Verbraucherzentrale sieht Negativzinsen für… – Redaktion

In einer am 18. 2. 2015 veröf­fent­lich­ten Pres­se­mit­tei­lung der „Verbrau­cher­zen­tra­le Bundes­ver­band e.V.“ (vzbv) stellt die Verbrau­cher-Orga­ni­sa­ti­on fest, dass ihrer Rechts­auf­fas­sung nach die von eini­gen Banken bereits veran­schlag­ten Nega­tiv­zin­sen für bestimm­te Einla­gen unzu­läs­sig seien.

Das Argu­ment, wonach Banken wie beispiels­wei­se die Deut­sche Skat­bank, eine Volks- und Raiff­ei­sen­bank aus dem thürin­gi­schen Alten­burg, die nega­ti­ven EZB-Zinsen an ihre Kunden weiter­ge­ben, halten die Verbrau­cher­schüt­zer für „ökono­misch unsin­nig“. In einem auf der Websei­te der Einrich­tung hinter­leg­ten länge­ren Posi­ti­ons­pa­pier wird ausführ­lich auf die recht­li­che Situa­ti­on einge­gan­gen. Aber auch eine ökono­mi­sche Einschät­zung findet sich darin.

Zitate aus der Pressemitteilung: 

„Spar­kon­to mit Nega­tiv­zin­sen irreführend“

Für Verbrau­cher sind nega­ti­ve Zinsen damit zwar weiter­hin eine Ausnah­me. Vor dem Hinter­grund der nega­ti­ven EZB-Zinsen stellt sich aber die Frage, ob in Zukunft weite­re Banken Nega­tiv­zin­sen erhe­ben werden. Aus Sicht des vzbv wäre das jedoch nicht zulässig.

Dazu Klaus Müller, Vorstand des vzbv: „Inner­halb bestehen­der Verträ­ge sind Nega­tiv­zin­sen für Verbrau­cher recht­lich unzu­läs­sig. Banken können allen­falls bei neuen Verträ­gen nega­ti­ve Zinsen verein­ba­ren. Dann aber noch von einem Spar­kon­to zu spre­chen, wäre nicht nur wider­sin­nig sondern auch klar irreführend.“

Banken und Spar­kas­sen, die Nega­tiv­zin­sen erhe­ben, dürf­ten dann auch nicht mehr wie bisher mit der vollen Höhe der gesetz­li­chen Einla­gen­si­che­rung werben. Wahr­schein­li­cher als ein Nega­tiv­zins seien daher am Ende neue Gebühren.

„Weiter­ga­be“ nega­ti­ver EZB-Zinsen ökono­misch unsinnig

Die „Weiter­ga­be“ nega­ti­ver Noten­bank­zin­sen an Privat­kun­den ist aus Sicht des vzbv zwar bei Neuver­trä­gen recht­lich durch­aus zuläs­sig, aller­dings ökono­misch ungerechtfertigt.

„Nega­ti­ve EZB-Zinsen an Verbrau­cher weiter­zu­ge­ben ist aus ökono­mi­scher Sicht völlig unsin­nig. Banken sind vom Einla­ge­zins der Euro­päi­schen Zentral­bank nur indi­rekt betrof­fen. Wie stark, darüber entschei­det ihr Geschäfts­mo­dell. Mit Konsu­men­ten- und Unter­neh­mens­kre­di­ten lässt sich durch­aus auch weiter­hin Geld verdie­nen“, so Müller.

Soll­ten Banken Nega­tiv­zin­sen an Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher in unzu­läs­si­ger Weise weiter­ge­ben, behal­ten sich der vzbv und die Verbrau­cher­zen­tra­len juris­ti­sche Schrit­te vor.

Einla­gen von Verbraucher

Verbrau­cher verfü­gen über knapp 1,8 Billio­nen Euro an Bank­ein­la­gen. Gut die Hälfte davon entfällt allein auf Giro-und Tages­geld­kon­ten. Recht­lich gese­hen sind für Einla­gen die Regeln des Darle­hens­ver­trags anzu­wen­den. Kern des Darle­hens­ver­trags ist eine gegen­sei­ti­ge Verpflich­tung der Vertrags­part­ner. Verbrau­cher über­las­sen ihrer Bank Geld und erhal­ten dafür einen Zins. Eine einsei­ti­ge Umkeh­rung dieser Verpflich­tun­gen (Verbrau­cher über­las­sen ihrer Bank Geld und zahlen einen Zins) ist aus Sicht des vzbv unzulässig.

