Die Bodenrente als Finanzierungspotential des Staates – N. Olah, Th. Huth & D. Löhr

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Das alte Konzept einer „Single Tax“ auf Boden­wer­te ist keines­wegs so abwe­gig, wie es auf den ersten Blick erschei­nen mag. Im Gegen­teil erweist sich die allge­mein verbrei­te­te Vorstel­lung eines „gerech­ten“ Steu­er­sys­tems mit den herkömm­li­chen Steu­er­ar­ten als voll­kom­men absurd. Ein weite­rer Blick auf die Volks­wirt­schaft­li­che Gesamt­rech­nung durch die Brille der golde­nen Regeln bringt das Poten­ti­al der Boden­ren­ten für die Staats­fi­nan­zie­rung ans Tageslicht.
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Das Äquivalenzprinzip
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Das allge­mei­ne Nutzen­ma­xi­mum ist dadurch gekenn­zeich­net, dass Nutzen und Kosten einer Inwert­set­zung stets zusam­men­blei­ben. Der Wert des Bodens und insbe­son­de­re die Stand­ort­ren­ten werden maßgeb­lich durch öffent­li­che Leis­tun­gen erzeugt. Der Staat sollte sich folg­lich aus den Werten finan­zie­ren, die er selbst geschaf­fen hat, also aus den Bodenwerten.
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Aus dem Henry-George-Theo­rem, der golde­nen Regel der Staats­fi­nan­zie­rung, lassen sich zwei Grund­re­geln ablei­ten (Löhr 2018):
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„All taxes come out of rents”: Die Fixkos­ten der Bereit­stel­lung öffent­li­cher Leis­tun­gen können durch Boden­ren­ten finan­ziert werden (Gaff­ney 2009, Arnott & Stig­litz 1979). – - –
„Pay for what you get”: Die varia­blen Grenz­kos­ten der konkre­ten Inan­spruch­nah­me öffent­li­cher Leis­tun­gen können durch Nutzungs­ge­büh­ren finan­ziert werden (Harri­son 2006, Vick­rey 1948).
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Das Henry-George-Theo­rem beschreibt einen Zustand voll­kom­me­ner Äqui­va­lenz zwischen Nutzen und Kosten der Inwert­set­zung öffent­li­cher Güter, zwischen öffent­li­chen Leis­tun­gen und priva­ten Gegen­leis­tun­gen (Spars 2000). Das herkömm­li­che Steu­er­sys­tem zerstört diese Äqui­va­lenz, weil es Nutzen und Kosten weit ausein­an­der­fal­len lässt. Mit den herkömm­li­chen Steu­ern werden privat geschaf­fe­ne Werte zwangs­wei­se sozia­li­siert – ohne Anspruch auf eine konkre­te indi­vi­du­el­le Gegen­leis­tung (Siebke 1999). Im Gegen­zug können dann gemein­schaft­lich geschaf­fe­ne Werte wider­spruchs­los priva­ti­siert werden, nämlich Boden­ren­ten und Boden­wer­te, die aus Steu­er­zah­lun­gen finan­ziert wurden. Die herkömm­li­chen Steu­ern ermög­li­chen erst die Priva­ti­sie­rung der Stand­ort­ren­ten zuguns­ten einer Minder­heit, während die Inwert­set­zung dieser Stand­or­te zulas­ten einer diffu­sen Mehr­heit geht. „Gerech­te“ Fiskal­steu­ern konven­tio­nel­ler Art sind vor diesem Hinter­grund ein Mythos (Löhr 2018).
