Paradox – Editorial
Vor ihm lag die Flusslandschaft. Ein Leben spendender Strom umgeben von Natur. Einzelne Menschen versuchten, im Wasser Verunreinigungen zu beseitigen, die sie entdeckten. Er war zuvor zur Quelle gegangen und erkannte, dass der Fluss einer ständigen Vergiftung ausgesetzt ist. Er rief den Geschäftigen zu: „Was Ihr tut ist löblich, aber nicht nachhaltig. Geht zum Ursprung und kümmert Euch um das dort eingebrachte Gift.“ Doch niemand nahm ihn ernst. Sie sagten, er solle mithelfen, statt nur zu reden.
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Zum Jahresanfang habe ich mir als Editorial-Begleiter einen Amerikaner herausgesucht. Das macht Sinn. Ab 20. Januar ist das Augenmerk der Welt auf den neuen US-Präsidenten gerichtet. Mit Spannung wird erwartet, was von diesem unerwartet Triumphierenden erwartet werden kann. Mehr als laut schmetternde Töne?
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Ich wählte den in Pennsylvania geborenen Quantenphysiker und Philosophen David Bohm (1917–1992) aus. Er bezeichnete im Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen als „Paradox“, was von anderen „Problem“ genannt wird. Von Letzteren spricht man, wenn die zu lösende „Sache“ unabhängig von handelnden Personen existiert. In »Beziehungsfragen« ist man gut beraten, statt ein Problem beseitigen zu wollen, unaufhörlich dem Paradox Aufmerksamkeit zu widmen. Für Paradoxe gibt es keine Lösungen. Will man sie auflösen, braucht es eine andere Herangehensweise.
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Eine zusätzliche Anleihe bei dem Philosophen entnahm ich mit der eingangs erwähnten Analogie des vergifteten Flusses. Im „Fluss“ des Wirtschaftens stehen wir nicht nur alle miteinander in Verbindung, sondern auch mit der Natur, die den Fluss in sich aufgenommen hat. Das Hilfsmittel Geld wird berechtigt als das „Blut der Wirtschaft“ bezeichnet. Würde man es kontaminieren, was bedeutete das für den Wirtschaftsfluss?
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Wann immer Blut Klumpen bildet, besteht Lebensgefahr für Organismen. Gleiches gilt, wenn es zu Agglomerationen (lat: agglomerare-sich bündeln) von Geld im Wirtschaftskreislauf kommt. Fehler in der strukturellen Verfassung des Geldsystems haben Auswirkungen auf alle Beziehungen im Wirtschaftsorganismus. Das hat Paradoxen zur Folge. In der Zinsnahme, allgemeiner ausgedrückt in der Rente (von: rentieren), steckt jene Dosis, die aus Medizin Gift werden lässt.
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Die Beseitigung der Umweltschäden unseres Wirtschaftsstroms ist sinnlose Sisyphos-Arbeit, solange sie nicht mit der Entgiftung an der Quelle einhergeht. Stromabwärts erledigte Reparaturen lösen neue Probleme aus, die wiederum Handlungen erzwingen. Ursprünglich nicht erkannte und behandelte Probleme führen im Wirtschaftsfluss zu Paradoxen, weil Wirtschaften „in Beziehung stehen“ bedeutet. Der Zusammenhang, die Kohärenz, wird aufgelöst und es entstehen einander widersprechende Interessen und fragmentierte Sichtweisen. Dahinter scharen sich die Gespaltenen in solche, die sich gegen das eine, bzw. für das andere entschieden haben. Beispielsweise widmet man nicht dem Paradox sozialer Ungleichheit Aufmerksamkeit, sondern den widersprüchlichen politischen Problemlösungsvorschlägen. Mit dem Ergebnis, sich auf irgendeine Seite als die vermeintlich richtige zu schlagen.
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In einer Atmosphäre gegenseitiger Herabwürdigung braucht es niemanden zu wundern, dass überzeugend trompetende Verfechter von angeblichen Problemlösungen zu demokratischen Mehrheiten kommen. Sie versprechen den in isolierten Schicksalen befindlichen Besserung. „Ich beseitige die Verunreinigung Eures Flussabschnittes“, posaunen sie hinaus, um im Bohmschen Bild zu bleiben. Ergänzt um Feindbilder, die aufzubauen in einer fragmentiert wahrgenommenen Welt nicht schwer ist, haben wir eine tödliche Giftsuppe.
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Kein Mensch will die Umwelt zerstören, keiner will Krieg und schon gar nicht grassierende Armut und Elend. Doch all das geschieht in zunehmendem Maße. Gigantische Paradoxe, denen beharrlich Aufmerksamkeit zu schenken sich lohnen würde. Stattdessen bekriegt man sich im Problemlösungs-Klein-Klein so lange bis die Zerrissenheit der Gesellschaft irreparabel ist und nur noch Chaos herrscht. Im Bereich des Geldsystems stehen wir vor einem Problem, für das eine Lösung gefunden werden kann. Im Bereich der sozialen und ökologischen Auswirkungen des Problems befinden wir uns entweder auf der Ebene von Paradoxen, für die es keine erkennbaren Lösungen geben kann oder in einer „Problem-Kaskade“, in der die Lösung das nächste Problem erzeugt. Eine grundlegend veränderte Herangehensweise ist geboten. Über eine solche, ließe sich auch dem Problem an der Quelle auf die Spur kommen. Ob das sich abzeichnende kollektive Milieu des Jahres 2017 eine derartige Besinnung hervorbringt, darf nach aktuellem Stand der Dinge bezweifelt werden. Was mich nicht daran hindern wird, gemeinsam mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen „Mikrokosmos“ zu schaffen, der den Paradoxen dieser Welt unaufhörlich Aufmerksamkeit schenkt. Auf dass sie sich auflösen und uns als Gemeinschaft bewusstwerden lassen, dass wir eins sind mit dem wunderbarsten Universum, das man sich überhaupt nur vorstellen kann.
