Ver­wir­rung bei Poli­ti­kern und Bür­gern – Ein Kom­men­tar von Wil­helm Schmülling

Wer die Aktua­li­tät der Über­schrift bezwei­felt, braucht nur „Hart aber Fair“ am 15. 2. 2016 und die danach ausge­strahl­ten Nach­rich­ten im 1. Programm aufzu­ru­fen, schon ist die These von der Verwir­rung bestä­tigt. Oder: Im TAGESSPIEGEL CHECKPOINT vom 16. Febru­ar 2016 bemerkt Lorenz Maroldt, dass sich „in der Koali­ti­on zuneh­mend Orien­tie­rungs­schwie­rig­kei­ten bemerk­bar machen“, um dann auf einen Geset­zes­än­de­rungs­an­trag hinzu­wei­sen, dem die CDU zuge­stimmt und kurz darauf als falsch bezeich­net hatte. Also: Verwir­rung pur.


Kein Wunder, wenn auch die Bürger durch das Geran­gel der Poli­ti­ker um den rich­ti­gen Weg immer unsi­che­rer und poli­tik­ver­dros­se­ner werden. Deshalb warte­te man mit Span­nung auf Kanz­le­rin Merkels Regie­rungs­er­klä­rung vom 17. 2. 2016. Die „Regie­rungs­er­klä­rung“ ohne Erklä­rung wirk­sa­mer Maßnah­men zur Bewäl­ti­gung des Flücht­lings­pro­blems verpuff­te. Die Span­nung löste sich in Enttäu­schung auf, die Verwir­rung nahm zu. Ihr Vorschlag, Flucht­ur­sa­chen zu bekämp­fen, verlän­ger­te nur Barba­ros­sas Bart. Gähnt, wenn’s hilft. Als ob der Flücht­lings­stau in der Türkei und deren schlech­te Versor­gung eine Flucht­ur­sa­che wäre. Sympa­thie empfand sie für Britan­ni­ens Verbes­se­rungs­vor­schlä­ge, deren Annah­me zum Verbleib der Briten in der EU anre­gen soll.
Über­haupt sind die Bemü­hun­gen euro­päi­scher Poli­ti­ker um Groß­bri­tan­ni­en bemer­kens­wert, wie beispiels­wei­se Hamburgs Bürger­mei­ser Olaf Scholz am 12. Febru­ar 2016 im Hambur­ger Abend­blatt verkün­de­te: „Wir wollen, dass die Briten in der EU blei­ben“. Na denn, wenn schon dieser Wunsch an Premier­mi­nis­ter David Came­ron bei der „Groß­kop­fer­ten-Matthiae-Mahl­zeit“ gerich­tet wird, wie könnte er sich dann verwei­gern? Zumal andern­falls der Zusam­men­bruch der EU droht. Wenn Frau Merkel von einer histo­ri­schen Bewäh­rungs­pro­be Euro­pas spricht, ist das gelin­de gesagt eine Unter­trei­bung der welt­wei­ten Kata­stro­phen, seien es Währungs­pro­ble­me Chinas, Ameri­kas, Argen­ti­ni­ens oder Russ­lands oder seien es die hungern­den Völker Afri­kas. All diese Proble­me müssen gelöst werden.


Seien wir ehrlich: Ohne die wirt­schaft­lich star­ken Staa­ten Euro­pas geht das nicht, auch nicht ohne Russ­land. Eine Sonder­rol­le spiel­te Groß­bri­tan­ni­en am 18. 2. 2016 beim EU-Gipfel in Brüs­sel. Da die Türkei wegen eines Atten­tats in Ankara die Teil­nah­me abge­sagt hatte, soll­ten nur zwei Themen disku­tiert und entschie­den werden: Der Verbleib Groß­bri­tan­ni­ens in der EU und der Schutz der EU-Außengrenzen


Will man auf dieser Konfe­renz Maßnah­men beschlie­ßen um den Flücht­lings­strom zu redu­zie­ren, kann man das schlech­ter­dings nicht ohne Zustim­mung der Türkei entschei­den. Bei den einge­leg­ten Nacht-Sonder­schich­ten war BREXIT das wich­tigs­te Thema. Bis zum nächs­ten Mittag gab es keine Eini­gung. Eine Verschie­bung auf den nächs­ten EU-Gipfel wird immer wahr­schein­li­cher. Frau Merkel und die Herren Tsipras und Hollan­de berie­ten sepa­rat über eine wirkungs­vol­le Grenz­si­che­rung. Offen­sicht­lich ohne konkre­te Ergeb­nis­se, denn Anfang März soll ein neuer Sonder-EU-Gipfel mit den Türken endlich konkre­te Maßnah­men beschlie­ßen. In der gewon­nen Zeit könn­ten IS-Terro­ris­ten in Europa zuschla­gen, so warnt der Europol-Chef.


Trotz der wohl­ge­mein­ten Ansät­ze in der Flücht­lings­po­li­tik werden sie – weil nur Sympto­me bekämpft werden – schei­tern. Die schlech­te Versor­gung der Flücht­lin­ge zum Beispiel in der Türkei ist keine Ursa­che der Flucht­be­we­gung, sondern Folge einer Miss­wirt­schaft, die wir Kapi­ta­lis­mus nennen. Das mag wie ein Mantra klin­gen, man zeige mir jedoch eine kapi­ta­lis­ti­sche Markt­wirt­schaft ohne Proble­me. Ameri­ka viel­leicht oder Japan oder Frank­reich? Wollen wir solche Zustände?


Nein – ohne eine Umwand­lung des Kapi­ta­lis­mus in eine besse­re Wirt­schafts­ord­nung geht es nicht. 

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