Angebliche „Geburtsfehler“ des Euro
Der „Geburtsfehler“ des Euro und ordnungspolitische Alternativen
Eckhard Behrens
Prof. Biedenkopf hat in einem Gastkommentar „Unser europäischer Auftrag“ im Handelsblatt vom Freitag, den 06. Juli 2012, auf Seite 80 zur aktuellen europapolitischen Entwicklung Stellung genommen und den weit verbreiteten Zentralisierungsvorschlägen einen weiteren hinzugefügt.
Sein klar aufgebauter Gastkommentar macht es leicht, in einem sehr wesentlichen Punkt zu widersprechen. Der Euro hat einen „Geburtsfehler“, aber einen anderen als viele meinen. Es fehlt nicht ein europäischer Finanzminister oder eine eigenständige Finanzagentur, die die Haushaltssouveränität der Mitgliedstaaten ständig einschränken, sondern es fehlt eine europarechtliche Regelung der Staateninsolvenz. – Darüber hinaus brauchen wir eine europarechtlich sorgfältig ausgestaltete „Bankenunion“, um Turbulenzen im Finanzsektor von den Staatshaushalten der Mitgliedstaaten – insbesondere der kleineren mit großen europaweit tätigen Banken – fernzuhalten. Zu dieser Notwendigkeit siehe meinen Beitrag „Ökonomen streiten über Bankenunion“.
Biedenkopf selbst zitiert den Grundsatz, dass „die Souveränität endet, wenn die Zahlungsfähigkeit endet“. Es macht in einem föderal zu denkenden Europa keinen Sinn, die Souveränität schon vorher, quasi vorsorglich und auf Dauer einzuschränken. Das ertragen die Demokratien in den Mitgliedstaaten nicht, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, in denen wir einige Staaten schon einer ungeregelten, aber nicht offen so bezeichneten Dauerinsolvenzverwaltung durch die sogenannte „Troika“ unterworfen haben.
Staatsinsolvenzen sind endlich zuzulassen und rasch so zu regeln, dass der Souveränität der Mitgliedstaaten so weit wie möglich Rechnung getragen wird. Eine geregelte Insolvenz gewährleistet die Souveränität der Mitgliedstaaten bis zur Eröffnung des Verfahrens. Diese ist nur unter klar geregelten Voraussetzungen möglich. Während des Verfahrens wird die Souveränität vorhersehbar in genau begrenzter Weise beschränkt. Das Verfahren hat Regeln, die es ermöglichen, es rasch zu Ende zu führen, und danach gilt wieder die uneingeschränkte Souveränität.
Während des Verfahrens ist auch Staaten ein Existenzminimum zu gewährleisten; anders als Wirtschaftsunternehmen können sie so wenig untergehen wie Privatpersonen; sie müssen ihren Bürgern auch während und nach der Insolvenz Leistungen erbringen, die es diesen ermöglichen, erfolgreich zu wirtschaften und Steuern zu zahlen. Das ist auch im Interesse der Gläubiger. Das Verfahren garantiert die Gleichberechtigung der Gläubiger und sowohl eine maximale Konkursquote als auch eine Restschuld, die bei gegebener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auf Dauer tragbar ist. Ein Staat, der sich einem geregelten Insolvenzverfahren unterwirft, weiß, auf was er sich einlässt.
Eine ungeregelte Insolvenz ist für alle Beteiligten ein Horrortrip. Kein Wunder, dass es da Denkverbote gibt. Eine gut geregelte Insolvenz ist kein Spaziergang, aber ein zu bewältigender schwerer Weg. Aber Europa drückt sich immer noch um eine europarechtlich verbindliche Regelung der Staateninsolvenz, die die Souveränität der Mitgliedstaaten und damit ihr demokratisches Selbstverständnis hoch achtet und nicht stärker und nicht länger einschränkt als völlig unvermeidlich. – Man will den Horrortrip der ungeregelten Insolvenz durch Dauereinschränkungen der Souveränität der Mitgliedstaaten vermeiden und treibt sie ungewollt in die politische Funktionsunfähigkeit. Das wird nicht gutgehen.
