Globalisierung neu denken – Buchrezension von Jens Langer

Chris­toph Körner: „Christ­li­che Sozi­al­öko­no­mie – Auf dem Weg zu Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöp­fung“ Reli­gi­on & Kultur Verlag, Zell am Main 2017, 234 S., Taschen­buch, € 20,–, ISBN 978–3‑93389–129‑7 https://buch-findr.de/buecher/christliche-sozialoekonomie/ – - – 

Ausge­rech­net 1989 reich­te Chris­toph Körner, Autor des vorzu­stel­len­den Buches, seine Disser­ta­ti­on bei der Univer­si­tät Leip­zig ein. „Not und Notwen­dig­keit der poli­ti­schen Predigt. Erwä­gun­gen zu einem homi­le­ti­schen Problem“ laute­te das Thema. Diesem ist er treu geblie­ben und weitet es nun auf die Sozi­al­öko­no­mie aus; denn er will den Graben zwischen Fröm­mig­keit und Wirt­schaft über­win­den. Für ihn steht fest, dass Loya­li­tät gegen­über der bibli­schen Über­lie­fe­rung und Soli­da­ri­tät mit der Welt­ge­sell­schaft zusam­men­ge­hö­ren, und zwar nicht erst bei ihm, sondern origi­när von den Quel­len her. Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöpfung/Natur müssen Sach­in­hal­te von Wort und Tat derje­ni­gen blei­ben, die sich zu dieser Tradi­ti­on beken­nen. Das ist vielen Menschen in den Kirchen nicht bewusst und jenseits dersel­ben noch viel weni­ger. Körner steu­ert gegen. Dieser theo­lo­gi­sche Aufklä­rer! Stüt­zen kann er sich dabei auf die Erfah­run­gen der ethisch-ökolo­gisch orien­tier­ten Grup­pen aus der Endzeit der DDR und auf den fast verges­se­nen Konzi­lia­ren Prozess für Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöp­fung aus eben­der­sel­ben Epoche: Jede Exis­tenz ist poli­tisch, die Rück­kopp­lung an die bibli­sche Tradi­ti­on lässt erken­nen, dass Poli­tik dennoch nicht alles ist. Damals wurde ausge­spro­chen, dass der Mensch von der soge­nann­ten „Krone der Schöp­fung“ längst zur „Krone der Erschöp­fung“ mutiert ist. Es geht um Rettung der Ressour­cen und einen gene­ra­tio­nen­ge­rech­ten Zugang zu ihnen, gegen das Wachs­tums­dog­ma und die Vernich­tung der „Mitwelt“. Das soll nicht als allge­mei­ne Theo­rie prokla­miert werden, sondern wird Inhalt einer Selbst­ver­pflich­tung „zu einem persön­li­chen Aufbruch“ (S.21).
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Das Thema Gerech­tig­keit bringt Körner ein als Forde­rung nach einem neuen Gesell­schafts­ver­trag. Die alten Verab­re­dun­gen sind gebro­chen worden. Der Staat etwa ist schon lange nicht mehr unab­hän­gi­ger Schieds­rich­ter, sondern Vertre­ter der parti­ku­la­ren Inter­es­sen von Auto­her­stel­lern, Land­wir­ten und Chemie­in­dus­trie. Das hat der Autor schon 1999 und 2005 vorge­tra­gen und vertieft es nun im Blick auf die Unab­hän­gig­keit der parla­men­ta­ri­schen Volks­ver­tre­tung, Verstär­kung der Bürger­initia­ti­ven, Geschlech­ter­ge­rech­tig­keit und Parti­zi­pa­ti­on anstatt Neoli­be­ra­lis­mus. Damit sind Ziele des langen Weges vom „Pathos des Großen“ zum „Ethos des Klei­nen“ umrissen.
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Zum Schwer­punkt ”Frie­den“ schöpft Körner aus dem reichen Fundus seiner loka­len Praxis und über­re­gio­na­len Vernet­zung. Tage­buch­aus­zü­ge doku­men­tie­ren, wie er mit Verbün­de­ten sich dafür einsetz­te, feind­se­li­ge Abgren­zun­gen zu über­win­den, beispiel­haft darge­stellt an den Frie­dens­ge­be­ten für Kuwait im dama­li­gen Golf­krieg. Er orga­ni­sier­te in der Hoch­schul­stadt Mitt­wei­da Demons­tra­tio­nen und Mahn­wa­chen, deren Offen­heit beilei­be nicht gene­rell begrüßt wurde. Denn daran betei­lig­ten sich auch Vertre­ter von Grünen und PDS, sowie Schü­ler – und alles nicht nach Konfes­si­on sortiert. Auch der eigene Kirchen­vor­stand stellt sich gegen den Frie­dens­ak­ti­vis­ten, Pfar­rer der Orts­ge­mein­de und der Evan­ge­li­schen Studentengemeinde. – - – 

