Nordstern voraus! – Andreas Bangemann

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Grün­de­rin­nen und Grün­der wollen mit Hilfe einer neuen Rechts­form für Unter­neh­men zum Wandel in Wirt­schaft und Gesell­schaft beitra­gen. Dabei ist der Zweck ihr Nordstern.
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Während ein Feuer­werk abge­brannt wird, sieht niemand nach dem gestirn­ten Himmel. – - -
Marie von Ebner-Eschen­bach 1830 – 1916
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Immer mehr Jung­un­ter­neh­merïn­nen ist reines Profit­den­ken suspekt. Sie wollen selbst­stän­dig sein, aber unab­hän­gig von Kapi­tal­in­ter­es­sen, die einzig auf möglichst hohe Gewin­ne setzen. Es geht ihnen um Fair­ness. Sie rich­ten ihr Tun an Sinn­haf­tig­keit und Zweck­mä­ßig­keit aus. Die Konfe­renz für Vewant­wor­tungs­ei­gen­tum VE:22, die Anfang Septem­ber in Berlin statt­fand, griff mit promi­nen­ter Beset­zung dieses Anlie­gen auf und stell­te den viel­ver­spre­chen­den Ist-Zustand dar. Die gute Botschaft: Die Bundes­re­gie­rung hat die Einfüh­rung einer neuen Rechts­form in Arbeit. Es entsteht eine Kapi­tal­ge­sell­schaft, die dem Kapi­ta­lis­mus die Gren­zen aufzeigt.
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Im tägli­chen Kampf um das wirt­schaft­li­che Über­le­ben ist ein im Wirt­schafts­sys­tem veran­ker­ter Grund­satz tonan­ge­bend: Kapi­tal muss sich rentie­ren. Share­hol­der, Inves­to­ren, Kredit­ge­ber usw. haben dem unge­schrie­be­nen Gesetz des Kapi­ta­lis­mus zufol­ge den Erst­zu­griff auf die Gewin­ne von Unter­neh­men. Zuerst muss Kapi­tal profi­tie­ren, dann die Welt. Genau daran wollen „Purpo­se-Unter­neh­men“ etwas ändern. Der engli­sche Begriff „Purpo­se“ beschreibt umfas­sen­der als der deut­sche Begriff „Zweck“, welcher Philo­so­phie ein Unter­neh­men folgt. Die Purpo­se-Unter­neh­men stel­len den Zweck vor das Gewinn­stre­ben und bieten damit den Inter­es­sen von Rendi­te­jä­gern und Speku­lan­ten die Stirn. Es handelt sich um einen Prozess, auf dessen Weg alle mit dem Unter­neh­men Verbun­de­nen teil­ha­ben sollen. Wer vom Purpo­se beseelt ist, stellt das Geben vor das Nehmen. Davon soll die Welt profi­tie­ren. Um sich nicht der Gefahr auszu­set­zen, dass dieses Prin­zip nach und nach ausge­he­belt werden kann, will man es in einer Rechts­form fest veran­kern und ihm dauer­haft Gültig­keit verschaffen.
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Wirt­schaft im Wandel
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Mitt­ler­wei­le sind in vielen Ländern Unter­neh­men mit Purpo­se zu finden. Auch in Deutsch­land bewegt sich was. In der Bundes­haupt­stadt fand am 5. und 6. Septem­ber 2022 die Konfe­renz VE:22 statt. VE steht für Verant­wor­tungs­ei­gen­tum – im Engli­schen „SO“ Steward Owner­ship. Unter dem Motto „Verant­wor­tungs­ei­gen­tum in einer Wirt­schaft im Wandel“ trafen sich mehr als 500 Unter­neh­mens­grün­derïn­nen, Selb­stän­di­ge, Mitar­bei­terïn­nen, Wissen­schaft­lerïn­nen und viele Inter­es­sier­te. Sie alle eint die Idee, beim Wirt­schaf­ten dem Sinn und Zweck des Tuns die obers­te Prio­ri­tät zu geben. Demnach bestehe die Aufga­be von Unter­neh­men darin, Wünsche und Bedürf­nis­se der Menschen zu erfül­len und einen Zweck mit einem klaren Nutzen für die Gesell­schaft zu verfol­gen. Mit der Verwirk­li­chung des gewähl­ten Zwecks schaf­fe man Werte für die Gemeinschaft.
