Der Terror der Ökonomie – Roland Rottenfußer
Wenn wir eine menschlichere Gesellschaft schaffen wollen, genügt es nicht, über neue Formen des Wirtschaftens nachzudenken. Auf den Prüfstand muss das ökonomische Denken selbst und seine Ideologie einer Welt als Ware. Unser Wirtschaftssystem leistet sich Entwicklungshilfe für die Reichen, die finanzielle Unterstützung einer Absahner-Kaste, der es längst nicht mehr um die Sicherung des Existenzminimums, sondern vielmehr um eine immer weitergehende Überdehnung des Existenzmaximums geht. Es ist unübersehbar, dass es überall, wo ein Lebensbereich mit wirtschaftlichem Denken infiziert wird, wo also z.B. eine staatliche Einrichtung als „Betrieb“, ein menschliches Zusammenwirken als „Geschäft“ definiert wird und Profitinteressen im Spiel sind, eine fortschreitende Vergiftung eben dieser Sphäre stattfindet. „Mehr Demokratie wagen“ kann in unseren Zeiten nur eines bedeuten: weniger Ökonomie wagen!
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Pater Lukas besitzt kein Portemonnaie. Der fast 80-jährige lebt ohne Geld. Sein Priestergehalt, das ihm für seine Dienste in einer kleinen Landgemeinde zusteht, gibt er an einen Mönchsorden weiter, bei dem er ordiniert ist. Dafür stellt der Orden für ihn Unterkunft, ein Auto, Benzin und ein kleines Taschengeld. Letzteres gibt Pater Lukas allerdings vollständig an die von ihm aus der Ferne betreute Waisenkindermission in Namibia (Südwest-Afrika) weiter. Für ihn selbst bleibt nichts. Wovon Pater Lukas lebt? Jeden Werktag nimmt er sich die Reste mit nach Hause, die von der Mittagsverpflegung des Kindergartens übrig bleiben, den er als Seelsorger betreut. Am Wochenende, wenn er nicht von einem seiner Gemeindemitglieder zum Essen eingeladen wird, kann es schon mal knapp werden. Doch Pater Lukas ist nicht anspruchsvoll. Sein Lebensantrieb liegt auf einer anderen, einer geistig-spirituellen Ebene, sie ist konsequent anti-ökonomisch. „In dem Mönchsorden wird der eigentliche Kommunismus gelebt“, sagt er.
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Ist Pater Lukas ein Exot, ein Ausbund haarsträubender ökonomischer Ignoranz, dessen Beispiel nicht verallgemeinert werden kann? Es gibt mehr Menschen wie Pater Lukas als man meinen sollte. Die meisten von ihnen leben unfreiwillig in Not und Knappheit, doch um die geht es mir hier nicht. Heidemarie Schwermer etwa wurde vor einigen Jahren bekannt durch ihr Buch „Das Sterntaler-Experiment“. Sie schildert darin, wie sie seit 1996 buchstäblich ohne Geld lebt, überwiegend durch Arrangements, die es ihr ermöglichen, bei Fremden Haus zu hüten und dabei deren reich gefüllte Speisekammer nutzen zu können. Von Ort zu Ort bewegt sie sich, indem sie Leute am Bahnsteig anspricht, die sie auf ihrer Mehrpersonen-Karte umsonst mitfahren lassen. Heidemarie Schwermer will mit ihrem Selbstversuch auch darauf hinweisen, wie selbstverständlich wir Geld als allgegenwärtige und unverzichtbare Daseinsgrundlage betrachten.
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Dabei gibt es „Sterntaler-Experimente“ nicht erst seit 1996. Franz von Assisi, Sohn eines reichen Kaufmanns, verschenkte seinen ganzen persönlichen Besitz an die Armen. Als ihn sein Vater dafür öffentlich zur Rede stellte, entkleidete er sich vor versammelter Bürgerschaft auf offener Straße und gelobte, von nun an nur noch Gott anzugehören. In Assisi ist noch die Kutte des Heiligen Franziskus zu besichtigen, aus graubraunem, grob gewebtem Stoff, mehrfach geflickt und zerrissen, eher einem Kartoffelsack als einem Kleidungsstück ähnelnd. Franz von Assisi war als außergewöhnlich heiterer Mensch von großem Gottvertrauen bekannt.
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Außer seiner Kutte hat sich mir ein anderes Bild unauslöschlich eingeprägt, jenes von Mahatma Gandhis ganzem Besitz. Das Foto zeigt zwei Paar alte Sandalen, eine Brille mit runden Gläsern, ein Buch, eine Reisschale, eine Teeschale, nicht wesentlich mehr als das.
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Nun sind Gandhi und Franz von Assisi sicher Ausnahmemenschen, ihnen nachzueifern würde die meisten von uns sicher überfordern. Und doch gibt es eine Fülle weniger spektakulärer „Fälle“, die bestens belegen, dass die scheinbar undurchdringliche Asphaltdecke des ökonomischen Nutzendenkens an der einen oder anderen Stelle Risse bekommt, an denen schöne Blüten der Güte und geistigen Freiheit hervorlugen können. So etwa die Geschichte von einem Musiker, der sich bereit erklärte, der Tochter seines Freundes Klavierunterricht zu geben – unter einer Bedingung: dass er keine Bezahlung dafür bekäme. Oder die Geschichte einer Frau, die ehrenamtlich einsame alte Menschen besucht, sich ebenso ehrenamtlich für die Einführung einer Regionalwährung einsetzt und dafür ihre „Einkommen generierenden“ Tätigkeiten sträflich vernachlässigt. Es gibt unzählige solcher kleinen Geschichten, wenn wir nur genau hinsehen.
