Eden: zur Aktualität der Reformgedanken – Dietrich Heißenbüttel

Das Kunst- und Diskus­si­ons­pro­jekt re:form will die Grün­dungs­ge­dan­ken der Orani­en­bur­ger Obst­bau­ko­lo­nie neu reflektieren.
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Die Bundes­kul­tur­stif­tung hat zuerst zuge­sagt. Aber der Eintrag ins Vereins­re­gis­ter lässt noch auf sich warten. Die Obst­bau­ko­lo­nie Eden in Orani­en­burg bei Berlin (s. zuletzt HUMANE WIRTSCHAFT 02/2017) feiert in diesem Jahr ihr 125-jähri­ges Bestehen und ist damit „die ältes­te noch bestehen­de lebens­re­for­me­ri­sche Sied­lungs­ge­nos­sen­schaft“ – so Judith Baum­gart­ner im großen, 2001 erschie­ne­nen, zwei­bän­di­gen Kata­log über die Lebens­re­form. Um diese Sied­lung der Pionie­re des huma­nen Lebens und Wirt­schaf­tens über Orani­en­burg hinaus wieder mehr ins Bewusst­sein zu rücken, aber auch, um die Impul­se, die von ihr ausgin­gen, aus heuti­ger Sicht neu zu beleuch­ten, hat sich der Verein re:form gegrün­det, der im Rahmen des Jubi­lä­ums mit Work­shops, Diskus­sio­nen und künst­le­ri­schen Projek­ten die Reform­ge­dan­ken neu veror­ten will. Initia­to­ren sind Karin Kasböck und Chris­toph Leit­ner, die als Künst­ler­duo unter dem Namen bank­leer firmie­ren und vor eini­gen Jahren, begeis­tert von der Geschich­te der Reform­sied­lung, nach Eden gezo­gen sind. Noch ist nicht alles in trocke­nen Tüchern, aber die Grund­ko­or­di­na­ten stehen, und bereits im April beginnt ein Semi­nar des Natu­ral Buil­ding Lab der TU Berlin, sich die Sied­lung anzu­se­hen, um im Lauf des Sommer­se­mes­ters Elemen­te für die Projekt­in­fra­struk­tur zu entwickeln.
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Das Programm soll sich zwischen zwei Polen von Mai bis Septem­ber entfal­ten, die zugleich den Edener Jubi­lä­ums­som­mer bestim­men: Der Auftakt am 26. und 27. Mai, fast genau 125 Jahre vor der histo­ri­schen Grün­dungs­ver­samm­lung im Berli­ner vege­ta­ri­schen Spei­se­haus Ceres, fällt mit der 125-Jahr-Feier der Sied­lung zusam­men. Einlei­tend wird eine alte Edener Tradi­ti­on, das „Aufwe­cken“, zu neuem Leben erweckt: Ange­lei­tet von zwei Choreo­gra­fin­nen, ziehen Edener Kinder in einer musi­ka­li­schen Prozes­si­on durch die Sied­lung, um den Beginn der Ereig­nis­se anzu­kün­di­gen. Die Auftakt­ver­an­stal­tung soll vor allem den Kenn­ler­nen dienen. In einer ersten Versamm­lung stel­len sich die Genos­sen­schaft, Edener Verei­ne und Akteu­re wie die Musik­werk­statt oder der Apfel­kräu­ter­gar­ten sowie einge­la­de­ne Gäste vor. Es folgt ein Rund­gang durch die Sied­lung und die Muse­ums­aus­stel­lung, um die Örtlich­kei­ten und ihre wech­sel­haf­te Geschich­te vorzu­stel­len. Anschlie­ßend finden sich Edener und Gäste zu eigen­stän­di­gen Work­shop-Grup­pen zusam­men: Garten­bau-Initia­ti­ven aus Berlin treten in einen Dialog mit Edener Gärtner/innen. Die Koch­grup­pe tauscht sich aus mit Vertre­tern vega­ner Ernäh­rung. Eine Thea­ter-AG wird auf den Spuren der frühe­ren Wiener Hofschau­spie­le­rin Anna Rubner, die zwischen den beiden Welt­krie­gen in Eden gelebt und mit der Heimat­büh­ne mehr als 300 Stücke aufge­führt hat, ein Programm zur Geschich­te der Sied­lung erarbeiten.