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Ein Beispiel: „Ecosia“ ist die grüne Such­ma­schi­ne im Inter­net. Ihr Motto lautet „Bäume statt Profit“. Der Grün­der des Unter­neh­mens, Chris­ti­an Kroll, berich­te­te auf der Konfe­renz über seine Unter­neh­mens­ge­schich­te und die Hinter­grün­de für die Entschei­dung, es „in Verant­wor­tungs­ei­gen­tum“ zu über­füh­ren; er hat dafür gesorgt, dass Inves­to­ren das Unter­neh­men nicht kaufen können und niemand Unter­neh­mens­an­tei­le verkau­fen kann. Statt­des­sen flie­ßen sämt­li­che Gewin­ne in das Pflan­zen von Bäumen. Bislang wurden an 13.000 Orten welt­weit 150 Millio­nen Bäume gepflanzt.
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Neue Rechts­form als korrek­ti­ves Konzept
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Solch ein einleuch­ten­des, da selbst­ver­ständ­lich erschei­nen­des Motiv des klaren Nutzens für die Gesell­schaft wird in der ökono­mi­schen Reali­tät häufig durch die Inter­es­sen von Inves­to­ren und Anteils­eig­nern beein­flusst, deren Haupt­au­gen­merk auf der Erzie­lung einer möglichst hohen Kapi­tal­ren­di­te liegt. Man mag einwen­den, dass sich Gemein­wohl und Kapi­tal­in­ter­es­sen verei­nen ließen. Der Zwang zur Bedie­nung der Kapi­tal­in­ter­es­sen kann jedoch im Laufe der Zeit den Orga­nis­mus eines Unter­neh­mens samt seiner ursprüng­li­chen Kern­auf­ga­ben umpro­gram­mie­ren. Entschei­dun­gen werden dann in stei­gen­dem Maße in Abhän­gig­keit von Renta­bi­li­täts­aus­sich­ten getrof­fen und immer weni­ger vor dem Hinter­grund von Sinn­haf­tig­keit oder Zweck­mä­ßig­keit. Einen schlei­chen­den Entwick­lungs­pro­zess dieser Art wollen junge Grün­de­rin­nen und Grün­der verhin­dern. Ihr Wunsch, Nach­hal­tig­keits­aspek­ten in jeder Hinsicht Vorrang zu geben, führt zur Nach­fra­ge nach einer maßge­schnei­der­ten Rechts­form für Unter­neh­men, die das Port­fo­lio der schon vorhan­de­nen erweitert.
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Im Koali­ti­ons­ver­trag der aktu­el­len Bundes­re­gie­rung ist der Plan bereits fest veran­kert. Die „GmbH mit gebun­de­nem Vermö­gen“ ist der Arbeits­na­me für das gesetz­li­che Vorhaben.
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Ursprüng­lich war vorge­se­hen, es „GmbH in Verant­wor­tungs­ei­gen­tum“ zu nennen, um eine klare Einord­nung des Unter­neh­mens­typs zu signa­li­sie­ren. Im poli­ti­schen Bera­tungs­pro­zess entschied man sich für das neutra­le­re „gebun­de­ne Vermö­gen“, damit nicht der Eindruck entstün­de, in Unter­neh­men mit einer ande­ren Rechts­form wäre verant­wort­li­cher Umgang mit Eigen­tum nachrangig.
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VE-Unter­neh­men gibt es bereits unter Nutzung der derzeit noch bestehen­den Rechts­for­men. Häufig handelt es sich dabei um ein Gefüge aus mitein­an­der verwo­be­nen Gesell­schaf­ten unter­schied­lichs­ter Rechts­for­men, in dessen Kern ein Stif­tungs­mo­dell die Kontrol­le erhält, wie z. B. beim Robert Bosch Konzern oder der Carl-Zeiss-Stiftung.
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Für Start-Ups und Jung­un­ter­neh­merïn­nen wären solche Model­le zu aufwän­dig. Es bedarf deshalb eines „barrie­re­frei­en Zugangs“ in ein Unter­neh­mer­tum, von dem sich die Inter­es­sier­ten einen grund­le­gen­den Wandel versprechen.
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