Kein Staat der Welt ist unabhängig von den Finanzmärkten, auch ein staatlich zentralisierter Euro-Raum würde es nicht sein. Ohne solide Haushaltspolitik geht es nie. Für die Mitgliedstaaten des Euro hat sich jedoch geändert, dass sie Problemen, die sie auf den internationalen Finanzmärkten bekommen, nicht mehr mit Abwertungen ihrer Währung begegnen können. Der Wertmaßstab Euro ist ihrem Einfluss entzogen; das ist nur gerecht, erleichtert aber das Spekulieren gegen Mitgliedstaaten, die sich in Haushaltsprobleme manövriert haben. Die Finanzmärkte können sie risikoloser an die Grenze der Zahlungsunfähigkeit treiben als Nationalstaaten mit eigener Währung. Die Euro-Staatengemeinschaft kann ihren Mitgliedern als Ersatz für das Überdruckventil Abwertung nur die Regelung der Staateninsolvenz anbieten oder sie unter die Dauerbevormundung einer Finanzagentur oder eines europäischen Finanzministers stellen, der vom europäischen Parlament wirksam kontrolliert wird.
Meiner politischen Einschätzung nach sind europarechtliche Regelungen der Staateninsolvenz und einer Bankenunion leichter und rascher erreichbar als die europarechtliche Regelung einer noch so wohlmeinenden Dauereinschränkung der Haushaltssouveränität durch eine eigenständige Finanzagentur, die auch zahlungsfähige Staaten einschränkt und dies auf Dauer. Nicht nur die politischen, auch die verfassungsrechtlichen Hürden der ordnungspolitischen Alternative dürften wesentlich geringer sein.
Eine nach dem Subsidiaritätsprinzip organisierte Bankenunion, die die Haushalte der Mitgliedstaaten vor Finanzmarktturbulenzen wirksam bewahrt, wird ebenso ein bundesstaatliches Element eines künftigen demokratischen europäischen Bundesstaates sein, wie eine Regelung der Insolvenz der Mitgliedstaaten, die die Haushaltssouveränität der Mitgliedstaaten eindeutig nur im selbst verschuldeten Krisenfall und nur zeitlich befristet einschränkt. Europa ordnungspolitisch konsequent nach dem Subsidiaritätsprinzip zu organisieren, ist unser Auftrag, möchte man Kurt Biedenkopf und den in diesen Tagen geforderten Richtern in Karlsruhe zurufen.
Ketzer
Ich kenne den Weg – Sie nicht.
Was bilden Sie sich ein?
Ich bin die fleischgewordene Kompetenz.
Fallen Sie uns nicht in den Rücken.
Sie verwirren nur das Volk.
Nur ich kann den Euro retten.
Ich kenne den Weg – Sie nicht.
Ich kenne die Wahrheit.
Ich kenne das Ziel.
Ich sichere Vermögen.
Jahrelang habe ich getan, was Sie sagten -
weil ich kompetent bin.
Und jetzt soll das nicht mehr gelten?
Nein, meine Ideen bleiben -
Und Ihre Ideen verrate ich nicht.
Das System muss leben.
Gleichheit ist von Übel.
Es lebe der Unterschied!
Unterschätzen Sie mich nicht.
Ich lese Kleingedrucktes – Sie nicht.
Ich bin Politiker – Sie nicht.
Ich bin klug – Sie nicht.
Weil ich kompetent bin
und Grimassen schneide.
Erkennen Sie mich?
Sehen Sie mich vor sich?
Wir kennen den Weg – Sie nicht.
Das Volk ist eine Herde von Schafen.
Verwirren Sie nie die Herde!
Sonst werde ich böse.
http://www.traumpoet.blogspot.de
FISKALUNION ÜBER HARMONISIERUNG DER MEHRWERTSTEUER
Die Staaten der Eurozone benötigen eine abgestimmte Fiskalpolitik, um ihre öffentlichen Haushalte schrittweise konsolidieren zu können.
Eine Harmonisierung der Steuerpolitik ist am Leichtesten bei der Mehrwertsteuer und den Energiesteuern möglich.
