Spiel mit Inflationserwartungen?

Die welt­wei­te Staats­schul­den­kri­se und verbrei­te­te Konjunk­tur­schwä­che lässt Ökono­men darüber nach­den­ken, ob die Geld­po­li­tik künf­tig nicht einen größe­ren Beitrag zur Stabi­li­sie­rung der Konjunk­tur leis­ten könnte. Im kommen­den Heft der Fragen der Frei­heit (FdF), das redak­tio­nell bereits abge­schlos­sen ist, aber leider erst im Januar 2013 gebun­den und versandt werden kann, werde ich in zwei Aufsät­zen näher auf diesen Wende­punkt in der Konjunk­tur­po­li­tik einge­hen. Die bishe­ri­ge Konjunk­tur­po­li­tik ist tot, es lebe die geld­po­li­ti­sche Konjunkturpolitik!

Im Wirt­schafts­leit­ar­ti­kel der FAZ vom Frei­tag, den 21. Dezem­ber 2012, Seite 11, schil­dert Gerald Braun­ber­ger den gedank­li­chen Ansatz der aktu­el­len Fach­dis­kus­si­on sehr anschau­lich: Es werde den Noten­ban­ken vorge­schla­gen, anstel­le eines festen Infla­ti­ons­ziels ein festes Ziel für das Wachs­tum des nomi­na­len Brut­to­in­lands­pro­dukts anzu­stre­ben. Dann muss die Noten­bank – je nach dem erwar­te­ten realen Wirt­schafts­wachs­tum – unter­schied­li­che Infla­ti­ons­zie­le anstre­ben. Also in den Extrem­fäl­len bei null realem Wachs­tum 5% Infla­ti­on und bei 5% realem Wachs­tum null Infla­ti­on. Daher spricht er vom „Spiel“ mit den Inflationserwartungen. 

Sie können den Arti­kel – mit etwas ande­rem Unter­ti­tel und mehr Zwischen­über­schrif­ten – auch im Inter­net nach­le­sen unter: 

http://tinyurl.com/c487rw9

Dass Infla­ti­ons­er­war­tun­gen das Kauf­ver­hal­ten und damit die Konjunk­tur fördern, zeigt Braun­ber­ger rich­tig auf – gerade auch unter Hinweis auf die gegen­wär­ti­ge Lage in Deutsch­land. Er zeigt auch auf, dass die Noten­ban­ken über­schie­ßen­de Infla­ti­on verhin­dern können. 

Vor dem Spiel der Noten­ban­ken mit Infla­ti­ons­er­war­tun­gen warnt er trotz­dem, weil dies ihre Repu­ta­ti­on beein­träch­ti­gen könnte und deren Verlust nicht so leicht wieder­her­zu­stel­len sei. Diese Sorge ist sicher berech­tigt, zumal die vielen unkon­ven­tio­nel­len Maßnah­men, die die Noten­ban­ken in den letz­ten Jahren ergrif­fen haben, um einen Absturz in die Defla­ti­on zu verhin­dern, den Glau­ben vieler Wirt­schafts­teil­neh­mer, dass sie ihr Infla­ti­ons­ziel immer noch einhal­ten können, schon spür­bar erschüt­tert hat. Ohne gute Repu­ta­ti­on können die Noten­ban­ken die Infla­ti­ons­er­war­tun­gen nicht zu einem Instru­ment ihrer Poli­tik machen, mit dem sie genau­so rauf und runter gehen wie mit ihren Leitzinsen. 

Braun­ber­ger zieht nicht die Konse­quenz, den Noten­ban­ken ein festes, aber höhe­res Infla­ti­ons­ziel zu empfeh­len. Er sieht die konjunk­tur­för­dern­de Wirkung höhe­rer Infla­ti­ons­er­war­tun­gen, scheint aber nicht zu sehen, dass sie zur dauer­haf­ten Stabi­li­sie­rung der Konjunk­tur beitra­gen können. Er befürch­tet offen­bar weiter­hin nur konjunk­tu­rel­le Schwan­kun­gen und eine Über­for­de­rung der Geld­po­li­tik beim Versuch, mit schwan­ken­den Infla­ti­ons­er­war­tun­gen gegenzusteuern. 

