Die unsichtbare Kette: Zinsen, Geld und der Teufelskreis… – Eine Buchrezension

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Felix Fuders zeigt, warum der Schlüs­sel zur Errei­chung der UN-Nach­hal­tig­keits­zie­le in einer radi­ka­len Geld­re­form liegt.
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Ist der Zins nur eine Reak­ti­on auf wirt­schaft­li­che Entwick­lun­gen oder liegt in ihm die tiefe­re Ursa­che für die stän­di­ge Auswei­tung der Geld­men­ge und den damit verbun­de­nen Wachs­tums­zwang? Diese Grund­satz­fra­ge steht im Mittel­punkt des Buches von Felix Fuders, der die Erreich­bar­keit der UN-Nach­hal­tig­keits­zie­le auf den Prüf­stand stellt. Fuders unter­sucht, ob es möglich ist, eine nach­hal­ti­ge Zukunft zu gestal­ten, solan­ge das gegen­wär­ti­ge Geld­sys­tem unver­än­dert bleibt. In seinem Buch entfal­tet der Autor eine syste­ma­ti­sche Analy­se, die den Zusam­men­hang von Zins und Geld­schöp­fung in einem völlig neuen Licht erschei­nen lässt. „Der Zins gibt den Takt vor, nach dem die wert­schöp­fen­de Real­wirt­schaft zu tanzen hat“. Prof. Dr. Felix Fuders ist Profes­sor für Volks­wirt­schafts­leh­re, insbe­son­de­re Mikro­öko­no­mie und Ökolo­gi­sche Ökono­mie. Außer­dem ist er Direk­tor des Ökono­mi­schen Insti­tuts der Univer­si­tät Austral de Chile und des dorti­gen „Right Liveli­hood College“, Direk­tor SPRING Chile, Mitglied der Gesell­schaft für Nach­hal­tig­keit und im Netz­werk für Nach­hal­ti­ge Ökono­mie in Berlin und 1. Vorsit­zen­der der Initia­ti­ve für Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung e. V. (INWO) mit Sitz in Frankfurt.

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In seiner Metho­dik verbin­det Fuders theo­re­ti­sche Fundie­rung mit empi­ri­schen Beispie­len zur Unter­maue­rung seiner Thesen. Beson­ders bemer­kens­wert ist sein Ansatz, die Geld­schöp­fung und den Zins­me­cha­nis­mus nicht nur aus ökono­mi­scher, sondern auch aus gesell­schafts­po­li­ti­scher Perspek­ti­ve zu betrach­ten. Er analy­siert nicht nur die quan­ti­ta­ti­ven Aspek­te von Geld­men­ge und Zins, sondern bezieht auch quali­ta­ti­ve Fragen der Gerech­tig­keit und Nach­hal­tig­keit mit ein. Dabei folgt er einer klar struk­tu­rier­ten Argu­men­ta­ti­ons­li­nie, die von der Analy­se des Status quo zu konkre­ten Lösungs­vor­schlä­gen führt. Seine Vorge­hens­wei­se ermög­licht es dem Leser, die syste­mi­schen Proble­me des heuti­gen Wirt­schafts­sys­tems zu durch­drin­gen und die daraus abge­lei­te­ten Reform­vor­schlä­ge in einem größe­ren Kontext zu verstehen.

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Geld­schöp­fung aus dem Nichts? 

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Ein Thema, das von Exper­ten und Orga­ni­sa­tio­nen der alter­na­ti­ven Ökono­mie­sze­ne unter­schied­lich gewich­tet wird, ist die soge­nann­te „Geld­schöp­fung aus dem Nichts“ (ex nihilo). Hier spielt laut Fuders eine Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on der Bilan­zie­rungs­re­geln eine Rolle, nach der Banken Geld „aus dem Nichts“ schöp­fen, indem sie einfach Kredi­te verge­ben. Die vermeint­li­che Bilanz­ver­län­ge­rung findet nicht durch die Kredit­ver­ga­be selbst statt, sondern erst dann, wenn der Kredit­be­trag auf das Konto des Kredit­neh­mers über­wie­sen wird. In diesem Moment verlän­gert sich die Bilanz der Bank, weil sich auf der Passiv­sei­te die Verbind­lich­keit gegen­über dem Kunden erhöht. Durch die Tren­nung der beiden Vorgän­ge, Kredit­ver­ein­ba­rung einer­seits und Kredit­ge­wäh­rung (Auszah­lung) ande­rer­seits, kommt Fuders zu dem Schluss, dass der Kredit­be­trag nicht „aus dem Nichts“ geschaf­fen wird, sondern auf bereits vorhan­de­nen Reser­ven beruht. Wenn der Kredit­neh­mer den Betrag abhebt oder an eine andere Bank über­weist, führt dies nicht zu einer Auswei­tung der Bilanz der ursprüng­li­chen Bank. Fuders betont, dass der Prozess der Bilanz­aus­wei­tung im Banken­sek­tor insge­samt durch den so genann­ten „Geld­mul­ti­pli­ka­tor­ef­fekt“ erfolgt und nicht durch eine einzel­ne Bank, die einfach neues Geld schafft. Die falsche Ausle­gung beruht also auf einer Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on von Bilanz­pro­zes­sen und einem Miss­ver­ständ­nis der Rolle des Geldmultiplikators.

