Im Zweifel für die Reichen – Walter Hanschitz-Jandl
Die Rechtslage
Im „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ von 2009 hat die schwarz-gelbe Koalition einige Bestimmungen zur steuerlichen Privilegierung von Unternehmenserben geändert. Die wichtigste Privilegierung besteht darin, dass Unternehmenserben eine 85-prozentige Steuerverschonung erhalten, wenn sie das Unternehmen mindestens fünf Jahre weiterführen und in dieser Zeit mindestens 400 % der Lohnsumme bezahlen, die in den fünf Jahren vor dem Erbfall durchschnittlich bezahlt wurden. Die verbleibende Steuer von 15 % entfällt, wenn sie nicht mehr als 150.000 Euro beträgt. Unternehmenserben erhalten eine 100-prozentige Steuerverschonung, wenn sie das Unternehmen sieben Jahre weiterführen und in dieser Zeit mindestens 700 % der Lohnsumme bezahlen, die in den fünf Jahren vor dem Erbfall durchschnittlich bezahlt wurden. Entsprechendes gilt jeweils bei Schenkungen. Erben von Unternehmen bis 20 Beschäftigte erhalten die Steuerbefreiung ohne die Lohnsummenbedingung. Das sind weit über 90 % aller Unternehmen in Deutschland.
Die Steuersätze auf Erbschaften und Schenkungen liegen sonst bei 7 bis 50 %, abhängig von der Höhe der Erbschaft und dem Verwandtschaftsgrad.
Das Urteil
Der Bundesfinanzhof hatte die Sache dem BVerfG vorgelegt, weil er die Privilegierung
von Unternehmens-Erben als verfassungswidrig ansah. Das BVerfG hatte v. a. zu prüfen, ob der Gleichheitssatz des Grundgesetzes verletzt wird. Tatsächlich geht es hier um eine „Ungleichbehandlung die ein enormes Ausmaß erreichen kann“ ([2], Satz 128), also um eine „Durchbrechung des Gleichheitssatzes“ ([1], S. 26).
Als verfassungswidrig beurteilte das Gericht die Steuerfreiheit ohne Lohnsummenbedingung bei Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten. Es erlaubt diese nur noch bei Betrieben mit einigen wenigen Beschäftigten. Außerdem dürfen große Unternehmen nicht verschont werden ohne einen Bedürfnisnachweis.
Privilegierung
für „Gemeinwohl“
Grundsätzlich bleibt es somit möglich, Unternehmen beliebiger Größe steuerfrei zu erben.
Es können allerdings nur „Gemeinwohlgründe“ sein, die das rechtfertigen. Diese bestehen insbesondere im Schutz der Arbeitsplätze: „Die steuerliche Privilegierung unternehmerischen Vermögens ist nicht gerechtfertigt, weil der einzelne Erwerber verschont werden soll. … Der die Ungleichbehandlung rechtfertigende Gemeinwohlgrund liegt vielmehr allein im Schutz der … Unternehmen und der damit verbundenen Arbeitsplätze“ ([2], Satz 172).
Vor allem sollen „kleine und mittelständische Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden“ geschützt werden, weil der Gesetzgeber „(i)n der mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft … eine Stärke der deutschen Wirtschaft“ sieht, „die er für vorteilhaft gerade auch im internationalen Wettbewerb hält“ ([2], Satz 161).
Auch die Arbeitsplätze großer Unternehmen seien natürlich schützenswert, stellt das BVerfG fest. Allerdings verlangt es hier einen Bedürfnisnachweis für die Verschonung zur Erhaltung der Arbeitsplätze. Ab welcher Grenze ein Unternehmen als groß gelten soll, legt das BVerfG nicht fest. Die Kriterien zur Prüfung der „Verschonungsbedürftigkeit“ muss der Gesetzgeber entwickeln.
Das zentrale Argument für die Verschonung von der Erbschaftsteuer ist, die Betriebe vor „möglichen Liquiditätsproblemen zu bewahren. … Die Unternehmensnachfolge … soll nicht durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer in einer Weise belastet werden, die die Erwerber in ihrer Investitionskraft hemmt oder gar zum Verkauf oder zur Auflösung der Betriebe zwingt“ ([2], Satz 160).
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