Einfach weiter … bis man die Augen wieder öffnen kann – Karin Velinova
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Marktversagen als deren Ursache steigert die Dringlichkeit grundlegender Reformen
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Karin Velionova, Lehrerin an der Christliche Gesamtschule Bleibergquelle (CGB) in Velbert, lud im September 2022 das Oberhaupt des indigenen Yanesha-Volkes, Pablo Hoyos, zu einem Interview ein. Anlass war die Auszeichnung der Schule als „Regenwald-Schule“. 300 Kinder liefen beim Sponsorenlauf mit, um Geld für das Projekt „Mein Regenwald“ zu sammeln. Begleitet wurde Pablo Hoyos von Jens Bergmann. Er ist Gründer des Vereins „Chance e. V.“ in Köln. Der Verein steht u. a. dem indigenen Volk der Yanesha in Südamerika beim Kampf ums Überleben zur Seite. Das Projekt „Mein Regenwald“ geht aus dem Verein hervor und hat die Erhaltung des Regenwaldes in Afrika und Südamerika zum Ziel.- – -
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K.V.: Herzlich Willkommen, Jens Bergmann. Ich möchte dich zunächst fragen, wofür „Chance e. V.“ steht.
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J.B.: „Chance e. V.“ hat als Motto “für Mensch und Schöpfung”. Wir arbeiten für die Rechte Benachteiligter. Unsere Projekte finden in zwei der artenreichsten Regionen der Welt statt: Am Westrand Amazoniens in Zentralperu und in Kenia.
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Entwicklung als ganzheitlichen, selbstbestimmten, kollektiven Prozess fördern
K.V.: Auf eurer Homepage beschreibt sich der Verein als christliche Initiative für nachhaltige Entwicklung und Gerechtigkeit. Was macht ihr konkret?
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J.B.: Wir begleiten die indigenen Gemeinschaften vom Volk der Yanesha in Peru und vom Volk der Massai in Kenia dabei, ihre kollektiven Menschenrechte zu verstehen, zu verteidigen […] und vermitteln ihnen das Fachwissen, wie sie diese Rechte anwenden, einfordern und durchsetzen können.
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K.V.: Pablo, Sie sind das Oberhaupt des indigenen Yanesha-Volkes aus den Regenwäldern Amazoniens. Ihr Volk lebt in Peru. Was bedeutet der Regenwald für ihr Volk?
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P.H.: Der Regenwald ist für uns sehr wichtig. Aus ihm gewinnen wir unsere Medizin und Heilpflanzen. Aus dem Regenwald gewinnen wir aber auch unsere Nahrung und alles, was wir zum Leben brauchen. Unsere Kultur ist sehr eng mit diesem Ökosystem verbunden, ohne es zu schädigen, wie andere das machen.
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K.V.: Ihr Volk hat unter Vertreibung gelitten und es gibt auch heute noch Probleme. Welche sind das?
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P.H.: Bis heute müssen wir um unsere Territorien und um unseren Regenwald kämpfen. Bis heute gibt es illegale Landnahmen und Invasionen. Das ist das größte Problem.
Wir sind auch von nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung abgeschnitten. Es gibt kaum Bildungschancen. Das peruanische Gesundheitssystem dringt nicht bis zu uns vor. Und das macht in der heutigen Zeit unser Leben und Überleben schwer.
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K.V.: Inwieweit haben Sie selbst als Person und Oberhaupt von dem Projekt Chance e. V. profitiert?
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P.H.: Das Erste, was ich gelernt habe, so wie auch die anderen in unserem Volk, war, unsere Rechte zu verstehen und auch verteidigen zu können. Die Begleitung durch die NGOs hat uns
innerlich stark
gemacht.
Als ich zum Oberhaupt gewählt wurde, hätte ich mir niemals zugetraut, vor Behörden oder anderen öffentlichen Vertretern das Wort zu ergreifen. Heute bin ich Verhandlungsführer. Sowohl ich persönlich als auch mein Volk sind sehr glücklich über die Begleitung durch die NGOs.
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K.V.: Wie viele Mitglieder zählen die Yanesha heute?
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J.B.: Überlebt haben heute ungefähr 7.000 – 12.000 Yanesha. Weniger als 40 bis heute überlebende Dorfgemeinschaften.
Einige dieser Dorfgemeinschaften sind schon nicht mehr zu retten. In den letzten Jahren haben die Yanesha zwei Dörfer verloren. Die Kräfte, die gegen nachhaltige Entwicklung und indigene Rechte aktiv sind, sind beachtlich. Eigentlich ist das Kolonialzeitalter nie zu Ende gegangen.
Amazonien und die indigenen Territorien überall im globalen Süden werden bis heute kolonisiert. Und wie vor 500 Jahren geht es auch heute darum, Territorium zu kontrollieren, die ursprüngliche Bevölkerung zu entmachten oder zu verdrängen, um die Ressourcen ausbeuten zu können für den eigenen Nutzen.
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K.V.: Was sind das für Ressourcen?
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J.B.: Land in erster Linie. Bei den Yanesha geht es um Landschmuggel. Es lassen sich Lokalpolitiker oder anderen Menschen mit guten Verbindungen illegale Grundstücke in indigenen Territorien
eintragen, verkaufen sie dann weiter oder benutzen sie als Sicherheiten bei Banken, für Darlehen usw. Die Indigenen merken das manchmal erst 20 Jahre später. Dann ist es sehr schwer, alles rückgängig zu machen. Deshalb ist es so wichtig, die Landrechte staatlich anerkennen zu lassen, weil das Landrecht juristisch bestätigt ist.
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Ein starkes Gemeinwesen aufbauen
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K.V.: Man hört von verschiedenen Vereinen, dass sie Schulen gründen, Brunnen bauen oder Traktoren spenden. Wie sieht das bei euch aus?
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J.B.:Wir bauen nichts. Es ist häufig so, dass einzelne Infrastrukturprojekte leider langfristig zur Elitebildung in den Dorfgemeinschaften führen, weil einige diese Projekte besser für sich nutzen können als andere. Deshalb wollen wir das starke Gemeinwesen aufbauen helfen. Dazu gibt es unser transdisziplinäres Team. Jeder Lebensbereich einer Dorfgemeinschaft muss gestärkt und konsolidiert werden, und zwar von den Menschen selbst. Auf der Grundlage ihrer eigenen Werte und auf der Grundlage adäquaten Fachwissens.
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