Ein Schuldschein zum Nachdenken
Nahezu alle Wirtschafts-Printmedien und viele Radiosender beschäftigten sich heute mit einem rund 450 Jahre alten Schuldschein über 400 Gulden, den die Stadt Mittenwalde in Brandenburg gegen die Stadt Berlin geltend macht.
Bisher ist es aber in keinem Fall der Berichterstattung über ein unterhaltsames Füllen des Sommerlochs hinausgegangen. Dabei böte die Sache reichlich Stoff zum Nachdenken.
Das geliehene Geld war laut Urkunde mit 6% zu verzinsen und ist wohl nie zurückgezahlt worden, denn sonst wäre der Schuldschein vernichtet worden. Alle Berichterstatter erfreuen sich an der Berechnung der fälligen Zinsen. Rund 110 Millionen Euro wäre alleine die Zinsen ohne die Berechnung von Zinseszinsen. Rechnet man auch diese, was ja eigentlich logisch wäre, denn die Zinsen sind die Berliner in all den Jahren seit 1562 ja auch schuldig geblieben, dann kommen laut Rechnung der „Experten“ dabei Trillionen Euro Gesamtschuld zusammen.
Angesichts der Billionenschulden in Europa, wäre es den Medien gut zu Gesicht gestanden, einen solchen Vorgang zum Anlass zu nehmen, die Spirale aus Schulden und Geldvermögen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Schulden, welche die Länder und Banken bereits aufgetürmt haben, sind im Grunde nach dem gleichen Muster entstanden, wie die Schulden Berlins gegenüber dem Städtchen Mittenwald, nur eben viel schneller. Nur weil es im Falle Mittenwaldes mittlerweile Trillionen sind und jeder dumme Junge weiß, dass so viel Geld niemand auf der Welt erarbeiten kann, macht man diesen Fall zu einem Sommerlochspaß.
Die Billionen an Schulden in Europa sind genau so wenig rückzahlbar, wie die Berlins aus diesem Schuldschein. Mittlerweile sind Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und nun auch Italien schon so weit, dass sie die laufenden Zahlungen für die Zinsen nicht mehr aufbringen können. Von Rückzahlung der Schulden redet sowieso keiner mehr. Man kann dieses monetäre Schneeballsystem nicht reformieren. Man kann mit Maßnahmen, die die Politik uns gerade vorführt, das bittere Ende hinauszögern.
Wenn man etwas ändern will, das „nachhaltig“ genannt werden kann und Entwicklungsfähigkeit von Gesellschaft, Mensch und Natur befördert, muss man ein neues Geldsystem etablieren. Eines, das den Irrsinn, der sich sowohl in diesem „lustigen“ Schuldschein, als auch in der aktuellen weltweiten Situation offenbart, überwindet. Ein System, das durch Zins und Zinseszins wachsende Geldvermögen kennt, ist zum regelmäßigen Untergang verdammt.
Wenn es nur immer so lustig, wie zwischen Mittenwalde und Berlin enden würde, wo die Stadt Berlin als Ausgleich für die natürlich nicht vorhandenen Trillionen der Stadt Mittenwalde einen Gulden aus Gold überlässt. Leihweise versteht.
Mit verflossenen 450 Jahren sind wir ≈ 1560, also mitten im 16th-Jahrhundert. Und, damals wars üblich unter einem Gulden eine Goldmünze zu verstehen.
Der rheinische Gulden war damals schon auf dem absteigenden Ast des verminderten Goldgehalts. Der Florentiener-Gulden „FL“ welcher aus 3,54 gr Feingold bestand war im Zeitalter der Fugger die mit Abstand bedeutenste Währung und ettliche andere Goldgulden übernahmen das Maß.
Wir würden also sicherlich nicht verkehrt denken, wenn wir unterstellen, daß die damaligen Vertragspartner selbige goldhaltige Gulden als Zins und Tilgung verstanden haben.
Beim heutigen Goldpreis eine interessante journalistische Herausforderung diesen Gedanken mit ins Kalkül einfließen zu lassen um auch noch dem letzten Goldfetischisten eine kalte Realitätsdusche zu verpassen.
Vielen Dank, Ewald K., für diese ausgezeichnete Ergänzung durch die realen Bezüge. Auch der Hinweis auf das Lastenausgleichsgesetz ist sehr hilfreich, führt er uns doch vor Augen, wo schon bald der Zug hinfährt.
Wenn man die verschiedenen in der Zwischenzeit stattgefundenen Währungsreformen wie 1923, 1948, 1990 (DDR Mark zu D‑Mark) und 2002 (DM zu EURO) einrechnet, zeigt sich als Resultat etwas anderes als 400 Gulden * 1.0x hoch 450.