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Herzlich grüßt Ihr Andreas Bangemann
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Zum Jahresanfang habe ich mir als Editorial-Begleiter einen Amerikaner herausgesucht. Das macht Sinn. Ab 20. Januar ist das Augenmerk der Welt auf den neuen US-Präsidenten gerichtet. Mit Spannung wird erwartet, was von diesem unerwartet Triumphierenden erwartet werden kann. Mehr als laut schmetternde Töne?
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Ich wählte den in Pennsylvania geborenen Quantenphysiker und Philosophen David Bohm (1917–1992) aus. Er bezeichnete im Hinblick auf zwischenmenschliche Beziehungen als „Paradox“, was von anderen „Problem“ genannt wird. Von Letzteren spricht man, wenn die zu lösende „Sache“ unabhängig von handelnden Personen existiert. In »Beziehungsfragen« ist man gut beraten, statt ein Problem beseitigen zu wollen, unaufhörlich dem Paradox Aufmerksamkeit zu widmen. Für Paradoxe gibt es keine Lösungen. Will man sie auflösen, braucht es eine andere Herangehensweise.
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Eine zusätzliche Anleihe bei dem Philosophen entnahm ich mit der eingangs erwähnten Analogie des vergifteten Flusses. Im „Fluss“ des Wirtschaftens stehen wir nicht nur alle miteinander in Verbindung, sondern auch mit der Natur, die den Fluss in sich aufgenommen hat. Das Hilfsmittel Geld wird berechtigt als das „Blut der Wirtschaft“ bezeichnet. Würde man es kontaminieren, was bedeutete das für den Wirtschaftsfluss?
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Wann immer Blut Klumpen bildet, besteht Lebensgefahr für Organismen. Gleiches gilt, wenn es zu Agglomerationen (lat: agglomerare-sich bündeln) von Geld im Wirtschaftskreislauf kommt. Fehler in der strukturellen Verfassung des Geldsystems haben Auswirkungen auf alle Beziehungen im Wirtschaftsorganismus. Das hat Paradoxen zur Folge. In der Zinsnahme, allgemeiner ausgedrückt in der Rente (von: rentieren), steckt jene Dosis, die aus Medizin Gift werden lässt.
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Die Beseitigung der Umweltschäden unseres Wirtschaftsstroms ist sinnlose Sisyphos-Arbeit, solange sie nicht mit der Entgiftung an der Quelle einhergeht. Stromabwärts erledigte Reparaturen lösen neue Probleme aus, die wiederum Handlungen erzwingen. Ursprünglich nicht erkannte und behandelte Probleme führen im Wirtschaftsfluss zu Paradoxen, weil Wirtschaften „in Beziehung stehen“ bedeutet. Der Zusammenhang, die Kohärenz, wird aufgelöst und es entstehen einander widersprechende Interessen und fragmentierte Sichtweisen. Dahinter scharen sich die Gespaltenen in solche, die sich gegen das eine, bzw. für das andere entschieden haben. Beispielsweise widmet man nicht dem Paradox sozialer Ungleichheit Aufmerksamkeit, sondern den widersprüchlichen politischen Problemlösungsvorschlägen. Mit dem Ergebnis, sich auf irgendeine Seite als die vermeintlich richtige zu schlagen.
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In einer Atmosphäre gegenseitiger Herabwürdigung braucht es niemanden zu wundern, dass überzeugend trompetende Verfechter von angeblichen Problemlösungen zu demokratischen Mehrheiten kommen. Sie versprechen den in isolierten Schicksalen befindlichen Besserung. „Ich beseitige die Verunreinigung Eures Flussabschnittes“, posaunen sie hinaus, um im Bohmschen Bild zu bleiben. Ergänzt um Feindbilder, die aufzubauen in einer fragmentiert wahrgenommenen Welt nicht schwer ist, haben wir eine tödliche Giftsuppe.
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Kein Mensch will die Umwelt zerstören, keiner will Krieg und schon gar nicht grassierende Armut und Elend. Doch all das geschieht in zunehmendem Maße. Gigantische Paradoxe, denen beharrlich Aufmerksamkeit zu schenken sich lohnen würde. Stattdessen bekriegt man sich im Problemlösungs-Klein-Klein so lange bis die Zerrissenheit der Gesellschaft irreparabel ist und nur noch Chaos herrscht. Im Bereich des Geldsystems stehen wir vor einem Problem, für das eine Lösung gefunden werden kann. Im Bereich der sozialen und ökologischen Auswirkungen des Problems befinden wir uns entweder auf der Ebene von Paradoxen, für die es keine erkennbaren Lösungen geben kann oder in einer „Problem-Kaskade“, in der die Lösung das nächste Problem erzeugt. Eine grundlegend veränderte Herangehensweise ist geboten. Über eine solche, ließe sich auch dem Problem an der Quelle auf die Spur kommen. Ob das sich abzeichnende kollektive Milieu des Jahres 2017 eine derartige Besinnung hervorbringt, darf nach aktuellem Stand der Dinge bezweifelt werden. Was mich nicht daran hindern wird, gemeinsam mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen „Mikrokosmos“ zu schaffen, der den Paradoxen dieser Welt unaufhörlich Aufmerksamkeit schenkt. Auf dass sie sich auflösen und uns als Gemeinschaft bewusstwerden lassen, dass wir eins sind mit dem wunderbarsten Universum, das man sich überhaupt nur vorstellen kann.
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Herzlich grüßt Ihr Andreas Bangemann
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