Die Chance auf Vollbeschäftigung
in Deutschland wähnen sich schon viele konservative Wirtschaftspolitiker auf dem Wege zur Vollbeschäftigung. Davon sind wir aber noch weit entfernt, wenn man die Arbeitslosigkeitsstatistiken seit 1950 betrachtet, die Sie auf der FAZ-Internetseite grafisch dargestellt finden. DIE WELT wurde durch die aktuelle Diskussion um Lohnuntergrenzen zu einem dramatischen Warnruf „Wir werfen die Chance auf Vollbeschäftigung weg“ provoziert:
Als Beispiel angebotspolitischen Denkens ist dies ein ganz lesenswerter Artikel!! – Aber die Wirtschaft besteht aus Angebot u n d Nachfrage. Vollbeschäftigung ist nicht nur (!) durch Flexibilisierung zu erreichen. Da fehlt es letztlich doch an Preiselastizität. Wir brauchen deshalb auch eine hinreichende gesamtwirtschaftliche Nachfrage, um die bestehenden (noch so unproduktiven) Kapazitäten rasch (!) wieder voll auszulasten.
Es ist auch noch folgendes zu bedenken: Wenn die Gesamtnachfrage als feste Größe unterstellt wird, kann mehr Beschäftigung, die durch Lohnsenkungen herbeigeführt wird, nur das Ergebnis eines steigenden Waren- und Dienstleistungs-Angebots und folglich sinkender Preise haben. Das ist der Anfang eines Marsches in die Deflation, in der nur noch dramatischere Lohnsenkungen die Beschäftigung aufrechterhalten könnten; wir wissen aber, dass in der Deflation die Beschäftigung sinkt. Flexibilisierung der Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen ist gut, aber nicht zur Überwindung der Konjunkturprobleme, sondern nur zur Erhöhung der Produktivität bei bereits steigender Beschäftigung und bereits steigendem Angebot, für die ein ausreichendes Wachstum der Nachfrage gesorgt hat.
Die Staatsnachfrage kann bei schwächelnder Gesamtnachfrage nicht mehr ausgeweitet werden; der Staat muss sparen, also seine Nachfrage sogar zurückfahren. Es kommt jetzt darauf an, die private Konsumnachfrage auszudehnen, denn die private Investition steigt erst, wenn die private Nachfrage steigt und die unausgelasteten Kapazitäten dadurch wieder beschäftigt werden können. Erst wenn die private Konsumnachfrage steigt, erhalten die Unternehmen wieder Investitionskredite und sei es zunächst auch nur für Ersatzinvestitionen, die per definitionem keine Kapazitätsausweitung, sondern bestenfalls eine Produktivitätssteigerung mit sich bringen.
Die Geldpolitik hat mit Zinssenkungen (Angebotspolitik) als Investitionsanreiz erst Erfolg, wenn die private Konsumnachfrage stabilisiert oder wieder ausgeweitet ist. Dazu muss die EZB die Inflationserwartungen erhöhen, um die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes endlich zu stabilisieren. Dazu könnten Ankündigungen vielleicht ausreichen. Die Notenbanken haben eine hohe Autorität, die sie auch dann nutzen können, wenn sie einen Politikwechsel verkünden müssen.
Die EZB hat mit ihrer jüngsten Zinssenkung die fallenden Inflationsraten noch nicht einmal zu Hälfte kompensiert. Die kurzfristigen Realzinsen sind gestiegen. Kein gutes Vorzeichen für die Konjunktur, wenn man die Situation angebotspolitisch nüchtern analysiert. Vollbeschäftigung werden wir nicht erleben, solange die EZB-Politik auf zu niedrigen Inflationsraten beharrt.
Aktuelle Kommentare