„Bankrun 2010“ Kollektives Geldabheben als zu hinterfragende Demonstration der Macht des Volkes

Von Andre­as Bangemann

Ein Vorha­ben fran­zö­si­scher Akti­vis­ten erregt mitt­ler­wei­le auch in Deutsch­land Aufse­hen. Am 7. Dezem­ber sollen nach dem Willen der Initia­to­ren Millio­nen Menschen auf die Banken stür­men und ihr Geld abheben.

Zu der revo­lu­tio­nä­ren Stim­mung anläss­lich der fran­zö­si­schen Demons­tra­tio­nen gegen das neue Renten­ge­setz passt das Erwa­chen der bürger­li­chen deut­schen Streit­kul­tur im Zusam­men­hang mit dem Stutt­gart-21-Projekt. Die Gunst der Stunde soll für einen Schlag gegen die Banken genutzt werden. Viele Menschen sind verär­gert. Über geplan­te Projek­te, aber auch über die Hybris poli­ti­scher Entschei­der, die doch eigent­lich das Volk vertre­ten soll­ten. Emotio­nen werden dabei auch dadurch hoch­ge­kocht, dass die Staats­macht mit unver­hält­nis­mä­ßi­ger Härte gegen seine Bürger vorgeht. Schau­kelt sich da ein gefähr­li­cher Macht­kampf hoch?

Die Galli­ons­fi­gur der galli­schen Revo­lu­ti­on ist ein popu­lä­rer „Super­rei­cher“: Eric Canto­na, eins­ti­ger Fußball­star und heute in Frank­reich popu­lä­rer denn je.

Canto­na, bereits in Zeiten des Fußballs bekannt für unbän­di­ge Gefühls­aus­brü­che, sagt klar, was er sich wünscht: „Wenn zwan­zig Millio­nen Menschen ihr Geld abhe­ben, bricht das System zusammen“

 

Klaus Abber­ger vom Münch­ner ifo-Insti­tut gibt in einem Inter­view für „süddeutsche.de“ seine Einschät­zung zu der Aktion folgen­der­ma­ßen ab.

Zitat:

„Was halten Sie denn persön­lich von der Aktion?
Ich will mir dazu keine Meinung erlau­ben. Ich finde, man kann über Banker-Boni und ‑Gehäl­ter durch­aus disku­tie­ren, möchte aber zu beden­ken geben, dass eine Zerstö­rung des Banken­sys­tems immer auch die Zerstö­rung des Wirt­schafts­sys­tems bedeu­ten wird. Die Kern­auf­ga­be der Banken liegt darin, Geld von Sparern oder Anle­gern in Kredi­te für Maschi­nen, Inves­ti­tio­nen und Immo­bi­li­en zu verwan­deln. Dafür, dass Menschen den Banken ihr Geld zur Verfü­gung stel­len, bekom­men sie dann die Zinsen. Ohne ihr Geld und ohne die Trans­for­ma­ti­ons­funk­ti­on der Banken würde das Wirt­schaf­ten nicht funk­tio­nie­ren. Deswe­gen sind Poli­ti­ker auch immer so besorgt, das Banken­sys­tem am Laufen zu halten.“

Das Ansprin­gen der streit­ba­ren Schwa­ben um S21 – Stutt­gart 21 – auf diese Aktion deutet einer­seits an, dass es zu einer weite­ren Macht­de­mons­tra­ti­on des erstark­ten „Souve­rän“ kommen kann. Doch rich­tet sich diese Aktion tatsäch­lich gegen eine Macht, die sich – wie in Stutt­gart die Poli­tik – gegen das Volk stellt?

Auf ihrer Websei­te geben die Akti­vis­ten eigent­lich ganz schlaue Stel­lung­nah­men ab, wie z.B. diese hier:

We are espe­ci­al­ly aware of the conse­quen­ces that the dere­gu­la­ted and uncon­troll­able global finan­cial system will have on our jobs, our health, our educa­ti­on, our pensi­ons, our indus­tries, our envi­ron­ment, our future, our digni­ty, the digni­ty of the citi­zens of count­ries that the system has enslaved by debt that they will never be able to repay to better appro­pria­te their resources. 

Ziel ist es also, das „unkon­trol­lier­ba­re globa­le Finanz­sys­tem“ zu zerstö­ren. Doch um was zu bekommen?

Auch dazu ein Zitat von der Websei­te der Aktivisten:

We want banks that lend only the wealth they have. Banks that help small and medium enter­pri­ses to relo­ca­te jobs, & bank lending at zero rate. (*) Banks that support projects that bene­fit citi­zens rather than the „market“. Banks where we can depo­sit our money, which will then create a peaceful consci­ence within oursel­ves. Banks we will not have to be worry about. Banks whose success will sound the death knell of the merchants of death, dise­a­se and slavery. On the ruins of the old system, we want to build a banking system that will no longer sacri­fice more human digni­ty on the altar of profit.

(*) What the Isla­mic banks to successful­ly achie­ve by refu­sing usury for reli­gious reasons, we can do for civic reasons.

 

Einmal ganz abge­se­hen davon, dass das eine mehr als wünschens­wer­te wirt­schaft­li­che Zukunft ist: Mit der Forde­rung allei­ne ist es nicht getan. Zum Thema Lösung sucht man auf der Websei­te der Revo­lu­tio­nä­re aber vergeb­lich nach Brauchbarem.

Wie will man dieses Ziele errei­chen? Durch Geset­ze und Verbo­te? Will man Zinsen wie im Koran per „Ordre de mufti“ einfach verbieten?

Oder doch erst einmal kaputt­ma­chen und dann abwar­ten, was kommt?

