Viel zu viele sind Verlierer – Pat Christ
Warum sich Gerhard Schick in der „Bürgerbewegung Finanzwende“ engagiert
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Immer dann, wenn Systeme in eine Krise geraten, ploppt das Thema „Finanzmärkte“ auf. Wie lässt sich das Finanzsystem so stabilisieren, dass es nicht direkt Krisen und insgesamt weniger Verlierer produziert? „Diese Frage zu stellen, wenn es eine Krise gibt, ist zu spät“, sagt Gerhard Schick. Deshalb gründete er zehn Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers die „Bürgerbewegung Finanzwende“. Als Grünen-Bundestagsabgeordneter betätigt er sich aus diesem Grund seit Ende 2018 nicht mehr.
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In welchem Maße finanzstarke Investoren unser aller Leben beeinflussen, zeigt sich aktuell vor allem beim Wohnen. „In den größeren Städten können sich normale Leute keine Miete mehr leisten“, konstatiert Schick. Das hat nicht zuletzt mit den Finanzmärkten zu tun. Denn Kredite werden nicht dafür eingesetzt, um Bürgerinnen und Bürger mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Ziel sei es viel mehr, bestehende Immobilien aufzukaufen und zu immer höheren Preisen zu verkaufen. Vor diesem Hintergrund kämpft die „Bürgerbewegung Finanzwende“ darum, dass sich das Finanzmarkt- und Geldsystem wieder an den Bedürfnissen der Realwirtschaft orientiert.
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Wo man den Hebel jedoch genau ansetzen soll, ist eine heiß umstrittene Frage. Anhänger der Freiwirtschaft plädieren dafür, das Geldsystem grundlegend zu transformieren. Das kann Gerhard Schick sogar nachvollziehen. „Wir haben eine Wirtschaft, wo sehr viel leistungslose Einkommen erzielt werden“, sagt er. Gleichzeitig glaubt er nicht, dass entsprechende Reformen außerhalb einer Krisenzeit gelingen würden. Und im Moment gebe es nun mal keine mit 2008 vergleichbare Krise. Die Krise von vor elf Jahren wiederum sieht Schick als verpasste Chance: Vielleicht wäre es damals möglich gewesen, das gesamte Finanzsystem neu aufzustellen.
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Die „Bürgerbewegung Finanzwende“ tritt dennoch für konkrete Reformen ein. Zum Beispiel für die Idee „Trennbanken“: Der Geschäfts- und der Investmentbankenbereich sollen voneinander getrennt werden, um Banken im Ernstfall leichter abwickeln zu können. Hierzu gab es auch einen konkreten Vorschlag in Europa, den die französischen Großbanken jedoch gestoppt haben, so Schick. Auch in Deutschland habe es entsprechende Versuche gegeben. Am Ende wurde ein „Trennbankengesetz“ kreiert, das seinen Namen nicht verdient: „Es hat die Trennung nicht erreicht.“ Die Regulierung bietet reichlich Ausweichmöglichkeiten. Die Grundintention ist verwässert.
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„Viele sind Verlierer“
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Die „Bürgerbewegung Finanzwende“ will der Politik einen neuen Impuls geben, die Kräfteverhältnisse in Deutschland zwischen mächtigen Finanzmarktinteressen auf der einen und Gemeinwohlinteressen auf der anderen Seite zu verschieben. Die Bewegung hat inzwischen 1.900 Mitglieder, was für Schick zeigt, dass Finanzstabilität, Verbraucherschutz und nachhaltige Investitionen vielen Menschen ein Bedürfnis ist. „Ich glaube, es wird uns gelingen, noch mehr Menschen zu interessieren, denn viele sind im aktuellen System Verlierer“, sagt der Finanzexperte. Das zeigt zum Beispiel die Zahl von fast sieben Millionen Überschuldeten in Deutschland.
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