Die Verlet­zung des Äqui­va­lenz­prin­zips durch die herkömm­li­chen Abga­ben hat zur Folge, dass die Stand­ort­ren­ten weit unter ihrem eigent­li­chen Poten­ti­al liegen. Das herkömm­li­che Steu­er­sys­tem belas­tet vor allem die mobi­len Produk­ti­ons­fak­to­ren Arbeit und Kapi­tal sowie den Verbrauch mit Einkom­men­steu­ern, Gewinn­steu­ern und Güter­steu­ern. Diese Abga­ben­last wirkt sich dämp­fend auf die Boden­ren­ten aus, da es sich gesamt­wirt­schaft­lich bei den Boden­ren­ten um ein Resi­du­um handelt. Je höher die Abga­ben­last, umso gerin­ger die Boden­ren­ten. Durch Veran­la­gung und Erhe­bung der konven­tio­nel­len Steu­ern, aber auch durch Ausweich­ma­nö­ver oder Entmu­ti­gung der Steu­er­pflich­ti­gen entste­hen nicht uner­heb­li­che steu­er­li­che Zusatz­las­ten, die eben­falls auf Kosten der Boden­ren­te gehen. Man kann sogar sagen, dass alle Steu­ern und Abga­ben letzt­lich aus den Boden­ren­ten herkom­men müssen (Gaff­ney 2009).
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Die Boden­ren­te ist ein Resi­du­al­ein­kom­men und wird auch oft als „sozia­ler Über­schuss“ bezeich­net (Dwyer 2014). Und genau aus diesen sozia­len Über­schüs­sen sollte sich ein Staat auch finan­zie­ren, jeden­falls ein Staat, der sich so gerne sozial nennt. Mit der Boden­ren­te als Resi­du­um ist aber auch das Staats­bud­get schon weit­ge­hend fest­ge­legt. Die Vorstel­lung, man könne oder müsse sogar mit staat­li­chen Konjunk­tur­pro­gram­men in der Hoff­nung auf Multi­pli­ka­tor­ef­fek­te die Wirt­schaft „ankur­beln“, ist damit aus Sicht der Opti­mie­rungs­be­din­gun­gen bereits a priori abzu­leh­nen, denn jede Abwei­chung von der opti­ma­len Vertei­lung der golde­nen Regeln bedeu­tet im Umkehr­schluss einen Effizienzverlust.
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Die konse­quen­te Durch­füh­rung des Äqui­va­lenz­prin­zips bedeu­tet das Ende der herkömm­li­chen Fiskal­steu­ern und damit auch das Ende der heuti­gen Renten­öko­no­mie (Löhr 2013, Löhr & Harri­son 2017). Folgen­de Schrit­te würden sich anbieten:
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1. Umge­stal­tung der heuti­gen Grund­steu­er in eine Boden­wert­steu­er.- – -
2. Direk­te Steu­ern herun­ter­fah­ren, Boden­wert­steu­er hoch­fah­ren.- – -
3. Indi­rek­te Steu­ern herun­ter­fah­ren, Nutzungs­ge­büh­ren hochfahren.
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Die auffäl­ligs­te Abwei­chung vom Äqui­va­lenz­prin­zip ist die Lohn­steu­er. Mit der Lohn­steu­er werden die Lasten der Staats­fi­nan­zie­rung auf den Faktor Arbeit verscho­ben, während der Faktor Boden weit­ge­hend unge­scho­ren davon­kommt. Es zeigt sich, dass das (später noch genau­er zu defi­nie­ren­de) Netto­ver­mö­gens­ein­kom­men als Maß für die unge­nutz­ten Finan­zie­rungs­po­ten­tia­le etwa genau­so groß ist wie die Lohn­steu­ern, was ernst­haf­te Zwei­fel aufkom­men lässt an der Vorstel­lung, die Einkom­men­steu­er müsse nur progres­siv genug sein, um gerecht zu sein. Aller­dings werden die Fans einer Vermö­gens­steu­er eben­falls enttäuscht, denn der einzi­ge Vermö­gens­ge­gen­stand, der besteu­ert werden soll, ist der Boden.
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Es stellt sich damit die Frage, inwie­weit die konven­tio­nel­len Steu­ern und Abga­ben tatsäch­lich durch geeig­ne­te Boden­wert­steu­ern ersetzt werden können. Um das Finan­zie­rungs­po­ten­ti­al der Boden­be­steue­rung quan­ti­ta­tiv abschät­zen zu können, müssen wir zunächst die Boden­ren­te aus der statis­ti­schen Sammel­ka­te­go­rie „Unter­neh­mens- und Vermö­gens­ein­kom­men“ heraus­schä­len. Wir werden zwei Ausprä­gun­gen der Boden­ren­te berech­nen (vgl. Olah, Huth & Löhr 2016 & 2017):
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