Wir haben Exper­ten aus geld­re­for­me­ri­schen Krei­sen gebe­ten, die Sicht der Verbrau­cher­zen­tra­le zu kommen­tie­ren. Hier einige Auszü­ge aus dieser Befragung:

Nied­ri­ge Zinsen
im Inter­es­se der Verbraucher
Sie schrei­ben in ihrer Pres­se­mit­tei­lung vom 18. 02. 2015 zunächst, Nega­tiv­zin­sen für Verbrau­cher seien recht­lich unzu­läs­sig, und dann weiter, die Weiter­ga­be nega­ti­ver EZB-Zinsen sei ökono­misch unsin­nig. Ich halte die erste Aussa­ge für unzu­tref­fend, denn die Kondi­tio­nen für Giro­kon­ten und Spar­kon­ten können bank­sei­tig jeder­zeit geän­dert werden, mit einem sofor­ti­gen Kündi­gungs­recht des Kunden. Wich­ti­ger ist aber die Frage nach dem ökono­mi­schen Sinn. Die Leit­zin­sen der Zentral­bank haben Einfluss auf die Zinsen am Geld­markt, also für sehr kurz­fris­ti­ge Gelder. Wenn nun weite­re Banken ankün­di­gen, auf kurz­fris­tig ange­leg­te Kunden­gel­der einen Nega­tiv­zins zu erhe­ben, so ist zu erwar­ten, dass die Bank­kun­den in größe­rem Maß länger­fris­tig fest­le­gen. Dies anzu­re­gen ist ökono­misch äußerst sinn­voll, denn die länge­re Fest­le­gung mindert das Risiko der Fris­ten- und Losgrö­ßen­trans­for­ma­ti­on („aus kurz mach lang und aus vielen klei­nen weni­ger größe­re“), sie senkt somit insge­samt das Risiko des Kredit- und Einla­gen­ge­schäfts der Banken. Weiter­hin wirkt dies für stabi­len Nied­rigst­zins am Kapi­tal­markt (lang­fris­ti­ge Gelder). Beides stabi­li­siert das Wirt­schafts­ge­sche­hen von Grund auf. Außer­dem sind die Menschen, deren Inter­es­sen Sie vertre­ten, bei weitem nicht nur Sparer, sondern auch Verbrau­cher. Und die Verbrau­cher bezah­len in ihrer Gesamt­heit sowohl die posi­ti­ven Zinsen, die an die Sparer ausge­zahlt werden, wie auch die Risi­ko­prä­mi­en. Denn auch Banken müssen ihre Kosten durch ihre Einnah­men decken, und das sind i. w. die Kredit­kos­ten der Wirt­schaft. Und die wieder­um gehen in die Produkt­prei­se ein! Inso­fern ist die Maßnah­me, die Sie kriti­sie­ren, gerade im Inter­es­se der großen Mehr­heit der Verbrau­cher, die nicht über mehre­re Millio­nen auf dem Giro­kon­to verfügen.

Alwine Schrei­ber-Martens, Jahnishausen

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Das Recht auf
Zins­ein­kom­men ist Unsinn
In der akade­mi­schen Volks­wirt­schafts­leh­re mag es Unei­nig­kei­ten über die genaue Erklä­rung des Zins­sat­zes geben, es besteht jedoch weitest­ge­hend Einig­keit darüber, dass der Zins­satz im Laufe der Kapi­tal­ak­ku­mu­la­ti­on und Sätti­gungs­ten­den­zen der Volks­wirt­schaft fällt. Ferner ist in jedem volks­wirt­schaft­li­chen Modell offen, ob die Varia­ble Zins­satz einen posi­ti­ven oder nega­ti­ven Wert annimmt. Die Höhe des gleich­ge­wich­ti­gen Zins­sat­zes ist eben mit abhän­gig von ande­ren Größen wie der Spar­quo­te, des Kapi­tal­stocks und der Wachs­tums­ra­te. Übri­gens gilt genau­so für Arbeits- oder Gewinn­ein­kom­men: es kann kein Recht auf eine Art oder eine bestimm­te Höhe eines Einkom­mens geben. Wenn das Volks­ein­kom­men 1 € beträgt, so kann nicht mehr als 1 € verteilt werden – das Recht auf ein Einkom­men impli­ziert damit die Enteig­nung an ande­rer Stelle. Bei vielen Rech­ten auf Sozi­al­trans­fers bzw. Versor­gungs­leis­tun­gen gilt das unzwei­fel­haft sinn­vol­le und gerech­te Umla­ge­prin­zip: die Arbei­ten­den zahlen über ihre Beiträ­ge die Trans­fers an die Arbeits­lo­sen, die Gesun­den zahlen über ihre Beiträ­ge für die Kran­ken, das Kinder­geld wird über die Steu­ern der Kinder­lo­sen aufge­bracht usw.. Und beim „Recht auf Zins“? Da bleibt ja nur die Arbeit – also sollte eine neue Kate­go­rie von Abga­ben auf die Arbeit einge­führt werden, damit auch in Nied­rig­zins­pha­sen die Kapi­tal­zin­sen abge­si­chert werden? Das Recht auf Zins­ein­kom­men ist also offen­sicht­li­cher Unsinn. Das Recht auf Zins ist eine Erfin­dung, um die Inter­es­sen des Kapi­tals in einer zur Sätti­gung stre­ben­den Volks­wirt­schaft zu vertei­di­gen. Ein zu hohes Zins­ni­veau verteu­ert Inves­ti­tio­nen und schafft damit Arbeits­lo­sig­keit – eine kaum mehr wach­sen­de Wirt­schaft ohne Arbeits­lo­sig­keit und ohne stei­gen­de Ungleich­heit kann nicht mit einem posi­ti­ven Zins­satz funk­tio­nie­ren. Das Fallen des Zins­sat­zes auf Null und sogar darun­ter ist die einzi­ge Möglich­keit, stei­gen­de Arbeits­lo­sig­keit, stei­gen­de Ungleich­heit, stei­gen­de Staats­ver­schul­dung und stei­gen­de Umwelt­zer­stö­rung zu vermeiden.
Ferdi­nand Wenzlaff