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Lebens­re­form, Boden­re­form und Wirt­schafts­re­form: Dies waren die drei Grün­dungs­ge­dan­ken der Sied­lungs­ge­nos­sen­schaft, wie sie im Emblem mit den drei stili­sier­ten Bäumen zum Ausdruck gelangen.
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Jedem dieser drei Schwer­punk­te ist den Sommer über ein „Eden-Salon“ gewid­met. Ausge­wie­se­ne Kenner des jewei­li­gen Themas disku­tie­ren mit Edenern über die Ausgangs­punk­te der Reform­be­we­gung, über die Edener Entwick­lung bis heute und über die Aktua­li­tät oder eine mögli­che Aktua­li­sie­rung der Reform­an­sät­ze. Von 1911 an hat Silvio Gesell in Eden gelebt und hier sein Haupt­werk „Die Natür­li­che Wirt­schafts­ord­nung durch Frei­land und Frei­geld“ geschrie­ben. Im drit­ten Eden-Salon am 26. August wird HUMANE WIRTSCHAFT mit Bewoh­nern der Sied­lung die Aktua­li­tät seiner Gedan­ken diskutieren.
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Das tradi­tio­nel­le Apfel­fest, dieses Jahr am 23. Septem­ber, soll den Rahmen bilden, um in einer fünf­tä­gi­gen Sommer­aka­de­mie die Ernte einzu­fah­ren, im ganz wört­li­chen wie im über­tra­ge­nen Sinne. Der Garten­bau-Work­shop wird die Ergeb­nis­se seiner im Sommer ange­leg­ten Beete präsen­tie­ren. Der Koch-Work­shop über­nimmt die Verpfle­gung. Eine Ausstel­lung zeigt den Blick heuti­ger Künst­ler auf die Reform­sied­lung. Die Diskus­sio­nen aus den Salons werden noch einmal aufge­grif­fen. Das Programm der Thea­ter­grup­pe gelangt zur Auffüh­rung. Zum krönen­den Höhe­punkt erscheint eine Zeit­schrift, in der eine Künst­le­rin mit Bewoh­nern Edens die 125-jähri­ge Geschich­te der Sied­lung aufar­bei­tet. Eine abschlie­ßen­de Diskus­si­on soll noch einmal alle Ereig­nis­se und Diskus­sio­nen Revue passie­ren lassen, um zu einer Einschät­zung über mögli­che Zukunfts­per­spek­ti­ven zu gelangen.
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Denn Eden, das darf nicht verschwie­gen werden, stand schon einmal besser da. Aus verschie­de­nen Grün­den (s. HUMANE WIRTSCHAFT 06/2017) sind die Bedin­gun­gen, unter denen die Sied­lung 1932 mit dem 8. Inter­na­tio­na­len Vege­ta­ri­er-Kongress einen Höhe­punkt ihrer Entwick­lung erreich­te, heute so nicht mehr gege­ben. Zugleich sind aber die Grün­dungs­ge­dan­ken unver­min­dert aktu­ell – viel­leicht so aktu­ell wie nie. Eine sozia­le und ökolo­gi­sche Reform, die den schäd­li­chen Auswir­kun­gen der derzei­ti­gen Wirt­schafts­form eine Alter­na­ti­ve entge­gen­setzt, wäre drin­gend nötig. Aus der Geschich­te Edens neue Ansät­ze zu gewin­nen – nicht nur für die Reform­sied­lung selbst – ist das erklär­te Ziel des Projekts. „re:form“, so heißt es im Projekt­an­trag: „damit ist gemeint, die Impul­se der Lebens­re­form aus den Grün­der­ta­gen der Sied­lung auf einen aktu­el­len Stand zu brin­gen; die Reform zu refor­mie­ren; und für grund­le­gen­de lebens­re­for­me­ri­sche Gedan­ken, die an sich keines­wegs an Bedeu­tung verlo­ren haben, neue Formen zu finden, vorzu­stel­len und zu diskutieren.“
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