Vollgeldtagung in Wuppertal – Dirk Löhr

Ein Bericht zu den Münde­ner Gesprä­chen von Dirk Löhr – - – 

Am 11. und 12. März 2017 fand in der Silvio-Gesell-Tagungs­stät­te in Wupper­tal eine Tagung der Sozi­al­wis­sen­schaft­li­chen Gesell­schaft statt, die das Voll­geld kritisch beleuch­te­te. Thomas Betz – als Vertre­ter der „Moneta­ti­ve-Bewe­gung“ – stell­te dabei die Diagno­se der Voll­geld­be­für­wor­ter vor: Die mone­tä­ren Aggre­ga­te und das Geld­ver­mö­gen lösen sich danach immer mehr von der Real­wirt­schaft ab. – - – 

Hier­für wird die priva­te Geld­schöp­fung der Banken verant­wort­lich gemacht. Ähnlich wie der 100%-Money-Vorschlag von Irving Fisher möchte das von Joseph Huber in Deutsch­land bekannt gemach­te Voll­geld eine Abkopp­lung der Geld­men­ge bzw. des Geld­ver­mö­gens und der Schul­den vom realen Sektor unter­bin­den, und zwar durch eine „Verstaat­li­chung“ der Geld­schöp­fung. Diese soll ausschließ­lich in staat­li­cher Hand sein, einer unab­hän­gi­gen Zentral­bank („Moneta­ti­ve“ genannt). Geld­schöp­fung und Kredit­ver­ga­be sollen also – im Gegen­satz zum heuti­gen „frak­tio­na­len System“ getrennt werden: Erste­re geschieht durch die Zentral­bank, die Letz­te­re durch die Geschäfts­ban­ken (als Finanzintermediäre). – - – 

Unter­schie­de in der Diagno­se: Wozu über­haupt Vollgeld? – - – 

Die Voll­geld­skep­ti­ker leug­nen gar nicht den Befund, dass die Schul­den in der Wirt­schaft mit einer höhe­ren Dyna­mik als die Wirt­schafts­leis­tung gestie­gen sind. Aller­dings handelt es sich bei der Wirt­schafts­leis­tung (z. B. als Brut­to­in­lands­pro­dukt gemes­sen) um eine Strom­grö­ße, bei der Vermö­gens­aus­stat­tung um eine Bestands­grö­ße. Dass die Letz­te­re ein Mehr­fa­ches der Wirt­schafts­leis­tung betra­gen muss, kommt im Kapi­tal­ko­ef­fi­zi­en­ten zum Ausdruck. – - – 

Der Wert des Sach­an­la­ge­ver­mö­gens betrug 2015 unge­fähr 13,5 Billio­nen Euro und das Brut­to­in­lands­pro­dukt ca. 3 Billio­nen Euro. Natür­lich wird dabei ein erheb­li­cher Teil des Netto­an­la­ge­ver­mö­gens durch Verbind­lich­kei­ten finan­ziert (denen dann bei den ande­ren Sekto­ren Forde­run­gen und ganz am Ende Eigen­ka­pi­tal gegen­über­ste­hen müssen). Diese Bezie­hun­gen haben unmit­tel­bar wenig mit der Geld­schöp­fungs­fä­hig­keit der Geschäfts­ban­ken zu tun; sie würden grund­sätz­lich auch in einem Voll­geld­sys­tem gelten. Im Übri­gen kann auch der Zinses­zins­me­cha­nis­mus nur sehr begrenzt zur Begrün­dung der Schere zwischen Wirt­schafts­leis­tung und Verschul­dung heran­ge­zo­gen werden. So wird also kein Schuh aus der Entkopplungsthese. – - – 

Dies gilt umso mehr, als die Voll­geld­be­für­wor­ter genau­so wenig wie Neoklas­si­ker zwischen der Verwen­dung der Kredi­te für norma­le Kapi­tal­gü­ter einer­seits, sowie „Land“ und ähnli­chen Assets ande­rer­seits einen grund­sätz­li­chen Unter­schied machen. Bei der heuti­gen Finan­zie­rung von norma­len Kapi­tal­gü­tern durch Kredi­te entsteht im Zuge der Kredit­auf­nah­me Geld – die Geschäfts­ban­ken räumen den Schuld­nern Gutha­ben auf der Passiv­sei­te ihrer Bilanz ein (Bilanz­ver­län­ge­rung). Die Schuld­ner kaufen mit diesem Gutha­ben Vermö­gens­ge­gen­stän­de, die dem Anlage- oder Umlauf­ver­mö­gen zuge­ord­net werden. Die Kredi­te werden dann entwe­der aus den Abschrei­bun­gen (soweit diese verdient werden) oder aus dem Umschlag des Umlauf­ver­mö­gens wieder getilgt. Am Ende verschwin­den der Kredit und damit das geschaf­fe­ne Geld (zusam­men mit dem betref­fen­den Vermö­gens­ge­gen­stand) sowohl aus der Bilanz des Kredit­neh­mers (nach Voll­ab­schrei­bung bzw. Umschlag) wie auch das geschaf­fe­ne Geld aus der Bank­bi­lanz. Inso­weit ist also eben­falls keine Entkopp­lung von finan­zi­el­lem und realem Sektor möglich. – - – 

Der reale und der mone­tä­re Sektor entkop­peln sich erst dort, wo die aufge­nom­me­nen Kredi­te (und das damit geschaf­fe­ne neue Geld) nicht in die Real­wirt­schaft, sondern in die „Finanz­stra­to­sphä­re“ flie­ßen. Die wich­tigs­ten Berei­che sind dabei v. a. die Immo­bi­li­en- und die Akti­en­märk­te. Was die Immo­bi­li­en­märk­te angeht, werden die Preis­stei­ge­run­gen dabei nicht primär durch das entste­hen­de Gebäu­de, sondern durch die Wert­erhö­hun­gen von Grund und Boden getrie­ben. Es werden zukünf­ti­ge Ströme von Boden­ren­ten einge­kauft. Häuser­preis­bla­sen sind somit im Wesen „Land­preis­bla­sen“. Auch der Kern der Unter­neh­mens­ge­win­ne sind ökono­mi­sche Renten, was ich in meinem Blog (https://rent-grabbing.com) wieder­holt beschrie­ben habe. – - – 

Das größte Volu­men dieser drei Bären­märk­te hat der Immo­bi­li­en­markt mit derzeit ca. 11,7 Billio­nen Euro, wovon in grober Schät­zung zwischen 30 % und 40 % auf Grund und Boden entfal­len dürf­ten (die offi­zi­el­len Statis­ti­ken haben in der Abbil­dung dieses Befun­des aus verschie­dens­ten Grün­den erheb­li­che Defi­zi­te). Mit weitem Abstand folgen der Akti­en­markt mit ca. 1,6 Billio­nen Euro, und die Rohstoff­märk­te stel­len wieder­um nur einen klei­nen Teil hier­von dar. (Zwischen diesen Märk­ten gibt es aller­dings teil­wei­se Überschneidungen). – - – 

Nun pumpt die EZB derzeit bekannt­lich jeden Monat viele Milli­ar­den Euro in die Märkte, um die hinken­den Volks­wirt­schaf­ten der südli­chen Peri­phe­rie der EU am Laufen zu halten. Dieses Geld landet aller­dings zu einem erheb­li­chen Teil nicht in der Real­wirt­schaft, sondern in der Finanz­stra­to­sphä­re, was in der sinken­den Umlaufs­ge­schwin­dig­keit der enge­ren Geld­men­gen­ag­gre­ga­te abge­le­sen werden kann. – - –
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