Die Ände­rung des Infla­ti­ons­ziels hat für die Noten­ban­ken das Problem, dass sie selbst das Vertrau­en in die Stetig­keit ihrer Geld­po­li­tik antas­ten. Solche Ände­run­gen gefähr­den die Repu­ta­ti­on. Es macht aber sicher einen großen Unter­schied, ob sie ankün­di­gen, künf­tig mit den Infla­ti­ons­ra­ten zu spie­len, wie bisher nur mit den Leit­zin­sen, oder ob sie ankün­di­gen, weiter­hin ein festes, aber bezif­fer­tes höhe­res Infla­ti­ons­ziel anzu­stre­ben, z.B. eine dauern­de Infla­ti­ons­ra­te von „unter, aber nahe 5%“. 

Wenn die Noten­ban­ken zeigen könn­ten, dass sie ein Infla­ti­ons­ziel von 5% wirk­lich konse­quent einhal­ten können, dann würde dieser Erfolg ihre geld­po­li­ti­sche Repu­ta­ti­on wieder festi­gen und es wäre nur noch die Frage, ob 5% Infla­ti­on 5% Arbeits­lo­sig­keit verhin­dern können und deshalb dem heuti­gen, nied­ri­ge­ren Infla­ti­ons­ziel vorzu­zie­hen sind oder nicht. Trotz ihres bishe­ri­gen Infla­ti­ons­ziels von 2% und trotz auf dieser Höhe stabi­li­sier­ter Infla­ti­ons­er­war­tun­gen und ener­gi­scher Leit­zins­po­li­tik sahen sich die Noten­ban­ken zu „unkon­ven­tio­nel­len“ geld­po­li­ti­schen Maßnah­men gezwun­gen, die ihre Repu­ta­ti­on ins Wanken gebracht haben. Je höher das Infla­ti­ons­ziel, das sie anstre­ben, umso größer ist der Sicher­heits­ab­stand von der Defla­ti­on und umso weni­ger notwen­dig werden die verun­si­chern­den unkon­ven­tio­nel­len Maßnah­men sein. Darüber sollte die Wissen­schaft mit den Noten­ban­ken diskutieren. 

Infla­ti­ons­er­war­tun­gen sind ein unver­zicht­ba­res Instru­ment der Noten­ban­ken. Aber sie müssen stabi­le Erwar­tun­gen hervor­ru­fen. Die Noten­ban­ken dürfen mit ihnen nicht spie­len. Wenn die ange­streb­ten stabi­len Infla­ti­ons­ra­ten höher sind als bisher, haben die Noten­ban­ken bei den Leit­zin­sen wieder mehr „Spiel-Raum“. Darauf hat der Chef­volks­wirt des IWF, Blan­chard, schon vor Jahren hinge­wie­sen. So können die Noten­ban­ken mit Geld­po­li­tik Konjunk­tur­po­li­tik machen. Wenn sie auf ihren zu nied­ri­gen Infla­ti­ons­zie­len behar­ren, konter­ka­rie­ren sie selbst die konjunk­tur­po­li­ti­schen Ziele, die sie mit manchen ihrer unkon­ven­tio­nel­len Maßnah­men noch verfol­gen. Bei zu nied­ri­gen Infla­ti­ons­zie­len, die – auch nach Einschät­zun­gen der Noten­ban­ken – noch als Geld­wert­sta­bi­li­tät empfun­den werden und konjunk­tur­po­li­tisch auch so wirken (!), schwan­ken die Konjunk­tu­ren weiter, wie sie es schon immer taten. 

Es ist nur schein­bar eine makro­öko­no­mi­sche Gesetz­mä­ßig­keit, dass gute Konjunk­tu­ren von stei­gen­den Prei­sen und schlech­te Konjunk­tu­ren von sinken­den Prei­sen beglei­tet werden und die Noten­ban­ken deshalb zur Dämp­fung eines Preis­auf­triebs mit ihrer Leit­zins­po­li­tik die Konjunk­tur dämp­fen müssen. Einem dyna­mi­schen Denken erschließt sich, dass die Noten­ban­ken mit der Beein­flus­sung der Infla­ti­ons­er­war­tun­gen die Preis­ent­wick­lung steu­ern und damit die Konjunk­tur stabi­li­sie­ren können – aber nur unter der Voraus­set­zung, dass sie ihr Infla­ti­ons­ziel nicht zu nied­rig wählen. 

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