Ich denke den Akti­vis­ten ist klar, welche Konse­quen­zen der Zusam­men­bruch des Banken­sys­tems hätte. In der Folge würde die Wirt­schaft zusam­men­bre­chen und Europa und die Welt würde in einem unkon­trol­lier­ba­ren Chaos versin­ken. Einem Chaos, das unen­end­li­ches Leid unter die Menschen brin­gen würde und dessen Ende Niemand vorher­sa­gen könnte. „Revo­lu­tio­nen laufen nun mal so“, könn­ten die Befür­wor­ter hier einwenden.

Unver­kenn­bar gilt die Anspra­che des Eric Canto­na den Massen. Sie zu mobi­li­sie­ren hat durch­aus Tradi­ti­on in Frank­reich. Doch um Massen zu mobi­li­sie­ren bedarf es – auch das zeigt die Geschich­te – perso­ni­fi­zier­ter Feind­bil­der. Ein Finanz­sys­tem ist dies­be­züg­lich nur bedingt geeig­net. Banken und die dahin­ter­ste­hen­den Mana­ger mitsamt ihren vermeint­li­chen poli­ti­schen Draht­zie­hern schon weit besser.

Wer für ein besse­res System eintritt, müsste das schlech­te­re zunächst einmal analy­sie­ren. Seine Fehler erken­nen, die Ursa­chen für die spür­ba­ren Fehl­ent­wick­lun­gen offen­le­gen und erklä­ren. Da ist es schon einfa­cher, auf die erleb­ba­ren Leiden hinzu­wei­sen und ein Feind­bild aufzu­bau­en, das vielen sowie­so schon immer suspekt war.

Ich halte die Entwick­lung hin zu zuneh­men­der Perso­ni­fi­zie­rung von Feind­bil­dern für eine gefähr­li­ches, poli­tisch durch­aus gewoll­tes Spiel mit dem Feuer. Ist es nicht auffäl­lig wie Poli­ti­ker (Sarazz­in), Medi­en­leu­te (WISO-Front­mann „Oppor­tu­ni­zinsky“) und jetzt eben auch Sport­ler aus der „zwei­ten Reihe“ zu den Brand­stif­tern unse­rer Zeit werden? Sie bestim­men die Themen, auf die die großen Medien will­fäh­rig abhe­ben und setzen Diskus­sio­nen in Gang, die am Ende nur ein Ergeb­nis haben können: der Hass nimmt zu. Ich unter­stel­le den genann­ten keinen bösen Willen und schon gar nicht will ich sie so sehen, wie sie selbst die von ihnen Bekämpf­ten betrach­ten. Sie nutzen die Popu­la­ri­tät eines Themas für ihre urei­ge­nen Zwecke. Keiner der Genann­ten, auch nicht Eric Canto­na, schlägt nicht beträcht­li­chen Gewinn aus den lancier­ten Aktio­nen oder Diskur­sen. Sie alle stei­gern ihren Markt­wert. Doch wo bleibt die gute Sache, für die sie vorge­ben, aktiv zu werden?

Bei aller Schel­te will ich auch loben. Ein „Revo­lu­tio­när“, der sicher auch an Popu­la­ri­tät gewinnt, dem man aber anmerkt, dass er für eine Herzens­an­ge­le­gen­heit kämpft ist der Schau­spie­ler Walter Sitt­ler, einer der „Frontmänner„des Bürger­pro­tes­tes gegen „Stutt­gart  21“. Mit sympa­thi­scher fast stoi­scher Ruhe wieder­holt er immer wieder jene sach­li­chen Einwän­de der Gegner, die stich­hal­tig und konstruk­tiv sind.

 

Doch zurück zum Bank­run 2010 und meinem Fazit:

Die Aktion hat kein klares Ziel. Sie ist ein weite­rer Baustein in einem Mosaik des Hasses, das sich mehr und mehr in unse­ren gesell­schaft­li­chen Alltag schleicht. Wer zerstö­ren will, um vermeint­lich Besse­res zu schaf­fen, muss klar zum Ausdruck brin­gen, wie dieses Besse­re herge­stellt werden soll. Alter­na­tiv schließt man sich stra­te­gisch bewusst und gewollt mit Kräf­ten zusam­men, die derlei Konzep­te haben. Davon ist bei dieser Aktion nichts zu spüren. Es entsteht für mich der Eindruck, dass es nicht um ein besse­res System geht, sondern um ledig­lich um die Bekämp­fung und Zerstö­rung der Einrich­tun­gen und Menschen, die das vermeint­lich Schlech­te repräsentieren.

Ich befür­wor­te den zuneh­men­den fried­li­chen, bürger­li­chen Protest. Er braucht die fundier­te Flan­kie­rung von Erkennt­nis­s­ver­mitt­lung auf möglichst brei­ter bürger­li­cher Front. Im Falle des Finanz­sys­tems geht es konkret um die Wirkunsgwei­se des Geldes in unse­rer Wirt­schaft. Das Schü­ren von Hass wird uns zu Situa­tio­nen führen, die im Grunde keiner wirk­lich erle­ben will.

 

 Grafik: Martin Bangemann

Posted via email from HUMANE-WIRTSCHAFT

2 Antworten

  1. Ferdinand sagt:

    Der Inhalt der oben verlink­te Seite „Bank-Einbruch“ ist unvereinbar
    mit dem Namen Silvio Gesell, der auf der Seite zitiert wird.
    Gesell dachte wie andere große Denker in Refor­men; Utopis­ten, Träumer,
    Esote­ri­ker etc. denken in bluti­gen Revolutionen.

  2. Silber-Engel sagt:

    Wieso ausge­rech­net und nur an einem Tag im Dezem­ber? Für einen ist immer der rich­ti­ge Zeitpunkt!

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