Beate Bockting *5. April 1969 † 3. Mai 2023 – Ein Nachruf von Werner Onken

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Wir muss­ten Abschied nehmen von unse­rer lang­jäh­ri­gen Freun­din und Weggefährtin Beate Bock­ting, die wir als Redak­teu­rin der INWO-Zeit­schrift „Fair­co­no­my“ und als wissen­schaft­li­che Mitar­bei­te­rin der „Stif­tung für Reform der Geld- und Boden­ord­nung“ hoch­ge­schätzt haben. Im Alter von nur 54 Jahren starb Beate Bock­ting infol­ge einer Krebs­er­kran­kung. Ihr allzu früher Tod ist für uns ein sehr schmerz­li­cher Verlust.
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Nach ihrem Abitur ging Beate Bock­ting nach Müns­ter, um an der dorti­gen Univer­si­tät Anglis­tik, Nieder­land­is­tik und Poli­tik­wis­sen­schaf­ten zu studie­ren. Tief beein­druckt war Beate Bock­ting von der fried­li­chen Revo­lu­ti­on im Herbst 1989 und schloss sich den Grünen an, die sich bald mit Teilen der ostdeut­schen Bürger­rechts­be­we­gung zur Partei „Bündnis90/DieGrünen“ verei­nig­ten. Außer­dem trat sie dem Verein „Mehr Demo­kra­tie“ bei, der sich als Ergän­zung zu poli­ti­schen Partei­en für Volks­ab­stim­mun­gen einsetzt.
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Um die Mitte der 1990er Jahre enga­gier­te sich Beate Bock­ting in dem Müns­te­ra­ner Tausch­ring „LoWi e. V. – Tauschen statt zahlen“ und lernte die alter­na­ti­ven Denk­an­sät­ze einer Geld- und Boden­re­form während einer Fahrt nach Köln kennen, wo der Wirt­schafts­pu­bli­zist Helmut Creutz gerade einen Vortrag in dem von Sol Lyfond initi­ier­ten Kunst­pro­jekt „Talent­skulp­tur“ hielt. Faszi­niert von Creutz‘ präzi­sen Zahlen, Daten und Fakten zu wirt­schaft­li­chen Entwick­lun­gen vertief­te sie sich fortan in diese Denk­an­sät­ze und enga­gier­te sich im deut­schen Zweig der „Inter­na­tio­na­len Verei­ni­gung für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung“ (INWO).
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Im Rahmen ihrer redak­tio­nel­len Tätig­kei­ten knüpf­te Beate Bock­ting ein großes Netz­werk von Kontak­ten zu Mitarbeiter/innen und Leser/innen und sie entwi­ckel­te sich immer mehr zu einer tief­grün­di­gen Kenne­rin sowohl der Geld- und Boden­re­form­theo­rien als auch der mehr im angel­säch­si­schen als im deut­schen Sprach­raum geführ­ten Fach­dis­kus­sio­nen über Null- und Nega­tiv­zin­sen. Sie knüpf­te sogar Mail­kon­tak­te mit namhaf­ten Geld­theo­re­ti­kern an, unter ande­rem mit dem niederländisch-britischen Ökono­men Willem Buiter und mit den US-ameri­ka­ni­schen Ökono­men Miles Kimball und Ruchir Agar­wal. Einen als IMF-Working Paper erschie­ne­nen Aufsatz von Kimball und Agar­wal über die ideen­ge­schicht­li­chen Geldreformvorschläge von Silvio Gesell und Robert Eisler als Vorläu­fer der Nega­tiv­zins­po­li­tik über­setz­te Beate Bock­ting ins Deut­sche und veröf­fent­lich­te diese Über­set­zung in der „Zeit­schrift für Sozi­al­öko­no­mie“. Darin berich­te­te sie auch detail­liert von Fach­dis­kus­sio­nen über Nega­tiv­zin­sen in der US-ameri­ka­ni­schen Denk­fa­brik „Broo­kings“. Durch diese Arbei­ten und ihren brei­ten Über­blick über die aktu­el­len geld­theo­re­ti­schen und geld­po­li­ti­schen Diskus­sio­nen in England und in den USA erwarb sie sich ein hohes Anse­hen in den hiesi­gen geld­re­for­me­ri­schen Krei­sen. Mit regel­mä­ßi­gen geld- und boden­po­li­ti­schen „Gast­wirt­schafts-Kolum­nen“ in der „Frank­fur­ter Rund­schau“ konnte sie ein größe­res Publi­kum erreichen.
