unserer Gesellschaft provozieren, werden Knappheiten auch noch künstlich erzeugt oder verschärft. Beispiele dafür gibt es zahlreich, sei es im Bereich Boden, geistiges Eigentum (Patente) oder Internetwirtschaft. Auch das Geld mit seiner momentanen Verfasstheit gehört dazu. Es lohnt sich, sowohl auf die Bereitstellung der Güter und Dienstleistungen wie auch auf die Bedürfnisse zu schauen. Dabei spielen die äußeren Rahmenbedingungen mit ihren Institutionen eine Rolle ebenso wie unsere Wahrnehmungen. Unsere These lautet: Knappheiten werden von uns Menschen über „äußere“ und „innere“ Faktoren mitkonstruiert. Die Beiträge an diesem Wochenende spiegelten diese beiden Seiten wider. —
Wenn es um Reformansätze geht, gibt es vielfältige Problemsichten und Lösungsansätze. Uns scheint es, als bewege sich oftmals nur sehr wenig, weil sich die verschiedenen Schulen und Philosophien untereinander nicht gut verständigen. Der Grund ist häufig, dass sie mehr das Trennende als das Gemeinsame sehen, auch weil die Abgrenzung dem eigenen Selbstbewusstsein guttut. Unsere Absicht am Lernort ist es, abgesehen von der notwendigen Klärung der Unterschiede, vor allem das Gemeinsame in den Herangehensweisen zu suchen. Am Lernort gehört die intensive Befassung mit der Geld- und Bodenreform zum Programm. —
Geld wird jedoch noch zu wenig oder wenn doch, dann häufig unterschiedlich verstanden, auch wenn die meisten von uns tagtäglich damit umgehen oder von seiner Abwesenheit irgendwie beeinflusst werden. Auch deshalb war das Geld Gegenstand vieler Beiträge im Workshop. Und auch hier sind wiederum mehrere Ansätze zu erkennen: Es existieren unterschiedliche Perspektiven, und dementsprechend werden auch verschiedene Ambitionen und Lösungsvorschläge verfolgt. Aus unserer Sicht lassen sich – stark vereinfacht – gestaffelt nach ihrer Reformtiefe folgende Ansätze unterscheiden: —
„Dasselbe Geld wie bisher, aber anders verwendet“. Hierhin gehört bspw. das Engagement der GLS-Bank mit ihrer sozial-ökologischen Bankarbeit. —
„Anderes Geld“. Gemeint ist insbesondere ein verändertes Verhältnis seiner Funktionen, v. a. durch die Schwächung der Aufbewahrungsfunktion durch Umlaufsicherung. Einige Reformer schlagen auch noch zusätzliche Institutionen vor. —
„Kein Geld oder weniger Geld“. Dies betrifft die Lebensentwürfe einzelner Menschen, die völlig ohne oder nur mit sehr wenig Geld leben (wollen). Auch die Idee, Geld wieder aus verschiedenen Lebensbereichen zurückzudrängen, gehört hierhin. —
Einige Ansätze der zweiten und der dritten Ebene scheinen nur mit einer völlig anderen Haltung gegenüber dem Geben und Nehmen zu funktionieren. In unserem Workshop haben wir diesen Fächer mit einigen weiteren Reformkonzepten in Resonanz gebracht und gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten herausgestellt. Aus Raum- und Zeitgründen hat die Organisationsgruppe schnell Abstand von dem Anspruch genommen, das Spektrum der alternativen Wirtschaftskonzepte vollständig abzudecken. Green Growth bzw. Green Economy, Blue Economy, Cradle to Cradle, Commons, Degrowth bzw. Postwachstumsökonomie, Buen Vivir u. a. werden wir ggf. noch in Folgeveranstaltungen berücksichtigen. Solidarische Ökonomie und Gemeinwohlökonomie waren repräsentiert, die Transition (Town)-Bewegung wurde anhand eines Projektes exemplarisch ausführlich vorgestellt.