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Die Korrek­tur von Fuders zeigt also, dass die Auswei­tung der Geld­men­ge das Ergeb­nis kollek­ti­ver Akti­vi­tä­ten im Banken­sek­tor ist und nicht einer magi­schen „Geld­schöp­fung aus dem Nichts“ durch einzel­ne Banken. Diese Klar­stel­lung ist für das Verständ­nis der Mecha­nis­men hinter der Geld­schöp­fung und der Funk­ti­ons­wei­se des Finanz­sys­tems von entschei­den­der Bedeu­tung, denn sie rückt den aus Sicht des Autors entschei­den­den Aspekt in den Fokus: Die Hort­bar­keit des Geldes und die Auswei­tung der Geld­men­ge durch Zins und Zinseszins.

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Wieder­holt zitiert Fuders den Chemi­ker Frede­rick Soddy, der sich seit den 1920er Jahren auch wirt­schafts­wis­sen­schaft­li­chen Themen zuwand­te, weil er den inter­dis­zi­pli­nä­ren Einfluss der Ökono­mie erkann­te. In Bezug auf Geld schrieb dieser: „Money is a credit-debt rela­ti­onship from which none can effec­tual­ly escape”. (Geld ist ein Gutha­ben-Schul­den-Verhält­nis, dem sich niemand wirk­lich entzie­hen kann).

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Auf dem Weg zu seinen Lösungs­vor­schlä­gen erläu­tert Fuders, warum er die gängi­gen wirt­schafts­po­li­ti­schen Stra­te­gien für unzu­rei­chend hält. Ansät­ze wie die Modern Mone­ta­ry Theory (MMT) oder Voll­geld lösen für ihn das Grund­pro­blem des Zinses und des Wachs­tums­zwangs nicht. Er argu­men­tiert, dass diese Lösun­gen nur an der Ober­flä­che des Problems anset­zen und die zugrun­de­lie­gen­den Struk­tu­ren unan­ge­tas­tet lassen. Sein Ansatz basiert auf einer metho­disch fundier­ten Herlei­tung, die sowohl theo­re­ti­sche Analy­sen als auch histo­ri­sche Beispie­le einbe­zieht. Dabei bleibt Fuders stets wissen­schaft­lich korrekt, indem er verschie­de­ne Perspek­ti­ven kritisch beleuch­tet. Dennoch könnte man ihm vorwer­fen, dass er einige dieser Ansät­ze ausschließt, ohne mögli­che hybri­de Lösun­gen oder gradu­el­le Refor­men ausrei­chend zu berücksichtigen.

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Für Felix Fuders ist die Hort­bar­keit des Geldes der Schlüs­sel zum Verständ­nis der tiefe­ren Dyna­mik des Wachs­tums­zwangs. Im Gegen­satz zu natür­li­chen Ressour­cen kann Geld gehor­tet werden, was zu einer konti­nu­ier­li­chen Akku­mu­la­ti­on führt, die letzt­lich den Zinses­zins­ef­fekt verstärkt. Fuders zeigt, dass dieses Verhal­ten nicht nur sozia­le Ungleich­hei­ten fördert, sondern auch die Wirt­schaft zu stän­di­gem Wachs­tum zwingt, um die damit verbun­de­nen Zins­las­ten zu bedie­nen. Er stützt seine Argu­men­ta­ti­on nicht nur auf Silvio Gesell, sondern verweist auch auf neuere Forschun­gen in der Geld­theo­rie und der ökolo­gi­schen Ökono­mie, die das Problem der ‚fehlen­den Vergäng­lich­keit‘ des Geldes aufgrei­fen. So zieht er Paral­le­len zu ökolo­gi­schen Model­len, die zeigen, dass Wachs­tum in natür­li­chen Syste­men zyklisch und begrenzt ist – ein Prin­zip, das in der Wirt­schaft durch die Hort­bar­keit des Geldes unter­gra­ben wird.
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