Geld oder Leben! – Editorial 0518

Was für ein Sommer 2018! Ich kann mich nicht erin­nern, je einen solchen erlebt zu haben. Er begann genau genom­men im April und schien mit Tagen über 30 Grad Celsi­us im Septem­ber noch nicht zu Ende zu sein. Nahezu sechs heiße und trocke­ne Monate in unse­ren Brei­ten sind nicht nur außer­ge­wöhn­lich, sie gestal­ten gewohn­te Lebens­wei­sen um. Gemein­sa­mes Essen und gesel­li­ge Runden verschie­ben sich in die späten Abend- und Nacht­stun­den. Körper­li­che und geis­ti­ge Leis­tungs­fä­hig­keit in der nach­mit­täg­li­chen brüten­den Hitze lassen gegen­über „norma­len Sommer­ta­gen“ erheb­lich nach.
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Der Sommer 2018 könnte in vieler­lei Hinsicht eine Lehre sein. Mittel­eu­ro­pä­er und Skan­di­na­vi­er beka­men ein Gefühl dafür, weshalb euro­päi­sche Südlän­der anders denken und handeln als die mit ihnen in der EU verein­ten „Nord­staat­ler“. In Mittel- und Nord­eu­ro­pa gehö­ren Klima­an­la­gen norma­ler­wei­se nicht zur Stan­dard­ein­rich­tung in Büro­räu­men und Wohnun­gen; und Heizun­gen nicht in anda­lu­si­schen Häusern. Bei 40 Grad Hitze kann niemand über acht Stun­den konzen­triert arbei­ten. Mit Hilfe von Tech­nik erreicht man es, künst­li­che Bedin­gun­gen zu schaf­fen, durch die Räume entste­hen, in denen man es aushält. Neben dem außer­ge­wöhn­li­chen Wetter entwi­ckel­te sich auch eine gesell­schaft­li­che Hitz­köp­fig­keit in Bezug auf bedeu­ten­de Themen.
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Gäbe es eine Art Klima­sys­tem für das Sozia­le, für das Gesell­schafts­kli­ma, wie würde man es justie­ren? Würde man dabei nicht auch versu­chen, ein Umfeld zu model­lie­ren, in dem sich alle wohl­füh­len können? Würde es nicht zwangs­läu­fig zu einer Ausge­gli­chen­heit der Lebens­um­stän­de kommen, die der mensch­li­chen Wesens­art Rech­nung tragen? Wer sich unwohl fühlt, sei es wegen außer­ge­wöhn­li­cher Wetter­be­din­gun­gen oder uner­träg­li­cher sozia­ler Verhält­nis­se, neigt zu wach­sen­der Aggres­si­vi­tät. Welche Kompo­nen­ten hätte die „Gesell­schafts­kli­ma­an­la­ge“?
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Nichts prägt das Zusam­men­le­ben mehr als wech­sel­sei­ti­ge Bezie­hun­gen. Die nahe­lie­gen­den, wie Verwandt­schaft, Freund­schaft oder lokale Gemein­schaf­ten, aber ebenso die entfern­te­ren, die maßgeb­lich von Arbeit, Wirt­schaft und Poli­tik gebil­det werden. Das Bezie­hungs­ge­flecht eines einzel­nen Menschen isoliert zu analy­sie­ren, ist schier unmög­lich, selbst wenn man jede Einzel­heit darin kennt. Wie gelangt man zu einem Gesamt­bild, das allum­fas­sen­der Erklä­rung nutzt? Man könnte die Verbin­dungs­ele­men­te erfor­schen, die eine im wahrs­ten Sinne des Wortes „tragen­de Rolle“ spie­len. In Bezie­hung und zum Austausch zu kommen, ist wesent­li­ches Element des Mensch­seins. Und das Hilfs­mit­tel, das wir dabei benut­zen, ist das Geld. Indem wir etwas leis­ten, sind wir in das Wirt­schaf­ten einge­bun­den. Und weil heut­zu­ta­ge dieses System grund­le­gend für mensch­li­che Daseins­fra­gen ist, spielt es direkt und indi­rekt in alle Subsys­te­me des Alltags hinein.
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Was die Beschaf­fen­heit des Geld­sys­tems hinsicht­lich des Sozia­len anrich­tet, ist in seiner ganzen Tiefe, nicht annä­hernd erforscht. Akku­mu­lier­te Geld­ver­mö­gen kolo­nia­li­sie­ren die Welt und unter­wer­fen sie despo­tisch regie­rend einem einzi­gen Gesetz: der Kapi­tal­ren­di­te und dessen uner­sätt­lich erschei­nen­dem Drang nach Vermehrung.
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Das funk­tio­niert aus einem simp­len Grund. Ange­häuf­te Über­schüs­se verset­zen einen in die Lage, anstatt persön­lich arbei­ten zu müssen, das „Geld arbei­ten“ zu lassen. Unter ande­rem mit dem Märchen „vom klei­nen Sparer“ gelingt es, die Welt­ge­mein­schaft auf den Vom-Teller­wä­scher-zum-Millio­när-Mythos einzu­stim­men. Mit tief­ge­hen­den sozia­len Folgen und einem direk­ten Einfluss auf die mensch­li­che Psyche. Was in uns vorgeht, steht mit dem Außen in dauern­der Bezie­hung. Wenn wir als leben­de Wesen – wie alle ande­ren – der Vergäng­lich­keit ausge­setzt sind, aber etwas unver­gäng­lich Erschei­nen­des uns maßgeb­lich beein­flusst, dann scheint unser Intel­lekt uns den Boden unter den Füßen wegzu­zie­hen. Wir verlie­ren die Verbin­dung zum wahren Leben. Das Geld wirkt auf die Indi­vi­du­en entfrem­dend. Das Poten­ti­al, welches die Struk­tur des Geld­sys­tems in Bezug auf die allmäh­li­che Isolie­rung der Einzel­nen hat, wird nicht ausrei­chend erforscht.
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Aber auch objek­ti­ven Zusam­men­hän­gen geht man nicht im gebo­te­nen Maße auf den Grund. Man unter­sucht Sympto­me und isoliert Phäno­me­ne. Gleich­zei­tig kommt es zu immer uner­wünsch­ter werden­den Auswir­kun­gen auf einer Viel­zahl von Gebie­ten. Am gefähr­lichs­ten sind dabei die inter­na­tio­nal zu beob­ach­ten­den sozia­len und ökolo­gi­schen Verwer­fun­gen. Die Effek­te treten welt­weit auf. Die Exper­ten­eli­te der Welt­ge­mein­schaft klam­mert weiter­hin grund­le­gen­de Fragen von System­än­de­run­gen aus, ja im Grunde bekämpft sie sie, weil Nichts­tun, Igno­rie­ren, bzw. sich um isolier­te Einzel­fra­gen im Kreis zu drehen, zur Verzö­ge­rung und Verhin­de­rung des drin­gend gebrauch­ten Wandels führen.
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Der verstor­be­ne CDU-Poli­ti­ker Heiner Geiß­ler brach­te es 2007 – nach­dem er hervor­ste­chen­de Ergeb­nis­se des Geld­sys­tems aufzähl­te – bei einer Fern­seh­talk­show knackig auf den Punkt: „Wir brau­chen eine neue Wirtschaftsordnung“.
(https://youtu.be/3oZjF10fMus)
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