Körner lebt, handelt und argu­men­tiert aus Ehrfurcht vor dem Leben, wie Albert Schweit­zer sie formu­liert hat. Dazu gehö­ren heute „voraus­schau­en­de Gefah­ren­ein­schät­zung“ und Einsatz für nach­hal­ti­ge Entwick­lung – also leben und arbei­ten im Einklang mit der Natur und nicht mit dem Effekt ihrer Zerstö­rung durch rück­sichts­lo­se Verwertung.
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Mehr­fach wird die Rolle des Geldes als Schatz- und Gewalt­mit­tel in der Gesell­schaft reflek­tiert, aber vor allem seine Entmach­tung und Indienst­nah­me für die Entfal­tung von Leben. Dabei kommt auch das verdräng­te Kapi­tel des kirch­li­chen Devi­sen­flus­ses von West nach Ost bei star­kem Inter­es­se des DDR-Staa­tes zur Spra­che. Darüber hinaus entfal­tet der Autor hier ange­deu­te­te Aspek­te seiner Theo­rie und Praxis des Geldes noch einmal auf vier­zig Seiten und setzt sich vehe­ment ein, den „meta­phy­si­schen Charak­ter des Geldes“ zu entmy­tho­lo­gi­sie­ren. Zustim­mend zitiert er Bins­wan­ger: „Die moder­ne Wirt­schaft ist eine Fort­set­zung der Alche­mie mit ande­ren Mitteln.“ (S. 148) Körner kann auf zahl­rei­che nach­hal­ti­ge Expe­ri­men­te in verschie­de­nen Regio­nen verwei­sen, durch die solche Entmy­tho­lo­gi­sie­rung erfolgt und eine Währung prak­tisch als ursprüng­li­ches Tausch­mit­tel wieder einge­setzt wird: „Regio­geld als Mittel für regio­na­les Wirt­schaf­ten“. Entspre­chend plädiert Körner, was den Umgang mit dem Boden angeht, für eine Ökoge­rech­tig­keit, die Stau­nen als „eine ursprüng­li­che Erfah­rung des Heili­gen in dem, was nicht unser ist, sondern gelie­hen oder anver­traut“, inter­pre­tiert. Ebenso plädiert er für „die prophe­ti­sche Forde­rung der Gerech­tig­keit“, die allen Lebe­we­sen ihren Anteil am Leben selbst lässt.
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Für Körner verdient nicht nur Schaf­fen im Erwerbs­in­ter­es­se den Titel „Arbeit“, sondern alles Tun für Haus und Fami­lie sowie auch die physi­sche und psychi­sche Rege­ne­ra­ti­ons­ar­beit. Für alle sollte es Einkom­men geben! So wird das Ganze zu einem Kontrast­pro­gramm, um die globa­len Fehl­ent­wick­lun­gen zu über­win­den. Körner stif­tet commu­ni­ties einer „Mikro­kon­trast­ge­sell­schaft“ an, sich dem Kampf zwischen David und Goli­ath zu stel­len. Bei Kennt­nis der anti­ken Erzäh­lung eine hoff­nungs­vol­le Perspek­ti­ve, insbe­son­de­re, wenn auf der Makro­ebe­ne die vom Autor genann­ten Bünd­nis­se mit ande­ren sozia­len Bewe­gun­gen wie ATTAC und Gewerk­schaf­ten berück­sich­tigt werden.
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Vor dem Schluss­ka­pi­tel fügt der Autor über­ra­schend eigene Prosa und Lyrik zum Thema Gerech­tig­keit, Frie­den und Bewah­rung der Schöp­fung ein. So findet die Leser­schaft neben aller analy­ti­schen Ratio auch befrei­en­de Emotio­nen in den unter­schied­li­chen lite­ra­ri­schen Formen. Das gehört gewis­ser­ma­ßen auch zur Schluss­bi­lanz, in der Körner doku­men­tiert, wie christ­li­che Sozi­al­öko­no­mie lang­sam immer weite­re Kreise erfasst. 

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