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Wir alle in der Stif­tung und in der INWO hatten ein großes Vertrau­en in Beates persön­li­che Inte­gri­tät, in ihre idea­lis­ti­sche Moti­va­ti­on und in ihre fach­li­che Kompe­tenz. In ihr sahen wir eine Schlüs­sel­fi­gur inner­halb der Geld- und Boden­re­form­be­we­gung, die unsere allge­mein­ver­ständ­li­chen und wissen­schaft­li­chen Tätig­kei­ten in den nächs­ten Jahren koor­di­nie­ren sollte und die sich auch selbst sehr auf diese Aufga­ben freute. Unsere gemein­sa­me große Freude über die Aussicht auf eine quali­fi­zier­te Fort­set­zung unse­rer Tätig­kei­ten wurde leider schon nach weni­gen Mona­ten durch die Nach­richt getrübt, dass Beate an einer fort­ge­schrit­te­nen Tumor­er­kran­kung litt. Diese Nach­richt stell­te unsere Pläne jäh in Frage; aber vorerst über­wog noch unsere gemein­sa­me Hoff­nung auf Leben retten­de ärzt­li­che Behandlungsmöglichkeiten. In diesem Früh­jahr schwan­den Beates Kräfte jedoch so schnell, dass wir voller Wehmut erken­nen muss­ten, dass sie unsere gemein­sa­men ideel­len Pläne nicht mehr würde verwirk­li­chen können.
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Hinzu kam die Enttäu­schung darüber, dass in der Geld- und Währungs­po­li­tik eine „Zins­wen­de“ einge­lei­tet wurde, um die in erheb­li­chem Umfang zurück­ge­kehr­te Infla­ti­on mit höhe­ren Zinsen zu bekämp­fen. Schon bald stell­ten sich – wie zu erwar­ten war – finan­zi­el­le Schief­la­gen im Banken­be­reich ein (Sili­con Valley Bank, Credit Suisse u. a.). Darüber spra­chen wir am Rande der Mitglie­der­ver­samm­lung der INWO am 22. April 2023, bei der uns Beate akus­tisch zuge­schal­tet war. Mit noch immer klarer und kraft­vol­ler Stimme begrün­de­te sie, warum höhere Zinsen ein unge­eig­ne­tes Mittel zur Bekämp­fung der Infla­ti­on sind und warum die Einfüh­rung einer von Gesell und Keynes vorge­schla­ge­nen Liquiditätsgebühr auf Geld ein besse­rer Weg sein könnte, sowohl die Infla­ti­on als auch die durch­schnitt­li­chen Zinsen gegen null sinken zu lassen, um damit und mit einer Boden­re­form die nöti­gen Rahmen­be­din­gun­gen für ein nach­hal­ti­ges, nicht mehr primär rendi­te­ori­en­tier­tes Wirt­schaf­ten herzu­stel­len. Und mit Genug­tu­ung berich­te­te Beate von einer gerade neu erschie­ne­nen Veröf­fent­li­chung von Willem Buiter, worin darge­legt wird, dass sich dieser unkon­ven­tio­nel­le geld­po­li­ti­sche Vorschlag auf der Grund­la­ge eines digi­ta­len Zentral­bank­gel­des prak­tisch verwirk­li­chen ließe.
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Unbe­greif­lich und schmerz­lich ist und bleibt es für uns, dass wir schon zwei Wochen später die trau­ri­ge Nach­richt erhiel­ten, dass Beate Bock­ting uns in den frühen Morgen­stun­den des 3. Mai in eine andere Welt voraus­ge­gan­gen ist. In der Stif­tung und in der INWO fehlt sie uns sehr. Unser Mitge­fühl gilt ihrer Familie. – - -
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