2002 DM zu EURO 2 zu 1
1990 2 Ostmark zu 1 DM (oberhalb Freibetrag)
1948 wurden 100 Reichsmark zu 6.50 D Mark
1923 wurden aus 1 Bio Papiermark 1 Rentenmark
(http://www.kas.de/upload/ACDP/HPM/HPM_05_98/HPM_05_98_8.pdf)
Währungsumstellungen vor 1923 sind nicht mit berücksichtigt
Rechnet man nun mit verschiedenen Zinssätzen über die ganzen 450 Jahre und ohne Währungsreformen, so ist der Zinseszins Effekt deutlich sichtbar:
Aus der Zahl von 400 Gulden werden bei:
0.5% Zins 3’774
1.0% Zins 35’211
2.0% Zins 2’965’769
3.0% Zins 239’227’504
4.0% Zins 18’495’335’179
5.0% Zins 1’371’653’995’218
6.0% Zins 97’656’096’445’217
7.0% Zins 6’679’746’016’969’600
Wenn nur Zins und kein Zinseszins berechnet würde, würden innerhalb von 450 Jahren bei 7% aus 400 Gulden nur 12’600 Gulden statt 6.6 Billiarden Gulden!
Wenn man nun die oben genannten Währungsreformen einrechnet, kommt die normale Tabellenkalkulation an ihre Grenzen. Denn die Division von 1923 ergibt 0 bis zu einem Zins von fast 5%
Das rechnerische Ergebnis, unter der Voraussetzung dass 1 Gulden irgendwann einen Wert von 1 Reichsmark von vor 1923 gehabt hätte, ergibt sich für 2012 eine folgende Forderung von Mittenwalde gegen Berlin:
0.5% Zins 0.00
1.0% Zins 0.00
2.0% Zins 0.00
3.0% Zins 0.00
4.0% Zins 0.00
5.0% Zins 0.02
6.0% Zins 1.59
7.0% Zins 108.55
Ich denke 108.55 EUR hätte Berlin schon noch um unter der Annahme einer konstanten Verzinsung von 7% seit 1562 und den oben genannten Währungsreformen seine Schulden zu begleichen.
Am Rande sei noch bemerkt:
Diese Berechnung enthält keine Abzüge für Steuern!
Was sich mit dieser Rechnerei eindeutig zeigt.
1) Durch regelmässige Währungsumstellungen werden Nominalwerte regelmässig entwertet.
2) Durch den Zinseszins ist es fast notwendig ab und zu wieder bei kleinen Zahlen anzufangen. Dumm nur für diejenigen die Nominalwerten vertrauen.
Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952, §15 Sparerschäden:
(1) Ein Sparerschaden ist die Minderung des Nennbetrags von Sparanlagen, die dadurch eingetreten ist, daß die Sparanlagen bei der Neuordnung des Geldwesens im Geltungsbereich des Grundgesetzes einschließlich Berlin (West) im Verhältnis 10 zu 1 oder in einem ungünstigeren Verhältnis auf Deutsche Mark umgestellt oder nach § 14 des Umstellungsgesetzes nicht auf Deutsche Mark umgestellt worden sind.
(2) Sparanlagen im Sinne des Absatzes 1 sind
1. Spareinlagen im Sinne des § 22 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 25. September 1939 (Reichsgesetzbl. I S. 1955) einschließlich der Postspareinlagen, soweit die Spareinlagen nicht erst nach dem Zeitpunkt der Einführung der Deutschen Mark durch Gutschrift auf Grund von Bareinzahlungen begründet worden sind, sowie einschließlich der Bausparguthaben,
2. Pfandbriefe, Rentenbriefe, Kommunalschuldverschreibungen und andere Schuldverschreibungen, die von Grundkreditanstalten, Kommunalkreditanstalten, Schiffsbeleihungsbanken und Ablösungsanstalten ausgegeben worden sind, ohne Rücksicht darauf, ob im Einzelfall an die Stelle der Ausgabe einer Schuldverschreibung die Eintragung in ein Schuldbuch getreten ist,
3. Schuldverschreibungen und verzinsliche Schatzanweisungen des Reichs und der Länder, der Reichsbahn und der Reichspost, der Gemeinden und der Gemeindeverbände einschließlich der Schuldbuchforderungen und der Ansprüche auf Vorzugsrente,
4. Industrie- und gleichartige Schuldverschreibungen,
5. Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen,
6. durch die Bestellung von Grundpfandrechten gesicherte privatrechtliche Ansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche aus laufender Rechnung handelt.
Den in Nummer 1 bezeichneten Spareinlagen werden Geldeinlagen, für die eine Kündigungs- oder Anlagefrist vereinbart war, gleichgestellt, wenn für sie Einlagebücher oder entsprechende Urkunden ausgegeben waren, in die Eintragungen über Einzahlungen und Auszahlungen nur durch das Geldinstitut vorgenommen werden durften.
(3) Einem Sparerschaden wird die Einstellung der Zahlung von Reichszuschüssen an Kleinrentner sowie die Einstellung von Rentenzahlungen, die aus Reichsmitteln zum Ausgleich von im ersten Weltkrieg erlittenen Liquidations- und Gewaltschäden gewährt wurden, gleichgestellt.
(4) Durch Rechtsverordnung können andere Geldanlagen den Sparanlagen im Sinne des Absatzes 2 gleichgestellt werden, sofern sie der Kapitalanlage oder der Versorgung dienten.
siehe dazu auch das Buch „1 Billion Dollar“ von Andreas Eschbach! Selbes Thema als Roman.
An diesem Beispiel sieht man, welche Scheinillusionen dieses Scheingeldsystem aufbaut. Folglich können von den Verantwortlichen, auch nur Scheinlösungen
angeboten werden.
mehr als zutreffend, dem ist nichts hinzu zufügen