Der erste Fachworkshop des Lernortes Wuppertal, vom 19. bis 21. Februar 2016 —
Eine Reise nach Jerusalem —
Fünf Stühle und sechs Personen. Je nach Temperament schreiten, tänzeln oder marschieren die „Reisenden“ zu den Klängen von Pink Floyds „Money“ um die Stühle herum. Nach jeder Musiksequenz scheidet eine Person aus. Jedes Mal nimmt die Spielführerin einen weiteren Stuhl aus dem Spiel und hortet ihn am Rande des Spielfeldes. Am Ende bleibt ein Teilnehmer übrig, der sich und seine scheinbare Überlegenheit siegestrunken feiert. Die Spielmacherin gratuliert ihm kühl und überreicht ihm eine Auszeichnung, die ihm signalisiert: Ich bin wichtig! Dann wird das Spiel just in dem Moment eingefroren, als beim Sieger erste Ahnungen zu den unangenehmen Konsequenzen seines Sieges aufkommen: Die Ausgeschiedenen stehen zwar ohne Mittel, aber in Verbundenheit beisammen, die Spielführerin hockt auf ihren erbeuteten Stühlen wie auf einem Schatz, und der übrig gebliebene Spieler besitzt allein seinen Stuhl und klammert sich an seine vermeintliche Wichtigkeit. Wo lebt hier die Fülle, und wo herrscht die Knappheit? —
Diese kleine Inszenierung war ein Impuls im Rahmen des ersten größeren Fachworkshops, zu dem der Lernort Wuppertal für das Wochenende vom 19. bis zum 21. Februar eingeladen hatte. Rund 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Altersklassen und vielen verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, darunter elf Referentinnen und Referenten sowie die Organisatoren, wirkten mit, als es darum ging, Wege Von der Knappheit in die Fülle aufzuzeigen und ein anderes Zukunftsbild des Wirtschaftens zu skizzieren. —
Viele Teilnehmer äußerten sich am Ende begeistert über die Veranstaltung mit ihren inhaltlichen Anregungen, ihrem Ablauf und der guten Stimmung sowie über den Rahmen mit der Tagungsstätte und der ausgezeichneten Verpflegung. —
Warum Knappheit und Fülle als Themen eines Workshops? —
Knappheit bestimmt unser Wirtschaften und zunehmend unser Fühlen, Denken und Handeln. Viele natürliche Ressourcen sind tatsächlich absolut begrenzt. Knappheit bezeichnet allerdings die Tatsache, dass nicht alle Güter in so ausreichendem Umfang bereitstehen, dass sich damit sämtliche Bedürfnisse befriedigen lassen. Aufgrund des begrenzten, knappen Güterangebots kann nur ein Teil der grundsätzlich unbegrenzten Bedürfnisse des Menschen befriedigt werden. —
Während wir alle zusammen jedoch weiteres Wachstum des Material- und Energiedurchsatzes in unserer Gesellschaft provozieren, werden Knappheiten auch noch künstlich erzeugt oder verschärft. Beispiele dafür gibt es zahlreich, sei es im Bereich Boden, geistiges Eigentum (Patente) oder Internetwirtschaft. Auch das Geld mit seiner momentanen Verfasstheit gehört dazu. Es lohnt sich, sowohl auf die Bereitstellung der Güter und Dienstleistungen wie auch auf die Bedürfnisse zu schauen. Dabei spielen die äußeren Rahmenbedingungen mit ihren Institutionen eine Rolle ebenso wie unsere Wahrnehmungen. Unsere These lautet: Knappheiten werden von uns Menschen über „äußere“ und „innere“ Faktoren mitkonstruiert. Die Beiträge an diesem Wochenende spiegelten diese beiden Seiten wider. —
Wenn es um Reformansätze geht, gibt es vielfältige Problemsichten und Lösungsansätze. Uns scheint es, als bewege sich oftmals nur sehr wenig, weil sich die verschiedenen Schulen und Philosophien untereinander nicht gut verständigen. Der Grund ist häufig, dass sie mehr das Trennende als das Gemeinsame sehen, auch weil die Abgrenzung dem eigenen Selbstbewusstsein guttut. Unsere Absicht am Lernort ist es, abgesehen von der notwendigen Klärung der Unterschiede, vor allem das Gemeinsame in den Herangehensweisen zu suchen. Am Lernort gehört die intensive Befassung mit der Geld- und Bodenreform zum Programm. —
Geld wird jedoch noch zu wenig oder wenn doch, dann häufig unterschiedlich verstanden, auch wenn die meisten von uns tagtäglich damit umgehen oder von seiner Abwesenheit irgendwie beeinflusst werden. Auch deshalb war das Geld Gegenstand vieler Beiträge im Workshop. Und auch hier sind wiederum mehrere Ansätze zu erkennen: Es existieren unterschiedliche Perspektiven, und dementsprechend werden auch verschiedene Ambitionen und Lösungsvorschläge verfolgt. Aus unserer Sicht lassen sich – stark vereinfacht – gestaffelt nach ihrer Reformtiefe folgende Ansätze unterscheiden: —
„Dasselbe Geld wie bisher, aber anders verwendet“. Hierhin gehört bspw. das Engagement der GLS-Bank mit ihrer sozial-ökologischen Bankarbeit. —
„Anderes Geld“. Gemeint ist insbesondere ein verändertes Verhältnis seiner Funktionen, v. a. durch die Schwächung der Aufbewahrungsfunktion durch Umlaufsicherung. Einige Reformer schlagen auch noch zusätzliche Institutionen vor. —
„Kein Geld oder weniger Geld“. Dies betrifft die Lebensentwürfe einzelner Menschen, die völlig ohne oder nur mit sehr wenig Geld leben (wollen). Auch die Idee, Geld wieder aus verschiedenen Lebensbereichen zurückzudrängen, gehört hierhin. —
Einige Ansätze der zweiten und der dritten Ebene scheinen nur mit einer völlig anderen Haltung gegenüber dem Geben und Nehmen zu funktionieren. In unserem Workshop haben wir diesen Fächer mit einigen weiteren Reformkonzepten in Resonanz gebracht und gegenseitige Unterstützungsmöglichkeiten herausgestellt. Aus Raum- und Zeitgründen hat die Organisationsgruppe schnell Abstand von dem Anspruch genommen, das Spektrum der alternativen Wirtschaftskonzepte vollständig abzudecken. Green Growth bzw. Green Economy, Blue Economy, Cradle to Cradle, Commons, Degrowth bzw. Postwachstumsökonomie, Buen Vivir u. a. werden wir ggf. noch in Folgeveranstaltungen berücksichtigen. Solidarische Ökonomie und Gemeinwohlökonomie waren repräsentiert, die Transition (Town)-Bewegung wurde anhand eines Projektes exemplarisch ausführlich vorgestellt.
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