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Das Undenk­ba­re ist wirt­schaft-liche Reali­tät geworden
Die Pres­se­mit­tei­lung und die ausführ­li­che Ausar­bei­tung der Verbrau­cher­zen­tra­le zeigen beide, welche Erschüt­te­rung von nomi­na­len nega­ti­ven Zinsen ausge­hen. Real nega­ti­ve Zinsen haben wir ja schon lange, aber sie stan­den nicht so im Bewusst­sein und waren vor allem nicht Bestand­teil der Verträ­ge der Verbrau­cher mit ihren Banken, sondern allen­falls ein Bestand­teil ihrer jewei­li­gen Kalkulation.

Das Undenk­ba­re ist einge­tre­ten, Nega­tiv­zin­sen sind eine wirt­schaft­li­che Reali­tät gewor­den, die immer mehr Menschen betrifft – auch ganz norma­le Verbrau­cher könn­ten bald betrof­fen sein. Da ist es die Pflicht der Verbrau­cher­zen­tra­le genau zu prüfen, ob die Verträ­ge der Verbrau­cher mit ihren Banken es zulas­sen, den Zinsen einfach ein ande­res Vorzei­chen zu geben. Nega­ti­ve Zinsen galten bisher als undenk­bar, also sind sie in den Verträ­gen bisher nicht vorge­se­hen. Die Banken können sie daher nicht im Wege einer einsei­ti­gen Zins­än­de­rung in bestehen­de Verträ­ge einfüh­ren. „Pech gehabt!“ kann man den Banken daher nur zuru­fen. Und wenn sie sich auf den Wegfall der Geschäfts­grund­la­ge beru­fen wollen und eine Erfül­lung der Verträ­ge „nach Treu und Glau­ben“ (§ 242 BGB) verlan­gen, dann sollte man ihnen entge­gen­hal­ten, dass ein vertief­tes Studi­um der Volks­wirt­schaft auch die Frei­wirt­schafts­leh­re Silvio Gesells hätte umfas­sen müssen. Dann hätte es keine Über­ra­schung gegeben.

Die Verbrau­cher­zen­tra­le räumt aller­dings ein, dass die Banken in Neuver­trä­gen andere Vertrags­be­din­gun­gen verein­ba­ren, also auch Nega­tiv­zin­sen vorse­hen können. Solche Verträ­ge im Wett­be­werb der Banken um Kunden durch­zu­set­zen, wird nicht einfach sein. – Was die Verbrau­cher­zen­tra­le aller­dings verschweigt, ist der Umstand, dass die meis­ten Bank­ver­trä­ge seitens der Bank künd­bar sein dürf­ten – natür­lich auch ein Problem des Wett­be­werbs der Banken um Kunden. Da wird es vorher viele und lange Kunden­ge­sprä­che geben. Schließ­lich wird es aber doch für Alle neue Verträ­ge geben.

Wir Frei­wir­te wissen, dass die kurz­fris­ti­gen Zinsen noch viel stär­ker in den nega­ti­ven Bereich absin­ken müssen, wenn die Konjunk­tur schlecht und die Arbeits­lo­sig­keit hoch ist. Im Euro-Raum ist dieser Fall – mit Ausnah­me von Deutsch­land und weni­ger ande­rer Länder – längst gege­ben. Wir stehen also erst am Anfang eines Prozes­ses der wirt­schaft­li­chen und recht­li­chen Neuori­en­tie­rung Aller, auch der Banken und ihrer Kunden.
Eckhard Behrens

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