Das „Bargeldproblem“: Ein Denkfehler, der sich weiter ausbreitet! – Jens Martignoni

Vor eini­gen Mona­ten ist ein neues „Working Paper“ des Inter­na­tio­na­len Währungs­fonds (IWF) erschie­nen, das sich mit der Frage befasst, ob man das Bargeld vom elek­tro­ni­schen Geld tren­nen könnte. Es geht dabei um ein Problem, dass die Zentral­ban­ken iden­ti­fi­ziert haben, als sie began­nen, nega­ti­ve Zinsen in der Geld­po­li­tik einzu­füh­ren. Dabei können zwar elek­tro­ni­sche gespei­cher­te Vermö­gen auf Konten mit einem Minus­zins belas­tet werden, nicht jedoch Bargeld, das in den Händen der Besit­zer seinen Nenn­wert behält. Es scheint deshalb attrak­tiv zu sein, große Beträ­ge in Bargeld zu horten, um damit einen Wert­ver­lust zu vermei­den. Dadurch würde aber das Ziel der Zentral­bank­po­li­tik gestört, die durch die nega­ti­ven Zinsen die Geld­be­sit­zer dazu forcie­ren will, ihr Geld nicht auf Konten zu bunkern. Bargeld böte also eine Ausweich­mög­lich­keit und vermin­der­te die Wirk­sam­keit der nega­ti­ven Zinsen. Man stellt sich vor, dass bei einer weite­ren Senkung der Nega­tiv­zin­sen immer mehr Perso­nen „ins Bargeld flüch­ten würden“ und damit die gewünsch­te Wirkung der Minus­zin­sen ausbleibt. Dieser Punkt wird nun auch aus Seite der Zentral­ban­ken als ein weite­rer gewich­ti­ger Grund für eine mögli­che Abschaf­fung des Bargel­des aufge­führt. Dies befeu­ert natür­lich noch­mals die macht­po­li­tisch gepräg­te Debat­te zur Bargeld­ab­schaf­fung, die Tobias Plet­ten­ba­cher bereits 2016 sehr umfas­send beschreibt (siehe seinen Arti­kel auf Monneta).
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Der Vorschlag, den die beiden IWF-Autorin­nen, Katrin Assen­ma­cher und Signe Krogs­trup nun entwi­ckelt haben, ist eine Tren­nung des Bargel­des vom Konto­geld (Giral­geld). Das Bargeld soll dabei als quasi eigen­stän­di­ge Paral­lel­wäh­rung geführt werden mit einer den Nega­tiv­zin­sen auf Konto­geld entspre­chen­den Entwer­tung. Die Autorin­nen schla­gen vor, dass die Zentral­bank die natio­na­le Währung in zwei Währun­gen auftei­len würde, in „Cash“ (Bargeld) und „Reser­ves“, also elek­tro­ni­sches Geld oder Konto­geld. Ein Nega­tiv­zins würde nun auch für Bargeld gelten und zwar so, dass beim Rück­tausch in elek­tro­ni­sches Geld dieses weni­ger wert wäre. Das bedeu­tet zum Beispiel: Wenn ich also bei einem Zins von – 3 % meine 100 € Bargeld nach einem Jahr auf mein Konto einzah­len würde, schrie­be man mir dort nur 97 € gut. Das Bargeld, ich bezeich­ne es ab jetzt mit der Währungs­ein­heit B€, würde also gegen­über dem Konto­geld (€) laufend abge­wer­tet. Das hätte zur Folge, dass die Preise in zwei Währun­gen ange­schrie­ben werden müss­ten: Das Thea­ter­ti­cket kostet dann z. B. 25 € bei Zahlung mit der Karte oder 29,95 B€ bei Barzah­lung. Der Preis­un­ter­schied steigt, je länger eine Minus­zins­pha­se andau­ert. Falls die Zentral­bank die Phase mit nega­ti­ven Zinsen been­det, solle sich die Situa­ti­on umkeh­ren lassen und das Bargeld würde lang­sam wieder an Wert gewin­nen, bis nach eini­ger Zeit wieder Pari­tät erreicht wäre. Diese Idee ist soweit sehr inter­es­sant und theo­re­tisch-finanz­tech­nisch viel­leicht durch­führ­bar. Zwei­prei­sig­keit im Handel und in den Geschäf­ten lässt sich lösen, insbe­son­de­re weil sofort klar ist, welche der beiden Währun­gen bevor­zugt wird, nämlich die Konto­wäh­rung, die weiter­hin als Wert­maß­stab dient.
