Keine Lösung des Flüchtlingsproblems ohne Bodenreform – Kommentar von Wilhelm Schmülling

Waren wir doch der Meinung, die körper­li­che Verskla­vung sei auch mit dem Ende des Kolo­nia­lis­mus als Makel in der Mensch­heits­ge­schich­te über­wun­den, so stellt man jetzt ein Wieder­auf­le­ben solcher Grau­sam­kei­ten fest. Mehr noch, sie sind noch schlim­mer gewor­den, denn nun werden sie zum Teil im Namen einer Reli­gi­on verübt. Das Elend zu beschrei­ben, verbie­tet sich ohne­hin wie man auch keine Bilder davon zeigen sollte. Mögen damit Sensa­ti­ons­blät­ter eine Aufla­gen­stei­ge­rung errei­chen, diese Zeit­schrift lehnt solche Geschäfts­prak­ti­ken ab und veröf­fent­licht die Ursa­chen solcher Miss­stän­de, womit sie „heiße Eisen“ anfasst.

Genau das ist unsere Absicht. Denn nicht mit huma­ni­tä­rer Hilfe gegen­über denje­ni­gen, die der Skla­ve­rei entron­nen sind, auch nicht mit stär­ke­rer Abschot­tung Euro­pas gegen­über den Armuts­flücht­lin­gen kann das Problem gelöst werden. Die wahren Ursa­chen der zuneh­men­den Flücht­lings­strö­me liegen in den gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren der Heimat­län­der, die Armut und Elend erzeu­gen. Das ist der Boden, auf dem Gewalt bis hin zur Skla­ve­rei wächst. So flie­hen die Menschen trotz aller Gefah­ren. Wir in Europa haben die Pflicht zu helfen, sowohl den Flücht­lin­gen als auch bei der Offen­le­gung von Ursa­chen der Skla­ve­rei in Afrika.

Die Struk­tu­ren der Entwick­lungs­län­der sind in den langen Zeit­räu­men der Geschich­te entstan­den. Erst seit­dem euro­päi­sche Händ­ler den „schwar­zen Konti­nent“ als Profit­quel­le entdeck­ten, die Bewoh­ner „missio­nier­ten“ und schließ­lich die Menschen selbst als billi­ge Arbeits­kräf­te nutz­ten und sie sogar verkauf­ten, wurden die gewach­se­nen Struk­tu­ren Afri­kas zerstört. Die Verskla­vung durch den „weißen Mann“ bekam einen Namen: Kolonialismus.
Wurde die Beherr­schung frem­der Länder nach dem Zwei­ten Welt­krieg been­det? Mitnich­ten. Nur etwas andere Metho­den setzte man ein. Zwar hatte man die Möglich­keit von Erobe­run­gen nicht verges­sen, jedoch war inzwi­schen der Kapi­ta­lis­mus zu seiner Hoch­form aufge­lau­fen. Statt Solda­ten setze man unter dem Begriff „Entwick­lungs­hil­fe“ Banken­ver­tre­ter zur Finan­zie­rung riesi­ger Projek­te ein, zum Beispiel zur Erdöl­för­de­rung. Und schon sind wir mitten in der Reali­tät des liby­schen Flüchtlingsdramas.

Libyen war ein rela­tiv stabi­les Land. Gadda­fi schuf ein beacht­li­ches Sozi­al­sys­tem. Durch die Ölein­nah­men konn­ten große Entwick­lungs­pro­jek­te begon­nen werden. Gast­ar­bei­ter kamen ins Land. Die Arbeits­lo­sig­keit sank. Die Flücht­lings­strö­me aus Afrika stopp­ten am Boll­werk Libyen. Zudem wurde Libyen Dank der aufge­bau­ten Ölin­dus­trie zu einem Konkur­ren­ten west­li­cher Ölstaa­ten. Mit Argus­au­gen wurde diese Entwick­lung von den west­li­chen Staa­ten beobachtet.

Inzwi­schen entstan­den in nord­afri­ka­ni­schen Ländern, insbe­son­de­re in Ägyp­ten, Demo­kra­tie­be­we­gun­gen, die aufgrund dikta­to­ri­scher Will­kür der Herr­schen­den rasch Zulauf beka­men. Revo­lu­tio­nä­re Strö­mun­gen grif­fen auf andere Staa­ten über und erfass­ten 2011 auch Libyen. Was 2010 als „Afri­ka­ni­scher Früh­ling“ hoff­nungs­voll begann, endete 2012 in einer bluti­gen Revo­lu­ti­on und schließ­lich mit dem Sturz Gadda­fis. Seit­her stei­gen die Flücht­lings­zah­len über das Mittel­meer nach Europa, alles unter Mitschuld Euro­pas und Ameri­kas. Das Boll­werk Libyen wurde zum Durch­gangs­land übers Mittel­meer nach Europa.

Nun ist Europa in Not. Wie kann man dem Ansturm aus Europa begeg­nen? Höhere Grenz­wäl­le an den Küsten Afri­kas oder Geld­be­trä­ge an die neuen Poten­ta­ten, damit sie Auffang­la­ger einrich­ten? All das sind Maßnah­men, die die Sympto­me des unge­rech­ten Kapi­ta­lis­mus, aber nicht dessen Ursa­chen bekämp­fen. An diesem Punkt schweigt die hilfs­be­rei­te Presse Euro­pas. Auch die Regie­run­gen beschrän­ken sich auf ein Mitge­fühl mit den Über­le­ben­den und Hilfs­maß­nah­men, die von den Steu­er­zah­lern finan­ziert werden.

Der neue Geschäfts­zweig Skla­ve­rei, der im Flücht­lings­dra­ma seinen Höhe­punkt fand, ist nur mit der Über­win­dung der kapi­ta­lis­ti­schen Struk­tu­ren zu errei­chen. D. h. die Stütz­pfei­ler des kapi­ta­lis­ti­schen Wirt­schafts­sys­tems, dass Boden­recht und das Geld­recht müssen durch eine demo­kra­ti­sche Boden­ord­nung und ein umlauf­ge­si­cher­tes Geld ersetzt werden. Nur beide Refor­men zusam­men garan­tie­ren den Erfolg. 

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