Universelle Solidarität, ökologische Leitplanken und Klimawende von unten – Rezension von Markus Henning
Im Wohlstandsmodell des globalen Nordens greifen wirtschaftlicher Wachstumszwang, toxische Energiepolitik und eine Abwälzung sozialer wie ökologischer Folgekosten auf verheerende Art ineinander. Seine Routinen von Produktion, Konsum und Lebensführung basieren auf der Verbrennung fossiler Energieträger. Das sprengt die planetaren Regenerationsgrenzen und heizt den Klimawandel an, unter dem schon jetzt diejenigen Weltgegenden am meisten zu leiden haben, die am wenigsten für ihn verantwortlich sind. Während die geopolitisch dominanten Wirtschaftsräume einen überproportional hohen Anteil an Ressourcen-Raubbau und Erderwärmung haben – das reichste Zehntel der Weltbevölkerung verursacht etwa die Hälfte aller globalen Treibhausgasemissionen –, werden von den Auswirkungen mit besonderer Härte nichtweiße Menschen im globalen Süden getroffen, die historisch und aktuell ohnehin zu den besonders benachteiligten und verletzlichen Gesellschaftsgruppen gehören: Black, Indigenous and People of Color (BIPoC).
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Die Weltoffenheit sozial-ökologischer Zukunftsentwürfe bemisst sich daher ganz wesentlich am Universalismus der Menschenrechte. Unter diesem Leitbild und angesichts der Dringlichkeit, endlich ins Handeln zu kommen, haben Angela und Jens Hanson im Jahr 2020 die zivilgesellschaftliche Klimaschutz-Organisation SaveClimate.Earth e. V. gegründet.
Mit EXIT-Strategie – Klimawährung ECO präsentieren sie jetzt in Buchform ihren systemischen Ansatz einer Verbindung von Allmende-Bewirtschaftung, ökologischer Marktwirtschaft und globaler Emissionsgerechtigkeit.
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Grundlegend dabei ist die ökonomische Klassifizierung der Klimakrise als Übernutzungsproblem eines öffentlichen Gutes. In ihrer Ressourcenfunktion als Kohlenstoffsenke zeichnet sich die Erdatmosphäre durch freie Verfügbarkeit aus, bleibt in ihrer Aufnahmekapazität jedoch begrenzt. Da der diesbezügliche ökologische Kredit nahezu aufgebraucht ist, muss die Weltgemeinschaft zum Erhalt der Lebensbedingungen Wege finden, den CO2-Ausstoß schnell und effektiv zu kontingentieren. Zugleich – auf diesen egalitären Aspekt verweist das Autorenpaar mit besonderem Nachdruck – ist die Erdatmosphäre das gemeinschaftliche Eigentum der gesamten Menschheit. Im Sinne eines gerechten, solidarischen und kooperativen Neuanfangs steht daher jedem menschlichen Individuum auf diesem Planeten ein gleichrangiges Recht auf ein fair rationiertes, ökologisch verträgliches Emissionsquantum zu.
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Die Höhe dieser persönlichen CO2-Kontingente bemisst sich im Zeitverlauf nach der jeweiligen Kopfzahl der Weltbevölkerung und dem noch verbleibenden Gesamtemissionsbudget. Letzteres wiederum hängt ab von der bereits in die Atmosphäre gelangten CO2-Menge und dem angestrebten Klimaziel, das seit der UN-Klimakonferenz 2015 darin besteht, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (gerechnet vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100). Um dieses Ziel auch nur annähernd erreichen zu können – so die Berechnungen des Weltklimarates –, steht aktuell jeder Person ein durchschnittlicher CO2-Ausstoß von 2 Tonnen pro Jahr zu. Allein in Deutschland, das in der Weltrangliste der größten Pro-Kopf-Emittenten den 10. Platz einnimmt, ist hierfür der durchschnittliche CO2-Verbrauch über alle Lebensbereiche hinweg, um ca. 80 Prozent zu reduzieren.
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„Unsere Wirtschaft muss regionaler werden, ungiftiger, ressourcenschonender. Wir brauchen Produkte, die möglichst lange ihren Dienst tun und sich anschließend reparieren und letztlich recyceln lassen. Und wir brauchen neue Technologien, die echte Kreislauf-Produktion und die flächendeckende Umstellung auf grüne Energie ermöglichen. All dies erreicht man nicht durch Lifestyle-Debatten und kleinteilige, bürokratische Gesetzgebung bis in die letzten Winkel des Produktionsprozesses hinein, sondern durch ein System, welches die Hersteller intrinsisch zu einem solchen Wandel motiviert.“ (S. 77 f.)
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Um eine entsprechende Dynamik zielführend in Gang zu setzen, projektieren Angela und Jens Hanson die transnationale Einführung der Klimawährung ECO (Earth Carbon Obligation). Als komplementäre Ressourcenwährung soll ECO die Bepreisung und Rationierung des CO2-Konsums vom Geldsystem abkoppeln und als Leitplankengerüst eines garantierten Reduktionspfades wirken.
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