Die MwSt hat dabei die größten Effekte. Die EU lässt derzeit einen MwSt-Höchstsatz von 25% zu. Dänemark hat ihn seit Jahren – ohne Ausnahme.
Im Rahmen der Euro-Fiskalkrise haben praktisch alle PIIGS-Staaten die MwSt erhöht. Allerdings reichen diese Erhöhungen bei weitem nicht aus. Spanien liegt derzeit lediglich bei 18%, Italien bei 20%. Beide Länder müssten und könnten die MwSt-Sätze rasch und deutlich erhöhen, um ihre Staatshaushalte nachhaltig zu sanieren.
Gerade in Italien wäre die MwSt das Instrument, um von den im Durchschnitt wohlhabenderen BürgerInnen als den Deutschen (in Bezug auf ihre Ersparnisse) Geld für die Staatsfinanzen zu erhalten.
Sogar Frankreich dürfte nichts anderes übrig bleiben als die MwSt zu erhöhen.
Ohne eine Erhöhung der MwSt von 16% auf 19% zum 01. 01. 2007 durch die damalige schwarz-rote Koalition wäre Deutschland weiterhin Defizitsünder. Sparen allein wird in den PIIGS-Staaten schlimmstenfalls in eine wirtschaftliche Rezession und damit noch höhere Haushaltsdefizite führen.
Bei der Energiesteuer ist die Europäische Kommission dabei eine Vereinheitlichung zu bewirken – leider leistet hier Deutschland Widerstand.
Es ist eine allgemeine menschliche Schwäche, in einer Situation, die ausweglos zu sein scheint, statt nach Lösungen nur noch nach Schuldigen zu suchen.
Da den meisten Bürgern der Durchblick längst verloren gegangen ist und sie das Gleiche von der Politik vermuten, ist die Gefahr längst nicht mehr nur abstrakt, dass es bald nur noch darum gehen wird: „ ‚Wir´ tragen keine Schuld am Desaster – ‚die anderen´ sind schuld, schmeißt sie raus!“
Dann ist es aus mit „Union“, dann wird wieder ab- und ausgegrenzt!
Die Ausführungen von Herrn Behrens sollten sich die Fußball Public Viewing pflichtvergessen genießenen Parlamentarier gründlich durchlesen. denn eine Gefahr wird immer deutlicher, dass nämlich trotz der heute durch Küsschen gedachten deutsch-fanzösischen „Aussöhnung“ der Europa-Gedanke sehr gefährdet ist. Dazu habe ich an die örtliche Presse einen Leserbrief geschrieben:
Vereinigte Staaten von Europa über eine Fiskalunion?
Der schwierige Weg zu einem Vereinigten Europa war auf dem besten Weg. Durch die vorzeitige Schaffung der gemeinsamen Währung, die aus nationalem Eigeninteresse entstand, wurde dieser Weg aufgehalten und ist nun sehr gefährdet. Der längst tot geglaubte Nationalismus feiert gefährliche Urständ, angeheizt von den national geprägten Sportarten und nun mündend in den Streit über die Ursachen und die Lösung der Schuldenkrise. Es wird allerhöchste Zeit, den immer noch starken National-Interessen Raum und Zeit zu geben. Das könnte durch die Einführung nationaler Zweit-Währungen neben dem gemeinschaftlichen Euro bestehen, wie von kompetenter Seite empfohlen. Wenn die Hauptaufgabe dieser Zusatzwährungen die Förderung der Konjunktur der National-Wirtschaften wäre und nicht die Stabilität der Währung, wie bei der EZB, wäre schon viel gewonnen. Die erschreckend wachsende Arbeitslosigkeit und der Niedergang der Konjunktur in den kritischen Ländern könnte so behoben werden. Die Möglichkeiten über einen immer größeren Rettungsschirm das Desaster aufzuhalten, ist eindeutig gescheitert. Die angestrebte Fiskalunion wird gegen die inzwischen angewachsenen nationalen Interessen unmöglich durchzusetzen sein. Sie ist in weite Ferne gerückt.
Dr. Gerhardus Lang, Bad Boll , den 8.7.12