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Obwohl es an sich posi­tiv ist, dass man sich auf über­ge­ord­ne­ter IWF-Ebene damit beschäf­tigt, wie man Bargeld weiter­hin erhal­ten könnte, entge­gen der laufen­den Abschaf­fungs­kam­pa­gnen der Zahlungs­dienst­leis­ter und Groß­ban­ken, bin ich sehr kritisch, was die Details angeht.
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Ausge­hend von der Frage, wofür es über­haupt (noch) Bargeld braucht, werden drei aktu­el­le Gründe in der heuti­gen Gesell­schaft genannt: • Schlüs­sel­rol­le im Detail­han­del • Hortung von Bank­no­ten als Spar­ver­mö­gen • Benut­zung als Mittel zur Steu­er­hin­ter­zie­hung und für ille­ga­le Aktivitäten
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Konkret werden damit also ein halb­wegs posi­ti­ver, ein als nega­tiv ange­se­he­ner und ein total nega­ti­ver Punkt als Grund für Bargeld genannt. Diese schwa­che und vorein­ge­nom­me­ne Analy­se stammt eigent­lich von Kenneth Rogoff, einem erklär­ten Bargeld­ab­schaf­fer und enthält bereits mehr Vorur­teil als Reali­tät. Im IWF-Papier werden dann später wenigs­tens noch zwei posi­ti­ve „Zusatz­vor­tei­le“ des Bargel­des genannt: • Anony­mi­tät: Schutz der Privat­sphä­re • Ener­gie­un­ab­hän­gig­keit: Wenig Beein­träch­ti­gung bei Strom- und Netz­aus­fäl­len, Schutz vor elek­tro­ni­schen Proble­men inkl. Viren
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Trotz­dem ist das für eine echte Analy­se der Funk­tio­nen und Vor- und Nach­tei­le von Bargeld außer­or­dent­lich schwach. Ganz entschei­den­de Punkte fehlen. Ich will hier nur vier Grund­funk­tio­nen nennen, die Bargeld im Moment in unse­rem Geld- und Wirt­schafts­sys­tem erfüllt:
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• Bargeld, d. h. Münzen und Noten, bilden nach wie vor die Grund­la­gen unse­rer Währungs­ord­nung, da nur sie die echte staat­li­che (resp. über­staat­li­che beim Euro) Währung darstel­len, die auch von allen benutzt werden kann (Giro-Zentral­bank­geld können nur Banken verwen­den). • Bargeld stellt denje­ni­gen Teil der Geld­men­ge dar, der „unver­schwind­bar“ ist, weil er schul­den­frei in Umlauf gebracht wurde (oder hätte gebracht werden können). Alles Banken­gi­ro­geld kann „verschwin­den“, denn das bei der Kredit­ge­wäh­rung der Geschäfts­ban­ken geschaf­fe­ne Geld muss gelöscht werden, sobald Kredi­te zurück­ge­zahlt werden. Deshalb ist Bargeld ein wich­ti­ger Stabi­li­sa­tor der Geld­men­ge. • Bargeld ist univer­sell zugäng­lich. Jeder kann Bargeld entge­gen­neh­men, verwal­ten oder ausge­ben. Giral­geld dage­gen bedingt einen Zugang zu einem Zahlungs­dienst­leis­ter, der diesen auch verwei­gern kann oder der durch Kosten/Gebühren de facto Menschen ausschlie­ßen kann. Bargeld ist also ein demo­kra­ti­sche­res Geld, als Giral­geld. • Bargeld ist Volks­geld: Während die unte­ren Schich­ten der Gesell­schaft einen Groß­teil (in gewis­sen Fällen wie z. B. Obdach­lo­sen oder Bett­ler 100 %) ihrer L
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