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Wir weniger „Edlen“ können sicher begründen, warum wir ökonomisch, also gewinnorientiert und eigennützig handeln. Nur soll bitte niemand so tun, als sei die Entscheidung, die er zugunsten des Eigennutzes getroffen hat, alternativlos, als entspräche sie einem unumstößlichen Lebensgesetz.
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Pater Lukas besitzt kein Portemonnaie. Der fast 80-jährige lebt ohne Geld. Sein Priestergehalt, das ihm für seine Dienste in einer kleinen Landgemeinde zusteht, gibt er an einen Mönchsorden weiter, bei dem er ordiniert ist. Dafür stellt der Orden für ihn Unterkunft, ein Auto, Benzin und ein kleines Taschengeld. Letzteres gibt Pater Lukas allerdings vollständig an die von ihm aus der Ferne betreute Waisenkindermission in Namibia (Südwest-Afrika) weiter. Für ihn selbst bleibt nichts. Wovon Pater Lukas lebt? Jeden Werktag nimmt er sich die Reste mit nach Hause, die von der Mittagsverpflegung des Kindergartens übrig bleiben, den er als Seelsorger betreut. Am Wochenende, wenn er nicht von einem seiner Gemeindemitglieder zum Essen eingeladen wird, kann es schon mal knapp werden. Doch Pater Lukas ist nicht anspruchsvoll. Sein Lebensantrieb liegt auf einer anderen, einer geistig-spirituellen Ebene, sie ist konsequent anti-ökonomisch. „In dem Mönchsorden wird der eigentliche Kommunismus gelebt“, sagt er.
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Ist Pater Lukas ein Exot, ein Ausbund haarsträubender ökonomischer Ignoranz, dessen Beispiel nicht verallgemeinert werden kann? Es gibt mehr Menschen wie Pater Lukas als man meinen sollte. Die meisten von ihnen leben unfreiwillig in Not und Knappheit, doch um die geht es mir hier nicht. Heidemarie Schwermer etwa wurde vor einigen Jahren bekannt durch ihr Buch „Das Sterntaler-Experiment“. Sie schildert darin, wie sie seit 1996 buchstäblich ohne Geld lebt, überwiegend durch Arrangements, die es ihr ermöglichen, bei Fremden Haus zu hüten und dabei deren reich gefüllte Speisekammer nutzen zu können. Von Ort zu Ort bewegt sie sich, indem sie Leute am Bahnsteig anspricht, die sie auf ihrer Mehrpersonen-Karte umsonst mitfahren lassen. Heidemarie Schwermer will mit ihrem Selbstversuch auch darauf hinweisen, wie selbstverständlich wir Geld als allgegenwärtige und unverzichtbare Daseinsgrundlage betrachten.
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Dabei gibt es „Sterntaler-Experimente“ nicht erst seit 1996. Franz von Assisi, Sohn eines reichen Kaufmanns, verschenkte seinen ganzen persönlichen Besitz an die Armen. Als ihn sein Vater dafür öffentlich zur Rede stellte, entkleidete er sich vor versammelter Bürgerschaft auf offener Straße und gelobte, von nun an nur noch Gott anzugehören. In Assisi ist noch die Kutte des Heiligen Franziskus zu besichtigen, aus graubraunem, grob gewebtem Stoff, mehrfach geflickt und zerrissen, eher einem Kartoffelsack als einem Kleidungsstück ähnelnd. Franz von Assisi war als außergewöhnlich heiterer Mensch von großem Gottvertrauen bekannt.
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Außer seiner Kutte hat sich mir ein anderes Bild unauslöschlich eingeprägt, jenes von Mahatma Gandhis ganzem Besitz. Das Foto zeigt zwei Paar alte Sandalen, eine Brille mit runden Gläsern, ein Buch, eine Reisschale, eine Teeschale, nicht wesentlich mehr als das.
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Nun sind Gandhi und Franz von Assisi sicher Ausnahmemenschen, ihnen nachzueifern würde die meisten von uns sicher überfordern. Und doch gibt es eine Fülle weniger spektakulärer „Fälle“, die bestens belegen, dass die scheinbar undurchdringliche Asphaltdecke des ökonomischen Nutzendenkens an der einen oder anderen Stelle Risse bekommt, an denen schöne Blüten der Güte und geistigen Freiheit hervorlugen können. So etwa die Geschichte von einem Musiker, der sich bereit erklärte, der Tochter seines Freundes Klavierunterricht zu geben – unter einer Bedingung: dass er keine Bezahlung dafür bekäme. Oder die Geschichte einer Frau, die ehrenamtlich einsame alte Menschen besucht, sich ebenso ehrenamtlich für die Einführung einer Regionalwährung einsetzt und dafür ihre „Einkommen generierenden“ Tätigkeiten sträflich vernachlässigt. Es gibt unzählige solcher kleinen Geschichten, wenn wir nur genau hinsehen.
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Wir weniger „Edlen“ können sicher begründen, warum wir ökonomisch, also gewinnorientiert und eigennützig handeln. Nur soll bitte niemand so tun, als sei die Entscheidung, die er zugunsten des Eigennutzes getroffen hat, alternativlos, als entspräche sie einem unumstößlichen Lebensgesetz.
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