Wachstum als Dogma – Thomas Kubo
Die tägliche Berichterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung enthält häufig ein implizites Dogma: Wachstum ist gut, richtig und notwendig. Dass es ein Dogma ist, wird daran deutlich, dass es nicht hinterfragt oder begründet, sondern gebetsmühlenartig wiederholt wird. Einige Probleme entstehen aus Verwirrungen, die von Interpreten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verursacht werden. Die gewichtigeren Probleme hängen aber mit den Eigenschaften der Messgröße BIP und dem Wachstum an sich zusammen. Um beides soll es im Folgenden gehen.
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Zwei Schlaglichter aus der Presse
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Holger Zschäpitz von der WELT nimmt eine Senkung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,1 % zum Anlass zu erklären, Deutschland sei auf dem Weg zum „kranken Mann Europas“. Er zitiert im Artikel den UniCredit-Ökonomen Andreas Rees, der meint: „Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft kommt seit einem Jahr nur noch im Kriechgang vorwärts.“ Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung lässt über eine Pressemitteilung Folgendes verlautbaren: „Das Expansionstempo der deutschen Volkswirtschaft hat merklich nachgelassen. Vorübergehende Produktionsprobleme in der Automobil- und Chemieindustrie waren hierfür mitverantwortlich. Gleichzeitig habe sich die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft verlangsamt.“ Die Verwirrungen hier sind zahlreich.
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Die erste Verwirrung besteht darin, dass ein homöopathischer Rückgang als Katastrophe gedeutet wird. Ein Rückgang von 0,1 % bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Ende des Jahres 2018 immer noch über 99,9 % ihrer Leistung verfügt. Die Wirtschaft war damit auch leistungsfähiger als zum Anfang des Jahres 2018.
Die zweite Verwirrung besteht darin, dass höhere Wachstumsraten erwartet werden. Hier ist darauf zu verweisen, dass die Wirtschaft seit Ende des zweiten Weltkrieges bereits um das
8– bis 9‑Fache gewachsen ist. Wächst die heutige Wirtschaft um 1 %, entspräche das einer Steigerung von 8 bis 9 % der Wirtschaftsleistung etwa von 1950, wie Helmut Creutz nicht müde wurde, zu betonen. Zu kritisieren, die Wirtschaft komme nur im „Kriechgang vorwärts“, berücksichtigt nicht, dass wir bereits im Hochgeschwindigkeitszug unterwegs sind und eine weitere Steigerung nicht so einfach zu realisieren ist. In der Darstellung 1 ist die Entwicklung des BIP eingetragen.
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Das etwas verschwurbelt formulierte Zitat der Wirtschaftsweisen enthält ebenfalls einen Widerspruch oder zumindest eine erhebliche Verwirrung. Wenn das Expansionstempo sich verlangsamt, dann wächst die Wirtschaft immer noch. Die Grunddynamik kann sich dann nicht gleichzeitig verlangsamen; dies würde nämlich bedeuten, dass die Wirtschaft schrumpft.
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Minenfeld BIP
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Beim BIP handelt es sich um ein statistisches Aggregat. Es enthält grob die Summe aus den verkauften Gütern und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Die Möglichkeit, mittels einer einzelnen Zahl eine wirtschaftspolitische Analyse leisten zu können, macht die Wirkmächtigkeit und Attraktivität dieser Größe aus. Allerdings ist diese Einfachheit auch mit erheblichen Einschränkungen verbunden:
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mehr dazu online
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Zwei Schlaglichter aus der Presse
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Holger Zschäpitz von der WELT nimmt eine Senkung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,1 % zum Anlass zu erklären, Deutschland sei auf dem Weg zum „kranken Mann Europas“. Er zitiert im Artikel den UniCredit-Ökonomen Andreas Rees, der meint: „Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft kommt seit einem Jahr nur noch im Kriechgang vorwärts.“ Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung lässt über eine Pressemitteilung Folgendes verlautbaren: „Das Expansionstempo der deutschen Volkswirtschaft hat merklich nachgelassen. Vorübergehende Produktionsprobleme in der Automobil- und Chemieindustrie waren hierfür mitverantwortlich. Gleichzeitig habe sich die Grunddynamik der deutschen Wirtschaft verlangsamt.“ Die Verwirrungen hier sind zahlreich.
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Die erste Verwirrung besteht darin, dass ein homöopathischer Rückgang als Katastrophe gedeutet wird. Ein Rückgang von 0,1 % bedeutet, dass die deutsche Wirtschaft im Vergleich zum Ende des Jahres 2018 immer noch über 99,9 % ihrer Leistung verfügt. Die Wirtschaft war damit auch leistungsfähiger als zum Anfang des Jahres 2018.
Die zweite Verwirrung besteht darin, dass höhere Wachstumsraten erwartet werden. Hier ist darauf zu verweisen, dass die Wirtschaft seit Ende des zweiten Weltkrieges bereits um das
8– bis 9‑Fache gewachsen ist. Wächst die heutige Wirtschaft um 1 %, entspräche das einer Steigerung von 8 bis 9 % der Wirtschaftsleistung etwa von 1950, wie Helmut Creutz nicht müde wurde, zu betonen. Zu kritisieren, die Wirtschaft komme nur im „Kriechgang vorwärts“, berücksichtigt nicht, dass wir bereits im Hochgeschwindigkeitszug unterwegs sind und eine weitere Steigerung nicht so einfach zu realisieren ist. In der Darstellung 1 ist die Entwicklung des BIP eingetragen.
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Das etwas verschwurbelt formulierte Zitat der Wirtschaftsweisen enthält ebenfalls einen Widerspruch oder zumindest eine erhebliche Verwirrung. Wenn das Expansionstempo sich verlangsamt, dann wächst die Wirtschaft immer noch. Die Grunddynamik kann sich dann nicht gleichzeitig verlangsamen; dies würde nämlich bedeuten, dass die Wirtschaft schrumpft.
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Minenfeld BIP
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Beim BIP handelt es sich um ein statistisches Aggregat. Es enthält grob die Summe aus den verkauften Gütern und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Die Möglichkeit, mittels einer einzelnen Zahl eine wirtschaftspolitische Analyse leisten zu können, macht die Wirkmächtigkeit und Attraktivität dieser Größe aus. Allerdings ist diese Einfachheit auch mit erheblichen Einschränkungen verbunden:
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